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Der Frauenkrieg

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»Insgeheim abreisen, wie Missethäter davonschleichen!« rief die junge Herzogin. »Oh! was wird der Herr Prinz sagen, wenn er erfährt, daß seine Mutter, seine Gattin und sein Sohn sich einer solchen Schmach unterzogen haben?«

»Ich weiß nicht, was er sagen wird, aber wenn es Euch gelingt, verdankt er Euch seine Freiheit, wenn Ihr scheitert, gefährdet Ihr seine Hilfsmittel und besonders seine Lage nicht, wie Ihr dies durch eine Schlacht thun würdet.«

Die Wittwe erbleichte einen Augenblick und sprach sodann mit einem Antlitz voll rührender Schwermuth:

»Lieber Herr Lenet, überredet meine Tochter, denn ich meines Theils bin genöthigt, hier zu bleiben. Ich habe bis jetzt gekämpft, aber endlich unterliege ich; der verzehrende Kummer, den ich umsonst zu verbergen suche, um diejenigen, welche mich umgeben, nicht zu entmuthigen, wird mich an ein Schmerzenslager fesseln, das vielleicht mein Sterbebett sein wird; doch Ihr habt es gesagt: Man muß vor Allem auf Sicherung des Wohles der Condé bedacht sein. Meine Schwiegertochter und mein Enkel werden Chantilly verlassen und, wie ich hoffe, vernünftig genug sein, Eure Rathschläge, ich sage noch mehr, Eure Befehle zu befolgen. Befehlt, Lenet, man wird vollziehen.«

»Ihr erbleicht, Madame!« rief Lenet, die Wittwe unterstützend, welche die Frau Prinzessin, beunruhigt über diese Blässe, bereits in die Arme genommen hatte.

»Ja,« sagte die Wittwe immer schwächer werdend, »ja, die guten Nachrichten von heute haben mir mehr wehe gethan, als die Bangigkeiten der letzten Tage. Ich fühle, daß das Fieber mich verzehrt; aber geben wir nichts davon kund, das könnte uns in einem solchen Augenblick schaden.«

»Madame,« sprach Lenet mit leiser Stimme, »die Unpäßlichkeit Eurer Hoheit wäre eine Wohlthat des Himmels, wenn Eure Person nicht litte. Bleibt im Bette, verbreitet das Gerücht von dieser Krankheit. Ihr Madame,« fuhr er, sich an die junge Prinzessin wendend, fort, »laßt Euren Arzt Bourdelot rufen, und da wir bald die Ställe und Equipagen werden in Anspruch nehmen müssen, kündigt überall an, es sei Eure Absicht, im Park einen Hirsch zu hetzen. Auf diese Art wird Niemand überrascht sein, Menschen, Waffen und Pferde in Thätigkeit zu sehen.«

»Aber ein so vorsichtiger Mann, wie Ihr seid, Lenet, muß doch fühlen, daß man sich über diese seltsame Jagdpartie im Augenblick, wo meine Frau Mutter krank wird, wundern dürfte?«

»Es ist auch für Alles vorhergesehen, Madame. Wird nicht der Herr Herzog von Enghien übermorgen sieben Jahre alt und muß aus den Händen der Frauen treten?

»Ja.«

»Wohl, wir sagen, diese Jagdpartie gelte dem Anlegen der ersten Hose des jungen Prinzen, und Ihre Hoheit habe so sehr darauf bestanden, ihre Krankheit dürfe dieser Feier keinen Eintrag thun, daß Ihr dem Drängen habet nachgeben müssen.«

»Ein vortrefflicher Gedanke!« rief mit einem freudigen Lächeln die Wittwe, ganz stolz auf diese erste Verkündigung der Männlichkeit ihres Enkels; »ja, der Vorwand ist gut, und in der That, Lenet, Ihr seid ein würdiger Rath.«

»Aber der Herzog von Enghien wird in einem Wagen sein, um der Jagd zu folgen?« fragte die Prinzessin.

»Nein, Madame, zu Pferde. Oh! Euer mütterliches Herz erschrecke darüber nicht. Ich habe einen kleinen Sattel erfunden, den Vialas, sein Stallmeister, vor dem Bogen des seinigen anbringen wird; auf diese Art ist uns Monseigneur der Herzog von Enghien im Gesichte, und wir können am Abend in voller Sicherheit abreisen; denn, setzt den Fall, man müßte die Flucht ergreifen so wird der Herr Herzog von Enghien überall durchkommen, während ihn zu Wagen das Erste Hindernis aufhielte.«

»Ihr gedenkt also zu reisen?«

»Übermorgen Abend, Madame, wenn Eure Hoheit keinen Grund hat, ihre Abreise zu verzögern.«

»Oh! Nein, im Gegentheil, wir wollen uns sobald als möglich aus unserem Gefängniß entfernen, Lenet.«

»Und was macht Ihr, seid Ihr einmal aus Chantilly?« fragte die Wittwe.

»Wir ziehen durch das Heer von Herrn von Saint-Aignan, dem wir wohl eine Binde um die Augen zu legen im Stande sein werden. Wir stoßen zu Herrn von Larochefoucault und seinem Geleite und gelangen nach Bordeaux, wo man uns erwartet. Sind wir einmal in der zweiten Stadt des Königreichs, in der Capitale des Südens, so können wir unterhandeln oder Krieg führen, wie es Euren Hoheiten beliebt. Uebrigens beehre ich mich, Euch daran zu erinnern, Madame, daß wir selbst in Bordeaux eine Hoffnung haben, uns lange zu halten, wenn wir nicht in der Umgebung einige Plätze besitzen, welche die königlichen Treppen nöthigen, eine Diversion zu machen. Zwei von diesen Plätzen sind besonders von großem Belange Vayres, das die Dordogne beherrscht und das Einbringen der Lebensmittel in die Stadt gestattet, und die Insel Saint-Georges, welche von den Bordelesen selbst als der Schlüssel ihrer Stadt betrachtet wird. Aber wir werden später hieran denken; für den Augenblick denken wir nur daran, von hier wegzukommen.«

»Ich glaube, es wird nichts leichter sein,« sprach die Frau Prinzessin. »Wir sind allein und die Herren hier, was Ihr auch sagen möget, Lenet.«

»Rechnet auf nichts, Madame, ehe Ihr in Bordeaux seid; nichts ist leicht bei dem teuflischen Geiste von Herrn von Mazarin, und wenn ich gewartet habe, bis wir allein waren, um Euren Hoheiten meinen Plan auseinanderzusetzen, so geschah dies zur Wahrung meines Gewissens, das schwöre ich Euch; denn ich fürchte in diesem Augenblick sogar für die Sicherheit des Planes, den mein Kopf allein ersonnen hat, und den Eure Ohren allein vernahmen. Herr von Mazarin erfährt die Nachrichten nicht, er erräth sie.«

»Oh! ich fordere ihn heraus, diesen Plan zu vereiteln,« sprach die Prinzessin; »aber geleiten wir meine Frau Mutter in ihre Gemächer; schon heute werde ich das Gerücht von der Jagdpartie verbreiten, welche wir übermorgen halten wollen. Macht die Einladungen, Lenet.«

»Verlaßt Euch auf mich, Madame.«

Die Wittwe ging in ihre Wohnung zurück und legte sich zu Bette. Bourdelot, der Arzt des Hauses Condé und Lehrer des Herrn Herzogs von Enghien, wurde gerufen. Die Nachricht von dieser unerwarteten Unpäßlichkeit verbreitete sich alsbald in Chantilly, und in einer halben Stunde waren die Bosquets, die Gallerien, die Luststücke verlassen, und die Gäste der zwei Prinzessinnen drängten sich im Vorzimmer der Frau, Wittwe.

Lenet brachte den ganzen Tag mit Schreiben hin und am Abend wurden mehr als fünfzig Einladungen durch die zahlreichen Diener dieses königlichen Hauses in allen Richtungen ausgetragen.

IX

Der für die Ausführung der wichtigen Pläne von Pierre Lenet bestimmte Tag war einer von den düstersten Tagen dieses Frühjahres, das man herkömmlicher Weise die schöne Jahreszeit nennt, während es, besonders in Frankreich, beinahe immer die unangenehmste ist. Der Regen fiel zart und dicht auf die Rasenstücke von Chantilly, einen grauen Nebel durchgreifend, welcher die Gebüsche des Gartens und das Gehölze des Parkes umhüllte. In den weiten Höfen warteten, an den Pfosten aufgereiht, fünfzig gesattelte Pferde, das Ohr gesenkt, da Auge traurig, und ungeduldig die Erde mit dem Fuße kratzend; Meuten von gekoppelten und in Gruppen von zwölf vereinigten Hunden harrten bald geräuschvoll schnaufend, bald mit langem Gähnen, und versuchten es mit gemeinschaftlicher Anstrengung den Diener fortzuziehen, der die vom Regen triefenden Ohren seiner Lieblinge abtrocknete.

Da und dort gingen, die Hände auf dem Rücken und das Horn an der Hüfte, die Piqueurs in gelblichen Uniformen hin und her. Einige gegen die Ungunst der Witterung durch die Bivouacs von Rocroy oder Lens abgehärteten Offiziere trotzten dem Wasser des Himmels und vertrieben die Langeweile des Wartens, indem sie in Gruppen auf den Terrassen oder auf den äußeren Treppen plauderten.

Jeder wußte, daß es ein Festtag war, und hatte seine feierliche Miene angenommen, um den Herzog von Enghien in seiner ersten Hose, seinen ersten Hirsch hetzen zu sehen. Jeder Offizier im Dienste des Prinzen, jeder Schutzgenosse dieses erhabenen Hauses hatte, eingeladen durch das Rundschreiben von Pierre Lenet, nach Chantilly eilend das erfüllt, was er als eine Pflicht betrachtete. Die durch den Gesundheitszustand der Prinzessin Wittwe veranlaßte Unruhe war überdies durch ein günstigen Bulletin von Bourdelot zerstreut worden. Die Prinzessin hatte nach einem Aderlaß am Morgen ein Brechmittel, die allgemeine Panacee jener Zeit, genommen.

Um zehn Uhr waren alle persönlichen Gäste von Frau von Condé eingetroffen. Jeder wurde nach Überreichung seinen Briefes eingeführt, und diejenigen, welche diesen zufällig vergessen hatten, erhielten, von Lenet erkannt, Einlaß auf ein Zeichen des letzteren gegen den Portier. Diese Eingeladenen mochten, im Verein mit den Dienern des Hauses, eine Truppe von achtzig bis neunzig Personen bilden, von denen die Mehrzahl um das prachtvolle weiße Pferd versammelt war, das mit einem gewissen Stolze vor seinem großen französischen Sattel einen kleinen Sitz von Sammet mit Lehne, bestimmt für den Herzog von Enghien, trug, worauf dieser seinen Platz bekommen sollte, wenn, sich Vialas, sein Stallmeister auf den Hauptsattel gesetzt haben würde.

Man sprach jedoch noch nicht davon, zur Jagd aufzubrechen, und schien noch andere Gäste zu erwarten.

Gegen halb elf Uhr kamen drei Edelleute, gefolgt von sechs Dienern, welche bis unter die Zähne bewaffnet waren und so aufgeschwollene Felleisen bei sich führten, daß man hätte glauben sollen, sie wollten eine Reise durch ganz Europa machen, es kamen drei Edelleute, sagen wir, in das Schloß und wollten, als sie im Hofe die Pfosten erblickten, welche zu diesem Behufe errichtet zu sein schienen, ihre Pferde daran anbinden lassen.

Sogleich erschien ein blau gekleideter Mann mit einem silbernen Wehrgehänge und näherte sich, die Hellebarde in der Hand, den Ankömmlingen, in denen man an ihrem vom Regen durchnäßten Gepäcke und an den von Koth beschmutzten Stiefeln Reisende, welche einen langen Weg zurückgelegt, erkannte.

 

»Woher kommt Ihr, meine Herren?« fragte der Schweizer, seine Hellebarde vorhaltend.

»Von! Norden,« antwortete einer von den Reitern.

»Und wohin geht Ihr?«

»Zum Leichenbegängnisse.«

»Der Beweis?«

»Seht unsern Trauerflor.«

Die drei Herren hatten wirklich jeder einen Trauerflor an seinem Degen.

»Entschuldigt mich, meine Herren,« sprach nun der Schweizer, »das Schloß steht zu Eurer Verfügung; es ist eine Tafel bereit, eine Halle geheizt, die Lackeien harren Eurer Befehle; Eure Leute wird man im Gemeindesaal bewirthen.«

Die Edelleute, treuherzige Landjunker, ausgehungert und neugierig, grüßten, stiegen ab, warfen den Zügel ihrer Pferde in die Hände ihrer Lackeien, ließen sich den Weg in den Speisesaal zeigen und entfernten sich in dieser Richtung. Ein Kammerherr erwartete sie an der Thüre und diente ihnen als Führer.

Während dieser Zeit wurden die Pferde durch die Bedienten des Hausen den fremden Lackeien abgenommen, in den Stall geführt, gestriegelt, gebürstet, abgerieben und zum-Fressen vor einen Trog voll Haber und eine Raufe voll Stroh gestellt.

Kaum saßen die drei Edelleute bei Tische, als sechs weitere Reiter, gefolgt von sechs, nach Art der so eben beschriebenen, equipirten und bewaffneten Lackeien einritten und wie ihre Vorgänger, die Pfosten erblickend, ihre Pferde an die Ringe binden wollten. Aber der Mann mit der Hellebarde, welcher einen strengen Befehl erhalten hatte, näherte sich ihnen und sprach, seine Fragen erneuernd:

»Woher kommt Ihr?«

»Aus der Picardie. Wir sind Offiziere in Turenne.«

»Wohin geht Ihr?«

»Zum Leichenbegängniß.«

»Der Beweis.«

»Seht unsern Trauerflor.«

Und sie zeigten, wie die Ersten, den Flor, der an dem Griffe ihres Degens hing.

Man erzeigte den Letzteren dieselbe Höflichkeit, und sie nahmen ihre Plätze an der Tafel; man verwandte dieselbe Sorge auf ihre Pferde, und sie nahmen ihre Plätze im Stalle.

Nach ihnen zeigten sich vier Andere, und dieselbe Scene erneuerte sich.

Zu zwei und zwei, zu vier und vier, zu fünf und fünf, allein oder in Truppen, prachtvoll oder schmutzig, aber insgesamt gut beritten, gut bewaffnet, gut equipirt, kamen von zehn Uhr bis Mittags hundert Reiter, die der Hellebardier auf dieselbe Weise befragte, worauf sie angaben, woher sie kamen, und ihren Flor zeigend beifügten; sie gingen zu dem Leichenbegängniß.

Als Alle gespeist und Bekanntschaft gemacht hatten, während sich ihre Leute erquickten und ihre Pferde ausruhten, trat Lenet in den Saal, wo sie sich versammelt fanden, und sprach zu ihnen:

»Meine Herren, die Frau Prinzessin dankt Euch durch meine Stimme, daß Ihr sie mit Eurem Besuche beehrt, während Ihr auf dem Wege zu dem Herrn Herzog von Larochefoucault begriffen seid, der Euch bei dem Leichenbegängnisse seines Vaters erwartet. Betrachtet diese Wohnung als die Eurige und habt die Güte, an der Unterhaltung einer Hetzjagd Theil zu nehmen, welche der Herr Herzog von Enghien befohlen hat, der heute seine erste Hose anlegt.«

Ein schmeichelhaftes Gemurmel des Beifalls und des Dankes wurde diesem ersten Theile der Rede von Lenet zu Theil, der, als ein geschickter Redner, seine Worte bei einer Stelle von sicherer Wirkung unterbrach.

»Noch der Jagd,« fuhr er fort, »werdet Ihr Abendbrod an der Tafel der Frau Prinzessin finden, die Euch selbst zu danken wünscht, wonach es Euch vollkommen frei steht, Eure Reise fortzusetzen.«

Einige von den Edelleuten hörten mit besonderer Aufmerksamkeit den Ausspruch dieses Programms, das ihrem freien Willen einigermaßen in den Weg zu treten schien; aber ohne Zweifel durch den Herrn Herzog von Larochefoucault darauf vorbereitet, waren sie auf etwas Aehnliches gefaßt, denn Niemand machte eine Einwendung; die Einen gingen zu ihren Pferden, die Andern öffneten ihre Felleisen, um sich in den Stand zu setzen, würdig vor den Prinzessinnen zu erscheinen, wieder Andere blieben bei der Tafel und plauderten von den Zeitangelegenheiten, welche mit den Ereignissen des Tages einen gewissen Zusammenhang zu haben schienen.

Viele gingen unter dem großen Balcon umher, auf welchem nach vollendeter Toilette der Herr Herzog von Enghien, zum letzten Mal der Sorge der Frauen anvertraut, erscheinen sollte. Mit seinen Ammen und Kindswärterinnen im Innern seiner Gemächer, wußte der Prinz nichts von seiner Wichtigkeit. Aber bereits voll aristokratischen Stolzes betrachtete er mit Ungeduldigem Blicke das reiche und dennoch ernste Gewand, das er zum ersten Male anziehen sollte; es war ein mit mattem Silber gesticktes, schwarzes Samtkleid, das seinem Putze das düstere Aussehen der Trauer verlieh: seine Mutter wollte durchaus für eine Wittwe gelten, und war darauf bedacht, in eine gewisse Rede die Worte: Armer verwaister Prinz! einfließen zu lassen.

Aber es war nicht der Prinz, der mit der größten Gierde diese glänzenden Gewänder, die Insignien seiner so sehr ersehnten Männlichkeit, betrachtete, ein anderes Kind, nur wenige Monate älter, mit rosigen Wangen, mit blonden Haaren, strotzend von Gesundheit, Kraft und Ungestüm, verschlang mit seinen Blicken den Prunk, der seinen glücklichen Gefährten umgab. Bereits hatte es, außer Stande, seiner Neugierde zu widerstehen, gewagt, sich dein Stuhle zu nähern, auf welchem die schönen Kleider lagen, den Stoff befühlt und die Stickereien gestreichelt, während der kleine Prinz, auf eine andere Seite schaute. Aber einmal geschah es, daß der Herzog von Enghien zu rechter Zeit seine Augen zurücklenkte und daß Pierrot seine Hand zu spät zurückzog.

»Nimm Dich in Acht.« rief der kleine Prinz ärgerlich, »nimm Dich in Acht, Pierrot. Du wirst meine Hose verderben, sie ist von gestickten Sammet, siehst Du, und der wird abgenutzt, wenn man ihn berührt. Ich verbiete Dir, meine Hose zu berühren.«

Pierrot verbarg die schuldige Hand hinter seinem Rücken und drehte seine Schultern mit der Bewegung übler Laune hin und her, die man bei Kindern aller Lebenslagen wahrnimmt.

»Ärgert Euch nicht,« Louis,« sprach die Frau Prinzessin zu ihrem Sohne, den eine ziemlich häßliche Grimasse entstellte. »Wenn Pierrot Euer Kleid noch einmal berührt, so lassen wir ihn peitschen.«

Pierrot verwandelte seine grollende Verzerrung in eine drohende und sagte:

»Monseigneur ist Prinz, aber ich bin Gärtner, und wenn Monseigneur mich verhindert, seine Kleider zu berühren, so werde ich ihn verhindern, mit meinen Perlhühnern zu spielen. Ah, ich hin stärker als Monseigneur, er weiß es wohl!«

Kaum hatte er diese unklugen Worte gesprochen, als die Amme des Prinzen, die Mutter von Pierrot, den unabhängigen kleinen Burschen an der Hand ergriff und zu ihm sagte:

»Pierrot, Du vergissest, daß Monseigneur Dein Herr ist, der Herr von Allem, was sich im Schloß und um das Schloß findet, und daß folglich Deine Perlhühner ihm gehören.«

»Wie!« rief Pierrot, »ich glaubte, er wäre mein Bruder . . .«

»Dein Milchbruder, ja.«

»Wenn er mein Bruder ist, so müssen wir also theilen, und wenn meine Perlhühner ihm gehören, so gehören seine Kleider mir.«

Die Amme war im Begriff, ihm eine Auseinandersetzung über die Verschiedenheit zwischen einem wirklichen Bruder und einem Milchbruder entgegenzustellen; aber der junge Prinz, der Pierrot seinem ganzen Triumphe beiwohnen lassen wollte, denn er wünschte hauptsächlich Pierrots Bewunderung und Neid zu erregen, ließ ihr keine Zeit dazu.

»Fürchte Dich nicht, Pierrot,« sagte er, »ich habe keinen Groll gegen Dich, Du wirst mich sogleich auf meinem hübschen großen Schimmel und auf meinem schönen kleinen Sattel sehen. Ich reite auf die Jagd, und ich werde den Dambock tödten.«

»Ah! Ja,« erwiederte der unehrerbietige Pierrot mit dem frechsten Zeichen der Ironie, »Ihr werdet lange zu Pferde bleiben. Ihr wolltet eines Tages auf meinem Esel reiten, und mein Esel hat Euch abgeworfen.«

»Ja, aber heute,« versetzte der junge Prinz mit der ganzen Majestät, dies er zu Hilfe rufen und in seinen Erinnerungen finden konnte, »heute stelle ich meinen Vater vor und werde nicht fallen; überdies hält mich Vialas in seinen Armen.«

»Vorwärts, vorwärts!« sprach die Frau Prinzessin, um den Streit von Pierrot und dem Herrn Herzog von Enghien kurz abzuschneiden, »vorwärts, man kleide den Prinzen an! Es schlägt ein Uhr, und alle unsere Edelleute warten voll Ungeduld. Lenet, laßt zum Aufbruch blasen.«

In demselben Augenblick ertönte der Klang des Horns in den Höfen und drang bis in das Innere der Gemächer. Jeder lief zu seinem frischen, ausgeruhten Pferde und schwang sich in den Sattel. Der Hetzmeister mit seinen Leithunden und die Piqueurs mit ihren Meuten zogen voraus. Dann stellten sich die Edelleute im Spalier auf, und der Herzog von Enghien, auf seinem Schimmel reitend, erschien unterstützt von Vialas, seinem Stallmeister, umgeben von Ehrendamen, Stallmeistern, Edelleuten, und gefolgt von seiner Mutter, welche glänzend von Schmuck auf einem rabenschwarzen Pferde ritt. Neben ihr auf einem, Pferde, das sie mit unendlicher Anmuth lenkte, war die Vicomtesse von Cambes, anbetungswürdig in ihren Frauengewändern, die sie endlich zu ihrer großen Freude wieder angelegt hatte.

Frau von Tourville suchte man vergebens mit den Blicken; sie war seit zwei Tagen verschwunden und hatte sich, wie Achill, unter ihr Zelt zurückgezogen.

Diese glänzende Cavalcade wurde mit einstimmigen Beifallsrufe aufgenommen. Man zeigte sich, auf den Steigbügeln aufstehend, die Frau Prinzessin und den Herrn Herzog von Enghien, welche die Mehrzahl dieser Edelleute nicht kannte, denn sie hatten nie den Hof besucht und waren all diesem königlichen Gepränge fremd geblieben. Das Kind größte mit einem reizenden Lächeln die Frau Prinzessin mit süßer Majestät; sie waren die Gattin und der Sohn desjenigen, welchen sogar seine Feinde den ersten Feldherrn Europas nannten. Dieser erste Feldherr Europas wurde verfolgt, eingekerkert, gerade von den Menschen, die er bei Lens vor dem Feinde gerettet und in Saint- Germain vor den Rebellen beschützt hatte. Das war mehr, als es bedurfte, um die Begeisterung zu erregen. Der Enthusiasmus erreichte auch den höchsten Grad.

Die Frau Prinzessin schlürfte mit langen Zügen alle diese Beweise ihrer Volksthümlichkeit ein. Auf einige Worte, die ihr Lenet zuflüsterte, gab sie sodann, den Befehl zum Aufbruch, und bald zog man von den Luststücken in den Park, dessen Thore insgesamt durch die Soldaten des Regiments Condé bewacht waren. Hinter den Jägern wurden die Gitter wieder verschlossen, und als wäre diese Vorsichtsmaßregel noch unzulänglich, damit sich kein falscher Bruder in das Fest mische, blieben die Soldaten als Schildwachen hinter den Gittern und an jedem derselben stand ein Schweizer, gekleidet wie der des Hofes und mit einer Hellebarde bewaffnet wie er, mit dem Befehle, nur denjenigen zu öffnen, welche die drei Fragen zu beantworten vermochten, aus denen die Parole bestand.

Euren Augenblick, nachdem man die Gitter wieder geschlossen hatte, kündigten der Schall des Hornes und das wüthende Gebelle der Hunde an, daß der Hirsch aufgejagt war.

Auf der andern Seite des Parkes, der von dem Connetable Anna von Montmorency erbauten Ringmauer gegenüber, auf der Rückseite der Straße, hielten indessen auf das Geräusch der Hörner und auf das Bellen der Hunde horchend sechs Reiter an, streichelten ihre Pferde und schienen Rath zu halten.

Sah man ihre völlig neuen Gewänder, das glänzende Zeug ihrer Pferde, die prachtvollen Mäntel, welche von ihren Schultern auf den Rücken ihrer Pferde herabfielen, den Luxus der Waffen, welche künstlich angebrachte Oeffnungen erschauen ließen, so durfte man wohl staunen über die Vereinzelung dieser so schönen, so funkelnden Herren zur Stunde, wo der ganze Adel der Umgegend in dem Schlosse von Chantilly versammelt war.

Diese glänzenden Herren wurden jedoch verdunkelt durch den Prunk ihres Führers oder desjenigen, welcher ihr Führer zu sein schien: Federn am Hute, vergoldetes Wehrgehänge, feine, goldbespornte Stiefeln, ein langer Degen mit ciselirtem Griffe, dies war nebst einem herrlichen himmelblauen Mantel von spanischer Form die Equipirung dieses Reiters.

»Bei Gott,« sprach er nach einem Augenblicke tiefen Nachdenkens, während dessen die sechs Reiter mit ziemlich verlegener Miene einander angeschaut hatten, »wie gelangt man in einen Park, durch das Thor oder durch das Gitter? Zeigen wir uns vor dem ersten Thore oder vor dem ersten Gitter, und wir werden Eintritt finden. Reiter von unserem Ansehen läßt man nicht außen, wenn Menschen geöffnet wird, welche aussehen wie die Leute, denen wir seit diesem Morgen begegnen.«

»Ich wiederhole Euch, Cauvignac,« erwiederte einer von den fünf Reitern, an welche die Rede des Führers gerichtet war, »ich wiederhole Euch, daß diese schlecht gekleideten Leute, welche trotz ihrer Tracht und ihrer lümmelartigen Haltung zu dieser Stunde sich im Parke befinden, einen Vorzug vor uns besaßen, den, daß sie die Parole hatten. Wir haben sie nicht und, werden nicht hineinkommen.«

 

»Ihr glaubt, Ferguzon?« sagte mit einer gewissen Achtung vor der Ansicht seines Lieutenants derjenige, welcher zuerst gesprochen hatte, und in dem unsere Leser den Abenteurer wieder erkennen, den sie auf den ersten Seiten dieser Geschichte gefunden haben.

»Ob ich es glaube? Ich bin dessen gewiß. Meint Ihr denn, diese Leute jagen, um zu jagen? Larifari! sie conspiriren, das ist unzweifelhaft.«

»Ferguzon hat Recht,« sprach ein Dritter, »sie conspiriren, und wir kommen nicht hinein.«

»Eine Hirschjagd ist indessen auch gut mitzunehmen, wenn man sie auf seinem Wege trifft.«

»Besonders, wenn man der Menschenjagd müde ist, nicht wahr, Barrabas?« versetzte Cauvignac. »Nun wohl! man soll nicht sagen, es sei uns dies vor der Nase vorübergezogen. Wir haben Alles, was man braucht, um würdig bei diesem Feste zu erscheinen; wir sind glänzend, wie neue Thaler. Braucht der Herr Herzog von Enghien Soldaten, wo kann man schönere finden? Braucht er Meuterer, wo findet man zierlichere?? Der am wenigsten kostbare von uns hat das Aussehen eines Kapitäns.«

»Und Ihr, Cauvignac,« versetzte Barrabas, »Ihr könntet zur Noth für einen Herzog und Pair gelten.«

Ferguzon sagte nichts, er dachte nach.

»Leider,« fuhr Cauvignac lachend fort, »leider ist Ferguzon nicht der Ansicht, daß man heute jagen soll.«

»Pest!« sprach Ferguzon, »ich bin nicht so ekel; die Jagd ist ein edelmännisches Vergnügen, das mitunter jede Bedingung zusagt. Ich sage auch nicht pfui für mich und rede ebenso wenig Anderen ab. Ich sage nur, daß uns der Eingang in diesen Park, wo man jagt, durch Thore und Gitter verschlossen ist.«

»Horch« rief Cauvignac, »die Hörner geben das Signal, daß man den Hirsch gesehen.«

»Aber damit ist nicht gesagt, daß wir nicht jagen werden,« fuhr Ferguzon fort.

»Wie sollen wir jagen, Dummkopf, wenn wir nicht hinein können?«

»Ich sage nicht, daß wir nicht hinein können,« entgegnete Ferguzon.

»Wie sollen wir hinein, da die Thore und Gitter, für die Andern geöffnet, Deiner Ansicht nach für uns geschlossen sind?«

»Warum sollten wir nicht an dieser kleinen Mauer und für uns allein eine Bresche machen, durch welche wir und unsere Pferde durch könnten und hinter der wir gewiß Niemand finden würden, um Entschädigung von uns zu verlangen?«

»Hurrah!« rief Cauvignac, freudig seinen Hut schwenkend, »ich gebe Dir volle Genugthuung, Ferguzon. Du bist der Mann der großen Mittel unter uns, und wenn ich den König von Frankreich von seinem Throne gestürzt habe, um den Herrn Prinzen darauf zu setzen, so verlange ich für Dich die Stelle des Signor Mazarino Mazarini. An das Werk, Gefährten, an das Werk!«

Nach diesen Worten sprang Cauvignac von seinem Pferde und fing an, unterstützt von seinen Gefährten, von denen Einer genügte, um die Rosse von Allen zu halten, die bereite erschütterten Steine der Ringmauer abzubrechen.

In einem Augenblick hatten die fünf Arbeiter eine Presche von drei die vier Fuß in der Breite gemacht. Dann stiegen sie wieder zu Pferde und setzten, angeführt von Cauvignac, in den Platz.

»Nun,« sagte dieser zu ihnen, sich nach der Gegend wendend, wo er den Klang der Hörner hörte, »nun seid artig und benehmt Euch mit guter Manier, und ich verspreche Euch Abendbrod bei dem Herrn Herzog von Enghien.«

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