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Befehle zu erteilen! Ich, die ich bis jetzt stets Befehle empfangen hatte! Ich darf es nicht verschweigen, daß ich immer noch von dem Gefühl meiner untergeordneten Stellung durchdrungen war. Vielleicht vergaß ich zuweilen den Punkt, von welchem ich ausgegangen war; sobald ich mich aber mit mir allein befand, fühlte ich mich eher aufgelegt, das Glück für seine Gunstbezeigungen, die mich bloß emporzuheben schienen, um meinen Fall desto tiefer zu machen, zu schelten, als ihm für diese ungeahnte Erhebung zu danken, welche, wie ich instinktartig fühlte, von seiten der Vorsehung nur ein Irrtum sein konnte. Ich antwortete, wenn Mistreß Norton mir das Vergnügen machen wollte, mit mir zu Mittag zu speisen und mich dann ins Theater zu begleiten, so würde ich ihr dafür sehr dankbar sein.

Mistreß Norton verlangte nichts Besseres, denn es war für sie ebenfalls ein hoher Genuß, ins Theater zu gehen.

Sie fragte mich, welchem ich den Vorzug gäbe.

Ich kannte nur eins, nämlich Drury Lane.

Man gab »Macbeth«. Es war dies ein Stück, in welchem Mistreß Siddons einen ihrer größten Triumphe feierte.

An diesem Abend waren die Eindrücke, die ich empfing, sehr verschieden von denen des ersten Abends. Ich durchlebte alle Phasen der Angst und des Schreckens. Jene Eigenschaften der Milde und Sanftmut, welche Mistreß Siddons in der Rolle der Julia abgingen, wurden jetzt durch die entgegengesetzten Eigenschaften ersetzt. Die Energie der Stimme, die Unbeweglichkeit ihrer Physiognomie gaben den ehrgeizigen Bestrebungen dieses Felsenherzens eine Vollkommenheit des Spiels, welche in der Szene, wo sie Macbeth zum Verbrechen treibt, ans Erhabene grenzte.

Ich meine die Szene, wo sie ihren von Banquos Geist bedrohten Gatten beruhigt, und dann die, wo sie in ihrem Schlafe, mehr noch durch ihre erschütterte Macht als durch die Reue verfolgt, im Nachtgewande mit offenen, aber der Sehkraft beraubten Augen, mit hohler, klangloser Stimme kommt, um klagend das Schauspiel jener nächtlichen Schrecken zu geben, welche den Mörder verfolgen.

Ich war, als ich wieder nach Hause zurückkehrte, vielleicht von noch größerer Bewunderung ergriffen, als das erste mal, dennoch aber weniger gerührt. Ich bewunderte, aber ich weinte nicht. Ich fühlte, daß ich, indem ich Macbeth gesehen, einer Kunstleistung beigewohnt hatte, während ich in »Romeo und Julia« meinen Anteil an einer Szene der Natur zu nehmen geschienen.

Aufgeregt kehrte ich in meine kleine Wohnung zurück und wollte unter dem Eindruck dessen, was ich soeben gehört und gesehen, ebenso wie ich an dem Abend getan, wo Mr. Hawarden mich in das Theater geführt, das Gesehene und Gehörte zu reproduzieren versuchen.

Ich sah aber sehr bald ein, daß weder meine Physiognomie noch meine Stimme für furchtbare Eindrücke geschaffen waren. Meine Stimme war zu sanft, meine Physiognomie zu zärtlich und zu jugendlich. Ich lachte über mich selbst, als ich sah, wie unmöglich es mir war, jene düstere Betonung und jene unwiderstehliche Versuchung nachzuahmen, welche Macbeth sagen läßt:

».....Bring forth men children only,

For this undaunted mettle

should compose Nothing but males.«

(Bringe mir männliche Kinder zur Welt,

denn dein unbesiegbares Herz

darf nur Männer zeugen.)

Wider Willen verfiel ich immer wieder in jene sanften, liebeskranken Biegungen der Stimme zurück, welche mich glauben ließen, daß ich in Julias Rolle neue und unbekannte Gefühle gefunden.

Meine Physiognomie stimmte damals wunderbar mit dem harmonischen Wohllaut meiner Worte zusammen. Ich fühlte mit einem Wort, daß es mir unmöglich sein würde, irgendeinen Macbeth mit mir bis zum Throne zu erheben, welche Anstrengungen ich auch zu diesem Zwecke machte, während ich nur zu sprechen, anzublicken und zu lächeln brauchte, um den widerspenstigsten Romeo bis auf den tiefsten Grund meines Grabes hinabzulocken.

Ich sah jetzt an meinem inneren Auge jene bezaubernde Ballszene vorübergehen, wo die beiden Liebenden, fast ohne zu sprechen, sich eines dem anderen widmen, so daß, als Romeo sich entfernt hatte, Julia, welche fühlte, daß der teure Unbekannte ihr Herz mit hinweg nimmt, ihre Amme ihm nachschickt und ausruft:

 
»Geh', frage wie er heißt. Ist er vermählt,
So ist das Grab zum Brautbett mir erwählt.«
 

Ich deklamierte diese Worte, indem ich die ganze Seele und die ganze Leidenschaft hineinlegte, deren mein Herz fähig war, bis ich plötzlich im Garten am Fuße des Balkons mich nicht mit dem Namen Emma, sondern mit dem Namen Julia rufen zu hören glaubte.

War es eine Verirrung meiner Einbildungskraft, eine Täuschung meiner Sinne? War ich in meinen Träumen so weit gekommen, daß sie sich gleichsam in Wirklichkeit verwandelten? Ich näherte mich leise dem Fenster, öffnete es und eine Stimme, so sanft wie ein Seufzer des Nachtwindes, rief abermals:

»Julia! Julia!«

Romeo war also gefunden. Romeo war am Fuße des Balkons, aber wer war er?

Elftes Capitel

Bei dieser Gewißheit, daß ein Unbekannter da war, hätte ich das Fenster wieder schließen, den Vorhang fallen lassen, in mein innerstes Zimmer fliehen und dasselbe verriegeln sollen. In jeder anderen Gemütsstimmung würde ich dies sicherlich auch getan haben, aber es war, als ob jenes Wesen, welches die heilige Schrift nicht zu nennen wagt, sondern bloß mit den Worten: »Der, welcher im Finstern wandelt,« bezeichnet, sich an mich geheftet hätte wie an eine Beute. Es schien geschworen zu haben, mich nicht eher loszulassen, als bis es mich in den tiefsten Abgrund hinabgezerrt hätte.

Anstatt daher das Fenster zu schließen, anstatt zu fliehen, lehnte ich das Ohr an den nicht ganz geschlossenen Fensterflügel und horchte.

Zu meinem großen Erstaunen sprach nun der Unbekannte mit sanfter, frischer Stimme die folgenden Verse, als ob es unsere Aufgabe wäre, jedes unsere Rolle vor einem unsichtbaren Publikum zu spielen, oder als ob ich wirklich Julia und er wirklich Romeo wäre.

Mit verhaltenem Atem lauschte ich und der Unbekannte sprach:

 
»Doch still, was schimmert durch das Fenster dort?
Es ist der Ost, und Julia die Sonne.
Geh' aus, du holde Sonne! Ertödte Lunen,
Die neidisch ist, und schon vor Grame bleich,
Daß du viel schöner bist, obwohl ihr dienend.
O, da sie neidisch ist, so dien' ihr nicht.
Nur Toren gehn in ihrer blassen kranken
Vestalentracht einher; wirf du sie ab!
Sie ist es, meine Göttin! meine Liebe!
O, wüßte sie, daß sie es ist!«
 

Der Leser kennt die Zaubermacht, welche das Altertum dem Gesang der Sirenen zuschrieb, eine Macht, welcher Ulysses nur dadurch entrann, daß er seine Reisegefährten an die Masten seiner Schiffe festband und sich selbst die Ohren mit Wachs verstopfte. Leider ward ich durch kein Band gefesselt. Meine Ohren standen allen sinnlichen Melodien der Liebe geöffnet, die Stimme lockte mich mit unwiderstehlicher Gewalt. Ich setzte den Fuß auf den Balkon. Mein Herz pochte immer starker, meine Lippen bebten.

Und als ob sie das Geheimnis meines Herzens gekannt hätte, fuhr die Stimme fort:

 
»Sie spricht, doch sagt sie nichts; was schadet das?
Ihr Auge spricht, ich will ihm Antwort geben.
Ich bin zu kühn, es redet nicht zu mir.
Ein Paar der schönsten Stern' am ganzen Himmel
Wird ausgesandt, und bittet Juliens Augen
In Ihren Kreisen unterdeß zu funkeln.
Doch wären ihre Augen dort, die Sterne
In ihrem Antlitz? Würde nicht der Glanz
Von ihren Wangen jene so beschämen,
Wie Sonnenlicht die Lampe? Würd' er auch,
Aus luft'gen Höh'n sich nicht so hell ergießen,
Daß Vögel sängen, froh den Tag zu grüßen?«
 

Hingerissen von dieser magischen Poesie, und indem ich in den Geist meiner Rolle einzugehen begann, dachte ich an Mistreß Siddons und ließ den Kopf auf die Hand sinken. Mein unbekannter Romeo, welcher einen Augenblick zu warten schien, damit ich Zeit hätte, mich mit der Szene in die richtige Wechselwirkung zu setzen, fuhr fort:

 
»O, wie sie auf die Hand die Wange lehnt!
War' ich der Handschuh doch auf dieser Hand
Und küßte diese Wange!«
 

Ich wußte nichts Besseres zu tun, als mit dem Dichter zu antworten:

 
»Weh mir!«
 

In einem leidenschaftlichen Tone, welcher alle Fibern meines Herzens erbeben machte, hob die Stimme wieder an:

 
»Sie spricht! O, sprich noch einmal, holder Engel!
Denn über meinem Haupt erscheinest du
Der Nacht so glorreich wie ein Flügelbote
Des Himmels dem erstaunten, über sich
Gekehrten Aug' der Menschensöhne, die
Sich rücklings werfen, um ihm nachzuschauen,
Wenn er dahinfährt auf den trägen Wolken,
Und auf der Luft gewölbtem Busen schwebt.
 

Die Reihe des Sprechens war nun an mir. Ich drückte meine beiden Hände auf mein Herz und in einem Tone, der meinem Mitspieler, welchen ich in dem nächtlichen Dunkel erriet, nichts zu wünschen übrig ließ, antwortete ich:

 
»O Romeo, warum denn Romeo?
Verleugne deinen Vater, deinen Namen!
Willst du es nicht, schwör' dich zu meinem Liebsten,
Und ich bin länger keine Capulet!«
 

Die Stimme murmelte:

 
»Hör' ich noch länger oder soll ich reden?«
 

Ganz in meine Rolle eingehend, hob ich, indem ich meiner Stimme den holdesten Ausdruck zu geben suchte, wieder an:

 
Dein Nam' ist nur mein Feind, du bliebst du selbst,
Und wärst du auch kein Montague.
Was ist Denn Montague? Es ist nicht Hand, nicht Fuß,
Nicht Arm noch Antlitz, noch ein anderer Teil.
Was ist ein Name? Was uns Rose heißt,
Wie es auch hieße, würde lieblich duften.
So Romeo, wenn er auch anders hieße,
Er würde doch den tötlichen Gehalt
Bewahren, welcher sein ist ohne Titel.
O, Romeo, leg deinen Namen ab
Und für den Namen, der dein Selbst nicht ist,
Nimm meines ganz.«
 

Ich gestehe, daß ich mit gewaltiger Gemütsbewegung die Antwort erwartete. Dieselbe ließ nicht lange auf sich warten, und Romeo hob mit einem zärtlichen Ton, welcher dem meinigen in keiner Beziehung nachstand, wieder an:

 
 
»Ich nehme dich beim Wort,
Nenn' Liebster mich, so bin ich neu getauft,
Und will hinfort nicht Romeo mehr sein.«
 

Der Leser sieht uns, mich auf meinem Balkon, meinen unbekannten Romeo im Schatten verborgen, aber von mir durch einen so unbedeutenden Raum getrennt, daß mir, wenn wir die Hände ausgestreckt hätten, einander hätten berühren können. Ich brauche daher hier nur die Szene bis zu Ende abzuschreiben, und der Leser wird die weitere Inszenierung selbst übernehmen und sich die Gemütsbewegungen denken, welche sie in dem Herzen eines fünfzehnjährigen Mädchens erweckte, welches sozusagen sein doppeltes Debüt in einer berauschenden Poesie und in einer geheimnisvollen Liebe bestand. Ich werde daher die erläuternden Zwischenbemerkungen und die weitere Szene mit den Worten des großen Dichters folgen lassen.

 
Ich.
Wer bist du, der du, von der Nacht beschirmt,
Dich drängst in meines Herzens Rat?
 
 
Romeo.
Mit Namen
Weiß ich dir nicht zu sagen, wer ich bin.
Mein eig'ner Name, teure Heil'ge, wird,
Weil er dein Feind ist, von mir selbst gehaßt.
Hätt' ich ihn schriftlich, so zerriß' ich ihn.
 
 
Ich.
Mein Ohr trank keine hundert Worte noch
Von diesen Lippen, doch es kennt den Ton.
Bist du nicht Romeo, ein Montague?
 
 
Romeo.
Nein, Holde; keines, wenn dir ein's mißfällt.
 
 
Ich.
Wie kamst du her? O sag' mir und warum?
Die Gartenmau'r ist hoch, schwer zu erklimmen;
Die Stätt' ist Tod; bedenk' nur, wer du bist!
Wenn einer meiner Vettern dich hier findet!
 
 
Romeo.
Der Liebe leichte Schwingen trugen mich;
Kein steinern Bollwerk kann der Liebe wehren;
Und Liebe wagt, was irgend Liebe kann;
D'rum hielten deine Vettern mich nicht auf.
 
 
Ich.
Wenn sie dich seh'n, sie werden dich ermorden.
 
 
Romeo.
Ach, deine Augen droh'n mir mehr Gefahr
Als zwanzig ihrer Schwerter; blick' du freundlich,
So bin ich gegen ihren Haß gestählt,
 
 
Ich.
Ich wollt' um alles nicht, daß sie dich säh'n.
 
 
Romeo.
Vor ihnen hüllt mich Nacht in ihren Mantel.
Liebst du mich nicht, so laß sie nur mich finden,
Durch ihren Haß zu sterben, war' mir besser
Als ohne deine Liebe Lebensfrist.
 
 
Ich.
Wer zeigte dir den Weg zu diesem Ort?
 
 
Romeo.
Die Liebe, die zuerst mich forschen hieß.
Sie lieh mir Rat, ich lieh ihr meine Augen.
Ich bin Steuermann, doch wärst du fern
Wie Ufer, von dem fernsten Meer bespült,
Ich wagte mich nach solchem Kleinod hin.
 

Diese letzten Worte wurden mit einer solchen Leidenschaft gesprochen, daß ich keine Gemütsbewegung zu heucheln brauchte, als ich antwortete:

 
Ich.
Du weißt, die Nacht verschleiert mein Gesicht,
Sonst färbte Mädchenröte meine Wangen,
Um das, was du vorhin mich sagen hörtest.
Gern hielt' ich streng auf Sitte, möchte gern
Verleugnen, was ich sprach. Doch weg mit Förmlichkeit!
Sag', liebst du mich? Ich weiß, du wirst's bejahen,
Und will dem Worte trau'n, doch wenn du schwörst,
So kannst du treulos werden; wie sie sagen,
Lacht Jupiter des Meineid's der Verliebten.
O holder Romeo! Wenn du mich liebst,
Sag's ohne Falsch; doch dächtest du, ich sei
zu schnell besiegt, so will ich finster blicken,
Will widerspenstig sein und nein dir sagen,
So du dann werben willst, sonst nicht um alles.
Gewiß, mein Montague, ich bin zu herzlich;
Du könntest denken, ich sei leichten Sinn's.
Doch glaube, Mann, ich werde treuer sein
Als sie, die fremd zu tun geschickter sind.
Auch ich, bekenn' ich, hätte fremd getan,
War' ich von dir, eh' ich's gewahrte, nicht
Belauscht in Liebesklagen. Darum vergib!
Schilt diese Hingebung nicht Flatterliebe,
Die so die stille Nacht verraten hat.
 
 
Romeo.
Ich schwöre, Fräulein, bei dem heil'gen Mond,
Der silbern dieser Bäume Wipfel säumt.
 
 
Ich.
O schwöre nicht beim Mond, dem wandelbaren,
Der immerfort in seiner Scheibe wechselt,
Damit nicht wandelbar dein Lieben sei!
 
 
Romeo.
Wobei denn soll ich schwören?
 
 
Ich.
Laß es ganz.
Doch willst du, schwör' bei deinem edlen Selbst,
Dem Götterbilde meiner Anbetung,
So will ich glauben.
 
 
Romeo.
Wenn die Herzensliebe,
 
 
Ich.
Gut, schwöre nicht. Obwohl ich dein mich freue.
Freu' ich mich nicht des Bundes dieser Nacht.
Er ist zu rasch, zu unbedacht, zu plötzlich;
Gleicht allzusehr dem Blitz, der nicht mehr ist,
Noch eh' man sagen kann: es blitzt. Schlaf süß!
Des Sommers warmer Hauch kann diese Knospe
Der Liebe wohl zur schönen Blum' entfalten,
Bis wir das nächste Mal uns wiederseh'n.
Nun gute Nacht! So süße Ruh' und Frieden,
Als mir im Busen wohnt, sei dir beschieden.
 
 
Romeo.
Ach, du verlässest mich so unbefriedigt?
 
 
Ich.
Was für Befriedigung begehrst du noch?
 
 
Romeo.
Gib deinen treuen Liebesschwur für meinen.
 
 
Ich.
Ich gab ihn dir, eh' du darum gefleht;
Und doch, ich wollt', er stünde noch zu geben.
 
 
Romeo.
Wollt'st du ihn mir entzieh'n? Wozu das, Liebe?
 
 
Ich.
Um unverstellt ihn dir zurückzugeben.
Allein ich wünsche, was ich habe, nur:
So grenzenlos ist meine Huld, die Liebe
So tief ja wie das Meer. Je mehr ich gebe,
Je mehr auch hab' ich; beides ist unendlich.
Ich hör' im Haus Geräusch. Leb' wohl, Geliebter.
 

Hier fehlte uns eine dritte Person, denn in diesem Augenblicke verlangt das Stück, daß die Wärterin Julia ruft. Gerade aber, als ob der Zufall geschworen hätte, aus dieser Dichtung bis ans Ende eine Wirklichkeit zu machen, ließ sich in dem Augenblicke, wo Julias Name gerufen werden sollte, der Name Emma in meinem Zimmer hören.

Er ward durch eine Frauenstimme ausgesprochen und ich sah, daß sich jemand dem Fenster näherte.

Ich hatte nur eben Zeit, meinem Romeo anstatt in Versen in Prosa zu sagen:

»Warten Sie, ich komme sogleich wieder!«

Ich kehrte in mein Zimmer zurück und sah mich Amy Strong gegenüber, welche ich seit dem Tage meiner Ankunft in London und seit dem Augenblicke, wo ich sie in dem Gasthause in Villiersstreet verlassen, nicht wieder gesehen hatte. Das arme Mädchen schluchzte und weinte.

Obschon ihr Erscheinen mir nicht sehr gelegen kam, so warf ich mich doch mit der ganzen Hingebung eines vollen jungen Herzens, welches eine Freundin wieder findet und das Bedürfnis, sich mitzuteilen empfindet, in ihre Arme. Gleich aus den ersten Worten, welche sie zu mir sprach, ersah ich, daß sie mir eine lange Geschichte zu erzählen hatte und daß, indem sie zu einer solchen Stunde kam, ihre Absicht darauf hinauslief, mich erst den nächstfolgenden Morgen wieder zu verlassen.

Ich hatte noch Abschied von Romeo zu nehmen. Deshalb ließ ich Amy in mein Schlafzimmer treten, kehrte auf den Balkon zurück, neigte mich über das Geländer und streckte die Hand aus.

Zwei Hände erfaßten dieselbe, ein brennender Mund drückte sich darauf und unsere beiden Stimmen murmelten gemeinschaftlich:

»Morgen!«

Dann kehrte ich wieder in das Zimmer zurück. Mein Herz pochte gewaltig und alle meine Sinne waren erschüttert durch dieses neue und unbekannte Gefühl, welches infolge dieser berauschenden Poesie und dieses seltsamen Geheimnisses meine Adern durchglühte.

Zwölftes Capitel

Es wäre für Amy Strong nicht schwer gewesen, zu sehen, daß etwas Ungewohntes in meinem Leben vorging. Sie war jedoch mit der Angelegenheit, welche sie hierherführte, so sehr beschäftigt, daß sie nichts zu merken schien, sondern das, was ihr auf dem Herzen lag, sofort zur Sprache brachte.

Dick, man erinnert sich noch des Bruders meiner Freundin, jenes jungen Burschen, welcher mein Nachfolger im Dienste des Schafhütens gewesen, dann Schleichhändler geworden und mit uns von Chester nach London gekommen war. Dick, sage ich, war infolge des Verfahrens, womit England damals seine Marine rekrutierte, zum Matrosen gepreßt und der Mannschaft des Commodore John Payne zugeteilt worden.

Es galt nun, von dem genannten Offizier die Freilassung des jungen Mannes zu erwirken. Man hatte Amy Strong gesagt, daß der galante Commodore einem jungen, hübschen Gesichte nichts abschlagen könne, und sie hatte nun an mich gedacht, um mich zu bitten, ihr bei diesem Unternehmen behilflich zu sein.

Demgemäß hatte sie sich bei Mr. Hawarden nach mir erkundigt. Dieser hatte sie an Mr. Plowden verwiesen und Mr. Plowden hatte ihr Miß Arabellas Adresse gegeben und ihr gesagt, ich sei verschwunden, wahrscheinlich aber würde sie mich bei dieser Dame finden.

Sie war an diesem Abend schon zweimal dagewesen. Man hatte ihr gesagt, ich sei nicht zu Hause, und ich war auch in der Tat, wie man sich entsinnen wird, ins Drury-Lane-Theater gegangen.

Entschlossen jedoch, mich zu sehen, zu sprechen, zu welcher Stunde es auch sein möchte, war Amy zum drittenmal gekommen und hatte nicht eher mit Bitten nachgelassen, als bis man sie, obschon es beinahe Mitternacht war, in mein Zimmer geführt hatte.

Sie war, wie man gesehen, gerade an der Stelle der Szene erschienen, wo die Wärterin Julien ruft, und sie hatte sich dabei eine doppelte Variante erlaubt die erste insofern als sie mich bei dem Namen Emma anstatt bei dem Namen Julia rief, und die zweite, indem sie mich zwang, von meinem Romeo schon lange vor dem Augenblick Abschied zu nehmen, wo die wirkliche Julia Abschied von dem ihrigen nimmt.

Ich befand mich in jener glücklichen Stimmung des Geistes und des Herzens, wo man glaubt, man könne das ganze Menschengeschlecht glücklich machen. Ich versprach Amy Strong sofort, mich den nächstfolgenden Tag für Dicks Freilassung zu verwenden, und da sie zu einer so späten Stunde der Nacht nicht wieder nach Hause zurückkehren konnte, so bereiteten wir ihr ein Lager auf meinem Sopha, damit sie in meiner Nähe schlafen und wir den nächstfolgenden Tag die erforderlichen Schritte gemeinschaftlich tun könnten.

Demzufolge, was Amy erfahren, befand sich Sir John Payne am Bord seines Schiffes, des »Theseus«, welches in der Themse zwischen Greenwich und London vor Anker lag.

Amy hatte bemerkt, daß ich, ganz im Gegensatz zu ihr selbst, fröhlich und heiter war. Sie hatte mir ihr Unglück erzählt und ich erzählte ihr allerdings nicht mein Glück, denn ich hatte noch keinen Grund, mich glücklich zu fühlen, wenigstens aber war meine Einbildungskraft mit Träumen beschäftigt, welche, wenn sie für junge Mädchen auch nicht das Glück selbst, doch wenigstens das Spiegelbild desselben sind.

Es versteht sich von selbst, daß, solange wir wach blieben, mein unbekannter Romeo Stoff zur Unterhaltung lieferte. Mit dem Namen Romeo im Herzen und den Lippen auf meiner Hand an der Stelle, auf welche er die seinigen gedrückt, schlief ich ein.

 

Ich brauche nicht erst zu sagen, daß meine ganze Nacht ein einziger flammender Traum war.

Als ich am nächstfolgenden Morgen die Tür meines Zimmers öffnete, sah ich einen Brief auf dem Fußboden liegen. Man hatte denselben wahrscheinlich durch die Öffnung, welche sich zwischen dem Fußboden und dem auf den Balkon hinausführenden Fenster befand, in das Innere des Zimmers hineingeschoben. Die Aufschrift lautete: »An Julia

Ich öffnete den Brief und sah sofort begierig nach der Unterschrift. Der Name dessen, der den Brief geschrieben, konnte ebenso gut ein Taufname als ein Familienname sein. Er hieß nämlich Harry.

Nun las ich den Brief selbst, oder verschlang ihn vielmehr.

Ich hatte die Wahrheit so ziemlich erraten. Romeo-Harry war mein Nachbar. Er hatte mich auf meinem Balkon an dem Abend gesehen, wo ich, als ich mich mit der Nacht und der Nachtigall allein glaubte, die Szene Julias deklamiert hatte. Er war es gewesen, der mir am Schlusse der Szene seinen Beifall zu erkennen gegeben und mich dadurch bewogen hatte, die Flucht zu ergreifen. Den nächstfolgenden Tag war er auf den Einfall gekommen, in den Garten hinabzusteigen und ebenso wie Romeo, unbekümmert um die Gefahr, in welche er sich durch diese Unklugheit begab, mich dadurch an das Fenster zu locken, daß er die ersten Verse der schönen Gartenszene deklamierte.

Man weiß, daß ihm dies vollständig gelungen war. Die Erklärung, die er mir in Bezug auf sich selbst gab, war kurz. Er war Student auf der Universität Cambridge. Durch einen unwiderstehlichen Trieb zum Theater hingezogen, glaubte er, daß dies sein eigentlicher Beruf sei, und forderte mich auf, mit ihm gemeinschaftlich diese Laufbahn zu betreten, für welche ich unverkennbar ebenfalls geschaffen sei.

Er bat mich, in der nächstfolgenden Nacht wieder auf dem Balkon zu erscheinen und ihm die Antwort zu geben, von welcher, wie er mir versicherte, sein künftiges Lebensglück abhinge.

Ich habe bereits gesagt, daß dieser Brief, welcher durchaus nicht geeignet war, die Unruhe meines Herzens zu beschwichtigen, mit dem Namen Harry unterzeichnet war. Augenscheinlich war er nach unserer unterbrochenen Szene geschrieben. Der, welcher ihn geschrieben, hatte meinen Balkon erklettert und nachdem er sich überzeugt, daß ich nicht allein war und wahrscheinlich auch die ganze Nacht nicht allein sein würde, den Brief auf die schon beschriebene Weise in mein Zimmer geschmuggelt.

Ich ersah hieraus, daß, sofern mein Nachbar einige Kühnheit besaß, ich mich in meinem Zimmer nicht eben sehr sicher befand und daß ich ebenso wie die eigentliche Julia von der Gartenszene bald zur Balkonszene übergehen würde.

Ach, leider war es ebenfalls eine der Gefahren meiner Situation, daß ich meine Gedanken ohne Furcht bei einem Verhältnis der Art verweilen ließ, wie man mir jetzt angetragen. Wenn Julia, die Erbin des Hauses Capulet, das heißt eines der vornehmsten von Verona, wenn die Tochter, welche die Ehre einer Familie, aufrecht zu erhalten hatte, von der sie angebetet ward, von der sie in allen Grundsätzen der Tugend erzogen worden, infolge einer jener jugendlichen Verirrungen, wo das Herz über alle sozialen Rücksichten den Sieg davonträgt, ihrem Geliebten ihre Tugend, ihren Ruf, ihr Glück zum Opfer bringt, wie konnte dann ich, ein armes, alleinstehendes Mädchen ohne Namen, welches gewissermaßen mit Hilfe der öffentlichen Wohltätigkeit erzogen worden, welches seinen Vater niemals gekannt und von einer Mutter, die durch ihrer Hände Arbeit ihr Brot verdienen mußte, nur ungenügend überwacht werden konnte, wie konnte ich, welcher die beste Lehre von allen, die Lehre des guten Beispiels, fehlte, ich, die ich von meiner Handlungsweise niemandem Rechenschaft zu geben schuldig war, ich, die ich, wenn ich mich hingab, weder einen Namen noch eine Familie befleckte, ich, die ich dann mich allein dem Untergange weihte, wie könnte ich da, wo eine Julia erlegen war, wohl an Widerstand denken?

Ich dachte auch nicht daran. Ich dachte bloß an das Glück, meinen unbekannten Romeo wiederzusehen oder vielmehr zu sehen, denn in dem Dunkel hatte ich seine Züge nicht zu unterscheiden vermocht. Ich hatte an dem Ton und Ausdruck seiner Stimme bloß die Jugend erkannt und aus seiner Schrift und seinem Stil konnte ich Erziehung und Bildung erraten. Was Schönheit betraf, so war ich überzeugt, daß er diese besaß, denn es lagen in diesem ganzen Abenteuer von seiner Seite nicht bloß die Inspirationen der Jugend, sondern auch die der Schönheit.

Ich küßte den Brief und barg ihn an meinem Herzen.

Mittlerweile kleidete Amy sich an. Wir hatten beinahe anderthalb Stunden Wegs zurückzulegen, um die Stelle der Themse zu erreichen, wo die englische Flottille vor Anker lag. Dennoch aber konnten wir den Admiral nicht wohl eher als gegen Mittag zu sprechen verlangen und hatten daher vollauf Zeit, zu Hause zu frühstücken und uns dann auf den Weg zu machen.

Ich klingelte, um zu fragen, ob man uns dieses Frühstück in meinem Zimmer auftragen könnte. Der Diener antwortete, Miß Arabella habe bei ihrer Abreise befohlen, daß man mir gehorche wie ihr selbst.

Während des Frühstücks fragte man mich, ob ich wünschte, daß man den Wagen anspanne. Da ich nicht wissen lassen wollte, wo wir hingingen, so lehnte ich dieses Anerbieten ab und sagte bloß, daß ich aller Wahrscheinlichkeit nach erst abends wieder nach Hause kommen würde.

Gegen Mittag brachen wir auf. Amy, welche in dem Leben von London mehr bewandert war als ich, rief einen Mietwagen herbei, verständigte sich mit dem Kutscher über das Fahrgeld und wir fuhren dann weiter nach der Themse.

Ich überließ mich vollständig meiner Freundin Amy. Mein Gemüt war noch fast ausschließlich mit dem Ereignis der vergangenen Nacht beschäftigt. Jeden Augenblick legte ich die Hand aufs Herz, um mich zu überzeugen, daß ich Harrys Brief nicht verloren. Das einzige, was einen Schatten auf diesen holden Traum meines Herzens warf, war der Umstand, daß ich es mit einem schlichten Studenten, einem Künstler, der sich erbot, an meinem Arme den dornigen Pfad der Kunst zu wandeln, anstatt mit einem schönen Kavalier zu tun hatte, welcher mich in einer vierspännigen Equipage dem Ruhme einer Mistreß Siddons oder dem Reichtum einer Miß Arabella entgegenführte.

Aufgeschoben war jedoch nicht aufgehoben, das Theater war ein Piedestal, wo die Statue der Schönheit ihren Kultus ebenso gut hatte wie die des Talents, und da ich von meiner Schönheit überzeugt war leider hatte man mir dies, von dem armen Dick an, der mir es zuerst in den Gebirgen von Wales gesagt, bis zu Harry-Romeo, der mir es erst diesen Morgen geschrieben, tausendfach wiederholt da ich von meiner Schönheit überzeugt war, sage ich, und da ich auch Talent zu besitzen glaubte, so war dies alles nur eine Frage der Zeit, und ich hatte ja Zeit, um zu warten.

Man sieht, daß ich dem Programm, welches ich mir bei Abfassung meiner Lebensgeschichte vorgezeichnet, treu bleibe, und daß ich den Menschen, welche mich vielleicht allzuhart beurteilt, ebenso wie Gott, der einmal, hoffe ich, nachsichtiger gegen mich sein wird, meine innersten Gedanken darlege.

Wenn ich einen Roman schriebe, so könnte ich die Ereignisse verändern oder verkehren; ich könnte mein Unrecht beschönigen und meine Fehler entschuldigen. Ich habe aber dieses Buch »Mein Leben« betitelt. Deshalb habe ich auch nicht das Recht, an den Ereignissen meines Lebens etwas zu ändern, sondern muß sie in ihrer Reihenfolge und in ihrer wahren Gestalt entrollen.

Ich gestehe, daß dieses Buch, als von Menschenhand geschriebener Roman, schlecht abgefaßt, und, was noch schlimmer ist, schlecht gedacht sein würde, denn als Traum der Einbildungskraft könnte es keinen Einfluß auf das Leben anderer haben.

Dem ist jedoch nicht so. Ich löse ein Blatt Geschichte aus dem großen allgemeinen Buche des Menschengeschlechts, von der eisernen Feder des Schicksals geschrieben, welches mich wie ein unheilverkündendes Meteor durch mein Jahrhundert gefühlt und durch mich einen verderblichen Einfluß auf meine Zeitgenossen ausgeübt hat.

Ich muß alles sagen, selbst, meine verwerflichen Gedanken, ebenso wie ich alles enthüllen muß, selbst meine schlimmen Taten, denn die einen führen zu den andern. Meine einzige Entschuldigung ist, daß ich von allem, was mir begegnet, oder durch mich geschehen ist, nichts im voraus gewollt oder vorbereitet habe, sondern daß ich im Gegenteil stets einem Impuls gefolgt bin, dessen Ursachen von meinem Willen unabhängig und ganz besonders stärker gewesen sind als dieser.

Hierbei darf ich nicht unerwähnt lassen – denn ich muß auch alles sagen, was zu meiner Verteidigung dienen kann – daß meine schlimmsten Taten, oder vielmehr die schlimmsten Ereignisse meines Lebens fast stets eine gute Absicht, ein vortreffliches Prinzip gehabt haben. So hatte auch der Schritt, welchen ich in diesem Augenblick unternahm, welcher zu meinem tiefsten Fehltritt führte und mich dadurch aus den düstersten und tiefsten Abgründen der Gesellschaft auf ihre strahlendsten Gipfel erheben sollte, einen lobenswerten Zweck und ward mir durch die Humanität vorgezeichnet, denn ich tat ihn, um den Bruder meiner Freundin vor dem gefürchtetsten Schicksal eines freien Engländers zu retten.

Warum aber ging ich dabei mit so viel Bereitwilligkeit und Eifer zu Werke? Vielleicht bloß, weil Dick der erste gewesen war, der mir aufrichtig und mit voller Überzeugung gesagt hatte, daß ich schön sei.

Ich hatte mich so in meine Betrachtungen versenkt, daß ich weder auf den Weg, den wir zurückgelegt, noch auf die Zeit, die wir dazu gebraucht, geachtet hatte, als plötzlich der Wagen Halt machte.

Wir waren am Ufer des Flusses in einiger Entfernung von einem prachtvollen Kriegsschiff.

Erwartete man uns? Ich weiß es nicht, bin aber später oft auf den Gedanken gekommen, daß alles zwischen Amy und dem Commodore im voraus verabredet war.

Kaum waren wir nämlich aus dem Wagen gestiegen, so stieß ein mit sechs Ruderern bemanntes Boot von dem »Theseus« ab und kam auf uns zu. Alles war für mich so neu und ich war mit so viel widerstreitenden Empfindungen beschäftigt, daß mir dieser Umstand für den Augenblick gar nicht auffiel, sondern ich erst später daran dachte.

Binnen wenigen Minuten befanden wir uns an Bord des Schiffes.

Einer der ersten Gegenstände, die ich, indem ich die Schiffstreppe hinaufstieg, erblickte, war der arme Dick selbst, welcher schon Matrosenkleider trug. Er näherte sich mir und sagte in kläglichem Tone:

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