Читать книгу: «Tatort Ostsee», страница 9

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17

Sophie saß mit den anderen Kursteilnehmern und den Fortgeschrittenen auf dem Deich in der Sonne. Sie waren alle befragt worden, doch niemand hatte der Polizei helfen können. Die Stimmung war gekippt. Am Morgen hatten sie noch gelacht und jetzt klopften selbst die Berliner keine frechen Sprüche mehr. Zecke baute einen Joint und von seinen Leuten war nur ab und zu ein ›echt superkrass‹ zu hören. Bienchen jammerte Bärchen die Ohren voll. Sie hatte Angst und wollte nach Hause. Bärchen machte ein brummiges Gesicht. Sophie hatte fast Mitleid mit dem riesigen Kerl. Es war abzusehen, dass Bienchen sich durchsetzen würde und die Abreise kurz bevorstand. Indie machte Yoga und erklärte nebenbei die Bedeutung von Karma. Sophie war kurz davor, sie zu bitten, das Esoterikgequatsche für sich zu behalten.

»Da kommt Olli!«, rief Bärchen plötzlich und zeigte auf den kleinen Weg. Olli verschwand in der Hütte und kam ein paar Minuten später mit einer Handvoll Zetteln wieder heraus. Sophie nahm an, dass die Polizei die Teilnehmerlisten durchgehen wollte. Der Kitelehrer ging wieder zurück zum Bistro, ohne die Gruppe auf dem Deich überhaupt registriert zu haben. Merkwürdig, dachte Sophie, warum war Olli so abwesend? Sie hätte es normal gefunden, wenn er sich zumindest kurz nach seinen Schülern umgesehen hätte.

»Will jemand?«, fragte Zecke und reichte den Joint herum. Bis auf seine Kumpel, Indie und Wolf lehnten alle dankend ab. Plötzlich verließ Ben mit den zwei Kripobeamten das Bistro. Sie gingen in Richtung Parkplatz. Sophie verspürte ein unangenehmes Kribbeln. Ob sie Ben verhaftet hatten? Warum? Sie musste wissen, was da vor sich ging. »Leute, ich muss kurz zu meinem Wagen, Pelles Trockenfutter ist im Kofferraum. Ich habe den armen Kerl in der Aufregung ganz vergessen!« Sie pfiff nach Pelle und ging mit ihm den Deich entlang. Da waren die drei. Sie gingen nicht zu dem dunkelblauen Polizeidienstwagen, sondern zu den Bussen und Wohnmobilen. Ben erklärte den Beamten irgendwas, doch sie waren viel zu weit weg. Sophie konnte kein Wort verstehen. Dieser Hartwig machte sich Notizen. Sein Kollege nickte Ben zu. Anscheinend war er nun entlassen, denn ohne ein weiteres Wort machte er sich auf den Weg zu einem klapprigen Ford Transit. Hartwig klopfte an die erste Wohnmobiltür.

»Sie befragen alle. Jeden Camper. Und sie schreiben sich die Kennzeichen auf«, murmelte Sophie vor sich hin. Pelle sah sie irritiert an. »Hab nur mit mir selbst gesprochen. Komm, wir holen dir was zu essen.«

Sie fütterte Pelle neben ihrem Wagen und beobachtete das Geschehen auf der Campingwiese. Die Polizisten klapperten der Reihe nach jeden Bus und jedes Wohnmobil ab. Sie hatten nicht viel Erfolg. Natürlich nicht, dachte Sophie, bei diesem Wetter waren alle auf dem Wasser. Pelle leckte die letzten Krümel aus der Schüssel und sein Frauchen beschloss, aktiv zu werden. Vielleicht würde sie von Ben mehr erfahren. Sie holte Pelles Lieblingsball. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Kripobeamten sie nicht sehen konnten, warf sie ihn in Richtung Transit. Ihr Hund stürmte bellend hinterher. Sophie folgte ihm. »Pelle, hierher!«, brüllte sie übertrieben laut. Ihr Plan ging auf. Die Schiebetür flog zur Seite und Ben kam raus. »Ist er abgehauen?«

Sophie seufzte genervt. »Ja, er hat seine verrückten fünf Minuten. Hatte wohl Angst, dass ich ihm seinen Ball wegnehme, weil er ihn hier sowieso verbummelt.« Pelle kam angerannt und legte das Spielzeug vor ihre Füße. »Ja, ja, jetzt hast du ein schlechtes Gewissen, was?«, lachte sie.« Sie warf noch einmal. »Ist das nicht schrecklich?«, fragte sie dann ernst. Ben nickte. Sophie dachte schon, er würde nichts dazu sagen, als er doch noch antwortete.

»Es ist unfassbar. Die Bullen scheinen zu glauben, dass hier einer herumrennt und nachts hübsche Frauen ertränkt.«

»Aber genauso scheint es doch zu sein!«

Ben schüttelte den Kopf. »Hier ist fast jeden Abend noch Party am Strand. Manchmal sitzen da noch Leute mit einer Kiste Bier. Selbst ein Irrer würde doch nicht so leichtsinnig sein und ein paar Meter weiter einen Mord begehen. Das Risiko, dass jemand noch einen Spaziergang macht, ist viel zu hoch.«

»Wer sagt denn, dass er es hier in der Bucht getan haben muss?«

Ben sah sie fragend an. »Und wie hat er sie dann wieder an den Strand gebracht? Mitten in der Nacht? Dazu hätte er einen Wagen gebraucht. Wenn hier nachts jemand mit dem Auto an den Strand fährt, fällt das doch auf. Außerdem gibt es keine Reifenspuren. Das ist doch ne fixe Idee!«

»Ich glaub nicht, dass die Polizei wegen einer fixen Idee, wie du das nennst, hier so einen Aufwand betreiben würde!« Sie beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. »Hast du Sarah in der Nacht noch gesehen?«

Ben sah sie erschrocken an. Sein Mund öffnete sich, doch er sagte nichts.

Olli saß in seinem Wohnmobil und trank einen Cognac. Er musste sich beruhigen und der Cognac tat ihm gut, auch wenn er sich ärgerte, dass er schon wieder zur Flasche griff. Aber das war wirklich ein Notfall. Jemand hatte Sarah ermordet. Und er hatte den Bullen nicht die Wahrheit gesagt. Was, wenn sie herausbekämen, dass er mit ihr ein Verhältnis gehabt hatte. Vielleicht hatte Sarah verbreitet, dass sie Schluss machen wollte. Dann war er wirklich verdächtig und er hatte kein Alibi. Und er konnte sich nicht erinnern. Was sollte er zu seiner Verteidigung vorbringen? Dass er eigentlich ein netter Kerl war? Dass er Sarah an dem Abend zwar gehasst hatte und sich an nichts erinnern konnte, aber im Grunde halbwegs sicher war, dass er sie nicht unter Wasser gedrückt hatte? Zumindest hatte er nichts mit Sandra gehabt. Sie war nur eine nervige Schülerin. Er durfte jetzt nicht durchdrehen. Als Erstes sollte er Ben fragen, was er den Bullen erzählt hatte. Von seinen Schülern konnte niemand etwas über ihn und Sarah wissen. Sie waren alle erst angereist. Und die Fortgeschrittenen? Scheiße! Die hingen hier schon länger rum. Aber hatten sie was mitbekommen? Nein, Sarah und er hatten nie am Strand geknutscht. Olli verließ das Wohnmobil und hoffte, dass er keinem Schüler über den Weg laufen würde. Er wollte erst mit Ben sprechen, bevor er neugierige Fragen beantworten musste. Falls die Bullen fragen sollten, was er vorhätte, würde er wahrheitsgemäß antworten, dass er den Fortgang des Kurses besprechen musste. Zum Glück nahm niemand Notiz von ihm. Olli blieb erstaunt stehen. Ben plauderte mit dieser Sophie. Was hatten die beiden denn so dringend zu besprechen? Er ging weiter.

»Das war total bescheuert!«, sagte Sophie. Ben sah sie merkwürdig an.

»Was denn?«, fragte Olli neugierig. Beide drehten sich erschrocken um.

Sophie fing sich zuerst. »Ach, gar nichts! Ich war ein bisschen nachlässig. Mein, ähm, mein Kite war nicht genügend gesichert und jetzt hat Ben mir noch mal den Marsch geblasen. Und ich gelobe hiermit feierlich Besserung!«

»Sehr brav!«, lachte Olli. Der Cognac tat seine Wirkung. Er fühlte sich lockerer. »Ben, die Schüler warten sicher irgendwo auf uns und das Equipment muss auch noch abgebaut und verstaut werden. Vielleicht sollten wir eine Kiste Bier ausgeben und die Leute auf morgen vertrösten.«

Ben nickte. »Gute Idee! Lass uns für heute Schluss machen.«

Sophie rief ihren Hund zu sich. »Die anderen warten auf dem Deich. Soll ich ihnen verraten, dass ihr einen ausgeben wollt?«

Olli nickte. »Ja, tu das! Und fangt doch schon mal an, die Luft aus den Kites zu lassen und die Knoten zu lösen.«

»Zu Befehl!« Sophie machte kehrt und joggte mit Pelle davon.

»Seit wann hältst du Standpauken? Sie ist Anfängerin und hat das heute klasse gemacht!«

Ben nickte. »Das mit den Bullen hat mich wahrscheinlich irgendwie aus der Bahn geworfen. Ich werde mich gleich bei ihr entschuldigen.«

»Ja, tu das. Sie ist wirklich richtig nett. Apropos Bullen … Hast du was von mir und Sarah erzählt?«

»Was meinst du?« Ben sah ihn entsetzt an.

»Du weißt schon. Dass wir mehr oder weniger zusammen waren.«

»Versteh ich dich gerade richtig? Du hast nichts davon erzählt? Sag mal Olli, bist du eigentlich bescheuert? Spätestens Clara wird ihnen das mit Genuss aufs Brot schmieren. Warum hast du das verschwiegen? Mann! Du bringst dich selbst in Schwierigkeiten!«

Clara! Die hatte er total vergessen. Olli bemühte sich, die aufkommende Panik zu unterdrücken. »Ich bin ein Idiot!«, antwortete er so gelassen wie möglich. »Ich war so durcheinander und rede noch mal mit den Bullen. Und nun lass uns die Kiste holen und zum Strand gehen. Unsere Truppe hat sich ein Bier verdient und wir können auch eins vertragen.«

Olli fühlte sich grauenhaft. Zumindest hatte Ben der Polizei nichts gesagt. Und das Problem mit Clara würde er auch irgendwie lösen.

Sophie lief zurück zu den anderen. Bevor sie zu Wort kam, maulte Bienchen los. »Frisst dein Hund immer so langsam?«

»Wir haben noch ein bisschen Ball gespielt!«

Bienchen sah sie verständnislos an und drehte sich zu Bärchen. »Hast du das gehört? Hier läuft ein Killer frei herum und sie spielt Ball!«

Bärchen grunzte. Sophie setzte ihr Modelgesicht auf. »Bärchen scheint sich für deine Paranoia nicht besonders zu interessieren, oder? Na egal. Leute! Was passiert ist, ist schrecklich! Aber Olli und Ben können schließlich nichts dafür. Die beiden werden in fünf Minuten mit einer Kiste kaltem Bier hier sein.« Die Berliner johlten und Bärchen klatschte begeistert. »Vielleicht fällt uns gemeinsam ja noch was ein«, gab sie zu bedenken. »Wir sollen schon mal damit anfangen, die Ausrüstung abzubauen.«

Alle sprangen auf, klopften sich den Sand ab und machten sich ans Werk. Als Ben und Olli auftauchten, waren sie fast fertig. Gemeinsam brachten sie das Equipment zu den Schuppen. Eine halbe Stunde später hielt jeder ein kaltes Bier in der Hand.

»Tut mit leid, dass der Nachmittag anders gelaufen ist als geplant«, entschuldigte sich Ben. »Wir können euch nur anbieten, den Kurs morgen früh fortzusetzen. Wenn jemand aufgrund der Umstände nicht weitermachen möchte, kriegt er natürlich die Kohle für heute zurück.«

Sophie hatte einen Kloß im Magen. Warum hatte sie Ben nach Sarah gefragt? Sie hatte sich aufgeführt wie eine schlechte Privatdetektivin. Vielleicht hatte er Sarah in der Nacht noch gesehen, aber was hieß das schon? Sie hatte es gründlich vermasselt. Ihr war schleierhaft, wie sie Ben gegenübertreten sollte, falls er überhaupt noch mit ihr reden würde. Deprimiert zündete sie sich eine Zigarette an und schloss die Augen. Die Sonne schien ihr tröstend auf das Gesicht. Sie war eine dumme, neugierige Gans. Warum genoss sie nicht einfach ihre Ferien? Es würde sie von Felix ablenken. Niemand wollte, dass sie hier rumschnüffelte. Nicht mal die Polizei! Erst, als Pelle seine kalte Nase an ihre Wange stupste, öffnete sie ihre Augen wieder. »Zisch ab!«

»Wie du meinst.«

Sophie blinzelte gegen die Sonne. Ben grinste sie an.

»Ich habe Pelle gemeint.«

»Na, da bin ich aber froh!« Er ließ sich in den Sand fallen.

»Ich hatte schon Angst, dass du wegen meines dummen Spruches sauer bist«, sagte Sophie.

Ben nickte ernst. »Ehrlich gesagt verstehe ich wirklich nicht, was das sollte. Aber dass du dumme Witze machst, nehme ich dir nicht ab!«

Sophie fühlte sich ertappt.

»Was sollte das? Glaubst du, ich könnte möglicherweise ab und zu mal eine Frau ertränken? Wie ist deine Theorie? Ist es dem Spinner Ben vielleicht ein bisschen zu langweilig auf Fehmarn? Nach seinem aufregenden Leben auf Phuket?«

»Ben, ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe. Es tut mir ehrlich leid und ich würde alles tun, es ungeschehen zu machen.«

»Alles? Gut zu wissen! Jetzt aber mal im Ernst. Die Bullen glauben, dass Sarah nicht nachts bei einem Unfall in der Ostsee ertrunken ist. Aber was dann? Warum sollte jemand Sarah ermorden?«

Sophie schüttelte seufzend den Kopf. Das war die entscheidende Frage. Warum Sarah?

18

Hanjo schloss die Bistrotür ab und hängte das ›Geschlossen‹-Schild auf. Ihm reichte es für heute. Die Polizei hatte den ganzen Nachmittag seine Küche blockiert und das dreckige Geschirr stand noch auf den Tischen. Er musste die ganze Schweinerei dringend in Ordnung bringen. Aber vorher würde er sich einen Schluck gönnen. Er schenkte sich einen Rum ein und betrachtete die Flasche fast liebevoll. Sein Treibstoff! Was hätte er die letzten Wochen wohl ohne seine Medizin gemacht? Hanjo kippte den Schnaps mit einem Schluck runter. Sein Hals brannte angenehm und sein Magen wurde warm. Er schüttelte den Kopf. Sie suchten einen Mörder, das hatte dieser Kommissar doch gemeint. Auf Fehmarn! Wäre die Sache nicht so ernst, hätte er gelacht. Hier starb man, weil man alt oder krank war. Sicher gab es auch Unfälle. Es waren schon Bauern vom Mähdrescher gefallen oder Fischer vom Kutter. Einige hatten sich totgesoffen und ein paar Menschen waren auch ertrunken. Und nun hatte die Polizei ihn befragt. Ob ihm irgendetwas ungewöhnlich vorgekommen sei in den letzten Tagen. Er hatte ihnen versichert, rein gar nichts mitbekommen zu haben. Schließlich machte er die ganze Arbeit im Moment allein und sah nichts anderes als sein Bistro. Abends fiel er todmüde ins Bett. Hanjo atmete tief durch und klatschte in die Hände. An die Arbeit, munterte er sich auf und machte sich ans Werk. Nach einer halben Stunde war das Bistro wieder in dem Zustand, den Freya abgesegnet hätte. Er musste sich dringend um den Garten, ihr Paradies, kümmern. Die Abendsonne ließ die Farben der Bucht intensiv aufleuchten. Freya hatte diese Stimmung geliebt, aber sie hatten viel zu selten die Zeit gehabt, im Garten zu sitzen und einfach nur ein Glas Wein zu trinken. Hanjo holte Harke und Eimer aus dem Schuppen. Wie besessen rupfte er das Unkraut aus und schnitt die verblühten Rosen ab. Er brauchte fast eine Stunde, bis er den kleinen Garten wieder auf Vordermann gebracht hatte.

»Sind die Rosen in diesem Jahr nicht besonders schön?«, fragte er laut. Erschrocken zuckte er zusammen. Er würde keine Antwort bekommen. Er war allein. Sie würde ihn nicht auf die Wange küssen und glücklich zustimmen. Sie würden auch keinen Wein zusammen trinken und gemeinsam den Tag ausklingen lassen. Was immer sein Leben ihn auch hatte ertragen lassen, ohne sie war es kaum noch auszuhalten. Jetzt platzten die alten Wunden wieder auf. Zumindest hatte er ihr in den letzten Stunden beistehen können. Freya war in seinen Armen eingeschlafen. Sie hatte gelächelt und noch zart seine Hand gedrückt. Ihre letzten Worte hörte er noch immer.

»Du musst stark sein. Glaube mir, ich freue mich. Ich bin sicher, dass ich sie gleich sehen werde.«

Ja, das hatte sie gesagt. Sie war sich sicher! Er war es ihr schuldig, dass er stark blieb. Es war entsetzlich, dass diese Mädchen sterben mussten, aber deswegen konnte er nicht einfach aufgeben. Im Gegenteil. Gerade jetzt musste er alles tun, um den Touristen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Er musste tapfer sein. Freya war bis zum Schluss tapfer gewesen. Auch wenn sie ihm unendlich fehlte, tröstete es ihn, dass sie so glücklich gewirkt hatte. War seine Kleine auch glücklich gewesen? Oder hatte sie Angst gehabt?

Sophie lenkte ihren Wagen vom Parkplatz auf die kleine Straße. Ihre Arme und Beine waren wie aus Gummi. Obwohl sie total erledigt war, stand sie unter Strom. Sie hatte tatsächlich recht gehabt! Es ging um Mord! Sie musste sich noch einmal alle Fakten in Erinnerung rufen, aber nicht jetzt. Jetzt war sie viel zu müde. Pelle rollte sich auf dem Beifahrersitz zusammen wie eine Katze und schloss die Augen. Sophie lächelte ihn zärtlich an. »Du verpennst gerade eine wundervolle Fahrt durch eine Postkartenlandschaft.« Die Sonne tauchte die Wiesen und Felder in traumhaftes Licht. Alles lag in fast kitschigen Farben vor ihr. Sophie genoss die kurze Fahrt. Nach wenigen Minuten steuerte sie ihren BMW auf die Auffahrt, auf der nur Stefans Audi stand, und stellte den Motor ab. »Sieht so aus, als wären deine kleinen Freunde noch am Strand!«, erklärte sie. Pelle sprang mit einem Satz aus dem Wagen und folgte ihr zur Haustür. »Du bleibst hier im Garten! Wir treffen uns gleich auf der Terrasse.« Sophie ging durch das Haus und öffnete die Schiebetür. Der Hund hatte sich bereits ein schattiges Plätzchen gesucht. Sophie beschloss, in der Küche das Abendessen vorzubereiten. Als sie den Kühlschrank öffnete, um Gurken, Tomaten, Salat und ein Bier herauszunehmen, hörte sie Tinas Kombi auf die Auffahrt fahren. Eine Sekunde später war das Klappern der Autotüren und das aufgeregte Gequassel der Kinder zu hören. Stefan kam als Erster in die Küche. Er war bepackt mit Badetaschen, Picknickkorb und einer Kühlbox. Ohne ein Wort ließ er alles auf den Boden fallen. Sophie schnappte sich noch ein Bier aus dem Kühlschrank, öffnete es und hielt es ihm hin. Stefan trank die Flasche gierig halb leer. »Das hab ich jetzt gebraucht! Ich bin total im Arsch und ich will auch keine Sandburgen mehr bauen.«

Sophie prostete ihm grinsend zu. »So schlimm?«

»Schlimm? Nein, so ein Familienausflug ist Erholung pur!«

»Er war tapfer!«, grinste Tina, als sie um die Ecke kam. Finn schlummerte in seiner Babyschale.

»Der tapfere Mann schmeißt jetzt den Grill an«, erklärte Stefan und verschwand auf die Terrasse.

»Für mich war es wunderbar!«, schwärmte Tina. »Stell dir vor, ich habe eine ganze Illustrierte durchgelesen. An einem Tag! Normalerweise brauch ich dazu Wochen.«

Sophie lachte und begann die Tomaten zu schneiden.

»Ich bring den kleinen Mann hier mal ins Bett. Ach, und denk an die Kinder. Sie haben euren Deal nicht vergessen!«

Der Deal! Sophie beeilte sich mit dem Salat und ging dann mit einer Dose Hundefutter in den Garten. Antonia und Paul kamen angerannt.

»Sophie! Kann ich ihn jetzt endlich duschen?«, fragte die Kleine ungeduldig.

»Darum bin ich ja in den Garten gekommen. Habt ihr noch die Badesachen drunter?« Beide nickten. »Dann zieht Shorts und T-Shirts mal besser aus. Alle Mann zum Gartenschlauch!«

Sophie wies Pelle an, sich nicht von der Stelle zu rühren, drehte das Wasser auf und übergab Antonia den Schlauch. »Nicht auf den Kopf! Fang am Rücken an und am Schluss spülst du die Beine ab.«

Die Kleine war hoch konzentriert bei der Sache. Paul wurde unruhig. »Pelle hat Hunger!«

»Wir sind gleich fertig«, beruhigte Sophie ihn. In diesem Moment schüttelte sich Pelle wie verrückt und Antonia verlor mit lautem Gekreische die Kontrolle über den Gartenschlauch.

Der Schlauch tanzte hin und her und alle wurden klatschnass, bevor Sophie das Wasser abdrehen konnte.

»Du solltest doch nur den Hund abduschen«, lachte Sophie. »Jetzt aber schnell raus aus den Badesachen und rein in eure Klamotten!«

Antonia sah sie entsetzt an. »Ohne Unterwäsche?«

»Ja, ohne Unterwäsche. Das ist schon in Ordnung«, erklärte Sophie bestimmt. »Ihr geht ja sowieso gleich ins Bett.«

Als Nächstes gab Sophie Paul die geöffnete Dose und einen Löffel. »Pelle, sitz! So, und nun löffelst du ihm das Ganze in seinen Napf. Und mach nicht zu langsam.«

Paul kleckerte sich in seiner Aufregung etwas Futter über die Hand. Bevor Sophie reagieren konnte, hatte er seine Hand einfach abgeleckt.

»Igitt!«, schrie Antonia auf.«Papa! Paul hat Pelles Futter gegessen.«

Paul fing an zu heulen. Sophie nahm ihn in den Arm. »Schmeckt gar nicht schlecht, oder?«, flüsterte sie ihm zu. »Ich hab das auch schon mal probiert. Ich glaub allerdings nicht, dass deine Schwester sich das je trauen würde.«

Paul sah sie mit großen Augen an. Dann grinste er über das ganze Gesicht.

»Die Würstchen sind fertig!«

Die Kinder rannten an den Tisch und langten herzhaft zu.

»Du, Papa!« Antonia hatte den Mund voller Ketchup und sah aus wie ein kleiner Vampir. »Wir haben keine Unterwäsche an! Sophie hat gesagt, dass das besser ist. Stimmt das?«

Stefan seufzte und reichte Sophie ein Glas Wein. »Es ist okay, weil ihr klatschnass wart.« Dann sah er Sophie mit gespieltem Ernst an. »Sieh mal an! Darauf stehst du? Ich meine, so ohne Unterwäsche …?

Sophie stöhnte genervt.

»Ich will es auch gar nicht genauer wissen«, lachte er. Dann wurde Stefan ernst. »Na? Wie waren denn deine Ermittlungen?«

»Ermittlungen?« Sophie sah ihn mit großen Augen an. »Stefan, hör auf! Ich habe nur einen Kitekurs gemacht. Und im Übrigen bin ich ebenfalls total im Eimer. Lass uns das Streiten auf morgen vertagen. Ich kann heute nicht mehr!«

»Aber morgen früh muss ich wieder nach Lübeck!«

»Dann macht ihr eben weiter, wenn du wieder hier bist! Und jetzt Schluss!« Tina war unbemerkt auf die Terrasse getreten und hatte einen Teller mit marinierten Steaks in der Hand. »Die beiden kleinen Kinder dürfen jetzt mitkommen. Es wird Zeit!«

Paul rieb sich bereits müde die Augen. Ohne Gejammer ließen sie sich nach oben bringen. Stefan legte das Fleisch auf den Grill und Sophie suchte in ihrer Tasche nach Zigaretten. Da waren sie. Sie nahm die Schachtel aus der Tasche und zündete sich eine an. Als sie sich wieder bequem zurücklehnen wollte, piepte es. Eine neue Nachricht: ›Ordinäres Leitungswasser. Und sie hatte Sex‹.

Felix saß vor seinem überdimensionalen Plasmafernseher in der weißen Lederlandschaft und kochte vor Wut. In dem Werbespot, der gerade über den Bildschirm geflimmert war, räkelte sich ein billiges Model auf einem Eisbärenfell und biss sinnlich in den ›Fire and Ice‹-Schokoriegel. Seinen Schokoriegel. Jahrelang hatten seine perfekten Zähne in das klebrige Zeug gebissen und er hatte den dummen Satz in die Kamera gesagt: ›Feuer und Eis, macht mich heiß und richtig cool. Mein Erfolgsrezept.‹ Dann hatte er sympathisch gelacht. Und jetzt wagte dieser Schokokonzern es, seine Spots einzustellen und stattdessen eine kleine geile Null ›Ich bin heiß, kühlst du mich ab?‹ keuchen zu lassen. Wütend wählte er die Nummer seines Managers.

»Felix! Schön, dass du …«

»Schön?« Er schrie in den Hörer. »Was läuft hier eigentlich?« Mit zitternden Händen schenkte er sich noch einen Whisky ein.

»Du hast den Werbespot gesehen!«

»Werbespot? Ich habe diesen billigen Scheiß gesehen!« Er tigerte durch das Wohnzimmer. »Eddy! Ich rate dir, setz deinen Arsch in Bewegung! Das lass ich mit mir nicht machen.«

»Felix, bitte reg dich jetzt nicht auf! Die Sache ist die … Sie haben deinen Vertrag gekündigt.«

Felix stellte das Glas langsam ab, ohne einen Schluck getrunken zu haben. »Wie bitte?«

»Wir können da nichts machen. Der Vertrag ist jederzeit von beiden Seiten aufzuheben. Es war dein spezieller Wunsch.«

»Mein Wunsch? Oh nein! Es war nicht mein verdammter Wunsch, dass die Nation erfährt, dass ich quergevögelt habe und sich nun fragt, ob ich auch über das neue Schokoflittchen drüber bin!«

»Wir haben das im Griff«, versuchte Eddy ihn zu beruhigen.

Felix trank einen kräftigen Schluck. »Ich warne dich!« Er sprach sehr langsam und deutlich. »Wenn du mir nicht in den nächsten fünf Sekunden erklären kannst, wie du die Karre aus dem Dreck ziehen willst, bist du raus. Total raus!«

»Wir greifen vor und behaupten, dass dein vietnamesisches Patenkind zuckerkrank ist und du Süßigkeiten im Moment nicht mit deinem Gewissen vereinbaren kannst.«

»Ich habe kein Patenkind in Vietnam.«

»Doch hast du! Seit drei Jahren. Dieses Kinderheim hat sich bereit erklärt, eine Patenschaft über drei Jahre zu bestätigen. Gegen eine kleine Spende natürlich. Das Beste ist, dieser kleine Junge ist tatsächlich zuckerkrank! Alles wasserdicht!«

Felix grinste. Der Mann war Gold wert. Ein abgebrühtes Schwein. Sie hätten Brüder sein können.

»Wir fliegen am Dienstag.«

Felix verstand plötzlich kein Wort mehr. »Was? Wohin?«

»Nach Hanoi!«, informierte ihn Eddy, als sei er schwer von Begriff. »Ein paar schöne Aufnahmen von dir und dem Kind.«

Neue Wut kochte in Felix hoch. »Ich soll um die halbe Welt fliegen, um so eine verlauste kleine Zecke in den Arm zu nehmen. Und dafür lass ich mir noch eine Spende von zig 1000 Euro aus dem Kreuz leiern? Vergiss es! Du musst übergeschnappt sein!« Wütend trank Felix einen Schluck und überlegte, ob er sein Glas an die Wand schmeißen sollte, wie es seine Frau getan hatte. Eddy schwieg ein paar Sekunden, dann räusperte er sich. »Felix. Das war ein Werbevertrag, der aufgrund deiner damaligen Affäre geplatzt ist. Du hast noch weitere. Es geht hier um Millionen. Wenn du jetzt nicht glaubhaft handelst, verlierst du die anderen auch noch. Äh, bist du eigentlich sicher, dass von deiner Romanze mit Sophie nie jemand etwas mitbekommen hat?«

Jetzt schluckte Felix. Irgendein Page würde bestimmt reden, wenn man ihm genug Geld zahlte. Oder ein Zimmermädchen. Und in ein paar Monaten würde sie ein Kind von ihm kriegen. Er hatte keine Wahl. Sophie war sein Untergang.

»Gut«, lenkte er zähneknirschend ein. Er hatte das Gefühl, gleich platzen zu müssen. Hanoi. Er sollte wegen ein paar Fotos mit dieser Slumgöre nach Vietnam fliegen. Gott, wie ihn das ankotzte. Es gab ein wichtiges Golfturnier und nun musste er das klebrige Kind im Arm halten. Sophie! Was für eine Schlampe! Er war felsenfest überzeugt gewesen, dass diese wunderschöne karrieregeile Diva für ihn der Hauptgewinn war. Was hatten sie für einen Spaß gehabt, wenn sie sich in den schönsten Hotels der Welt getroffen hatten. Felix merkte, dass es ihn keineswegs kalt ließ, wenn er an die Zeit mit Sophie dachte. Wütend öffnete er seine Hose. »Warum musstest du alles zerstören?«, zischte er. »Das wird dir noch leidtun! Das schwöre ich dir!«

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Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
23 декабря 2023
Объем:
1014 стр. 7 иллюстраций
ISBN:
9783734994883
Издатель:
Правообладатель:
Автор
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