Читать книгу: «Schicksalhafter Kompromiss», страница 5

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Bisher konnten sie nur ihr Erspartes und ihre Heimkehr nach Rumänien zu ihrer Familie über ihre Existenz- und Zukunftssorgen hinwegtrösten. Jetzt, ohne Geld, konnte sie das vergessen. Wenn sie ohne Geld heimkam, war sie nur eine Belastung für ihre Familie.

Sie fürchtete das Alter, die Krankheit, das Siechtum und die Vorstellung, auf der Straße allein und mittellos zugrunde gehen zu müssen. Ihr gespartes Geld war bisher ihre äußerste Notreserve. Was war aus ihrem Traum geworden, ihren Lebensabend in Rumänien bei ihrer Familie zu verbringen?

Niemand wusste, wie schwer sie dieses gesparte Geld verdient hatte. Wie viele Schläge von Freiern und Zuhältern, Demütigungen von schmutzigen, drogensüchtigen, betrunkenen Freiern, Psychopathen, Kriminellen aller Hautfarben mit ihren ekelhaften Ausdünstungen musste sie schon ertragen? Wie viele Krankheiten, Infektionen und Rosskuren musste sie überstehen? Gerade weil sie dieses ersparte Geld so schwer verdient hatte, hatte sie sich immer damit getröstet, es als Entgelt für ihre erlittenen Kränkungen und Erniedrigungen für einen ruhigen, sorgenfreien Lebensabend in Rumänien, fern von hier, zu verwenden. Sie sehnte sich danach, dieses Hundeleben abzuschütteln und ein geordnetes Familienleben als unbescholtene Person mit einem treuen Partner in ihrer Heimat zu verbringen.

Als sie abends vom Dorotheum heimkam, verlor sie völlig die Fassung. „Nun habe ich meinen letzten Schmuck versetzt. Alles wegen dir. Ich kann es mir in Zukunft ohne dich leichter machen. Ich werde mir nur ein paar ausgesuchte Freier halten und weniger arbeiten“, drohte sie, während sie Patrik anschrie.

„Ich kann auch ohne dich gut leben. Es gibt genug hübsche Newcomer auf dem Markt, die mich gerne als ihren Liebhaber und Beschützer hätten“, funkelte er sie zornig an.

„Dann geh doch und nimm dir eine andere. Du bist Abschaum. Warum soll ich dich behalten und wie eine Natter an meiner Brust nähren. Du bist ein Parasit, ein Feigling, und kannst mich vor niemanden beschützen, du bist eine Lachnummer im Kampf gegen meine Freier.“ Dann riss sie ihm die Bierflasche aus der Hand und knallte sie ihm an den Kopf.

Sie provozierte ihn bis aufs Blut, tanzte wild schreiend um ihn herum: „Schlagen, schlagen.“

Er kannte ihre Absicht, einen Arzt aufzusuchen, um ihn mit einem ärztlichen Attest anzuzeigen und ins Gefängnis zu bringen.

Daraufhin rastete Patrik vor Wut aus und schlug sie im betrunkenen Zustand grün und blau, sodass die Scheidung nur mehr eine Frage der Zeit war.

Für seinen zukünftigen Verdienstausfall und seine Guttätigkeit, dass sie durch ihn die österreichische Staatsbürgerschaft und seinen österreichischen Familiennamen bekommen hatte, verlangte er, nach einer Beratung mit Fredy, als Entschädigung eine hoch dotierte Abschlagszahlung. Wenn sie nicht zahle, würde er ihr Gesicht so zurichten, dass kein Freier sie mehr haben wolle. Außerdem werde er seine guten Kontakte zur Unterwelt spielen lassen, ihren Sohn ausfindig machen und ihm von ihrer Prostitution erzählen, drohte er. „Ich habe kein Geld. All mein Geld hast du verprasst. Ich werde es abdienen, meine Tür steht dir immer offen“, hatte sie mit einem befreienden Lächeln erklärt.

Kurze Zeit später waren sie geschieden. Damals war Patrik so wie früher als kleiner Junge zu seiner Großmutter geeilt, um vor ihr zu glänzen und ihr zu sagen, dass er von Angelique geschieden war und dass sie Recht gehabt hatte damit, dass Angelique keine geeignete Frau für ihn wäre. Er hätte besser auf sie hören sollen und hätte nun Lehrgeld zahlen müssen. „Endlich, mein Junge, hast du Vernunft angenommen. Beginne ein neues Leben mit einer anständigen, standesgemäßen Frau in deinem Alter. Gründe eine Familie, damit ich mir keine Sorgen um dich mehr machen muss und ich stolz auf dich sein kann“, hatte sie ihm ins Gewissen geredet.

„Du brauchst keine Bindungsangst zu haben. Zu zweit ist das Leben einfacher. Schau, dein Großvater war ein angesehener Beamter und wir waren ein Leben lang glücklich verheiratet. Nimm dir ein Beispiel an uns“, hatte sie ihm gut zugeredet.

Auf deine guten Lehren kann ich verzichten. Du redest so, als ob du wüsstest, wie ein gutes Eheleben sein müsste. Auf solch eine Ehe, wie ihr sie geführt habt, kann ich verzichten, dachte Patrik. Du glaubst, dass ich nicht weiß, wie unglücklich du warst und wie viele Tränen du seinetwegen vergossen hast. Obwohl dein Mann ein angesehener Beamter war, wie du immer betonst, war er arrogant und überheblich. Er hat dich immer nur schikaniert, weil er der Beamte und Familienerhalter war und du nur eine primitive Hausfrau warst. Du musstest seinen Befehlen bedingungslos gehorchen. Du hast ihn bedient und verwöhnt von vorn bis hinten. Wehe, du hast aufbegehrt. Dann bohrte er in deinem Wundmal und beschimpfte dich wüst. Patrik hatte Großvaters Schimpftiraden noch immer im Ohr: „Du bist und bleibst ein dummer Bauerntrampel. Nicht einmal einen Beruf hast du erlernt. Du hast keine Kinderstube, du musst mir ewig dankbar sein, dass ich dich geheiratet habe.“

In Wahrheit haben alle über euch gelacht, weil ihr in einer vergangenen Zeit stecken geblieben wart. Nur um den Anschein einer angesehenen Familie zu wahren, hast du seine Tücken und Beleidigungen in Kauf genommen. Wie oft hat er dich gedemütigt?

Ihr habt euch die meiste Zeit gemieden und gezankt. In trauter Zweisamkeit vereint, sah ich euch nur, wenn ein Gewitter nahte, denn ihr beide hattet zum einen Angst vor dem Gewitter und zum anderen Angst, dass ein Blitz einschlagen würde, die Wohnung ruiniert würde und ihr mittellos und obdachlos werdet.

Wenn alle Stromstecker ausgesteckt waren, löschten sie das Feuer und packten. Zitternd an den Händen haltend, beteten sie gemeinsam, das meiste Gewand am Körper, das Sparbuch, alle wichtigen Dokumente, alle Gegenstände griffbereit in Koffer gepackt, damit sie jederzeit flüchten konnten mit dem Notwendigsten, wenn der Blitz einschlagen würde.

Ein Grillenzirpen im saftigen Gras neben Patrik riss ihn aus seinen dämmrigen Schlaf- und Wachphasen mit seinen nostalgischen Erinnerungen heraus. Er hörte die Musik und den Lärm der Party, welche er vorhin mit Anneliese verlassen hatte. Sofort löste er sich gedanklich von seiner Vergangenheit und kam in die Gegenwart zurück. Sein erster Gedanke steuerte, wie von unsichtbaren Mächten geleitet, Anneliese zu. Er versuchte sie zu ertasten und als er ins Leere griff, war er enttäuscht.

Ein Lächeln bemächtigte sich seiner. Wir sehen uns wieder, kleine Anneliese. Die Glut der Liebe ist entfacht, das Feuer der Begierde brennt lichterloh. Du hast wieder Sonnenschein in mein Leben gebracht. Hauptsache, ich bin wieder glücklich und verliebt mit Schmetterlingen im Bauch und fühle mich wieder lebendig wie ein pubertierender Junge. Mit diesen Gedanken verabschiedete er sich gedanklich von Anneliese.

Liebestrunken nach dieser himmlischen Nacht begab er sich nach Hause zu Sabine, seiner Ehefrau. Und als er den Mond und die Himmelsgestirne auf dem Heimweg betrachtete, fragte er sich: Wie oft wart ihr schon Zeugen meiner heimlichen, außerehelichen Liebesnächte?

Wie von selbst gesteuerten Magneten angezogen, fanden sich Patrik Lerner und Anneliese, als wären sie verabredet, am nächsten Tag wieder, und es begann eine heiße, verbotene Affäre, die im Geheimen bis zur Vollendung blühen und niemals ans Tageslicht treten sollte. Ihr Liebreiz und ihre anbetungswürdige Ausstrahlung zogen ihn an. Wenn er nicht bei ihr war, schwärmte er sehnsuchtsvoll von ihr und wünschte sich, sie würde ihn ewig lieben. Die neue Liebe machte ihm nicht nur sein Leben, sondern auch seine altersbedingten Kreuzleiden erträglicher. Patrik Lerner fühlte sich durch seinen heimlichen Jungbrunnen pudelwohl. Er kam zur Ansicht, dass jeder Arzt alternden Männern junge, süße Mädchen anstatt Pillen verschreiben sollte.

Die Fragen aller Fragen seiner Geliebten blieb auch dieses Mal nicht aus. Eines Abends frug Anneliese unverblümt: „Bist du verheiratet?“

Gleichgültig erwiderte er, wie schon oft erprobt, dass er verheiratet wäre, seine Ehe tot sei und er diese Ehe ohne Liebe ertragen müsse. Denn diese Ehe müsse nur noch wegen der Firma auf dem Papier bestehen bleiben.

Im gleichen Augenblick beneidete Anneliese Patriks Frau um diesen Mann. Unvermittelt traten Eifersucht und Hass auf seine Frau auf.

Anneliese versicherte ihm treuherzig, dass, obwohl er verheiratet wäre, dies kein Grund sei, ihn weniger zu lieben, sondern ganz im Gegenteil, dass sie im Hintergrund bleiben werde und ihn als Entschädigung für sein unglückliches Eheleben noch mehr lieben und beglücken wolle.

Und doch, mein Liebster, wird die Zeit für uns beide arbeiten. Deine Ehefrau ist alt und ich jung. Die biologische Uhr wird alles klären. Ich bleibe nicht immer deine Zweitfrau. Am Ende bin ich die Siegerin und es werden für uns die Hochzeitsglocken läuten, nur du weißt noch nichts davon.

„Liebst du mich?“ Am liebsten hätte sie ihn mit ihren schmachtenden Blicken verschlungen, während sie sehnsüchtig sein „Ja“ erwartete.

Immer diese bohrenden Fragen, die ihm auf die Nerven gingen.

„Ich liebe dich, für immer und ewig, mein Kleines“, erwiderte er seufzend wie ein Schwerenöter.

Immer, wenn er Kleines sagte, zuckte sie unmerklich zusammen, denn intuitiv wurde sie dadurch an ihren geflohenen Vati erinnert. „Kleines, ich komme dich bald besuchen“, hatte er, als sie noch ein Kleinkind war, gesagt. Aber sie hatte bis heute umsonst auf ihn gewartet. Anneliese schaute Patrik aus zusammengekniffenen Augen an. Ich werde nie wieder eine so große Enttäuschung wie damals als kleines, hilfloses Mädchen mit meinem Vati hinnehmen. Jetzt bin ich erwachsen und bestimme selbst über mein Leben und dazu gehörst du, für immer.

„Ich werde dich immer lieben, auch ohne Ehering“, ergänzte Patrik mit Nachdruck. Das wollte Anneliese hören. Dich lasse ich nie wieder gehen, du gehörst mir. Als hätte sie auf diese Antwort gewartet und sich darauf vorbereitet, erklärte sie, wie bei einem religiösem Eid, dass sie für ihre Liebe kämpfen werde und bereit sei, mit ihm

ein dunkles Tal zu durchschreiten, um am Ende mit ihm die Glückseligkeit zu erlangen. „Ich habe mit dir endlich mein großes Glück und meine einzige Liebe gefunden, welches bis an mein Lebensende auch ohne Trauschein halten wird“, versicherte sie ihm mit unschuldigen Augen. Dann bekräftigte sie gleich einer religiösen Formel: „Unser Bündnis wird besser halten als jede Ehe, denn Ehen würden geschieden, während unser Gelöbnis sicherer als jeder vor dem Altar getätigter Schwur ist.“ Liebevoll schmiegte sie sich zärtlich an seine Brust. Patrik war verwundert. Ihm war es vorgekommen, als stünde er in einer feierlicher Trauungszeremonie mit Anneliese vor dem Traualtar wo sein „Ja“ erwartet wurde.

Glaubte sie das in ihrem jugendlichen Eifer eigentlich selber? Einerseits entzückte und erregte ihn dies, andererseits machte ihm ihr Eifer Angst. Wie weit würde sie in ihrem Fanatismus, ihn ganz zu besitzen und im Glauben an die ewige Treue und Liebe gehen? Würde sie etwa in ihrem Eifer so weit gehen und seine Ehe, seine Familie und seine Lebensexistenz zerstören? Warum klammerte sie so stark? Woher rührte dieser Fanatismus? Hatte sie eine schwere Enttäuschung hinter sich oder etwa einen Vaterkomplex?

So wie Anneliese bekräftige, ihn ewig zu lieben, bekräftigte auch Patrik Lerner vor jeder körperlichen Vereinigung, wie ein ständig erprobtes Ritual das erwünschte Ziel vor Augen, mit ernster Stimme, dass sie die einzige Frau war, die er begehre und ihm genüge und die er immer lieben würde, egal was passieren würde.

„Ich habe lange auf eine Frau wie dich gewartet, ich dachte schon, du kommst nie“, flötete er, während er sie zärtlich streichelte.

Den größten Spaß bereitete es Patrik, mit jenem roten Chevrolet, dessen Schlüssel er von seinem Schwiegervater Zoltan Gaber als Gegenleistung für ein Treuegelöbnis seiner Frau Sabine gegenüber ausgehändigt bekommen hatte, wie ein Teenager mit Anneliese durch die Gegend zu fahren.

Nach einiger Zeit, an einem warmen Sommertag, als Anneliese im Handschuhfach ihre Sonnenbrille suchte, fiel Ewalds Foto heraus.

„Wie kommt Ewalds Foto da hinein“, fragte sie erschrocken.

„Ewald muss es hineingetan haben“, antwortete Patrik lapidar.

„Wie kommt er in dieses Auto?“

„Wir sind gestern herumgefahren. Ewald ist mein Sohn. Das habe ich dir doch gesagt.“

„Nein, das hast du nicht. Ich habe es nicht gewusst, sonst hätte ich mich mit dir nie eingelassen. Ewald war mein Freund, bevor ich dich kennengelernt habe“, schrie sie entsetzt. Patrik erstarrte. Das darf nicht wahr sein. Ich habe meinem eigenen Sohn die Freundin ausgespannt. In was habe ich mich da hineingeritten.

Einige Zeit trat betretene Stille ein.

„Weiß Ewald von uns beiden“, fragte Anneliese noch immer sichtlich erschrocken.

„Nein. Das braucht er auch nicht zu erfahren“, antwortete Patrik beruhigend.

Vielleicht erledigt sich alles von selbst und unsere Liebesaffäre ist bald Geschichte. Nur keine schnellen, voreiligen Schlüsse ziehen.

„Wir tun Ewald Unrecht. Er ist so ein lieber, netter Junge“, hauchte sie tränenerstickt.

Er ist so ein lieber, netter Junge, äffte Patrik Anneliese gedanklich nach. Ich weiß, dass er ein lieber, netter Junge ist. Aber er genügt dir nicht. Warum sonst liegst du in meinen Armen? Patrik schien es, als wolle sie ihr Gewissen reinwaschen und seines belasten und ihm die alleinige Schuld für ihre Untreue geben. Diese Mitleidmasche der leichtlebigen Weiber kannte Patrik Lerner zur Genüge. Wie sehr sich alle ähnelten. Als hätten sich alle in Engel verwandelt und zu Märtyrerinnen vereint, um ihrer verlorenen Tugend und dem edlen Verflossenen nachzuweinen.

„Ewald muss lernen, mit Rückschlägen fertig zu werden, je schneller desto besser. Nur die Harten und Starken kommen durch. So ist das Leben“, erklärte er väterlich, bemüht, dadurch das Thema vom Tisch zu haben. Nicht, dass sie ihn mit weiteren Vorwürfen und Gegenleistungen zu plagen begann.

„Kleines, Ewald kann dein Freund bleiben, wie ein Bruder, und wir machen uns nebenbei schöne Stunden“, erklärte er selbstgefällig.

Ich lasse mir von niemandem was vorschreiben. Das wäre ja noch schöner, wenn ich meinen Sohn um Erlaubnis bitten müsste, wen ich lieben dürfte, rechtfertigte sich Patrik schweigend. „Läuft noch etwas zwischen dir und Ewald, weil du so besorgt um Ewald bist?“

„Mit Ewald läuft nichts mehr“, erklärte sie bockig.

„Aber warum fragst du das? Genauso könnte ich dich fragen, ob du mit deiner Frau inzwischen wieder das Bett teilst. Du bist nicht ehrlich zu mir. Warum hast du mir nicht gesagt, dass Ewald dein Sohn ist?“

Typisch, erst genießen die Weiber die Liebe mit ihm, dann kommen die Vorwürfe.

„Ja mein Gott, mach nicht so ein Theater, davon geht die Welt nicht unter. Er wird nichts von uns beiden erfahren.“ Um ihre Vorwürfe nicht anhören zu müssen, drehte er die Musik lauter. Dann blieb er mit dem Auto stehen, nahm sie in die Arme und schloss ihren Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss.

Nach kurzer Zeit nahm Patrik ihre Hand und sie lächelte ihn an. Gott sei Dank hat sie sich wieder gefangen. Mein Tag ist gerettet, atmete Patrik erleichtert auf.

Er gab Gas und fuhr mit Anneliese in halsbrecherischem Tempo durch die Gegend und Annelieses lange, blonde Haare flatterten im Wind. Er lachte jedes Mal hinter seinen Sonnenbrillen versteckt, wenn sie liebestoll obszöne Wörter den Passanten zurief, was ihn wie einen jugendlichen Backfisch antörnte.

Gut, dass ich dieses Auto von meinem Schwiegervater erhalten habe, lächelte Patrik süffisant. Somit hat er mein Leben bereichert. Lächelnd erinnerte er sich an jenen Tag.

Völlig ahnungslos hatte Patrik damals wie jeden Morgen die Angebote der Prostituierten am Computer gelesen, als Zoltan wütend in sein Büro trat. Nachdem Andrea ihm seine Affäre mit Monika verraten hatte, hatte ihm sein Schwiegervater Zoltan Gaber die Leviten gelesen und ihm, nachdem Patrik ihm zerknirscht versprochen hatte, ab sofort seiner Frau Sabine treu zu sein und ein guter Familienvater zu werden, als Dank einen Chevrolet versprochen. Bald hatte er ihm die Autoschlüssel übergeben, als wolle er seiner Tochter mit dem Chevrolet ein schönes Eheleben erkaufen. Wie oft ergötzte sich Patrik insgeheim daran, wie er durch die reiche Heirat mit seiner Frau finanziell gut versorgt war, viele Liebschaften nebenbei führen konnte und diesen Chevrolet fahren durfte. Geradeso, als würde sein Schwiegervater Pate stehen und stillschweigend seine außerhäuslichen Affären forcieren, finanzieren und segnen. Was für eine Ironie des Schicksals.

Patrik triumphierte jedes Mal innerlich, wenn er mit Anneliese im Chevrolet saß, als hätte ihm sein inzwischen verstorbener Schwiegervater dieses Glück extra verschafft. Wenn er, hinter einer dicken Sonnenbrille mit einem großen Hut getarnt, bekannte Ehefrauen sah, wie diese wegen der frechen Sprüche von Anneliese erschraken, amüsierte ihn klammheimlich der hinterhältige Gedanke, inkognito seine Frau Sabine mit seiner Geliebten im Auto erschreckt zu haben. Als stünde er maskiert als Casanova im Karneval von Venedig am Markusplatz, ergötzte ihn der Gedanke, seine Frau Sabine gerade in jenem Auto mit seiner Geliebten erschreckt zu haben, für welches er seinem Schwiegervater zum Dank auch für sein Schweigen, versprochen hatte, ein treuer Ehemann und guter Familienvater zu werden.

Gut, dass seine Frau Sabine das Privileg hatte, reich geboren zu sein. Somit war sie seine auserwählte Beute gewesen, um ihm einen gesicherten, sorgenfreien Lebensstandard zu bieten. Sabine übertraf seine kühnsten Erwartungen von einer geduldigen, toleranten Ehefrau, befand er öfters dankbar. Gott sei Dank war seine Frau Sabine keine egozentrische Intellektuelle oder karrieresüchtige Frau, die ihm zu viel Energie und Zeit abverlangte, womöglich ihn wegen jeder Meinungsverschiedenheit zappeln ließ oder zurückwies. Solchen Frauen wich er aus. Diese waren ihm zu schwierig und eine unnötige Zeitverschwendung.

Im Gegenteil, Sabine war eine gutgläubige, leicht zu beeinflussende Marionette, die vordergründig immer nur das Ansehen und Wohl der Familie und Firma im Sinne hatte und bestrebt war, bei jedem Problem zurückzustecken und nach außen hin den trügerischen Schein der heilen Welt aufrecht zu erhalten. Sie konnte nicht wissen, wie eingeengt er sich zuhause fühlte und was für eine Glut des Verlangens nach Weibern in ihm steckte. Diese Seite hielt er so gut es ging verborgen. Als wäre er wie ein von Besessenheit getriebener Triebtäter, flüchtete er regelrecht von daheim. Wie hätte sie ahnen können, welch ein zärtlicher Liebhaber er außer Haus war und zu welchen Wonnen er seine jeweilige Liebhaberin führte? Nach seinem Empfinden war sie nicht so liebesbedürftig wie er. Sie war verklemmt und ließ alles regungslos über sich ergehen, als würde sie befürchten, zu viel Intimität abzugeben, wäre ihrer Person abträglich. Oder verleugnete sie ihr Verlangen nach ihm, ihren moralischen Vernunftsansichten gehorchend, nur Nutten würden sich wie entfesselte, hemmungslose Tiere hingeben? Oder ahnte sie etwas von seinen Affären und wich ihm deshalb aus stillem Protest aus? In ihr loderten keine Glut und keine Gier nach Liebe. Wie sollte sie ihn jemals verstehen? Dieses Ungleichgewicht zwischen ihr und ihm konnte er nur durch außerhäusliche Affären ausgleichen. Mit der Zeit gehörten seine Affären wie das tägliche Brot zu seinem Leben. So fand er seine Befriedigung und brauchte sie nicht zu drängen und zu belästigen. Also brauchte sie ihm wegen seiner Untreue keine Vorwürfe zu machen. Deswegen wäre eine Trennung für ihn nicht notwendig, sondern reine Schikane, wie Patrik empfand.

Wie ein Lebenselixier brauchte er seine außerhäuslichen Affären, worin er Bestätigung finden, Kraft tanken und sich über Vieles hinwegtrösten konnte. Er brauchte diese heimlichen Freuden auch als Belohnung und Entgelt, um sich für die langweilige und unliebsame Zwangsheirat, wie er seine Ehe nach kurzer Zeit bezeichnete, zu entschädigen. Soll eben jeder in seiner Fasson leben und glücklich werden.

Und schließlich, wenn es ihm gut ging und er glücklich war, ein ausgeglichener Mensch war, profitierte auch sie von seiner ansteckenden Fröhlichkeit, rechtfertigte er sich. Wie sollte er sonst weiterhin geheuchelte Liebe zeigen und ihre Nähe ertragen?

Seine Affären waren immer wie ein Kompass, um seine Anziehungskraft auf Frauen jedes Mal neu zu testen und um seine geheimsten Wünsche und verborgenen Triebe zu befriedigen. Die Ehe war für ihn kein Grund, seinem Vergnügen nicht nachzugehen, nach dem Motto „Geheiratet ist ja nicht gestorben“. Ein Leben ohne Höhen und Tiefen war für ihn unvorstellbar. Jedes neue Abenteuer war für ihn wie ein neu geöffnetes Tor, hinter dem er wieder neue Erfahrungen sammelte, diese mit Wonne auskostete, und welche sein Leben bereicherten. Sein ständiges Suchen nach neuen, geilen Weibern wollte nie enden.

Am wenigsten Mühe hatte Patrik bei Sabine sein Fernbleiben bis tief in die Nacht zu entschuldigen. Stets entschuldigte er sich wegen Arbeitsüberlastung in der Firma.

Seine Frau Sabine war es von jeher gewohnt, dass ihr Vater die meiste Zeit in der Firma war, deshalb war es für sie auch selbstverständlich, dass ihr Mann viel Zeit in der Firma verbrachte. Immer war ihr Vater bemüht, ein gut florierendes Unternehmen zu haben, es auszubauen, damit sein „kleines Püppchen“, wie er sein einziges Mädchen immer nannte, gut versorgt war. „Du bist nicht mit mir, sondern mit der Firma verheiratet“, hatte Sabines Mutter ihrem Vater oft vorgeworfen.

Dennoch staunte Patrik jedes Mal über ihre Vertrauensseligkeit, mit welcher Selbstverständlichkeit sie seine vorgetäuschten Überstunden, Kurse, Geschäftsreisen et cetera akzeptierte, jene Zeit, die er für seine Freiräume und Affären benötigte.

Fast bedauernd stellte er nach einiger Zeit fest, dass sich nach den ersten, unentdeckten Affären der Kick legte und sich eine gewisse Routine in seinen Liebschaften, wie selbstverständlich, manifestierte. Deshalb widerte ihn Sabines Gutgläubigkeit öfters an und er hätte gerne manchmal mehr Widerstand gespürt, um in seinem Tun einen zusätzlichen Kick zu spüren. Wie oft, wenn Patrik in eine Affäre glücklich verstrickt war, bedankte er sich gedanklich bei seiner ahnungslosen, gutmütigen Frau und lachte sich heimlich ins Fäustchen, wenn er allerlei geschäftliche Verpflichtungen vortäuschte und für das Fremdgehen das Haus verließ.

Es wurde für Patrik Lerner mit der Zeit zu einer Art Überlebensstrategie in der Ehe, sich heimliche Affären und Puffbesuche zu gönnen. Die Puffbesuche sollten auch seine Freundschaft zu Angelique und Fredy aufrechthalten, für den Fall, dass er in Schwierigkeiten stecken und Fredy und seine Freunde einmal brauchen würde. Wenn er im Puff seine Exfrau Angelique traf, verglich er sie oft mit Sabine. Es gab durchaus Ähnlichkeiten. Finanziell gut versorgt war er durch seine erste Ehefrau auch gewesen. Dennoch, unterschiedlicher in der Liebe hätten seine Ex- und seine Ehefrau nicht sein können. Zwar war Sabine jünger, reicher und unverbrauchter, aber in der Hingabe und in der Liebe ähnelten sie sich wie Feuer und Wasser.

Im Gegensatz zu Angelique war Sabine eine Heilige. Sabine war zurückhaltend und scheu. Vom ersten Tag an, als er Sabine in einem Kaufhaus kennenlernte, fühlte er sich wohl und geborgen in ihrer Gegenwart, wie damals, als er als Kind auf dem Schoß seiner Großmutter saß. Dieses Gefühl hatte er lange vermisst.

Lächelnd erinnerte er sich öfters an den Tag beim Einkaufen zurück, an dem er Sabine kennengelernt hatte. Sie war freundlich und ihm behilflich, etwas zu finden. Ihre teure, modische Kleidung, der Goldschmuck, die vornehme Sprache deuteten auf Bildung und Wohlstand hin. Das Maiglöckchen-Parfüm betörte und umhüllte ihn wie eine einschmeichelnde Himmelswolke. Sie muss wohlhabend sein, meldeten sich seine Glückshormone. Sie fällt in dein Beuteschema.

Sie war nicht sein Typ, etwas mollig, aber ihr Aussehen und ihr warmherziges Lächeln erinnerten ihn an seine geliebte Großmutter und erwärmten sein Herz. Die Zeichen der Verliebtheit spürte er nicht. Weder schlug sein Herz schneller noch pulsierte das Blut in seinen Adern heftiger als sonst, wenn er verliebt war. Vielleicht sind dies die wahren Vorzeichen und der richtige Schlüssel zum lang andauernden Eheglück? Die bisherigen Anzeichen der Verliebtheit waren trügerisch, dachte Patrik.

Damals, an jenem Tag, als er Sabine Gaber kennenlernte, war er an seinem Tiefpunkt angelangt, er hatte kein Geld und noch offene Spielschulden. Seine aktuelle Flamme Annegret hatte ihm an jenem Tag wegen eines jüngeren Lovers den Laufpass gegeben. „Warum gehst du nicht arbeiten wie es alle anderen Männer tun? Du musst zu deinem Lebensunterhalt etwas beitragen. Ich erhalte dich nicht länger. Ich brauche keinen Gigolo. Du kannst bald unter der Brücke schlafen und im Müll stöbern. Wenn ich heimkomme, musst du fort sein, hatte sie ihn zum wiederholten Mal angeschrien. Als sie fort war, hatte er sich im Spiegel betrachtet und das erste graue Haar und die erste Falte im Gesicht entdeckt, und war, hoffärtig und eitel wie er war, am Boden zerstört. War seine Jugend vorbei? Auf welche Freuden konnte er noch hoffen, das Schreckgespenst des Alters vor sich. Er wusste, dass er im Alter Frauen nur noch für Geld haben konnte. Nach dem Rauswurf war er zuerst hilfesuchend zu Angelique gegangen. Und als er abends frierend vor Angeliques Wohnung lange warten musste, bis der letzte Freier gegangen und das Bett für ihn frei war, überlegte er fröstelnd, wie schön es wäre, sorgenfrei bei Sabine in einem warmen Bett geborgen zu sein und schlafen zu dürfen.

Angelique erklärte ihm strikt, dass sie mit Männern ohne Geld ihre Zeit nicht mehr vergeuden wolle und ihm kein Geld mehr zustecken würde. Für sie wäre das Kapitel zahlungsunfähiger Freier abgeschlossen und er gehen müsse. Als er nach diesem neuerlichen Rauswurf mittellos auf der Straße stand, überlegte er, wohin er gehen konnte. Was soll ich tun?

Eine Gruppe Blaskapelle in Tracht mit Hüten spielte unweit von ihm. Sie sprachen einen Dialekt genauso wie im Heimatdorf seiner Großmutter. Das erinnerte ihn an das Leben seiner Verwandten am Land.

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