Читать книгу: «Hüter meines Herzens», страница 2

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„Natürlich. Alles, was du willst.“

„Ich will, dass das hier abgewickelt wird. Und ich will, dass es schnell geschieht.“

Er konnte es nicht erwarten, sie endlich loszuwerden. Genau wie letztes Mal. Ihr Innerstes schrumpelte in sich zusammen, während ihr wieder die Hitze ins Gesicht stieg. „Du kannst dich auf meine volle Kooperation verlassen.“

Und so schnell, wie Noah wieder in ihr Leben getreten war, war er wieder weg. Ließ sie gleichermaßen aufgewühlt und ausgelaugt zurück. Genau wie beim ersten Mal, als er durch ihre Tür gekommen war.

KAPITEL 3

Copper Creek, Georgia Vor dreieinhalb Jahren

Josephine legte den neuen schwarzen Umhang über die Schultern des Mannes. Er wirkte kaum volljährig, aber sie fühlte, dass seine Augen im Spiegel sie fixierten. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern, die immer noch warm waren von diesem schwülheißen Junitag, und erwiderte seinen Blick. „Was darf ich für dich tun?“

„Nur einmal nachschneiden.“ Er hatte ein nettes Lächeln und Welpenaugen, die die jungen Mädchen vermutlich alle zum Schmachten brachten.

Die Türglocke klingelte, und ein Schwall heißer, feuchter Luft umspülte die provisorische Trennwand. Noch ein Kunde, hoffte sie. „Bin gleich bei Ihnen!“

„Lassen Sie sich Zeit“, erwiderte eine tiefe Stimme.

Josephine steckte das Kabel des Haarschneiders in die Steckdose und machte sich an die Arbeit. Ihre ersten Wochen waren zäh verlaufen, aber so langsam kam das Geschäft in Schwung. Mundpropaganda, vermutete sie. Männer waren darin einfach besser, nahm sie an. Sie hatte ganz sicher kein Geld mehr für Werbung.

Die Fläche so zu gestalten, dass man dort arbeiten konnte, hatte sie mehr gekostet als gedacht, und sie hatte nur ein Waschbecken und einen Stuhl. Verbesserungen in ihrer schäbigen Wohnung im Obergeschoss würden warten müssen. Es würde den Rest ihres Erbes aufzehren, den Laden auf Vordermann zu bringen, mehr Arbeitsplätze zu schaffen und Angestellte zu beschäftigen. Aber das musste geschehen, und zwar bald. So konnte sie kaum ihren Lebensunterhalt bestreiten. Der Kostenvoranschlag, den sie von dem Bauunternehmer bekommen hatte, der die Vorarbeiten erledigt hatte, war jenseits dessen, was sie sich leisten konnte.

„Wie heißen Sie, Schätzchen?“, fragte der Junge ein paar Minuten später. Ein kokettes Lächeln umspielte seine Lippen.

Ihre Augen wichen seinen im Spiegel aus. In einer kleinen Stadt sprachen sich Dinge schnell herum. Niemand wusste das besser als sie.

Sie schenkte ihm ein verwegenes Lächeln. „Warum fragst du?“

„Ein Mann sollte den Namen seiner zukünftigen Frau kennen.“

Der war aber draufgängerisch. Und so jung. „Du kennst mich doch gar nicht, Kleiner. Vielleicht bin ich nicht die Art Mädchen, die man zu Hause seiner Mama vorstellt.“

Rote Flecken erschienen auf seinem Hals, und Josephine fühlte sich kurz schuldig, weil sie so geradeheraus gewesen war. Seit vollen fünf Minuten saß er in dem Stuhl und hatte nicht ein einziges Mal den „zufällig-absichtlichen Ganzkörpercheck“ gebracht.

„Meine Mama ist nicht mehr da“, sagte er. „Aber mein Daddy würde Sie mögen.“

Sie lachte leise vor sich hin. „Ganz bestimmt, Kleiner.“

Er machte weiter, tat sein Bestes, um sie zu beeindrucken, aber Josephine federte das Ganze etwas ab. Selbst, wenn er sie herumkriegen würde – und das würde nie passieren –, würde er vermutlich gar nicht wissen, was er mit ihr anfangen sollte.

So plauderte sie weiter mit ihm, während sie sein goldbraunes Haar zurechtstutzte.

Eigentlich musste kaum etwas geschnitten werden, aber diese Woche waren schon ein paar solcher Kunden da gewesen. Neugierde, vermutete sei. Alle alleinstehenden Männer kamen vorbei, um sie in Augenschein zu nehmen. Solange ihr das Kunden einbrachte, war das ganz in Ordnung für Josephine. Und wenn ein kleines bisschen Flirten die Männer dazu bewog, wiederzukommen, tat sie ihnen den Gefallen gerne.


Im Empfangsbereich des Herrensalons blätterte Noah blind durch die Seiten der Zeitschrift Blue Ridge Country. Seine Ohren waren ganz auf das Gespräch hinter der klappbaren Trennwand eingestellt. Selbst wenn er den blauen Ford draußen nicht erkannt hätte, hätte er doch Bryce Collins Stimme erkannt. Er war ein guter Junge, beinahe zehn Jahre jünger als Noah, aber er tat sein Bestes für die Neue in der Stadt.

Viel Glück dabei, dachte er und rutschte auf der alten Kirchenbank hin und her, die im Wartebereich als Sitzgelegenheit diente. Ihm stand es noch bevor, die neueste Mitbewohnerin in Copper Creek zu sehen, aber er hatte gehört, dass sie eine echte Augenweide sein sollte. Und wenn sie, wie es hieß, 26 war, war sie eher in seinem Alter als in Bryces. Die Mutter des Jungen würde sich bei seiner Dreistigkeit im Grab umdrehen.

Was Noah anging, war er nur wegen eines Haarschnitts hier. Er hatte seinen Teil Verabredungen schon gehabt und hatte nicht vor, sich niederzulassen, sehr zum Unwillen seiner Mutter. Er war einfach nur froh, lediglich wegen eines Haarschnitts nicht mehr nach Ellijay fahren zu müssen.

Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Erst kürzlich war er nach einem kurzen Einsatz mit den Marines zurückgekehrt, aber sein raspelkurzer Militärschnitt war schon lange herausgewachsen. In seiner Abwesenheit hatte sich hier nicht viel verändert, aber das gefiel ihm irgendwie. Er hatte die Zeit gebraucht, um erwachsen zu werden und sich zu überlegen, ob Copper Creek und das Familienunternehmen das waren, was er wirklich wollte. Als er nach Hause gekommen war, war er sich sicherer denn je gewesen, dass das der Fall war.

Im Nebenraum ging das Gespräch weiter, und Noah fühlte sich wie angezogen von der gedämpften, sinnlichen Frauenstimme. Ihre handwerklichen Fähigkeiten als Friseurin konnte er noch nicht beurteilen, aber das Ding mit den Waffen einer Frau hatte sie auf jeden Fall voll drauf. Der arme Junge hatte keine Chance.

Obwohl ihre Art ganz dem Südstaatencharme entsprach, entdeckte er einen Hauch Zynismus in ihrem Lachen, in ihren schnellen Antworten. Zynismus war ein Schutzmechanismus – das wusste er aus erster Hand von seiner Oma. Sag dir, man kann den Leuten einfach nicht vertrauen, dann wirst du nicht enttäuscht werden, wenn sie dich im Stich lassen.

Seine Neugier auf die Neue wuchs. Er fragte sich, was diesen Unterton in ihre Stimme gebracht hatte.

Es war kein Geheimnis, warum sie gerade in der Herrenfrisurenbranche gelandet war. Was sie konnte, musste er noch herausfinden, aber das machte nicht viel aus. Solange sie ihre Kunden nicht glatzköpfig hinausschickte, würde sie alleine durch ihre Art, mit Leuten umzugehen, für eine volle Kundenkartei sorgen.

Das Summen des Haarschneiders verstummte. Dann war das Ratschen des Klettverschlusses zu hören. „Das wär’s!“

„Sieht super aus, Josephine. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen.“

„Sag all deinen Freunden, sie sollen vorbeikommen. Für Weiterempfehlungen gebe ich zehn Prozent Rabatt.“

„Ich werd’s mir merken.“

Mit einem dämlichen Grinsen kam Bryce um die Trennwand herum und grub seinen Geldbeutel aus der Hosentasche. Dann fiel sein Blick auf Noah, und seine Ohren wurden schlagartig rot. „Was liegt an, Noah?“

„Nicht viel. Ich habe gerade Feierabend. Wie geht’s deinem Daddy? Ich habe ihn schon ein paar Wochen nicht mehr gesehen.“

„Ach, dem geht es ganz gut. Hauptsächlich ist er mit seiner Arbeit beschäftigt.“

Der Junge redete weiter, aber gerade da kam die neue Friseurin nach vorne. Sie schaute Noah mit ihren blauen Augen an – zwei Portionen Himmel –, und er wurde blind und taub für alles andere.

Ihre roten Lippen schwangen sich zu einem trägen Lächeln. „Bin gleich bei Ihnen.“

„Nur keine Eile“, krächzte Noah, dessen Kehle plötzlich ausgetrocknet war. Seine Augen folgten ihren schlanken Kurven, bevor sie hinter dem Tresen verschwand.

Er konnte den Blick nicht von ihr wenden, während sie Bryce abkassierte. Sie hatte schulterlanges blondes Haar, das kunstvoll um ihr hübsches Gesicht zerzaust war.

Obwohl hübsch ihr nicht gerecht wurde. Ihre alabasterfarbene Haut war fast blass im Kontrast zu ihren üppigen Lippen. Sie hatte dem Bräunungswahnsinn nicht nachgegeben, dem der Rest des Landes verfallen war, und das stand ihr. Lange, dunkle Wimpern strichen über ihre Wangen, als sie in die Schublade griff.

Kein Wunder, dass der arme Bryce in sie verschossen war. Sie war eine Granate. Eine Sirene. Selbst ihre Bewegungen – das wissende Zucken ihres Kinns, der selbstbewusste Hüftschwung – verströmten rohe Sexualität. Aber es waren ihre Augen, die ihn trafen wie ein Blitz. Blasses Eisblau. Und irgendwie älter als der Rest ihrer Person. Hinter diesen Augen steckten Geheimnisse, und plötzlich wollte er sie alle erfahren.

Josephine schickte ein weiteres Lächeln in seine Richtung. „Ich bin gleich so weit. Geben Sie mir nur eben ein Momentchen zum Aufkehren.“

Noah wurde bewusst, dass Bryce gegangen war. Die Glastür war immer noch im Schließen begriffen, und die klingelnden Glöckchen darüber vermischten sich mit seiner Erinnerung. Er wusste nicht einmal mehr, ob er sich ordentlich von dem Jungen verabschiedet hatte.

Er versuchte, sich an alles zu erinnern, was er über sie gehört hatte. Paul Truvy war ihr Vater, und er hatte ihr seinen Besitz vererbt, als er letzten Herbst gestorben war. Sie hatte in Cartersville bei einem Herrenfriseur gearbeitet und war zu Frühlingsanfang von dort heraufgekommen, um hier ihren eigenen Salon zu eröffnen.

Sie hatte Beamus Jenkins, dem stadtbekannten Trinker, nach Feierabend an ihrem ersten Samstag einen Haarschnitt gratis verpasst. Am nächsten Morgen war er das erste Mal seit zwanzig Jahren wieder in der Kirche aufgetaucht. Möglicherweise machte noch mehr die Runde, aber Noah war kein Typ für Gerüchte.

Die Baufirma seiner Familie hatte für die erste Phase des kleinen Renovierungsprojekts, die ihr Geschäft auf die Beine brachte, ein Gebot abgegeben. Sein Bruder, Seth, hatte den Kostenvoranschlag gemacht; er erinnerte sich daran, dass er die Akte im Büro hatte liegen sehen. Aber ein Mitbewerber hatte den Zuschlag bekommen.

Er schaute sich im Empfangsbereich um. Hier war immer noch viel Arbeit nötig, soweit er das von hier aus sehen konnte. Der ursprüngliche Holzboden musste aufbereitet werden, und der klappbare Wandschirm, der den Eingangsbereich vom Arbeitsbereich abtrennte, war nicht genug. Durch die Eingangstür ging Luft verloren. Das würde ein echtes Problem werden, wenn das schwülwarme Sommerwetter erst einmal da war.

Er würde eine Trennwand einbauen, etwa drei viertel hoch. Den Boden würde er gerade so weit abschleifen, dass der alte Schmutz und die Flecken weg waren, aber die Maserung und der Charakter des Holzes erhalten blieben. Eine schöne Espressofarbe würde einen netten Kontrast zu der alten Backsteinmauer zu seiner Rechten bilden.

Josephine kam hinter dem Paravent hervor. „Kommen Sie mit durch, Schätzchen.“

Sein verrücktes Herz machte einen Luftsprung wegen des Kosenamens. Er stand auf und folgte ihr zu dem Stuhl. Dabei zerbrach er sich den Kopf darüber, was er nur sagen sollte. Er fühlte sich, als hätte ihm einer eins mit einem Kantholz über die Birne gezogen.

Seine Augen funktionierten immerhin ganz großartig. Josephine war zierlich, fiel ihm auf, jetzt, wo er auf den Füßen stand. Mindestens einen Kopf kleiner als er mit seinen knappen 1,90. Starke, gerade Schultern und eine schlanke Taille. Kurven wie eine Bergstraße.

Er setzte sich in den Stuhl und begegnete im Spiegel ihrem Blick.

Seine Stimme schien sich in seiner Kehle verhakt zu haben. Was stimmte bloß nicht mit ihm? Er war vielleicht kein goldzüngiger Plauderknabe, aber wortkarg war er nun auch nicht. Noah zollte Bryce stummen Respekt dafür, dass er sich so zusammengerissen hatte. Das war mehr, als er gerade fertigbrachte.

„Ich bin Josephine Dupree.“ Mit einem Schwung legte sie ihm den schwarzen Umhang um.

„Noah Mitchell.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Noah.“ Sie legte ihm die Hände auf die Schultern, und er spürte die Berührung bis in die Zehenspitzen. „Was kann ich für Sie tun?“

Er riss seine Augen von ihrem Spiegelbild los und starrte sein eigenes an. „Da müssen vielleicht drei, vier Zentimeter ab.“ Seine Stimme brach, als wäre er siebzehn. Hitze kroch ihm den Hals hoch, während er sich räusperte. „Ist schon eine Weile her.“

Sie drehte seinen Stuhl um, und auf einmal fiel ihm ein, dass er sich auch für eine Haarwäsche eingetragen hatte. Das bereute er jetzt. Besonders, als sie die Lehne seines Stuhls absenkte, sich über ihn beugte und ihre großzügigen Kurven näher kamen.

Sein Herz schlug bis in seine geschwollene Kehle hinein. Er schloss die Augen. Da bemerkte er ihren Geruch. Süß, ein bisschen würzig. Berauschend.

Das Wasser wurde angestellt. Ihre Finger strichen durch sein Haar, gefolgt von einem Schwall warmen Wassers. Sein Puls machte einen Sprung, und er bemühte sich, gleichmäßig zu atmen. Sein Körper summte wie eine Stimmgabel.

Jetzt reiß dich mal zusammen, Mitchell.

„Sie haben wirklich schönes Haar“, sagte sie mit dieser rauchigen Stimme. „Viele Männer würden alles geben für so dickes, volles Haar.“

Sein Mund arbeitete. Was sollte er sagen? Danke? Ebenso? Während er über seine Erwiderung nachdachte, vergingen die Sekunden, bis es zu spät war, überhaupt irgendetwas zu sagen. Vielleicht dachte sie, er sei schwer von Begriff.

Sie fuhr mit ihren Fingern durch sein Haar, während sie es mit Wasser benetzte. Sein Herz donnerte gegen seinen Brustkorb, und ein Schaudern rann ihm über den Nacken. Herr im Himmel. Man könnte meinen, du wärst noch nie von einer Frau angefasst worden.

Er rutschte im Stuhl herum.

„Zu heiß?“

Er räusperte sich. „Ähm, nein. Ist gut so.“ Vier Worte. Jetzt hast du aber ‘nen Lauf, Kumpel.

Das Wasser wurde abgestellt, und ihre Finger begannen damit, das Shampoo in sein Haar einzuarbeiten.

Er hielt seine Augen geschlossen und ließ zu, dass ihr Duft seine Sinne überwältigte. Er konnte ihre Körperwärme spüren, als sie sich vorbeugte, um seinen Hinterkopf zu erreichen. Ihr Atem strich über die Härchen an seinen Schläfen und brachte jede seifige Haarwurzel dazu, sich aufrecht hinzusetzen.

Dann lief wieder Wasser, und sie begann, den Schaum abzuwaschen. Fast fertig. Er bemerkte, dass seine Hände zu Fäusten geballt waren. Er entspannte sie und wischte sich seine verschwitzten Handflächen auf den Oberschenkeln ab.

Als sie das Wasser abstellte, wartete er auf das Handtuch. Er brauchte Raum zum Atmen. Aber stattdessen fingen ihre Finger wieder an, sich durch sein Haar zu arbeiten, und ein angenehmer Moschusduft mischte sich unter ihren Geruch.

„Riecht das Zeug nicht einfach himmlisch? Es ist mein Lieblingsprodukt. Ihre Haare werden sich hinterher anfühlen wie Seide.“

„Riecht großartig.“

„Wie haben Sie von meinem Geschäft erfahren?“

„Äh, vom Hörensagen, glaube ich. Sie hatten den Laden gerade gekauft, als ich von einem Auslandseinsatz wiedergekommen bin.“

„Danke für Ihren Dienst, Noah. Welche Truppe?“

„Marines. Meine Familie hat übrigens ein Gebot für Ihren Renovierungsauftrag abgegeben. Mitchell Home Improvement.“

Ihre Finger kneteten seinen Nacken, eine Minimassage, die ungefähr das Beste war, das er je gefühlt hatte. Er schluckte schwer, wollte sich gleichzeitig in ihre Berührung fallen lassen und aus dem Stuhl flüchten.

„Oh, tut mir leid. Sawyers Angebot war etwas niedriger, und ich muss auf jeden Penny achten.“

„Es ist eine gute Firma. Sind gute Leute.“

„Ich hole gerade neue Angebote für die nächste Phase ein. Einer eurer Jungs macht einen Kostenvoranschlag für mich. Billy heißt er, glaube ich. Ich habe ein sehr begrenztes Budget, weil ich gerade erst angefangen habe.“

Sie stellte das Wasser an und begann damit, den Conditioner auszuspülen.

Plötzlich wollte er diesen Job mehr als seinen nächsten Atemzug. Dieser Tage kümmerte er sich vorwiegend um größere Aufträge. Sie hatten mehrere sehr fähige Mannschaften, und im Büro war auch immer eine Menge zu tun. Aber in diesem Fall war er versucht, die Sache persönlich in die Hand zu nehmen – sozusagen.

„Ich werde mir das Angebot anschauen. Mal sehen, ob sich was machen lässt.“

„Das ist aber nett von Ihnen. Ich habe vor, so bald wie möglich anzufangen. Ein Stuhl wird mich nicht lange im Geschäft halten.“

„Sie wollen sich vergrößern?“

„Yes, Sir. Ich habe einige Stühle und Becken aus zweiter Hand aus einer Geschäftsauflösung in Atlanta. Außerdem muss am Boden was gemacht werden, und ich brauche hier drin noch ein, zwei Wände.“

„Sieht aus, als hätte es in der Decke da vorne irgendwann einen Wasserschaden gegeben.“

„Das kommt von meinem Badezimmer oben. Der Schaden ist behoben, aber die Decke muss repariert werden.“

„Sie wohnen da oben?“ Die Wohnung hatte jahrelang leergestanden. Er konnte sich nicht vorstellen, in welchem Zustand sie sich befand.

„Vorerst.“ Sie drehte den Wasserhahn zu und tupfte sein Haar mit einem Handtuch ab, bevor sie die Lehne wieder gerade stellte. „Um ehrlich zu sein, also, wenn ich von dem einen Angebot ausgehe, das ich schon bekommen habe, werde ich wohl eine Art Deal aushandeln müssen.“

Lebhafte Visionen von Küssen im Mondlicht schossen ihm durch den Kopf. Er blinzelte sie weg. „Was denn für eine Art Deal?“

Sie pumpte den Stuhl hoch und rubbelte mit dem Handtuch über seinen Kopf, um das restliche Wasser aufzunehmen. Dann bewegte sie sich an seine Seite und zog einen Kamm durch sein Haar. „Ich habe gedacht, ich könnte vielleicht eine helfende Hand reichen. Sie wissen schon, abends und an meinem freien Tag.“

„Sie meinen … bei der Renovierung?“

Sie hielt inne. Ihre Augen fixierten seine im Spiegel. Sie glitzerten amüsiert. „Ich kann mehr als nur hübsch in der Gegend herumstehen, das sollten Sie vielleicht wissen.“

Hitze stieg ihm in die Wangen. „Das habe ich nicht gemeint …“

Ihr Lachen war leise und lasziv, und ihre Augen verzogen sich zu Halbmonden. „Entspannen Sie sich, ich bin kein Handwerker, aber ich kann einen flachen Schraubenzieher von einem Kreuzschlitz unterscheiden. Und ich lerne schnell. Ich habe gehofft, ein paar Hände zusätzlich könnten die Kosten ein wenig senken.“

Sie lehnte sich näher an ihn heran, um seinen Pony mit dem Kamm zu durchfahren, und brachte ihren berauschenden Duft mit. „Meinen Sie, Sie wären offen für so etwas in der Art?“

Den Mann würde er gerne treffen, der das nicht wäre.

Trotzdem, aus geschäftlicher Sicht wäre er dumm, das anzunehmen. Alles Mögliche konnte dabei schiefgehen. Vermutlich würde sie seine Arbeitsgeschwindigkeit eher bremsen. Zweifellos würde sie ihn unglaublich ablenken. Und da war noch nicht mal die Frage nach der Versicherung geklärt.

Aber während sie ihm die Haare schnitt, ganz auf ihre Aufgabe konzentriert, sah er ihr in die Augen, die auf der Hut waren. Da war mehr, als man auf den ersten Blick sehen konnte. Er wollte alles wissen, was es über Josephine Dupree zu wissen gab, und ihm fiel keine bessere Art und Weise ein, das zu erfahren, als so. Wenn ihn das zu einem Trottel machte, mochte das so sein.

„Ich würde es mir auf jeden Fall überlegen“, sagte er. Und dein Lächeln reicht mir als Anzahlung.

„Freut mich, das zu hören.“

Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihre Arbeit. Das nutzte Noah aus, um sie in Ruhe zu betrachten. Selbst so aus der Nähe war ihre Porzellanhaut makellos. Ihre dunklen Wimpern waren wahnsinnig lang und gebogen. Zarte Augenbrauen wölbten sich spitzbübisch über mandelförmige Augen. Sein Blick senkte sich auf ihre vollen roten Lippen. Die reinste Vollkommenheit.

Oh ja. Komme, was da wolle, diesen Auftrag würde er übernehmen.

KAPITEL 4

Sweetbriar Ranch Gegenwart

Noah öffnete Rangos Box und führte ihn auf den Putzplatz. Der Atem des Pferdes stand neblig in der Luft, obwohl es fast Mittag war. Eine Wolkenbank schluckte das Sonnenlicht, und Tannenduft hing schwer in der Luft.

Rango wieherte leise. Gestriegelt zu werden stand ganz weit oben auf der Liste dieses Pferdes, zusammen mit Fressen. Noah führte das Paint Horse in den Stand und ließ den Führstrick los. „Steh.“

Alle Pferde auf der Sweetbriar Ranch waren darauf trainiert, stehen zu bleiben, wenn der Strick auf dem Boden hing. Rango allerdings war noch ziemlich neu und neigte nach wie vor dazu davonzuwandern.

Er begann, das schwarzweiße Fell des Pferdes zu striegeln. „Bist ein bisschen in die Kletten geraten, was? Manchmal habe ich das Gefühl, du machst das mit Absicht, Großer.“

Rango seufzte. Die restlichen elf Pferde waren bereits gefüttert, gestriegelt und auf der Weide. Wenn es noch kälter wurde, würde er ihnen die Decken auflegen müssen.

Sein Telefon summte in seiner Hosentasche, und er schaute aufs Display. Endlich. Um Punkt zehn Uhr hatte er heute Morgen im Gericht angerufen und darauf gewartet, dass sie die Aktenlage überprüften und sich wieder bei ihm meldeten.

„Mitchell hier.“

„Hallo, Mr. Mitchell, hier spricht Cheryl vom Gericht.“

„Hallo, Cheryl. Danke, dass Sie sich so schnell melden. Was haben Sie herausgefunden?“

„Also, ich habe die Akten durchsucht und herausgefunden, dass Sie ganz recht hatten – Ihre Scheidung ist nie vollzogen worden. Ich fürchte, Sie sind immer noch verheiratet.“

Sein Herzschlag hüpfte. „Immer noch verheiratet“, murmelte er sich selbst zu. Egal, wie oft er den Gedanken jetzt gedacht hatte, er schien nicht ganz bei ihm anzukommen.

„Ich fürchte, so ist es. Das Verfahren ist immer noch in der Schwebe, das ist also gut. Es geht im Grunde nur darum, frischdatierte Papiere und die entsprechenden Unterschriften zu bekommen. Ihr nächster Schritt wäre, Ihren Anwalt zu kontaktieren.“

„Das mache ich. Vielen Dank, Cheryl.“

„Gern geschehen. Schönen Tag noch.“

Noah verschwendete keine Zeit. Er bekam Joe an den Apparat, der ihm ein frischdatiertes Scheidungsurteil bis zum Ende des Tages versprach. Noah bedankte sich bei ihm und legte auf.

Morgen würde er in die Stadt fahren, die Papiere abholen, sie unterschreiben, sie von Josephine unterzeichnen lassen und sie wieder abgeben.

Nein, nicht morgen, dachte er, als er in Gedanken seinen Terminkalender durchging. Nachmittags traf er sich schon mit einem möglichen Einstaller, und dann kam der Chiropraktiker, der sich ein paar Pferde vornehmen sollte.

Und am Mittwochnachmittag traf er sich mit Mary Beth, um die Zeitplanung für das Sommerlager durchzugehen. Außerdem zogen kalter Regen und Wind aus einer größeren Sturmfront auf das Gebiet zu. Er würde die Pferde einstallen müssen, bevor das Unwetter eintraf. Da würde er keine Zeit haben, ganz bis in die Stadt zu fahren. Sein Seufzen kam aus seinem tiefsten Inneren. Am Donnerstag hatte er, gesetzt den Fall, das Wetter machte mit, zwei Trailreitgruppen am Nachmittag.

Er würde nicht vor Freitag vom Berg herunterkommen können. Eine komplizierte Gefühlsmischung überkam ihn. Es war so bizarr, daran zu denken, dass Josephine und er immer noch verheiratet waren.

Aber nicht mehr lange. Wenn die Richter gnädig waren, würde nächste Woche alles vorbei sein. Außer der Steuergeschichte. Die würde er neu einreichen müssen, und dafür würde er Walts Hilfe brauchen. Das wurde ja alles immer besser hier.

Er suchte die Nummer von Josephines Salon in seinem Handy und wählte sie, in der Hoffnung, sie wäre zu beschäftigt, um den Anruf entgegenzunehmen. Endlich lief einmal etwas so, wie er sich das wünschte. Ihre leise Stimme mit dem gedehnten Südstaatenakzent ertönte und gab Anweisungen zum Hinterlassen einer Nachricht. Seine Gedanken sprangen wieder zu dem Samstag zurück, als er sie in ihrem Geschäft konfrontiert hatte.

Sie hatte sich kein bisschen verändert, weder im Aussehen noch in ihrer Art. Sie flirtete sich immer noch durchs Leben und trat dabei Herzen in den Dreck. Ein kleiner Teil seines Selbst – der Teil, der sich an ihr zartfühlendes Herz für die Bedürftigen erinnerte und an die rohe Verletzlichkeit, die sie so gut zu verstecken wusste – wehrte sich gegen den Gedanken. Aber er brachte diese Stimme zum Schweigen. Er wollte Josephine nicht mehr mögen.

Ein Piepen erklang in seinem Ohr, und seine Kurzangebundenheit kam wie von selbst. „Ich bin’s. Ich habe gerade mit dem Gericht telefoniert, und es ist alles noch … offen. Joe stellt die Papiere neu aus. Ich schaffe es nicht vor Freitagnachmittag in die Stadt. Also musst du irgendwann diese Woche zu ihm hingehen und sie unterschreiben.“ Er legte auf, ohne sich weiter groß zu verabschieden.

Rango drehte sich um und stupste ihn mit der Schnauze an. Noah nahm die Bürste zur Hand und fuhr damit über die Flanke des Pferdes. Er fragte sich, mit wie vielen Männern Josephine sich verabredet hatte, seitdem sie getrennter Wege gingen. Seitdem sie dachten, sie wären geschieden. Er sagte sich, dass es nicht von Bedeutung war. Sie gehörte nicht länger ihm, selbst wenn das Gesetz das anders sah.

Aber er konnte nicht leugnen, dass sie seit Samstag aus seinen Gedanken nicht wegzukriegen war. Die Erinnerungen – so gute, so schlechte – waren näher an der Oberfläche, als ihm bewusst gewesen war. Das Ganze hatte die Vergangenheit aufgewirbelt. Und die Vergangenheit sollte auf jeden Fall besser begraben bleiben.

Er sah zu den Dachbalken der Scheune hinauf, als könnte er direkt in den Himmel sehen.

Was für ein mieser Trick ist das hier eigentlich?


Josephine spielte die Nachricht ein drittes Mal in Folge ab. Draußen war es dunkel geworden. In ihrer verriegelten Ladentür hing das „Geschlossen“-Schild. Noah sprach durch den Telefonlautsprecher zu ihr. Seine Stimme war hart. Kalt.

Sie hatte zwischen zwei Kunden gesehen, wie der Anruf reinkam. Sie hatte nichts weiter zu tun gehabt, als staubige Ecken zu fegen, aber sie brachte es nicht über sich, ans Telefon zu gehen. Stattdessen stand sie da wie versteinert, während er seine Informationen loswurde. Nur die Fakten, Ma’am, nichts als die Fakten.

Die Nachricht kam zum Schluss; sie endete mit seiner kurzen Anweisung, die Papiere zu unterzeichnen.

Immer noch verheiratet. Der Gedanke spielte grausam Katz und Maus mit ihrem Verstand, foppte sie. Verheiratet, geschieden, was machte das schon? Sie lebte ohnehin wie eine Nonne. Nicht, dass die Menschen in Copper Creek das glauben würden. Sie hatte ihre Lektion endlich gelernt.

Die hätte sie schon vor Jahren lernen sollen. Warum um Himmels willen sie zugelassen hatte, dass Noah ihr etwas anderes weismachte, war reine Spekulation.

Sie hatte ihn verletzt, und wofür? Scham, vertraut und verdient, überkam sie, und sie begrüßte sie. Vielleicht war sie kein faules Ei, wie ihr Vater sie genannt hatte, aber selbst nach einem Jahr Therapie traute sie sich nicht an eine neue Beziehung heran. Sie würde sich selbst niemandem mehr antun. Nie wieder.

Zum hundertsten Mal wünschte sie sich, sie könnte in die Vergangenheit zurückreisen und Sawyer’s Construction beauftragen anstatt Noah. Das hätte ihnen beiden eine ganze Menge Ärger erspart.

Sie versuchte, die Gedanken abzuschütteln, drehte die Lüftung herunter und machte sich auf den Weg in ihre stille Wohnung. Dort angekommen, stellte sie das Radio an, um die einsamen Ecken zu füllen.

Sie musste Noah aus ihrem Kopf herauskriegen, aber er war wie eine Klette, die sich in einer Haarsträhne verfangen hatte. Sie zog ihren Terminkalender für Samstag heraus. Bewohnerinnen des Hope House, des lokalen Mädchenheims, kamen, um sich von ihr verwöhnen zu lassen, und das hatten sie auch verdient. Am Samstagabend sollte das Frühlingsfest der Highschool stattfinden, und sie hatte all ihre Stylisten einbestellt, die kostenlose Hochsteckfrisuren und Make-up machen würden. Sie hatte zwei Nagelpflegerinnen aus dem Umland aufgetan, die bereit waren, ihre Zeit zu opfern. Sie konnte es kaum erwarten, die Mädchen alle aufgebrezelt und selbstbewusst vor sich zu sehen.

Die Planung hielt sie auf Trab, bis ihre Augen müde wurden. Sie machte sich bettfertig, kroch unter die Decke und wünschte sich, eine kühle Brise würde durchs Fenster hereinwehen. Stattdessen wehte eine Vision von Noahs Gesicht herbei. Diese kühlen Augen, die auf sie gerichtet waren. Sein wütend zuckender Unterkiefer.

Seine Stimme auf dem Anrufbeantworter erklang wieder in ihrem Kopf, ihr Ton so voller Abscheu, dass es ihr körperliche Schmerzen bereitete. Er würde Freitag in die Stadt kommen, sagte er. Obwohl es offensichtlich war, dass es ihm lieber wäre, wenn das alles gestern erledigt gewesen wäre.

Vielleicht konnte sie die Zeit nicht zurückdrehen und Dinge anders machen. Vielleicht konnte sie sie nicht wie durch einen Zaubertrick zu geschiedenen Leuten machen. Aber sie konnte ihm die Fahrt den Berg herunter einsparen und das Ganze um ein paar Tage beschleunigen. Um Noahs willen. Vielleicht auch um ihrer selbst willen. Am Mittwoch nach Ladenschluss würde sie ihm die Papiere persönlich überbringen. Das war das Mindeste, was sie tun konnte.

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Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
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324 стр. 7 иллюстраций
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9783961400454
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