Читать книгу: «Earl Dumarest 27: Die Erde ist der Himmel», страница 3

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»Krantz«, sagte er. »Wir fliegen nach Krantz.«

3

Von ihrem Fenster aus konnte Eunice den entfernten Nebel beobachten, wie er aus dem Purpursee emporstieg, auch die Berge im Westen, die eintönigen Muster der Felder im Osten. All dies war von wenig Interesse im Vergleich zum halbmondförmigen Abbild der Stadt, die in der Kurve der gezackten Hügel lag, eine sich in die Täler erstreckende Masse von engen Straßen, alles bedeckt mit sich bewegenden, starken Farben. Es war eine gute Aussicht und Eunice war froh, dass es die ihre war, denn viele in hoher Position in der Hierarchie von Krantz mussten sich mit weniger begnügen. Beweis der Wichtigkeit der Familie, zu der sie gehörte – die Yekatania kümmerten sich um die Ihren. Und Vruya war sanft.

Der Gedanke an ihn ließ sie sich umdrehen, vom Fenster zum dahinter liegenden Zimmer. Es war dasjenige, das sie für sich reklamiert hatte, mit einer hohen Decke, kreisförmig, dekoriert mit abstrakten Symbolen, erlernt aus antiken Büchern. Auf einer langen Bank saß eine Reihe helläugiger Puppen, die sie mit steter Aufmerksamkeit anschauten. Gegenüber dem Fenster stand ein Spiegel, dessen Abbild wie die subtile Verzerrung eines klaren Teiches wirkte. Eine Wolke parfümierten Rauchs stieg aus einem Behälter aus gehämmertem Blech empor. Eine Uhr maß die Stunden. Eine Schüssel enthielt eine Flüssigkeit, schwarz wie Teer. Eine geschmückte Box enthielt Knochen, verziert mit einem komplexen Muster.

Diese Dinge reflektierten ihre Persönlichkeit, genauso wie die Vorhänge, der Sessel und der Tisch, die dicken Bücher, geschmückt mit scharlachroten Bändern.

Eines lag geöffnet auf dem Tisch, die Blätter offen gehalten durch einen Totenkopf mit rubinroten Augen.

Sie ignorierte es und wandte sich den Puppen zu. Vruya saß auf dem Ehrenplatz, klein, runzlig in seinem zeremoniellen Gewand, das dünne, zugespitzte Gesicht mit einem nachdenklichen Ausdruck, den sie so gut kannte – sie hatte ihn als Kind oft gesehen.

Impulsiv nahm sie die Puppe an sich und küsste sie, atmete in ihren Mund, übertrug etwas von ihrer Stärke und Vitalität in die Replika und damit in den Mann, den es repräsentierte.

»Lebe, Vruya«, sagte sie und setzte die Puppe wieder hin. »Lebe und werde stark.«

Ihre Bewegung störte die nächste Puppe in der Reihe; Mada mit ihrem säuerlichen Gesicht und dem bitteren Mund. Eine Zicke, aber sie hatte Einfluss und konnte somit Schaden anrichten. Sie hatte wenig Geduld mit jenen der Familie, die erst noch ihren Wert unter Beweis stellen mussten.

Eine Situation, die sich bald ändern würde; sobald sie verheiratet und eine Mutter war, würde Eunice die höchste Stellung innehaben. Selbst Sybil, die Urich verachtete, würde sich ihr unterwerfen müssen. Ein Dutzend Jahre unfruchtbarer Verschwendung würde kein Schutz für die Frau sein, sobald sie ihr Kind Vruya zu Füßen legte.

Das Telefon rang, als sie sich von den Puppen abwandte. Es war Helga mit ihrer üblichen Gehässigkeit.

»Eunice, meine Liebe!« Auf dem Schirm zeigte das unter der Schminke angeschwollene und fettige Gesicht eine sadistische Freude. »Ich musste einfach anrufen und dir von Myrna erzählen. Solch fantastische Neuigkeiten!«

»Sie ist schwanger?«

»Du hast es gewusst!« Eine Wolke zog über das angemalte Gesicht, als sie sagte: »Nein, das kannst du nicht. Der Test war erst vor einer Stunde positiv und ich war die Erste, der sie es sagte. Natürlich müssen wir das feiern. Ich dachte mir, morgen Abend wäre schön. Nur eine kleine Festivität und am besten nur für die Familie. Keine Freunde oder Außenseiter. Ich denke, du verstehst das.«

Urich war also nicht eingeladen – sie verstand das sehr wohl.

»Eunice?«

»Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube nicht, dass ich es schaffen werde.« Und mit Gift in der Stimme fügte sie hinzu: »Ich bin recht beschäftigt. Oder hast du meine baldige Heirat vergessen?«

»Meine Liebe!« Das gerötete Gesicht wirkte in seiner Verstellung wie das eines Clowns. »Wie kannst du mir verzeihen? Aber die Nachrichten – Myrna ist mir so nahe. Wie meine eigene Tochter. Und du wirst heiraten, gut, gut. Einen feinen Mann, ich bin mir sicher. Wie kann es mir entgangen sein? Sybil erwähnte es das letzte Mal, als wir uns trafen. Urich, nicht wahr? Und man sagt, Alter ist nicht alles. Ein reifer Mann kann unerwartete Vorteile haben. Morgen Abend also?« Helgas Lächeln enthielt Säure. »Ich bin sicher, du möchtest Myrna zu ihrer Leistung gratulieren.«

Der Schirm wurde dunkel und Eunice schaute auf ihr eigenes Spiegelbild. Es war überraschend jung, das Gesicht rund, weich, mit einer kindlichen Unreife, passend zu den Augen, der sanften Linie ihres Kiefers. Blondes Haar ergänzte den puppengleichen Eindruck und nur die Kurven unter ihrem Kleid verrieten die weibliche Reife.

Mit plötzlichem Ärger schlug sie den Schirm und wünschte sich, es wäre Helgas Gesicht.

Sollte sie Urich anrufen?

Sofort tippte sie seine Nummer ein. Wenn schon sonst nichts, würde er ihr immerhin tröstende Zuversicht schenken, über seine Liebe und ihre zukünftige Sicherheit. Ungeduldig wartete sie, dass sein Gesicht auf dem Schirm erschien. Doch stattdessen erblickte sie das eines Fremden.

»Madam?« Er war einer der Ypsheim, das Brandmal deutlich zwischen seinen Augen zu erkennen, und pflichtschuldig höflich. »Wie kann ich Ihnen dienen?«

»Ich möchte Urich Sheiner sprechen. Ist dies nicht sein Büro?«

»Das ist es, Madam.«

»Wo ist er dann?«

»Abwesend.« Er fügte hinzu: »Er erfüllt eine Pflicht auf der Plaza. Am Rad.«

Auf dem ein Mann starb.

Er war nackt, Handgelenke und Fußknöchel am Rand festgebunden, das Rad geneigt, sodass er dem vollen Schein der Sonne ausgesetzt war. Staub bedeckte den geschundenen Leib und Insekten labten sich geschäftig an den Wunden, die hart gebacken waren von getrocknetem Blut. Der eine, der die Peitsche geschwungen hatte, war ein Experte, die Schnitte, obgleich zahlreich, waren nur oberflächlich. Der Tod würde durch das Ausdörren kommen, und das nicht zu bald.

»Einhundert!« Ein Mann in Lederkleidung schrie die Wetten von dort, wo Urich stand. »Eins zu einhundert, wenn Sie den Moment seines Todes auf fünf Minuten genau erraten. Das ist ein totaler Zeitraum von zehn Minuten – wie kann man da danebenliegen? Einhundert zu eins. Die beste Wette, die Sie bekommen. Sie, Sir? Sie?«

Ein Komplize in der Menge heizte die Leute an. »Ich nehme zehn!«

»Um tausend zu gewinnen. Welche Zeit?«

»Sechzehn Uhr fünfzig!« Und fügte hinzu: »Morgen.«

»Ein kluges Urteil seiner Überlebensfähigkeit, Sir. Die Dünnen halten oft lange durch.« Der Buchmacher holte einen Papierstreifen hervor und tauschte ihn gegen Bargeld aus. »Und Sie, Sir? Kommen Sie nach vorne und machen Sie Ihren Einsatz!«

Ein Geier, aber darin war er nicht allein. Andere boten schlechtere Wetten für einen breiteren Zeitraum an und würden diesen im Verlauf der Zeit verkleinern. Urich ging zehn Schritte vor dem Rad her, drehte sich, ging zu seiner ursprünglichen Position. Die Sonne schien warm auf seinen Rücken und seine Schultern, erhitzte den Helm, den er trug, und verursachte Schweiß. Er berührte weder den Helm noch die Feuchtigkeit; als Offizier, der das Kommando über die Wachen hatte, musste er ein Vorbild sein. Selbst wenn es schwierig war, leidenschaftslos zu bleiben.

»Du dort!«, rief er dem Buchmacher zu. »Weiter zurück!«

»Was? Ich …«

»Wachen! Räumt das Gebiet! Niemand innerhalb von zehn Metern! Vorwärts!«

Über ihm stöhnte ein sterbender Mann.

Es war ein Geräusch, das er nicht hören wollte. Er tat sein Bestes, um es nicht zu hören, doch das war im Grunde unmöglich. Kurz war er versucht, den Laser zu benutzen, den er am Gürtel trug, aber die Vernunft kehrte zurück und seine Hand bewegte sich von der Waffe fort.

Ihn zu töten, wäre ein Akt der Gnade – der Schuss jedoch, der das Leid des einen beendete, würde sein Leben ruinieren.

»Captain!« Eine Wache schaute hoch zum stöhnenden Mann. »Er will Wasser.«

Eine weitere Gnade, die er zu geben nicht wagte, wie der Mann wissen musste. Dann sah er das junge Gesicht und die verängstigten Augen. Dies war ein Soldat, der neu in der Truppe war und erst noch lernen musste. Aber zu ihm konnte er immerhin freundlich sein.

»Machen Sie eine Pause, Soldat. Holen Sie sich was zu trinken und ruhen Sie Ihren Kopf aus. Fünfzehn Minuten. Los!«

»Sir!«

Er erwiderte den Gruß und sah sich zu einem der anderen Wachmänner um, einem älteren, der ihn mit sympathischem Verständnis ansah.

»Etwas nicht in Ordnung, Benson?«

»Nein, Sir.«

»Wenn Carrol zurück ist, können Sie eine Pause machen.«

»Danke, Sir. Das ist sehr freundlich.« Der Mann schaute auf die Menge, den stöhnenden Delinquenten. »Ich denke, er wird bei Dunkelheit tot sein. Mitternacht, denke ich.« Er atmete ein, Schweiß schimmerte auf seinem Gesicht. »Ich bin froh, wenn ich wieder normalen Dienst machen kann.«

Er würde die Schiffe bewachen und die Absperrungen patrouillieren, um sicherzustellen, dass niemand die Familien um ihre Abgaben betrog. Die Harradin und die Marechal, die Duuden und die Yekatania – alle hatten Interessen an Hafengebühren und Steuern, Abgaben für Ladung und Reparaturkosten. Wie auch bei den Auktionen und Märkten, dem freien Handel, den Lizenzen, die die Grundlagen des Reichtums von Krantz waren.

An denen er, bald, Teilhabe haben würde.

Er lief weiter, drehte sich, ging zurück, hoffte, das Geräusch seiner Stiefel würde das Stöhnen übertönen. Eine vergebliche Hoffnung – nur die erregten Rufe der Wettenden taten das. Ein Gewirr von Wetten, basierend auf Erfahrung und Gier. Er musste sich anstrengen, sich davon nicht ärgern zu lassen. Noch mehr musste er sich für die Erinnerung daran bemühen, dass er als baldiges Mitglied der Yekatania in Zukunft teilweise mitverantwortlich für solche Szenen sein würde.

»Sir?« Es war einer der Ypsheim. Eine Frau mit einer Kanne in der Hand. »Bitte, Sir, dürfte ich ihm Wasser geben? Nur ein wenig, Sir. Bitte!«

»Es ist verboten.«

»Nur ein Tropfen, Sir.« Sie kam näher, senkte ihre Stimme. »Ein Schluck, Sir, und in einer Stunde wird er tot sein, ich schwöre es.«

Unter dem Schmutz zeigte ihr Gesicht Schönheit, und ihr volles und wallendes Haar wurde durch den Staub nicht verborgen, der darauf lag. Die Tochter des Mannes? Seine Frau?

»Captain.« Ihre Hand bewegte sich nach vorne, berührte seinen Arm. »Ein Schluck nur, und er findet Frieden. Seid gnadenvoll und ich gebe Euch alles, was Ihr Euch wünscht. Tue alles, was Ihr wollt.« Dann, als er den Kopf schüttelte: »Um Gottes willen – was für eine Art Mann seid Ihr?«

»Beweg dich!« Benson kam zwischen sie, seinen Knüppel in beiden Händen, drückte ihn gegen die Frau, schickte sie zurück in die Menge. »Geh fort von hier! Ihr alle – zurück! Zurück, sage ich!«

Der Vorfall war üblich genug und vorbei, ehe er begonnen hatte, aber er hinterließ einen üblen Nachgeschmack. Einer, der seinen Mund sauer machte, als Urich seine Wanderung vor dem Rad wieder aufnahm. Eine Frau, die ihn bat, einen gnadenvollen Tod zu ermöglichen. Töten aus Liebe. Sie hätte ihm alles gegeben, wonach er gefragt hätte, sobald er ihrer Bitte entsprochen hätte.

Würde Eunice das Gleiche für ihn tun?

Er stellte sie sich vor, wie die Frau eben vor ihm gestanden hatte, jung, ihre Schönheit maskiert durch Staub und Schmutz, einen Mann anbetteln, den sie hassen musste. Betteln und ihm Versprechungen machen und bereit sein, dieses Versprechen auch zu halten. Seine Tochter, hätten alle gedacht. Wie er vermutet hatte – aber war es so seltsam, wenn ein Mann eine jüngere Frau heiratete?

Eine jung genug, um sein Kind zu sein?

Hinten in der Menge sagte die Frau mit der Kanne: »Du hast dich geirrt, Leo. Er ist nicht so, wie du dachtest.«

»Weil er sich weigerte?«

»Ich las in seinen Augen. Sie waren hart und kalt. Er ist einer der Quelen.«

»Noch nicht, Ava. Er muss erst noch heiraten. Was du in seinen Augen gelesen hast, war Furcht.«

»Ich suchte nach Verständnis.«

»Das hat er – er wird es später zeigen.«

»Und Gupen?« Ihr Blick wanderte zum Rad, zu dem Mann, der dort angebunden war. »Was ist mit ihm?«

»Hundert zu eins!«, rief der Buchhalter. »Machen Sie Ihre Wetten! Eine gute Chance, ein Vermögen zu verdienen! Sie, Sir? Fünfzehn – und die Zeit?« Geld und Papier wechselten die Besitzer. »Dreizehn Uhr zehn morgen. Eine weise Wahl. Und Sie, Sir? Und Sie? Und Sie?«

Auf dem Rad zuckte der Mann und stöhnte, als sich Insekten an seinem Fleisch gütlich taten.

Er war eine Motte, die durch die dunkle Unendlichkeit trieb, berührt von durchsichtigen Schimmern. Funken, die verschwanden, sobald er seinen Blick auf sie richtete, ein Schein, der sich ausbreitete, als wolle er das Universum erleuchten, und sich dann wieder der Dunkelheit ergab. Eine Analogie, die Avro gut verstand, denn es war ein Modell, das er für seine Einfachheit würdigen konnte. Die Dunkelheit war Unwissen und die Schimmer das Anzeichen erwachender Erkenntnis. Eine Geburt, wiederholt erneut und erneut, nur um nach dem Entstehen wieder zu vergehen. Vernunft und Logik, immer wieder zerstört durch die Kräfte brutaler Ignoranz, doch eines Tages würde dieser Schimmer der Vernunft all die Schatten beseitigen und das gesamte Universum in seinen strahlenden Glanz tauchen.

Das war das Ideal, dem er sein Leben gewidmet hatte.

Avro bewegte sich, fühlte nichts, wusste gar nicht, ob er sich tatsächlich bewegt hatte. Das mentale Kommando hatte er gegeben und sein Körper hätte gehorchen sollen, aber hier, im Tank, war er von jeder externen Wahrnehmung abgeschnitten. Eingeschlossen in ein elektronisches Netz, trieb er in kontrollierter Temperatur, blind, taub, ohne Gefühl für Richtung, ohne einen Referenzpunkt, der ihm bei der Orientierung helfen konnte.

Ein Experiment – eines, das getötet hatte.

Nicht die Abtrennung von aller Wahrnehmung – alle Cyber waren daran gewöhnt –, aber die Felder, die nun zur Erkundung vor ihm lagen. Der Pfad, den Elge betreten und der ihn in einen Idioten verwandelt hatte, aber Avro beschritt ihn auch und tat es noch immer.

Was hatte Elge verrückt gemacht?

Nicht das erweiterte Bewusstsein seines Verstandes, denn auch das war üblich für alle Cyber, die sich den massierten Gehirnen der Zentralintelligenz anschlossen. Die Samatchazi-Formel zu benutzen, um die implantierten Homochon-Elemente in seinem Gehirn zu aktivieren. Um eins zu werden mit all diesen Gehirnen, sich zu verbinden und Teil einer immensen Form zu werden, die die ganze bekannte Galaxis umspannte, um Informationen zu liefern, die, sofort assimiliert, entsprechend evaluiert und an andere Cyber weitergereicht werden konnten. Um Daten zu erhalten und ebenso Befehle und dann, wenn die Verbindung unterbrochen war, in einen das Bewusstsein verwirrenden Rausch zu fallen.

Die Aufzeichnungen?

Sie stammten von anormalen Einheiten, die gemeinsam einen Nodus gebildet hatten. Die Bewusstseine, aus denen er bestand, hatten ein System aus Logik errichtet, das auf der Basis verschiedener Annahmen beruhte und ihre Modelle waren perfekte Beispiele der Macht konzentrierter Schlussfolgerungen. Aber sie waren Produkte des Wahnsinns, die Annahmen, auf denen sie basierten, hatten nichts mit dem realen Universum zu tun und daher erfüllten die Modelle keine erkennbare Funktion. Dennoch hatte ein jedes eine gewisse Schönheit. Eine individuelle Faszination. Irrgärten, in denen der Verstand umherwandern konnte, um durch faszinierende Konzepte verführt zu werden. Um verloren und desorientiert …

War Elge wirklich verrückt geworden?

Die Möglichkeit war ein Schimmer von Licht, der das durchsichtige Universum schwächer werden ließ. Der Körper war nichts, nur ein Gefäß für das Gehirn, das wiederum nur existierte, um den Verstand aufzunehmen. Wenn das Gehirn ohne Körper existieren konnte, was nun allgemein bewiesen war, konnte dann der Verstand auch ohne Gehirn leben?

Und wenn das Ego, das individuelle Bewusstsein, das Gehirn verließ – was würde zurückbleiben?

War Elge zu schnell eliminiert worden?

Wenn dem so war, dann war dies ein Fehler gewesen und entsprechend bedauerlich, aber Avro empfand keine Reue. Sein Verstand erinnerte sich an das Bild, das er gesehen hatte: einen Körper wie Gemüse, lallend, die Augen leer, ohne jeden Funken von Selbstbewusstsein. Und er war behandelt worden, mit Medikamenten und elektronischen Sonden und unter Einsatz aller Fähigkeiten, über die die Cyclan verfügten. Behandelt und als unbehandelbar bewertet und dann entsorgt worden wie jeder Abfall.

Ein leerer Behälter, dem Recycling zugeführt – aber was war mit seinem eigentlichen Inhalt passiert?

Der Blick in Avros Verstand veränderte sich, wandte sich ab von der dunklen Leere, erhellt durch das Flackern der Schimmer, und etwas Großem zu, einer subtilen Form. Einer gigantischen Struktur, die die Attribute einer Kathedrale hatte, aber einer, im Vergleich zu der eine normale Kathedrale wirkte wie eine Erdhütte. Ein Aufstand wirbelnder Farben, Nebel, der Wände formte und Säulen und Stützen, Gewölbe unter geschwungenen Bögen, sich emporstreckende Türme und endlose Promenaden. Ein Gebäude, errichtet durch die Macht des Verstandes und angefüllt mit einer Vielzahl von Entitäten.

Die Formen kamen näher und schaukelten und bewegten sich fort, um wieder Platz zu machen, ersetzt durch andere, während unsichtbare Hände Gleichungen in die Luft schrieben, die sich in grundlegende Symbole verwandelten.

Ein Universum, in dem alles Teil einer umfassenden Maschine war.

Eines, in dem …

Avro zuckte hoch, gepeinigt durch einen plötzlichen elektronischen Schlag. Stimulus, um seinen Körper zur normalen Funktion zu erwecken.

Das Bild in seinem Kopf löste sich auf. Die Formen und Farben und die aufragenden Fabrikationen. Ein angenehmer Traum, zerstört und nichts anderes hinterlassend als Grau, der Eindruck des Tanks, des Schiffes, in dem er stand, das Pulsieren der Triebwerke, die es durch die Sterne schoben.

Die Stadt wurde von einem breiten Boulevard durchteilt, der von der Plaza bis zum Feld verlief. Ein Boulevard, begrenzt durch schmale Straßen, die eine große Bandbreite an Geschäften anboten. In einem von ihnen tanzte ein Ding zu dem sonoren Schlag einer Trommel.

»Ein Yevna«, sagte Vosper. »Es gibt viele von ihnen auf einer bestimmten Welt in der Chandorah. Ein Mann kann reich werden, wenn er mit ihnen handelt.«

Dumarest sagte nichts, ignorierte den Mann, mit dem er seinen Tisch teilte, konzentrierte sich stattdessen auf die Kreatur, die über den Boden der Taverne hüpfte. Sie war fast so groß wie er selbst, dünn wie ein Stab, mit feingliedrigen Gliedmaßen, gehüllt in transparente Membranen, die das Licht auffingen und in schimmernde Regenbögen verwandelten.

»Man füttert sie mit Zucker«, sagte Vosper. »Süßigkeiten wie Honig oder Sirup. Dafür würden sie ihre eigenen Leute verkaufen. Aber es gibt keinen Grund, tatsächlich zu bezahlen. Man landet, legt den Köder aus, benutzt die Netze, wenn sie kommen – und man hat ein Vermögen, das man in seinen Laderaum packen kann.« Er fügte wie nebenbei hinzu: »Natürlich leben sie nicht lange.«

»Ein Vorteil«, sagte Dumarest trocken. »Schneller Umsatz und erneute Bestellungen.«

»Sie sind schnell darin, die Grundsätze zu verstehen.« Vosper griff zur Flasche. »Mehr Wein?«

Er war zähflüssig, lila, klebrig in seiner Süße. Dumarest nippte, als er beobachtete, wie der Yevna seinen Tanz beendete. Ein Mädchen ersetzte das Wesen, zupfte an einer Harfe, ihre Stimme genauso süß wie der Wein.

»Sie könnte Ihnen gehören, Earl.« Vosper war direkt. »Es gibt wenig auf Krantz, was nicht Ihnen gehören könnte. Ein Mann mit einem Schiff und dem Universum als Spielplatz – muss ich mehr sagen?« Er lehnte sich zurück, spielte mit seinem Kelch, ein kleiner Mann, rund, nicht mehr jung. Seine Kleidung war gut, zeigte aber Zeichen der Abnutzung und die Ringe an seinen Händen waren nur schöner Schein, genauso wie die Kette um seinen Hals, der Edelstein im Ohrläppchen seines linken Ohrs. Ein Unternehmer, der einen Reichtum zeigte, den er gar nicht besaß, aber eine Chance roch. »Natürlich«, so sagte er nachdenklich, »muss das Schiff auch in der Lage sein zu starten.«

»Das bedeutet?«

»Nicht böse gemeint, mein Freund. Nicht böse gemeint!« Ein Aufblitzen weißer Zähne erhellte sein Lächeln. »Aber Sie sind nun seit zwei Tagen auf Krantz. Das Schiff benötigt Reparaturen und Ihre Mannschaft …« Er unterbrach sich, zuckte mit den Schultern. »Wir sind Männer von Welt, Sie und ich. Zwischen uns gibt es keine Spielchen. Ein Schiff, eine erschöpfte Crew, keine Ladung, abgesehen von etwas Nahrung und selbst davon nicht viel – Earl, es ist offensichtlich.«

Dumarest nippte am Wein.

»Ein Überfall«, sagte Vosper. »Der schiefgelaufen ist. Nun, so was passiert. Ein entferntes Dorf, hm? Eine schnelle Landung, Gas, man greift sich die Opfer und stopft sie in den Laderaum. Nahrung, um sie am Leben zu halten, wenn man sie auf eine andere Welt transportiert. Eine, auf der Zwangsarbeiter gesucht werden. Bargeld und keine Fragen.« Der Flaschenhals machte eine klickende Berührung am Glas, als er nachfüllte. »Eine simple Routineaktion. Passiert oft genug, aber es kann eben auch mal schiefgehen. Das Gas wirkt nicht oder es gibt maskierte Männer, Wachen, die auf einen warten. Die Mannschaft zusammengeschossen und das Schiff hinterlässt jene, die sich nicht mehr retten konnten.« Vosper hob sein Glas. »Auf die Chandorah!«, sagte er. »Auf Krantz!«

Wo Sklavenhändler landeten, um ihre Ladung zu versteigern. Die Erce war einst solch ein Schiff gewesen, mit der Arbeit, die Vosper gerade beschrieben hatte. Es war also nachvollziehbar, dass er die falschen Schlüsse zog.

»Sie trinken gar nicht«, sagte Vosper. »Ist der Wein zu süß? Mädchen!« Er winkte einer Kellnerin. »Eine neue Flasche. Etwas Leichtes und Trockenes.« Er betrachtete die Bewegung ihrer Hüften, als sie sich vom Tisch fortbewegte, und die ihrer Brüste, als sie zurückkam. »Danke, meine Liebe. Hier.« Er ließ Münzen auf den Tisch fallen. »Kannten Sie den Mann auf dem Rad?«

»Nein.« Sie griff nach den Münzen. Ihr Gesicht war eine Maske, die kreuzförmige Narbe auf ihrer Stirn entsprach der der Harfenspielerin. »Ist das alles?«

»Bis auf Weiteres, ja.« Vosper schüttelte den Kopf, als sie ging. »Dickköpfig«, sagte er. »Stolz und, wie einige sagen würden, arrogant. Eine Lügnerin dazu, denn die meisten Ypsheim sind verwandt und sie kannte das Opfer ganz bestimmt. Oder hat von ihm gehört.« Er machte eine Pause, dann: »Wetten Sie?«

»Nein.«

»Ich habe fünfzig gewonnen. Schlechte Gewinnquote, aber es ist Geldverschwendung, auf einen zu engen Zeitraum zu wetten, und dumm, eine zu lange Voraussage zu treffen. Die Buchhändler machen das ja nicht zum Spaß. Beobachte die Wetten und reite auf der Welle, so kann man hin und wieder ein wenig gewinnen.« Vosper probierte den neuen Wein, bewegte die Lippen, füllte ein Glas für Dumarest. »Haben Sie ihn gesehen?«

»Nein. Was hat er getan?«

»Wollte ohne Erlaubnis den Planeten verlassen. Die Wache erwischte ihn, als er über den Zaun kletterte. Er muss gehofft haben, irgendwie auf ein Schiff zu kommen. Blinder Passagier.«

Um in den Weltraum gestoßen zu werden, wenn er erwischt wurde. Dumarest erinnerte sich an die Abgrenzung, enger Maschendraht, hoch, mit Stacheldraht. Es gab natürlich Wege, auf ein Landefeld zu kommen, andere als durch das Tor, aber solch einen Zaun zu überklettern, gehörte nicht dazu.

»Er wurde dafür hingerichtet?«

»Es gibt ein Gesetz dafür. Gupen wusste dies und ebenso, was ihm passieren würde, wenn man ihn ergriff.« Vosper zuckte mit den Schultern. »Ein Spieler, der verlor. Ich hoffe, mein Freund, dass Sie ein besseres Spiel spielen.«

»Ich spiele gar nicht. Nicht bei solchen Quoten«, sagte Dumarest offen.

»Gupen war ein Narr. Es gibt einfachere Wege, um Selbstmord zu begehen. Aber Sie sind ein Mann der Vernunft. Für Sie muss die Quote stimmen und der Lohn dem Risiko entsprechen. Ein hoher Profit und ein schneller Umsatz, richtig, mein Freund?«

Das war das Glaubensbekenntnis eines jeden Freihändlers und Dumarest spürte, dass der Mann seinem eigentlichen Geschäftsvorschlag nahekam. Jemand, der sich nicht beeilte, aber nicht ewig in Anspannung gehalten werden konnte. Ein kluger Mann mit der Erfahrung in der Verhandlung von Deals, der jede Gelegenheit bis zur Neige auskostete.

Sein Gesicht wurde reglos, als Dumarest sagte: »Danke für den Wein.«

»Sie gehen schon?«

»Ich habe noch etwas Geschäftliches zu erledigen, ja.«

»Sollen wir uns wiedertreffen?«

»Vielleicht.« Dumarest erhob sich und wandte sich um, fügte hinzu: »Wenn Sie ein solides Angebot haben.«

Als er zur Tür ging, begann der Yevna wieder zu tanzen und seufzte diesmal schwach in seinem Leid.

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