Tarzans Dschungelgeschichten

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Tarzan spitzte die Ohren. Als er die Stimme eines großen Affen hörte, schlug er rasch einen Bogen, bis er unter Wind der Falle war und suchte in der Luft nach der Witterung des Gefangenen. Nach kurzer Frist drang in seine feine Nase ein vertrauter Geruch, der ihm so untrüglich, als es seine Augen gekonnt hätten. Taug als den Gefangenen angab. Jawohl, Taug war es und zwar allein.

Tarzan lachte und näherte sich, um festzustellen, was die Schwarzen mit ihrem Gefangenen vorhatten. Ohne Zweifel würden sie ihn sofort töten. Wieder freute sich Tarzan. Jetzt hatte er Teeka für sich und keiner würde sie ihm mehr streitig machen können. Er beobachtete noch, wie die Schwarzen die Zweige vom Käfig nahmen, Seile anbrachten und den Käfig nach dem Dorfe zu die Wildfährte hinabschleiften.

Tarzan wartete, bis sein Nebenbuhler außer Sicht kam, der immer an den Gitterstäben rüttelte und seinen Zorn und seine Drohungen durch Knurren kundgab. Dann wandte sich der Affenjunge und machte sich rasch auf die Suche nach der Horde und nach Teeka.

Unterwegs überraschte er Sheeta und seine Familie auf einer kleinen, halbverwachsenen Lichtung. Das große Männchen lag ausgestreckt auf dem Boden, während das Weibchen seinem Herrn eine Tatze über das wilde Gesicht legte und ihm den weichen, weißen Pelz am Hals beleckte.

Tarzan vergrößerte seine Geschwindigkeit bis er fast durch den Wald flog und traf bald auf die Horde. Er hatte sie längst erspäht, ehe sie ihn erblickten, denn von allen Dschungelgeschöpfen kam keines leiser als Affentarzan. Er sah Kamma mit ihrem Gefährten Seite an Seite, wie sie die behaarten Körper aneinanderrieben. Aber er sah Teeka allein Futter suchen. Sie sollte nicht lange allein suchen, dachte Tarzan, als er mit einem Satz mitten unter ihnen erschien.

Es gab ein entsetztes Rennen, und ein Chor ärgerlicher und erschreckter Knurrstimmen ertönte, denn Tarzan hatte sie überrascht. Aber es mußte mehr als nur ein nervöses Erschrecken dabei sein, sonst war nicht zu erklären, warum das Haar der Affen noch gesträubt blieb, trotzdem sie schon lange die Person des Ankömmlings festgestellt hatten.

Tarzan fand wieder, wie schon so oft, daß immer sein plötzliches Erscheinen unter ihnen sie für lange Zeit völlig aus der Fassung brachte und daß sie sich erst beruhigten, wenn sie ihn samt und sonders ein halbes dutzendmal oder öfter berochen hatten.

Er drängte sich zwischen ihnen durch und ging auf Teeka zu; aber als er näherkam, wich die Äffin zurück.

Teeka, sagte er, ich bin Tarzan. Du gehörst Tarzan. Ich bin deinetwegen gekommen.

Die Äffin kam näher und besah ihn sorgfältig. Endlich beroch sie ihn, wie um ganz sicher zu gehen.

Wo ist Taug? fragte sie.

Die Gomangani haben ihn, erwiderte Tarzan. Sie werden ihn töten.

Tarzan sah in den Augen des Weibchens einen Ausdruck von Verstehen und einen traurigen Blick, als er ihr Taugs Schicksal mitteilte; aber sie kam ganz nahe heran und schmiegte sich an ihn und Tarzan, Lord Greystoke, legte seinen Arm um sie. Da fuhr er auf, denn er bemerkte die merkwürdige Unstimmigkeit seines glatten, braunen Armes neben dem schwarzen, behaarten Fell seiner Angebeteten. Er dachte an die Pfote von Sheetas Weibchen über Sheetas Gesicht – da war keine Unstimmigkeit. Er dachte, wie der kleine Manu sein Weibchen an sich drückte und wie eines zu dem anderen zu gehören schien. Selbst das stolze Männchen der Vögel mit seinem hübschen Gefieder trug eine gewisse Ähnlichkeit mit seiner ruhiger getönten Gefährtin zur Schau. Auch Numa, der Löwe, war, wenn man seine zottige Mähne wegließ, das Gegenstück zur Löwin Gabor. Zwischen Männchen und Weibchen bestanden wohl Unterschiede, aber nicht so große, wie zwischen Tarzan und Teeka.

Tarzan war verwirrt. Irgend etwas stimmte nicht. Sein Arm rutschte von Teekas Schulter. Ganz langsam wich er vor ihr zurück. Sie blickte ihm mit schräg gehaltenem Kopfe nach. Tarzan erhob sich zu seiner vollen Größe und schlug mit den Fäusten auf seine Brust. Er hob den Kopf zum Himmel, öffnete den Mund und stieß aus der Tiefe der Lungen den wilden, unheimlichen Kampfruf des siegreichen Affenbullen hervor. Der Stamm besah ihn mit neugierigen Augen. Er hatte doch nichts erlegt und ein Gegner war auch nicht da, um sich durch den wilden Schrei zur Kampftollheit anzustacheln! Nein, es gab wirklich keine Entschuldigung für diese Störung, sie hielten daher stets ein Auge auf den Affenmenschen gerichtet für den Fall, daß sein Schrei die Vorbereitung zum Amoklaufen war.

Sie beobachteten noch, wie er sich auf einen nahen Baum schwang und aus dem Gesichtskreis verschwand. Dann vergaßen ihn alle wieder; auch Teeka.

Mbongas schwarze Krieger kamen nur langsam dem Dorfe näher, denn sie schwitzten sehr bei ihrer anstrengenden Arbeit und mußten oft ausruhen. Jedesmal, wenn sie den Käfig bewegten, knurrte und brüllte das wilde Tier in dem rohgebauten Käfig und trommelte an den Stäben. Es war ein fürchterlicher Lärm.

Die Schwarzen hatten ihren Weg fast beendet und ruhten zum letzten Male aus, ehe sie die Lichtung erreichten, auf welcher ihr Dorf lag. Ein paar weitere Minuten würden sie aus dem Walde gebracht haben, und dann würde wahrscheinlich das, was nun kam, nicht eingetreten sein. Eine schweigende Gestalt huschte über ihnen durch die Bäume. Scharfe Augen prüften den Käfig und zählten die Krieger. Ein erfindsames und wagehalsiges Gehirn erwog die Möglichkeit. des Erfolges, wenn ein gewisser Plan nötig wurde.

Tarzan beobachtete, wie die Schwarzen im Schatten ruhten. Sie waren erschöpft. Einige schliefen bereits. Er kroch näher, hielt schon über ihnen. Kein Blättchen raschelte bei seinem behutsamen Vorrücken. Mit der unerschöpflichen Geduld des Raubtiers wartete er. Jetzt waren nur noch zwei Krieger wach und einer der beiden war bereits schlaftrunken. Affentarzan zog sich zum Angriff zusammen, als der nicht eingeschlafene Schwarze aufstand und um den Käfig herumging. Der Junge blieb über seinem Kopf. Taug folgte dem Krieger mit den Augen und knurrte laut, so daß Tarzan fürchtete, der Menschenaffe werde die Schlafenden wecken.

In einem den Ohren des Negers unhörbaren Flüstern nannte Tarzan Taug beim Namen, empfahl ihm Schweigen, und Taugs Knurren verstummte.

Der Schwarze ging an die Rückseite des Käfigs, um die Befestigung zu prüfen, und als er dort stand, stürzte sich der Affenmensch über ihm vom Baume gerade auf seinen Nacken. Stählerne Finger umklammerten seinen Hals, den Schrei erstickend, der sich über die Lippen des erschrockenen Mannes ringen wollte, starke Zähne gruben sich in seine Schulter und kraftvolle Beine wanden sich um seinen Rumpf.

Der vor Angst wahnsinnige Schwarze suchte das stille, auf seinem Rücken hängende Etwas loszuwerden. Er warf sich auf den Boden und überkollerte sich, aber die mächtigen Finger nahmen ihren Griff immer enger und fester. Der Mann riß den Mund weit auf, die geschwollene Zunge drückte sich vor, die Augen traten aus den Höhlen, aber die erbarmungslosen Finger verstärkten ihren Druck noch.

Taug war schweigsamer Zeuge des Ringens. In seinem wilden, kleinen Hirn fragte er sich zweifellos, was Tarzan bewegen mochte, den Schwarzen anzugreifen. Taug hatte weder den Kampf jüngst mit dem Menschenjungen, noch den Grund dazu vergessen. Plötzlich sah er die Gestalt des Gomangani nachgeben. Ein krampfhaftes Zucken noch und der Mann lag still. Tarzan sprang von seinem Opfer auf und lief an die Türe des Käfigs. Mit seinen geschickten Fingern löste er die Riemen, welche die Tür an ihrem Platze hielten. Taug konnte nur zusehen, helfen konnte er nicht. Gleich darauf stieß Tarzan das Ding ein paar Fuß hoch und Taug kroch heraus. Der Affe wollte sich sofort auf die schlafenden Schwarzen stürzen, um sein Mütchen an ihnen zu kühlen, aber Tarzan duldete es nicht. Statt dessen zog der Affenknabe den bewußtlosen Schwarzen in den Käfig und lehnte ihn gegen das Seitengitter. Dann ließ er die Türe wieder herunter und befestigte die Riemen, wie sie gewesen waren.

Ein vergnügtes Lächeln erhellte seine Züge bei dieser Beschäftigung, denn eine seiner Lieblingsunterhaltungen war es, die Schwarzen in Mbongas Dorf zu plagen. Er stellte sich ihren Schrecken vor, wenn sie beim Erwachen ihren toten Kameraden statt des ein paar Minuten vorher darin gewesenen Menschenaffen im Käfig eingeschlossen fanden.

Taug und Tarzan schwangen sich in die Bäume, das zottige Fell des wilden Affen streifte die glatte Haut des englischen Lordsohnes, als sie zusammen durch den Urwald zogen.

Geh zu Teeka zurück, sagte Tarzan. Sie gehört dir. Tarzan braucht sie nicht.

Hat Tarzan ein anderes Weibchen gefunden? fragte Taug.

Der Junge zuckte die Schultern. Die Gomangani nehmen eine andere Gomangani, Numa der Löwe hat die Löwin Gabor; Sheeta hat ein Weibchen von seiner Art, so hat es Bara, der Hirsch, und Manu, das Äffchen. Alle Tiere und Vögel der Dschungel finden eine Gefährtin. Nur für Affentarzan gibt es keine. Taug ist ein Affe. Teeka ist eine Äffin. Geh du zurück zu Teeka. Tarzan ist ein Mensch. Er muß allein bleiben.

Tarzan gefangen

Die schwarzen Krieger arbeiteten in der feuchten Hitze mühsam unter den erstickenden Schatten der Dschungel. Mit den Speeren lockerten sie den festen dunklen Lehm und die tiefe Lage vermoderter Pflanzen. Mit ihren Fingernägeln kratzten sie die zerkleinerte Erde aus der Mitte der uralten Wildfährte. Oft hielten sie in der Arbeit an, hockten sich auf den Rand der Grube, die sie anlegten, ruhten sich aus, lachten und schwatzten. Während sie mit ihren Speeren gruben, lehnten ihre langen ovalen Schilde aus dicker Büffelhaut an den nahen Baumstämmen. Ihre glatte, schwarze Haut, unter der sich die schönen, vollen Muskeln in der runden Form vollster Gesundheit strafften, glänzte vom Schweiß.

 

Eine Riedantilope zog vorsichtig auf dem Wege zur Wasserstelle die Fährte entlang, als ihr das Gelächter zu Gehör kam. Sie stand einen Augenblick bis auf die witternden Nüstern bewegungslos, dann wendete sie sich und floh geräuschlos aus der schrecklichen Nähe des Menschen.

Hundert Schritte davon entfernt im Dickicht der undurchdringlichen Dschungel hob der Löwe Numa seinen massigen Kopf. Numa hatte heute fast bis zum Tagesanbruch gefressen, so daß er erst durch den großen Lärm geweckt wurde. Jetzt hob er die Schnauze, zog die Luft ein und fing die scharfe Witterung des Riedbocks und die dumpfe des Menschen auf. Aber Numa war wohl gesättigt. Mit einem leisen, unzufriedenen Grunzen erhob er sich und schlich davon.

Buntgefiederte Vögel mit heiseren Stimmen schossen von Baum zu Baum. Kleine Affen schwangen sich schnatternd und scheltend über den schwarzen Kriegern durch die schwanken Zweige. Und doch fühlten sich diese allein, denn die gleich den Straßen einer Großstadt von Myriaden Lebewesen wimmelnde Dschungel wirkt auf jeden wie der einsamste Flecken auf Gottes großer Welt.

Aber waren sie wirklich allein?

Über ihnen wiegte sich ein grauäugiger Jüngling auf einem dichtbelaubten Ast und bewachte mit reger Aufmerksamkeit jede ihrer Bewegungen. Das zurückgehaltene Feuer des Hasses glomm unter des Jungen offenbarem Wunsch, herauszufinden, welchen Zweck die Arbeit der Schwarzen hatte. Einer so wie diese da hatte seine geliebte Kala getötet. Er konnte nur bittere Feindschaft für sie hegen, aber er belauschte sie gerne, weil er begierig war, das Benehmen der Menschen besser kennen zu lernen.

Er sah die Grube tiefer werden, bis ein großes Loch von der Breite der Fährte gähnte – ein Loch, groß genug, um alle sechs Schwarzen zusammen in sich aufzunehmen. Tarzan konnte sich den Zweck einer solchen Riesenarbeit nicht vorstellen. Als sie lange Stangen schnitten, am oberen Ende zuspitzten und in Abständen senkrecht in den Boden der Grube setzten, stieg sein Erstaunen. Und als sie dann schwache Querstäbe darüber legten und mit einer sorgfältig angebrachten Lage aus Blättern und Erde ihr Werk jedem Blick verdeckten, wurde er nicht klüger daraus.

Als die Schwarzen fertig waren, betrachteten sie ihr Werk mit Zeichen vollster Zufriedenheit und Tarzan betrachtete es gleichfalls so. Selbst für sein geübtes Auge blieb kaum eine Spur davon, daß die alte Wildfährte in irgendeiner Weise angerührt worden war.

Der Affenmensch war so sehr in seine Mutmaßungen über den Zweck der überdeckten Grube vertieft, daß er die Schwarzen nach ihrem Dorfe ohne die übliche Hetze entkommen ließ, die ihn zum Schrecken von Mbongas Stamm gemacht hatte und für ihn gleichzeitig ein Mittel zur Rache und eine unerschöpfliche Quelle der Unterhaltung darstellte.

Aber wie sehr er sich auch den Kopf zerbrach, er konnte das Rätsel der verdeckten Grube nicht lösen, denn die Sitten der Schwarzen waren für Tarzan immer noch etwas Unbekanntes. Sie waren erst vor kurzem in die Dschungel eingewandert – die ersten ihrer Gattung, um den Tieren dort ihre uralte Vorherrschaft aufzudrängen. Für den Löwen Numa, für Tantor, den Elefanten, für die großen und die kleinen Affen, für all und jeden der Myriaden Geschöpfe dieser rauhen Wildnis waren die Mittel und Wege des Menschen neu. Sie mußten noch vieles lernen, was diese schwarzen, haarlosen Geschöpfe betraf, die aufrecht auf den Hinterpfoten gingen – und sie lernten langsam und immer zu ihrem größten Kummer.

Bald nach dem Abzug der Schwarzen schwang sich Tarzan auf die Fährte hinab. Vorsichtig witternd umkreiste er die Ränder der Falle. Er hockte sich hin und kratzte das Ende eines Querträgers frei. Dann beroch er ihn, berührte ihn, legte den Kopf auf die Seite und beschaute ihn ernst ein paar Minuten lang. Schließlich brachte er die Stelle wieder sauber in Ordnung, schwang sich hinauf in die Zweige und machte sich auf die Suche nach seinen behaarten Gefährten, den großen Affen von Kerschaks Horde.

Als ihm dabei der Löwe Numa über den Weg lief, hielt er einen Augenblick an, warf seinem Feind eine weiche Frucht in das knurrende Gesicht und schimpfte ihn Aasfresser und Bruder der Hyäne Dango. Numa starrte mit seinen feurigen, runden, gelbgrünen Augen voll tiefem Haß auf die tanzende Gestalt oben. Seine dicken Backen zitterten unter leisem Knurren und die Wut setzte seinen geschmeidigen Schweif in scharfe peitschende Bewegung. Aber aus alter Erfahrung wußte er, wie zwecklos es war, mit dem Affenmenschen auf weite Entfernung zu verhandeln, deswegen schlug er sich alsbald seitwärts in die Büsche, die ihn den Blicken seines Quälgeistes entzogen.

Tarzan schnitt seinem abziehenden Feinde eine affenartige Grimasse und schrie ihm eine letzte Dschungelbeleidigung nach, ehe er seinen Weg fortsetzte.

Eine Meile weiter trug ihm ein Windhauch einen scharfen vertrauten Geruch ganz aus der Nähe in die Nase und gleich darauf sah er unter sich ein ungeheures grauschwarzes Ungetüm geradewegs durch die Dschungel sich Bahn brechen. Tarzan griff neben sich und knickte einen kleinen Zweig und schon machte der wuchtige Körper bei dem plötzlichen Knacken Halt. Große Ohren klappten nach vorne und ein langer, weicher Rüssel hob sich, um rasch auf der Suche nach feindlicher Witterung hin- und herzuschwanken, während zwei schwachsichtige, kleine Augen argwöhnisch aber erfolglos nach dem Urheber des Geräusches spähten, das seinen friedlichen Weg gestört hatte.

Tarzan lachte laut und kam dicht über den Kopf des Dickhäuters.

Tantor! Tantor! schrie er. Bara, der Hirsch, ist nicht so ängstlich wie du – du, Tantor, der Elefant, der größte von allem Dschungelvolk. Du, mit der Stärke von ebensoviel Numas als ich Finger und Zehen habe! Tantor, der die größten Bäume ausreißen kann, du zitterst vor Angst, wenn ein kleiner Zweig knackt!

Ein raschelndes Geräusch, das ebenso ein Zeichen der Verachtung wie der Erleichterung sein konnte, war Tantors einzige Antwort, als er den hocherhobenen Rüssel und die Ohren senkte und seinen Schwanz wieder wie gewöhnlich hängen ließ. Nur die Augen suchten weiter nach Tarzan. Tantor brauchte nicht lange zu warten, denn eine Sekunde später sprang der Jüngling auf den breiten Kopf seines alten Freundes herab. Dort streckte er sich lang aus, trommelte mit den Zehen auf der Haut und kratzte mit den Fingern die zarteren Stellen hinter den großen Ohren, während er Tantor den ganzen Dschungelklatsch erzählte, als ob das große Tier jedes seiner Worte verstünde.

Tarzan konnte Tantor vieles verständlich machen und obgleich sein Geschwätz von der Jagd über die Begriffe des großen, grauen Dschungel-Fürchtenichts ging, stand dieser doch mit funkelnden Augen und leise schwingendem Rüssel, als ob er jedes Wort mit vollstem Verständnis in sich aufnehme. In Wirklichkeit liebte er die angenehme freundliche Stimme, die liebkosenden Hände hinter den Ohren und die enge Vertraulichkeit des Freundes, den er schon so oft auf dem Rücken getragen hatte. Tarzan hatte sich einst noch als kleines Kind dem großen Tier furchtlos genaht, weil er bei dem Dickhäuter die gleichen freundlichen Gefühle voraussetzte, die sein eigenes Herz erfüllten.

Tarzan hatte in den Jahren ihrer Freundschaft entdeckt, daß er eine unerklärliche Macht besaß, seinen mächtigen Freund zu leiten und zu lenken. Von so weit her als Tantor mit seinen scharfen Ohren die schrillen durchdringenden Rufe des Affenmenschen noch vernehmen konnte, kam er auf dessen Ruf herbei, und wenn Tarzan dann auf seinem Kopfe hockte, brach Tantor in jeder Richtung durch die Dschungel, die ihn sein Reiter zu gehen hieß. Es war das Übergewicht des menschlichen Verstandes über den des Tieres und die Wirkung war gerade so, als ob sie beide den Grund gewußt hätten, obgleich keiner von ihnen eine Ahnung davon hatte.

Eine halbe Stunde lang spreizte sich Tarzan dort auf Tantors Rücken. Einen Zeitbegriff kannten sie beide nicht. Das Leben, wie sie es auffaßten, bestand hauptsächlich aus der Aufgabe, sich den Magen zu füllen. Für Tarzan war diese Arbeit weniger schwer als für Tantor, denn Tarzans Magen war kleiner und als Omnivore, als Allesfresser, fand er leichter Nahrung. Wenn er die eine Art nicht bald genug fand, gab es immer noch viele andere, um den Hunger zu stillen. Er war in der Lebensweise nicht so eigen wie Tantor, der von einigen Bäumen nur die Rinde fraß, das Holz wieder von anderen, während ihm wieder von noch anderen nur das Laub schmeckte und auch das nur zu bestimmten Jahreszeiten.

Infolgedessen mußte Tantor den größten Teil seines Lebens damit zubringen, seinen Magen für die Bedürfnisse seiner mächtigen Muskeln zu füllen. So geht es allen Tieren – ihr Leben ist mit Nahrungssuche und Verdauung so voll beschäftigt, daß ihnen wenig Zeit für andere Erwägungen bleibt. Zweifellos hat sie diese Belastung gehindert, sich ebenso rasch als der Mensch, dem mehr Zeit zum Nachdenken über alles bleibt, weiter zu entwickeln.

Doch ließ sich Tarzan durch solche Gedanken nur wenig stören und Tantor schon gar nicht. Der erstere wußte nur, daß er sich in der Gesellschaft Tantors wohl fühlte. Warum, wußte er nicht. Er verstand nicht, daß er als Mensch – als normal empfindender, gesunder Mensch – sich nach einem Lebewesen sehnte, dem er seine Zuneigung schenken konnte. Die Spielgefährten seiner Kindheit unter Kerschaks Affen waren nunmehr große, mürrische Bestien geworden. Sie konnten Vorliebe weder hegen noch erwecken. Mit den jüngeren Affen spielte Tarzan noch gelegentlich und liebte sie in rauher Weise, aber als Kameraden waren sie weder befriedigend noch ruhig genug. Tantor dagegen war ein Berg von Ruhe, Gesetztheit und Zuverlässigkeit. Es war eine Erholung und Befriedigung, sich auf seinem rauhen Schädel auszustrecken und ihm unklare Hoffnungen und Ziele in seine großen Ohren zu erzählen, die dann so gewichtig und verständnisinnig vor- und zurückklappten. Seit ihm Kala genommen war, hegte Tarzan von allem Dschungelvolk für Tantor die größte Liebe. Manchmal hätte Tarzan gerne gewußt, ob Tantor diese Zuneigung erwiderte, aber es war schwer, das herauszufinden.

Die Stimme des Magens – die dringendste und beständigste Forderung, welche die Dschungel kennt – brachte schließlich Tarzan wieder auf die Bäume und auf die Nahrungssuche, während Tantor seinen unterbrochenen Marsch in entgegengesetzter Richtung wieder aufnahm.

Eine Stunde lang ging der Affenmensch auf Nahrung aus. Ein luftiges Nest gab seinen frischen, warmen Inhalt her. Früchte, Beeren und zarte Pisangbananen fanden ihren Platz auf seiner Menükarte in der Reihenfolge, in welcher er auf sie stieß, denn nach solcher Nahrung suchte er nicht erst. Fleisch, Fleisch, Fleisch! Affentarzan jagte immer nach Fleisch; nur bekam er es manchmal nicht, wie zum Beispiel heute.

Während er die Dschungel durchstrich, befaßte sich sein lebhafter Geist nicht nur mit seiner Jagd, sondern auch mit vielen anderen Dingen. Gewohnheitsmäßig rief er sich die Ereignisse der vergangenen Tage und Stunden ins Gedächtnis zurück. Er erlebte wieder seine Begegnung mit Tantor, er dachte an die grabenden Neger und die merkwürdige, zugedeckte Grube, die sie zurückgelassen hatten. Wieder und wieder fragte er sich, was wohl deren Zweck sein könnte. Er verglich seine Wahrnehmungen und kam dabei zu Urteilen. Dann verglich er seine Urteile und gelangte zu Schlüssen, die wohl nicht immer richtig waren, aber er gebrauchte sein Gehirn zu dem Zweck, für welchen es Gott bestimmt hatte, und da er nicht durch das meist irrige Urteil anderer vorher beeinflußt war, fiel ihm der rechte Gebrauch nicht so schwer.

Und während er sich so wegen der Grube den Kopf zerbrach, tauchte plötzlich vor seinen Augen im Geiste eine massige, schwarzgraue Gestalt auf, welche gewichtig eine Dschungelfährte entlang trampelte. Im Nu spürte Tarzan schlagartig eine Gefahr dahinter. Entschluß und Ausführung fielen bei dem Affenmenschen gewöhnlich zusammen, und schon rannte er durch die belaubten Zweige davon, ehe er die Bedeutung der Fallgrube im Geiste noch ganz erfaßt hatte.

Von einem wehenden Ast zum anderen sich schwingend eilte er durch die mittlere Terrasse, in welcher die Bäume am dichtesten mit den Zweigen aneinanderstießen, dann sprang er wieder zu Boden und schnellte sich leichtfüßig über den Teppich aus vermoderten Pflanzen, bis er wieder in die Bäume hinaufkletterte, wenn ihm dichter Unterwuchs das raschere Vorwärtskommen auf dem Boden verwehrte.

In seiner Hast vergaß er alle Vorsicht. Die Warnung der tierischen Instinkte war von der redlichen Freundschaft des Menschen übertönt, und so konnte es kommen, daß er eine große, baumleere Lichtung betrat, ohne vorher daran zu denken, ob nichts dort sei, was ihm den Weg streitig machen könnte.

 

Er war schon halb über die Lichtung hinweg, als gerade vor ihm auf dem Wege in nur wenigen Schritten Entfernung aus einem Flecken großer Gräser ein halbes Dutzend schnatternde Vögel aufflogen. Tarzan schlug sich auf die Seite, denn er wußte gut genug, was für ein Geschöpf die kleinen Schildwachen verrieten. Buto, das Nashorn, raffte sich auf seine kurzen Beine und schoß wütend zum Angriff vor. Buto rennt aufs Geratewohl drauf los. Mit seinen schlechten Augen sieht es selbst auf kurze Entfernung nicht viel, und es ist schwer zu entscheiden, ob sein irrsinniges Drauflosstürzen von sinnloser Angst beim Flüchten oder von dem jähzornigen Charakter, den man ihm zuschreibt, herrührt, übrigens ist das auch für einen, den Buto angreift, ziemlich nebensächlich, denn wenn er gefaßt und gespießt ist, läßt sich zehn gegen eins wetten, daß er nachher wenig Interesse für diese Frage hat.

Heute schoß nun Buto zufällig gerade über die wenigen trennenden Schritte Grasfläche auf Tarzan los. Er hatte die Richtung nach dem Affenmenschen genommen und griff ihn mit Schnaufen und Schnarren an, als er ihn vor seine schwachen Augen bekam. Die kleinen Nashornvögel flatterten im Kreise um ihren großen Beschützer, über ein Dutzend Affen drüben in den Zweigen an der Ecke der Lichtung schnatterten und schalten, als sie das laute Schnarchen der wütenden Bestie erschreckte und in Verwirrung in die höheren Zweige jagte. Nur Tarzan schien gleichgültig und heiter.

Er stand dem Ansturm mitten im Wege. Es war keine Zeit, jenseits der Lichtung auf den Bäumen Rettung zu suchen, aber Tarzan hatte auch gar nicht die Absicht, Butos wegen seinen Weg zu verzögern. Er war dem dummen Vieh schon früher begegnet und hatte nur höchste Verachtung dafür.

Jetzt hatte Buto ihn erreicht, der massige Kopf senkte sich und das lange, schwere Horn neigte sich für den furchtbaren Gebrauch, zu dem es die Natur bestimmt hatte. Aber als Buto aufwärts fuhr, spießte seine Waffe in die leere Luft, denn der Affenmensch war mit einem katzenartigen Satz in die Höhe und weit über dem drohenden Horn auf den breiten Rücken des Nashorns geschnellt. Noch ein Sprung, er war hinter dem Tier auf dem Boden und sauste wie ein Hirsch nach den Bäumen.

Geärgert und angeführt durch das merkwürdige Verschwinden seines Opfers wandte sich Buto und schoß wütend nach einer anderen Richtung, aber das war nicht die von Tarzans Flucht, der Affenmensch kam zu den deckenden Bäumen und setzte seinen eiligen Weg durch den Wald fort.

In einiger Entfernung vor ihm bewegte sich Tantor stetig auf der stark ausgetretenen Elefantenfährte vorwärts, während ein schwarzer, schleichender Krieger vor Tantor angestrengt mitten auf dem Pfad lauschte. Jetzt hörte er das erhoffte Geräusch – den krachenden, schnappenden Ton, welcher das Nahen eines Elefanten verkündet.

Zur Rechten und Linken an anderen Stellen der Dschungel wachten weitere Krieger. Ein leise weitergegebenes Zeichen meldete auch den Entferntesten, daß die Beute nahe war. Rasch schwenkten sie nach der Fährte zu ein und postierten sich gegen den Wind auf Bäumen, an denen Tantor vorbeimußte. Sie warteten schweigend und wurden bald durch den Anblick eines mächtigen Elefanten belohnt, der eine solche Menge Elfenbein in seinen langen Stoßzähnen trug, daß ihnen das gierige Herz im Leibe lachte.

Sobald er an ihren Stellungen vorbei war, kletterten sie von ihren Sitzen. Aber sie waren nicht mehr still, sie klatschten in die Hände und schrien, sobald sie auf dem Boden waren. Tantor, der Elefant, blieb einen Augenblick mit hocherhobenem Rüssel und ausgestrecktem Schwanz stehen und spitzte seine großen Ohren, dann schwang er sich in raschem, schleifendem Gang die Wildfährte entlang – geradewegs auf die verdeckte Grube mit den geschärften Pfählen auf dem Boden zu.

Hinter ihm kamen die heulenden Krieger und jagten ihn in raschere Flucht, damit er nicht den Boden vor sich prüfen konnte. Tantor, der Elefant, der seine Gegner mit einem einzigen Angriff hätte in alle Winde zerstreuen können, floh; er floh wie ein gehetzter Hirsch – einem schrecklichen, qualvollen Tode entgegen.

Erst hinter der ganzen Hetzjagd kam Affentarzan, der mit der Eile und Gewandtheit eines Eichhörnchens durch den Dschungelforst raste, weil er die Rufe der Krieger gehört und sich richtig gedeutet hatte. Einmal hatte er einen gellenden Schrei ausgestoßen, der durch die Dschungel dröhnte, aber Tantor hörte entweder nicht mehr in seiner heillosen Angst oder er wagte nicht darauf zu achten.

Jetzt war der große Dickhäuter nur noch wenige Schritte vor dem im Wege lauernden Tode. Die Schwarzen waren ihres Erfolges bereits ganz sicher, schrien, tanzten, schwangen ihre Speere und feierten schon im Voraus den Gewinn des prachtvollen Elfenbeins an ihrer Beute und außerdem das Festmahl an Elefantenfleisch, das sie diese Nacht haben würden.

Sie waren so erpicht darauf, sich Glück zu wünschen, daß ihnen das leise Vorbeihuschen des Tiermenschen über ihren Köpfen ganz entging. Auch Tantor sah und hörte nicht, obgleich ihm Tarzan Halt zurief.

Noch ein paar Schritte und Tantor mußte in die spitzen Pfähle stürzen. Tarzan flog derweil geradezu durch die Bäume, bis er das flüchtige Tier eingeholt und dann überholt hatte. Vor dem Rand der Grube sprang der Affenmensch in der Mitte der Fährte zu Boden. Tantor war fast auf ihm, ehe er mit seinen schwachen Augen den alten Freund erkannte.

Halt! schrie Tarzan und das große Tier hielt vor der erhobenen Hand.

Tarzan stieß einiges Buschwerk zur Seite und enthüllte die Grube. Tantor sah und verstand.

Kämpfe! grollte Tarzan, sie sind hinter dir! Aber Tantor, der Elefant, ist ein großes Bündel Nerven und jetzt war er vom Schrecken halb verstört.

Vor ihm gähnte die Grube, wie weit wußte er nicht, aber rechts und links blieb noch der jungfräuliche, von Menschen unbetretene Urwald. Mit einem Quieken drehte sich das Riesentier um einen rechten Winkel und brach sich geräuschvoll einen Weg durch den festen Wall verwachsener Pflanzen, der jedem anderen als ihm den Durchbruch verwehrt hätte.

Tarzan auf dem Rande der Grube lächelte über Tantors würdelose Flucht. Die Schwarzen mußten bald kommen. Es war besser, daß Affentarzan von der Szene verschwand. Er wollte einen Schritt vom Rand der Grube wegtun, aber als das ganze Gewicht seines Körpers auf dem linken Fuß allein ruhte, gab die Erde nach. Tarzan machte eine einzige herkulische Anstrengung, sich noch nach vorne zu werfen, aber es war zu spät. Er fiel rückwärts hinab auf die spitzen Pfähle unten in der Grube.

Als die Schwarzen einen Augenblick später ankamen, sahen sie schon aus der Ferne, daß ihnen Tantor entkommen war, denn das Loch in der Grubenbedeckung war zu klein, um den gewaltigen Körper eines Elefanten durchgelassen zu haben. Sie dachten erst, ihre Beute sei mit einem der großen Füße durch die Deckung getreten und habe sich, dadurch gewarnt, zurückgezogen. Aber als sie an die Grube kamen und hinuntersahen, machten sie vor Erstaunen große Augen, denn auf dem Boden lag still und stumm der nackte Körper eines weißen Riesen.

Einige, die diesen Waldgott schon flüchtig gesehen hatten und ihm seit einiger Zeit die Wunderkräfte eines Dämons zuschrieben, zogen sich voll Scheu vor seiner Gegenwart zurück. Aber andere dachten nur an die Gefangennahme eines Feindes, drängten sich vor, sprangen in die Grube hinab und hoben Tarzan heraus.

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