Читать книгу: «Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz"», страница 3

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Fünftes Kapitel – Zwiespalt zwischen Vater und Sohn

Fünftes Kapitel – Zwiespalt zwischen Vater und Sohn

Je lebhafter das Gefühl der Selbständigkeit in Friedrich erwacht war, umso weniger Neigung empfand er, sich den Anordnungen des Vaters zu fügen, die mit seinen Wünschen fast stets im Widerspruch standen; umso strenger aber drang auch der Vater auf genaue Befolgung seiner Befehle, so dass die unangenehmen Szenen sich zu häufen begannen. Dem Kronprinzen schien jetzt die Verbindung mit einer englischen Prinzessin doppelt wünschenswert, indem er hierdurch eine größere Freiheit zu gewinnen hoffte. Bereitwillig bot er der Mutter die Hand, um an der Ausführung ihres Lieblingsplanes mitzuarbeiten; er schrieb selbst in dieser Angelegenheit nach England. Aber die Verhältnisse zwischen England und Preußen hatten sich inzwischen noch weniger erfreulich gestaltet. König Georg I. war bereits im Jahr 1727 gestorben und sein Sohn, Georg II., der Bruder von Friedrichs Mutter, in der Regierung gefolgt. Zwischen diesem und König Friedrich Wilhelm waltete eine persönliche Feindschaft, die sich schon in früher Kindheit, als beide mit einander erzogen wurden, geäußert hatte. Jetzt fühlten sie Spottreden gegeneinander im Munde.


König Georg II. von England

Der König von England nannte den König von Preußen „seinen lieben Bruder Korporal“, oder auch „des heiligen römischen Reichs Erzsandstreuer,“ wie man die Sandfluren der Mark Brandenburg als die „Sandbüchse“ des heiligen römischen Reichs zu bezeichnen liebte; Friedrich Wilhelm dagegen titulierte jenen als „seinen lieben Bruder den Komödianten,“ oder gelegentlich auch als „den Herrn Bruder Braunkohl.“


König Friedrich Wilhelm II. von Preußen

Der österreichischen Politik konnte dies Missverhältnis nur wünschenswert sein; sie Tat das ihrige zur Förderung desselben. Verschiedene andere Streitpunkte kamen dazu, die Ungebührlichkeiten der preußischen Weiber, die von ihrem Könige in Schutz genommen wurden, gaben den Ausschlag, und es drohte im Jahre 1729 sogar ein Krieg zwischen beiden Mächten auszubrechen, der indes durch andere Fürsten, denen die Ruhe Deutschlands am Herzen lag, im Anfange des folgenden Jahres wieder beigelegt wurde. Alles dies machte dem Könige die fortgesetzten Pläne für die Doppelheirat mit England immer verhasster, und auf die Teilnehmer derselben häufte sich sein Groll. Die Nachricht, die ihm insgeheim von Friedrichs Schreiben nach England zugetragen wurde, war keineswegs geeignet, seinen Groll zu mildern. Anfälle von Podagra (Gicht) vermehrten seine gereizte Stimmung, so dass die beiden älteren Kinder schon rohe Behandlung zu gewärtigen hatten.

Diese suchten sich durch ihr treues Zusammenhalten zu entschädigen. Ihr Vergnügen bestand in der Beschäftigung mit französischer Literatur. Unter anderem lasen sie Scarrons ergötzliches Meisterwerk, den „komischen Roman“, und schrieben gemeinschaftlich eine Parodie desselben, die eine Satire auf die ihnen verhasste österreichische Partei des Hofes enthielt. Die Personen der letzteren mussten hierin, je nach ihrer Eigentümlichkeit, die Rolle der lächerlichen Personen des Romans übernehmen; selbst der König wurde nicht übergangen. Der Mutter ward das Produkt mitgeteilt, und diese, statt das Vergehen der Kinder gegen den Vater zu rügen, ergötzte sich an dem satirischen Talente, welches sich darin aussprach.

Im Sommer 1729, als die königliche Familie sich einige Zeit in Wusterhausen aufhielt, hatte sich der Zorn des Königs gegen das ältere Geschwisterpaar in solchem Grade erhöht, dass er sie ganz, die Mahlzeiten ausgenommen, aus seiner und aus der Königin Gegenwart verbannte. Nur ganz insgeheim, des Nachmittags, wenn der König seinen Spaziergang machte, durfte sich die Mutter des Umganges mit ihren Kindern erfreuen; dabei wurden jedes Mal Wachen aufgestellt, um sie von der Rückkehr des Königs zu benachrichtigen, von dem man sich, wenn er die Übertretung seines Befehles wahrgenommen hätte, keiner glimpflichen Behandlung gewärtigen durfte. Eines Tages hatten die Wachen jedoch ihren Auftrag so schlecht besorgt, dass man plötzlich, ganz unvorbereitet, den wohlbekannten Schritt des Königs auf dem Gange hörte; das Zimmer der Königin hatte keinen zweiten Ausgang, und so blieb kein anderes Rettungsmittel, als dass der Prinz eilig in einen Wandschrank schlüpfte, während die Prinzessin sich unter dem Bette der Königin versteckte. Aber der König, ermüdet von der Hitze, setzte sich auf einen Sessel und schlief zwei lange Stunden, während welcher die Geschwister es nicht wagen durften, ihre sehr unbehaglichen Gefängnisse zu verlassen.

Andere Übertretungen der Befehle des Königs gaben zu ähnlichen Szenen Anlass. Der Kronprinz hatte bei einem Besuche in Dresden den vorzüglichen Flötenspieler Quantz kennen gelernt. Er wünschte aufs Lebhafteste, durch diesen im Flötenspiel vervollkommnet zu werden; die Königin, die diese Neigung gern begünstigte, suchte Quantz für ihre Dienste zu gewinnen. Doch wollte ihn der König August nicht von sich lassen; er gab ihm indes die Erlaubnis, jährlich ein paar Mal nach Berlin zu gehen, um den Kronprinzen wenigstens in den Hauptbedingungen eines vorzüglicheren Flötenspieles zu unterrichten. Natürlich durfte der König von Preußen von diesen Reisen und Unterrichtsstunden gar nichts wissen. Einst saß der Kronprinz in aller Gemächlichkeit mit seinem Lehrer beisammen; statt der beklemmenden Uniform hatte er einen behaglichen Schlafrock von Goldbrokat angelegt; die steife Frisur war aufgelöst und die Haare in einen bequemen Haarbeutel gesteckt.

Plötzlich sprang der Freund des Kronprinzen, der Lieutenant von Katte, herein und meldete, dass der König, dessen Erscheinung man zu dieser Stunde gar nicht vermutete, ganz in der Nähe sei. Die Gefahr war groß, und wie der Schlafrock des Kronprinzen, so war der rote Rock des Flötenbläsers – eine Farbe, gegen die der König besonderen Widerwillen hegte – keineswegs geeignet, das Unwetter, das man befürchten musste, zu besänftigen. Katte ergriff rasch den Kasten, welcher Flöten und Musikalien enthielt, nahm den Musikmeister bei der Hand und flüchtete mit diesem in ein kleines Kämmerchen, welches zum Heizen der Öfen diente; Friedrich hatte eben nur Zeit, die Uniform anzuziehen und den Schlafrock zu verbergen. Der König wollte selbst einmal Revision im Zimmer des Sohnes halten. Dass hier nicht alles ganz richtig sei, ward er bald an dem Haarbeutel gewahr, der mit der Uniform des Kronprinzen in keinem reglementsmäßigen Einklange stand. Nähere Untersuchungen ließen ihn die Schränke hinter den Tapeten entdecken, in denen die Bibliothek und die Garderobe der Schlafröcke enthalten waren. Die letzteren wanderten augenblicklich in den Kamin, die Bücher wurden dem Buchhändler übergeben. Der zitternde Flötist blieb glücklicherweise unentdeckt; doch hütete er sich, so lange seine Besuche heimlich fortgesetzt wurden, je wieder in einem roten Rocke zu erscheinen.

Andere Dinge waren vielleicht in noch größerem Maße, wenn der König von ihnen Kunde erhielt, Schuld an seiner Erbitterung gegen den Kronprinzen. Friedrich war in die Jahre getreten, in denen die erwachte Natur ihr Recht forderte; ein Besuch mit dem Vater an dem grenzenlos üppigen Hofe zu Dresden im Januar 1728 hatte ihm Bilder gezeigt, die er bis dahin nie gesehen und die nun seine Phantasie umfangen hielten. Für einen Königssohn, mag er auch noch so eng bewacht sein, sind die Bande der Sitte immer leicht zu überspringen, wenn keine abmahnende Stimme des Innern ihn zurückhält; hilfreiche Hände sind für den Hochstehenden nur zu häufig bereit. Einen Vertrauten erwarb sich der Kronprinz zunächst an dem Lieutenant von Keith, einem Leibpagen des Königs, der, sanft und teilnehmend, die bedrückten Verhältnisse des Prinzen mit Kümmernis ansah und seine Stellung gern dazu benutzte, jenen so oft als möglich von dem Vorhaben und den Stimmungen des Königs zu unterrichten, wodurch denn mancher unangenehmen Szene vorgebeugt ward. Keith leistete auch bei den verliebten Abenteuern des Kronprinzen getreue Pagendienste. Das unregelmäßige Leben des Letzteren noch mehr zu begünstigen, diente zugleich der Umstand, dass um eben diese Zeit seine Hofmeister ihres bisherigen Dienstes entlassen wurden. Dies geschah auf den Rat des Generals Grumbkow, dessen österreichischen Interessen der Oberhofmeister, Graf Finkenstein, den die Königin zu dieser Stelle erwählt hatte, im Wege stehen mochte; er bedeutete den König, dass der Prinz nunmehr in das Alter getreten sei, in welchem sich eine Aufsicht solcher Art nicht mehr zieme. An die Stelle der Hofmeister traten nun zwei Gesellschafter, die aber keine nähere Aufsicht zu führen hatten, der Oberst von Rochow und der Lieutenant Freiherr von Keyserling. Letzterer, ein junger Mann von lebhaftem Geiste, Anmutiger Bildung und der heitersten Gemütsart, wurde nachmals der innigste Freund des Kronprinzen; auch schon jetzt entwickelte sich ein näheres Verhältnis, doch wurde Keyserling vor der Hand nicht eigentlicher Vertrauter, wie es Keith war.

Das stete Zusammenhalten des Kronprinzen mit Keith war dem König aufgefallen und von ihm nicht mit günstigen Augen angesehen; Keith wurde nach einiger Zeit nach dem fernen Wesel in ein Regiment versetzt. Doch nützte diese Trennung wenig. Der Kronprinz fand bald einen zweiten Liebling an dem Lieutenant von Katte, der für ihn ungleich gefährlicher war als jener.


Hans Hermann von Katte – 1704 – 1730

Katte wusste ebenfalls durch seine Bildung und Anmut des Gespräches einzunehmen, obgleich sein Äußeres wenig anziehend war und die zusammengewachsenen dunkeln Augenbrauen seiner Physiognomie einen unheilverkündenden Ausdruck gaben. Dabei war er, selbst ohne sittlichen Halt, nur zu sehr geeignet, den Kronprinzen in seinen Ausschweifungen zu bestärken; auch wusste er mit klügelnder Philosophie eine solche Lebensweise zu beschönigen, indem er sich aus halbverstandener Kathederlehre ein System der Vorherbestimmung zusammengesetzt hatte, demzufolge der Mensch sich ohne eigenen Willen, somit ohne Schuld, der über ihn verhängten Sünde zu ergeben habe. An dem Kronprinzen fand er für solche Lehren einen teilnehmenden Schüler. Endlich besaß Katte nicht einmal die für eine so gefährliche Stellung nötige Besonnenheit; er prahlte gern mit der Gunst, die ihm der Kronprinz erwies, er zeigte überall dessen Briefe vor, und gar manches hiervon mag dem König ohne sonderliche Schonung hinterbracht worden sein.

Schon suchte der König absichtlich die Gelegenheit auf, um den Kronprinzen empfindlich zu kränken. An schimpflichen Reden und an schimpflicher Behandlung fehlte es nicht. Der Kronprinz musste eine Zeitlang Fähnrichs-Dienste tun. In öffentlicher Gesellschaft musste er wiederholt von dem Könige die verächtlichen Worte hören, dass, wenn ihn, den König, sein Vater auf ähnliche Weise behandelt hätte, er tausendmal davon gelaufen wäre; aber dazu gehöre mehr Mut, als der Kronprinz besitze. Wo der König ihm begegnete, drohte er ihm mit aufgehobenem Stocke, und schon versicherte der Kronprinz seiner älteren Schwester, dass er nicht mehreres, als was bisher geschehen sei, mit der schuldigen Ehrerbietung ertragen könne; käme es je zu tätlicher Misshandlung, so werde er in der Tat sein Heil in der Flucht suchen. Mehrfach und dringend verlangte der König, der Kronprinz solle dem Thronrechte entsagen, damit dasselbe auf den zehn Jahre jüngeren Sohn, August Wilhelm, der sich durchaus fügsam gegen den Vater bewies und von diesem bei jeder Gelegenheit vorgezogen wurde, übergehen könne. Aber der Kronprinz erwiderte, er wolle sich eher den Kopf abschlagen lassen, als sein gutes Recht aufgeben; endlich erklärte er sich dazu unter der Bedingung bereit, dass der König in einem öffentlichen Manifest als Ursache seiner Ausschließung von der Thronfolge bekannt mache, er sei von ihm kein leiblicher und ehelicher Sohn. Auf solche Bedingung konnte freilich der Vater, seiner Gesinnung gemäß, nicht eingehen.

Zu alledem kam endlich der Umstand, dass die Beschäftigungen und die Vergnügungen, welche der Kronprinz hinter dem Rücken des Vaters trieb, ohne mehr oder weniger bedeutende Geldmittel nicht ausführbar waren. Zwar war die sogenannte kronprinzliche Kasse sehr vermögend, doch nützte ihm dies zu nichts, da er selbst nur über sehr geringe Summen zu verfügen hatte. Er sah sich also genötigt, bei fremden Leuten Geld aufzunehmen. Der Vater erfuhr, dass er von berlinischen Kaufleuten eine Summe von 7.000 Talern entliehen habe; und sogleich erschien, im Januar 1730; ein geschärftes Edikt wider das Geldleihen an Minderjährige, worin es auch namentlich verboten wurde, dem Kronprinzen, sowie den sämtlichen Prinzen des königlichen Hauses Geld zu borgen, und worin gegen die Übertreter des Gesetzes Karrenstrafe, selbst Todesstrafe verhängt wurde. Der König hatte die 7.000 Taler bezahlt und der Kronprinz, auf weiteres Befragen, noch eine geringe Summe genannt, als welche er außerdem schuldig sei; aber die Gesamtmasse seiner Schulden überstieg das Doppelte jener großen Summe.

Das Schuldenmachen war es ohne Zweifel, was den Charakter des Königs am Empfindlichsten berührte; wenigstens hat er später, als der Gewitterstrahl auf das Haupt des Kronprinzen herabgefallen war und als dem Letzteren seine Vergehungen vorgehalten wurden, gerade diesen Punkt unter allein bisher Geschehenen als den bedeutendsten hervorgehoben. So konnte ihn sein aufbrausender Jähzorn, der ihm öfters alle Besinnung zu rauben schien, zu Szenen verleiten, wie die, von der wir jetzt Bericht geben müssen. Wir können das Bild dieser Szene nicht übergehen, da es zum Verständnis alles dessen, was nun erfolgte, wesentlich nötig ist, und da man nur, wenn man auf dasselbe zurückblickt, die Größe der später eintretenden Versöhnung zu würdigen vermag. Wir geben die Szene mit den Worten, mit denen sie von Friedrichs älterer Schwester, in den Memoiren ihres Lebens, aus denen wir schon so manchen charakteristischen Zug aus Friedrichs Jugend entnommen haben, selbst erzählt wird – oder vielmehr mit Friedrichs eigenen Worten, die die Schwester in ihren Memoiren anführt. (siede Band 140e dieser gelben Buchreihe: Memoiren der Wilhelmine von Bayreuth) „Man predigt mir alle Tage Geduld (so sagte Friedrich zur Schwester, als er sie einst heimlich besuchte), allein niemand weiß, was ich ertragen muss. Täglich bekomme ich Schläge, werde behandelt wie ein Sklave und habe nicht die mindeste Erholung. Man verbietet mir das Lesen, die Musik, die Wissenschaften, ich darf fast mit niemand mehr sprechen, bin beständig in Lebensgefahr, von lauter Aufpassern umgeben, mir fehlt es selbst an der nötigen Kleidung, noch mehr an jedem anderen Bedürfnis, und was mich endlich ganz überwältigt hat, ist der letzte Auftritt, den ich in Potsdam mit dem König hatte. Er lässt mich des Morgens rufen; so wie ich eintrete, fasst er mich bei den Haaren, wirft mich zu Boden, und nachdem er seine starken Fäuste auf meiner Brust und meinem ganzen Leibe erprobt hat, schleppt er mich an das Fenster und legt mir den Vorhangstrang um den Hals. Glücklicherweise hatte ich Zeit gehabt, mich aufzuraffen und seine beiden Hände zu fassen; da er aber den Vorhangstrang aus allen Kräften zuzog, und ich mich erdrosseln fühlte, rief ich endlich um Hilfe. Ein Kammerdiener eilte herbei und befreite mich mit Gewalt aus des Königs Händen. Sage nun selbst, ob mir ein anderes Mittel übrig bleibt als die Flucht? Katte und Keith sind bereit, mir bis ans Ende der Welt zu folgen; ich habe Pässe und Wechsel und habe alles so gut eingerichtet, dass ich nicht die geringste Gefahr laufe. Ich entfliehe nach England; dort empfängt man mich mit offenen Armen, und ich habe von des Königs Zorn nichts mehr zu fürchten. Der Königin vertraue ich von allem diesem nichts – weil sie, wenn der Fall eintritt, imstande sein soll, einen Schwur abzulegen, dass sie nichts von der Sache gewusst hat. Sobald der König wieder eine Reise außerhalb seiner Staaten macht – denn das gibt mir viel mehr Sicherheit – ist alles zur Ausführung bereit.“ Die Prinzessin wandte alles an, um ihrem Bruder das gewagte Vorhaben auszureden, aber erneute Misshandlungen dienten nur, ihn darin zu bestärken.

Eine günstige Gelegenheit zur Ausführung dieses Vorhabens schien sich bald darzubieten, indem der König im Mai 1730 mit seinen sämtlichen Prinzen und einer großen Menge der angesehensten Offiziere nach Sachsen ging, um an dem glänzenden Lustlager, welches der König von Polen und Kurfürst von Sachsen, August II., zu Mühlberg veranstaltet hatte, teilzunehmen.


August II., König von Sachsen und Friedrich Wilhelm II. von Preußen

Das phantastische Schaugepränge, mit welchem der preußische Hof hier aufgenommen wurde, übertünchte nur schlecht den drohenden Zwiespalt zwischen Vater und Sohn; auch wurde die aufgeregte Stimmung des Königs nur vermehrt, als er, nicht ohne guten Grund, wahrzunehmen glaubte, dass all diese prunkvollen Freundschaftsbezeugungen von Seiten des polnischen Königs nur leerer Schein waren, dass König August ihn hierdurch nur sicher zu machen suchte, während er selbst insgeheim die eifrigsten Ansprüche auf jene jülich-belgische Erbfolge geltend machte. Der Kronprinz Friedrich ließ indes den Kabinetsminister des Königs von Polen durch den Lieutenant von Katte um Postpferde für zwei Offiziere bitten, welche inkognito nach Leipzig zu reisen wünschten. Der Minister aber schöpfte Verdacht, teilte das Anliegen seinem Könige mit, und August, dem für jetzt das äußere gute Vernehmen mit dem preußischen Könige sehr wichtig war, drang dem Kronprinzen das Versprechen ab, seinen Vater wenigstens während des Aufenthaltes in Sachsen nicht zu verlassen. So war Friedrich vor der Hand zur Ruhe genötigt, und seine Ungeduld musste eine bessere Gelegenheit zu erhaschen suchen. Aber schon war für ihn bei längerer Zögerung größere Gefahr im Anzuge; denn unbedacht hatte er manch ein Wort über sein Vorhaben fallen lassen, und der König war gewarnt. Durch erneute Härte der Behandlung, selbst im sächsischen Lager, suchte dieser den Sinn des Kronprinzen zu beugen; natürlich aber brachte ein solches Verfahren nur die entgegengesetzte Wirkung hervor.

Inzwischen schien sich ganz plötzlich von einer anderen Seite die günstigste Aussicht zur Umgestaltung von Friedrichs peinlicher Lage zu eröffnen. Es ist bereits erwähnt worden, dass die kriegerischen Verhältnisse, in denen Friedrich Wilhelm gegen England gestanden hatte, im Anfange dieses Jahres beigelegt waren. Der englische Hof meinte diesmal die Versöhnung so aufrichtig, dass ein außerordentlicher Gesandter nach Berlin geschickt wurde, jene Doppelheirat aufs Neue zu beantragen und, wenn möglich, zum festen Abschluss zu bringen. Aber man wollte sich zugleich der wirklichen Freundschaft des Königs versichern und ihn aus den Intrigen der österreichischen Partei befreit wissen: Man verlangte zu dem Ende Grumbkows Entfernung vom Hofe, indem man durch vollgültige Zeugnisse die verräterische Verbindung desselben mit dem österreichischen Hofe darzutun imstande war. Bei so dringender Gefahr wandte die österreichische Partei alles an, um den König in seiner bisherigen Gesinnung festzuhalten, und es gelang nur zu gut. Der König vergaß sich persönlich gegen den englischen Gesandten, und dieser fand es mit seiner Würde unverträglich, die Unterhandlungen fortzusetzen. So erlosch dieser kurze Hoffnungsschimmer so schnell, wie er aufgetaucht war; dem König war neuer Anlass zum Groll gegeben, und der Kronprinz sah keinen anderen Ausweg aus diesem Labyrinthe vor sich, als beschleunigte Flucht.

* * *

Sechstes Kapitel – Fluchtversuch

Sechstes Kapitel – Fluchtversuch

Nach wenigen Wochen bereits fand sich eine neue Gelegenheit, welche die Flucht des Kronprinzen besser zu begünstigen schien, als der Besuch im sächsischen Lager. Der König unternahm eine Reise nach dem südlichen Deutschland, auf welcher ihn Friedrich begleiten musste. Er hatte bei seinem Verdacht gegen den Kronprinzen längere Zeit geschwankt, ob es besser sei, ihn mitzunehmen oder zu Hause zu lassen; er hatte sich für das Erstere entschieden, weil er ihn unter seinen Augen besser beaufsichtigt glaubte; auch hatte er, um ganz sicher zu gehen, dreien der höheren Offiziere, die ihn begleiteten, den Befehl gegeben, diese Aufsicht zuteilen, so dass stets einer im Wagen des Kronprinzen neben diesem sitzen musste. Friedrich hatte indes im Einverständnis mit Katte – obgleich von diesem zu Anfange mehrfach abgemahnt – seine Maßregeln genommen. Schon aus dem sächsischen Lager hatte er an den König von England geschrieben und diesen gebeten, ihm an seinem Hofe Schutz zu gewähren. Doch war von dort eine sehr ernstlich abratende Antwort erfolgt. Nichts desto weniger blieb der Kronprinz bei dem Plane, über Frankreich nach England zu gehen. Katte sollte, sobald der Prinz ihm von seiner Entweichung Nachricht gegeben haben würde, voraus nach England flüchten und dort für seine Wünsche unterhandeln; er sollte zu dem Zwecke sich Urlaub unter dem Vorwande verschaffen, dass er auf Werbung gehen wolle. Zugleich waren ihm die Gelder, die Kleinodien, die Papiere des Kronprinzen anvertraut. Außer Katte war auch Keith in Wesel von dem Vorhaben des Kronprinzen unterrichtet worden, um dasselbe durch seine Teilnahme zu begünstigen. Am 15. Juli 1730 war die Reisegesellschaft von Berlin aufgebrochen und über Leipzig nach Anspach gegangen, wo der König seine zweite Tochter, die im vorigen Jahre mit dem jungen Markgrafen von Anspach vermählt worden war, besuchte. Schon hier suchte Friedrich Gelegenheit zu entkommen; wiederholt und dringend bat er seinen Schwager, ihm eins seiner besten Pferde, angeblich zu einem Spazierritte, anzuvertrauen; aber vorsichtig wich dieser der Bitte aus, denn schon war das Gerücht von Friedrichs Vorhaben von Berlin nach Anspach gedrungen, indem Katte, selbst in einem so kritischen Momente, es nicht über sich gewinnen konnte, seiner prahlenden Schwatzhaftigkeit Zügel anzulegen. In Anspach erhielt Friedrich einen Brief von Katte, worin ihm dieser meldete, dass er noch immer nicht den nachgesuchten Urlaub habe erhalten können; er bat ihn somit, seine Entweichung bis zur Ankunft in Wesel zu verschieben, von wo er ohnedies am schnellsten, über Holland, nach England würde entkommen können. Friedrich antwortete, dass er so lange nicht mehr warten könne; er sei entschlossen, in Gemäßheit des von dem Könige vorgeschriebenen Reiseplanes schon in Sinsheim, auf der Straße zwischen Heilbronn und Heidelberg, das Gefolge des Königs zu verlassen; Katte werde ihn unter dem Namen eines Grafen von Alberville im Haag treffen. Zugleich versicherte er nochmals, dass die Flucht gar nicht fehlschlagen könne, und dass, wenn man ihm nachsetzte, die Klöster auf dem Wege als sichere Zufluchtsörter betrachten seien. In der Hast aber, mit welcher Friedrich diesen Brief schrieb, vergaß er, ihn nach Berlin zu adressieren; er hatte nur darauf gesetzt: „über Nürnberg,“ und so ging der unselige Brief nach Erlangen, zu einem Vetter Kattes, welcher daselbst auf Werbung stand.

Von Anspach ging die Reise des Königs über Augsburg nach Ludwigsburg, wo man den Herzog von Württemberg besuchte. Von da wurde der Weg nach Mannheim eingeschlagen. Auf diesem Wege hatte man jenes, von Friedrich genannte, Sinsheim zu berühren. Der Zufall wollte, dass das Nachtquartier nicht an diesem Orte, sondern ein paar Stunden vor demselben, in dem Dorfe Steinfurth, genommen wurde. Hier übernachtete man in verschiedenen Scheunen, indem der König in solchen Fällen, nach weichlicher Bequemlichkeit wenig lüstern, einen luftigen Aufenthalt der Art der beklemmenden Schwüle der Wirtshausstuben vorzuziehen pflegte. Der Kronprinz, der mit dem Obersten von Rochow und seinem Kammerdiener gemeinschaftlich eine Scheune zum Nachtlager erhielt, machte schnell seinen Plan der Gelegenheit gemäß. Er benutzte die gutmütige Leichtgläubigkeit eines königlichen Pagen – es war ein Bruder seines Freundes Keith – indem er ihm vertraute, er habe ein verliebtes Abenteuer unfern des Ortes, wozu er ihn des anderen Tages früh um vier Uhr wecken und ihm Pferde verschaffen möge. Das Letztere war leicht zu bewerkstelligen, da gerade an dem Orte Pferdemarkt war. Der Page war gern dazu bereit; anstatt aber den Prinzen zu wecken, verfehlte er das Bett und weckte den Kammerdiener. Dieser hatte Geistesgegenwart genug, sein Befremden über das verdächtige Vorhaben zu unterdrücken; er blieb ruhig liegen, um das Weitere abzuwarten. Er sah nun, wie der Prinz aufsprang und sich schnell ankleidete, doch nicht die Uniform, sondern ein französisches Kleid und einen roten Überrock, den er sich heimlich auf der Reise hatte machen lassen, anlegte. Kaum, hatte der Prinz die Scheune verlassen, so benachrichtigte der Kammerdiener augenblicklich den Obersten Rochow von dem, was vorgegangen; der Letztere weckte eilig drei andere Offiziere aus des Königs Gefolge, und man machte sich, nichts Gutes ahnend, auf den Weg, den Prinzen zu suchen. Nach kurzer Zeit fanden ihn die Offiziere auf dem Pferdemarkte, an einen Wagen gelehnt und nach dem Pagen ausschauend. Seine französische Kleidung vermehrte ihren Verdacht, doch fragten sie ihn mit schuldiger Ehrerbietung, weshalb er sich so früh aufgemacht. Der Prinz war über die störende Dazwischenkunft von Wut und Verzweiflung erfüllt; er wäre des Äußersten fähig gewesen, hätte er Waffen bei sich gehabt. Er gab ihnen eine kurze und raue Antwort. Rochow bemerkte, der König sei bereits aufgewacht und werde in einer halben Stunde weiter reisen; er möge also aufs Schleunigste seine Kleidung verändern, damit sie dem Könige nicht zu Gesicht komme. Der Prinz verweigerte es und sagte, er wolle spazieren gehen; er werde schon zu rechter Zeit zur Abreise bereit sein. Indes kam der Page mit den Pferden. Der Prinz wollte sich nun rasch auf das eine derselben werfen; aber die Offiziere ließen ihn nicht dazu kommen und zwangen ihn, der sich wie ein Verzweifelter wehrte, mit ihnen zur Scheune zurückzukehren und die Uniform wieder anzulegen.

Der König war von diesem Vorgange benachrichtigt worden; doch ließ er sich gegen den Kronprinzen nichts merken, indem es ihm daran lag, vorerst noch bestimmtere Beweise von seinem Plane zu erhalten. Nur, als die Reisegesellschaft an einem der folgenden Tage, nachdem man bereits Mannheim hinter sich hatte, in Darmstadt ankam, sagte er ihm spottender Weise, wie er sich wundere, ihn hier zu sehen, er habe ihn inzwischen schon in Paris vermutet. Der Kronprinz erwiderte trotzig, dass, wenn er es nur gewollt, er Frankreich schon dürfte erreicht haben.

Aber schon war das Unheil näher, als er glauben mochte. Kaum war man in Frankfurt angekommen, von wo die Reise zu Wasser den Main und den Rhein abwärts bis Wesel fortgesetzt werden sollte, als der König von Kattes Vetter aus Erlangen eine Stafette erhielt, durch welche dieser jenen Brief des Kronprinzen übersandte, dessen bedrohlichen Inhalt er nicht unterschlagen zu dürfen glaubte. Der König befahl, den Kronprinzen unverzüglich auf einer der bestellten Jachten in festen Gewahrsam zu nehmen. Erst am folgenden Tage betrat er selbst das Schiff, kaum aber erblickte er den Prinzen, so übermannte ihn sein mühsam zurückgehaltener Jähzorn; er fiel über ihn her und schlug ihn mit seinem Stocke das Gesicht blutig. Mit verbissenem Schmerze rief Friedrich aus: „Nie hat ein brandenburgisches Gesicht solche Schmach erlitten!“ Die anwesenden Offiziere entrissen ihn den Händen des Königs und brachten es dahin, dass der Letztere die Erlaubnis gab, dass der Kronprinz die Reise auf einem zweiten Schiffe machen durfte. Dieser wurde nun wie ein Staatsgefangener behandelt; Degen und Papiere wurden ihm abgefordert; doch hatte er glücklicherweise noch zuvor Gelegenheit gefunden, seine Briefe, die manch einen zu kompromittieren geeignet waren, durch seinen Kammerdiener verbrennen zu lassen.

Selten wohl ist eine Lustreise auf dem schönen Rheinstrom unter traurigeren Verhältnissen gemacht worden. Die Besuche bei den geistlichen Fürsten, welche abzustatten man nicht umhin konnte, wurden so viel als möglich abgekürzt. Der Kronprinz war nicht um sich, sondern nur um das Schicksal der Freunde, die er mit ins Verderben gerissen, besorgt. Doch war er überzeugt, dass Katte, schon zur Flucht gerüstet, Geistesgegenwart genug haben würde, für seine Sicherheit zu sorgen. Keith empfing, ehe der König nach Wesel kam, einen mit Bleistift geschriebenen Zettel von des Kronprinzen Hand, mit den Worten: „Rette dich, alles ist entdeckt.“ Er verlor die rechte Zeit nicht, setzte sich augenblicklich zu Pferde und erreichte im Galopp die holländische Grenze. Selbst noch im Haag durch einen preußischen Offizier verfolgt, den der König zu seiner Verhaftung nachsandte, entkam er glücklich auf einem Fischerboote nach England und ging von da nach Portugal, wo er Kriegsdienste nahm.

Nachdem man in Wesel angelangt war, wurde der Kronprinz gefangen gesetzt und sein Gemach durch Schildwachen mit bloßen Bajonetten verwahrt. Am folgenden Tage erhielt der Festungs-Kommandant, Generalmajor von der Mosel, Befehl, den Prinzen vor den König zu führen. Sobald der Kronprinz zu dem Könige eintrat, fragte ihn dieser mit drohendem Tone, warum er habe desertieren wollen. „Weil Sie mich“, antwortete der Prinz, „nicht wie Ihren Sohn, sondern wie einen Sklaven behandelt haben.“ – „Du bist ein ehrloser Deserteur“, rief ihm der König entgegen, „der kein Herz und keine Ehre im Leibe hat!“ – „Ich habe dessen so viel wie Sie“, versetzte der Prinz, „und ich tat nur, was Sie, wie Sie es mir mehr als hundertmal gesagt haben, an meiner Stelle getan haben würden!“ – Diese Worte erregten aufs Neue des Königs ganzes Ungestüm; er zog seinen Degen und würde den Prinzen durchbohrt haben, wäre ihm nicht der General Mosel in den Arm gefallen. Vor den Prinzen tretend rief dieser würdige Mann aus: „Töten Sie mich, Sire, aber schonen Sie Ihren Sohn!“ Die Kühnheit des Generals machte den König zaudern, und jener benutzte den Moment, den Prinzen hinauszuführen und in seinem Zimmer vorläufig in Sicherheit zu bringen. Die übrigen Generale vermochten es über den König, dass er sich entschloss, den Prinzen nicht mehr zu sehen und ihn der strengen Obhut einiger Offiziere, auf die er sich verlassen konnte, anzuvertrauen. Er selbst reiste einige Tage darauf nach Berlin ab.

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9783753192420
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