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Das Fausttürmlein, das rote Licht und der Spuk der unschuldig Hingerichteten

Alle, die immer noch am Sendlinger-Tor-Platz stehen und denen das Fausttürmchen partout nicht aus der Phantasie verschwindet, mögen sich die Zeit der grausigen Hinrichtungen im Mittelalter vergegenwärtigen und daran denken, dass immer, wenn das Blutgericht auftritt, auch Unschuldige dran glauben müssen. So war es auch damals. Aber dann hat es hier in dieser Gegend, die zu einem »besetzten Ort« wurde, sauber gespukt…

Nun hat es mit diesem Fausttürmlein aber noch eine ganz besondere Bewandtnis gehabt, die nicht weniger schauerlich zu nennen wäre:

Denn damals existierte das Scharfgericht, und wie schon das obige Schicksal des durch Gerichtsbeschluss eingemauerten Ratsherren zeigt, war man mit derlei Urteilen damals nicht gerade zimperlich oder zurückhaltend.

Da kam es dann schon das eine oder andere Mal vor, dass die Richter sich in ihrem Urteilsspruch irrten.

Nun denke keinesfalls, lieber mitfühlender Leser, dass dieser Irrtum allen miteinander nicht ganz besonders leid getan hätte; für eine Begnadigung war es dann halt ein für allemal zu spät. Denn der Betroffene hing unschuldig am Strick, er ward unschuldig einen Kopf kürzer gemacht oder unschuldig eingemauert. (Unser verräterischer Ratsherr, der hat sozusagen noch Glück gehabt, denn er musste wenigstens verdientermaßen den Tod erleiden!)

Musste aber ein ganz und gar Unschuldiger dran glauben, dann war zwar sein Gewissen heil (solange er noch lebte), und sein ewiges Leben war ebenfalls zum Guten hin gerettet. Für sein irdisches Dasein jedoch war dies ein sogenannter irreversibler Schaden.

Immer aber, wenn solcher Justizirrtum passierte, zeigte sich das ganze Grauen des Geschehens in folgender Szene:

Denn dann erglomm in der darauffolgenden Nacht das Fausttürmlein in blutrotem Lichte, und zugleich tat es drei schwere gewaltige Schläge, von dumpfer todbringender Wucht, die das entsetzliche Niedersausen des Schwertes auf dem Richtblock wiedergaben. Dies dreimalige Pochen geschah an der Tür des Scharfrichterhauses, das früher innerhalb der Stadtmauer auf einem kleinen Platz, der sich unter dem gruseligen Turmbauwerk öffnete, lag.

Der Scharfrichter, also von Gespensterhand aus dem Bette geholt, eilte gleich zur Türe, um diese tüchtig abzusperren, wusste er doch seit Urgroßvaters Zeiten nur zu genau, was der ernste Spuk zu bedeuten habe!

Zugleich fragte der Henker durch die geschlossene Türe nach draußen, wer denn da klopfe?

Dann kniete er nieder und betete mit lauter Stimme ein Vaterunser und ein Ave Maria ums andere, so lange, bis es ein Uhr von der inneren Stadt herüberschlug und die Geisterstunde, wie das so üblich ist, endlich beendet schien. Das alles mag an dunkle Einweihungen erinnern. Vielleicht ist es auch so?

Mit dem Vorüberziehen der Geisterstunde war auch das rote Licht verschwunden, der Scharfrichter versuchte nun zu schlafen, was ihm natürlich nach dem zuvor Erlebten nicht gelang.

Gleich am Morgen eilte er nun zum Rat der Stadt, zeigte an, was geschehen, und sogleich begab sich die Münchner Bevölkerung in Kirchen und Kapellen und betete inständig für die ungerecht hingerichtete arme Seele.

Denn nichts anderes hatte der Spuk zu bedeuten, als dass ein Unschuldiger von Henkershand vom Leben zum Tode befördert worden.

Das kam leider immer wieder vor.

Einmal erwischte es den Goldschmied vom Schönen Turm (Man findet die Sage auch in dieser Sammlung), ein andermal musste eine bildhübsche junge Dienstmagd, die ihr Stüblein »zuhöchst« in einem Hause unweit der Dienergasse hatte, unschuldig dran glauben.

In diesen beiden Fällen waren eine Dohle und ein Rabe »die Schuldigen«, denn diese schwarzen Galgenvögel hatten glitzernden Schmuck »von oben«, also aus der Luft und durch offene Fenster, fort genommen.

Als man dies merkte, da konnte man die enthaupteten Opfer aber auch nicht wieder zum Leben erwecken. Was mit den »wahrhaft Schuldigen«, den beiden Vögeln geschah, das weiß keiner. Wahrscheinlich sind sie eines ganz natürlichen Todes gestorben, und nicht einmal das Gewissen hat die gefiederten Freunde sonderlich geplagt.

Wie auch?

Die Isar-Nixe war ein hochmütiges Fräulein von der Burg Grünwald! Oder: Das Isar-Ufer hatte schon immer etwas Magisches an sich.

Die folgende Geschichte soll den Leser, zu einem Spaziergange an der Isar verführen. (»Verführen« ist hier genau das richtige Wort, wie man bald sehen wird!) Zwischen Harlaching und Thalkirchen mag das sein, am besten beginnt man an der Marienklause nahe dem Tierpark Hellabrunn, denn hier waren, noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts, verschiedene Marterl aufgestellt, die an den Tod zahlreicher Flößer in den Stromschnellen der Isar erinnerten.

Und schuld war stets eine Nixe, die mit ihrem lockenden Ruf die Vernunft und den Orientierungssinn der Männer in jeder Hinsicht aus dem Lot gebracht hat.

Also, das war so:

Dereinst, da lebte auf der Burg Grünwald – es war just die Zeit, als noch die »Geister von densölben / Nachts in den Gewölben…« spukten – ein ganz wunderschönes Burgfräulein.

Allerdings sollte man sich nicht allzu schnell in die hier geschilderte Person verlieben. Denn leider ist es nicht immer so, dass äußerliche Schönheit auch einer inneren Schönheit und Feinheit des Charakters entsprechen muss.

Dagegen mag man zwar einwenden: »Halt! Ist es nicht die moderne Psychologie unserer Tage und gar die Esoterik, die uns da lehren mögen, dass der Körper und damit ›das Äußerliche‹ die Vermittlerfunktion der ›Innenwelt‹ zur ›Außenwelt‹ darstellen und also das äußere Erscheinungsbild eben genau dem ›inneren Zustand‹ zu entsprechen habe?

Und ist nicht gerade in den Sagen des Mittelalters ›Schönheit‹ mit ›schön im Geiste‹ gleichzusetzen?«

Wir wissen es nicht. Vielleicht war dieses Burgfräulein gar nicht so schön, wie wir wohl annehmen sollen.

Für einen jungen, hübschen Spielmann aber, von dem wir gleich hören werden, war sie die Schönste der Welt. Diese Absolutsetzung einer leichten Verwirrung des Geschmacks und das, dadurch ausgelöste, von allen Sinnen verlassene Gebaren im Minnedienst sollten für ihn tödlich enden.

So hört:

Vor über 500 Jahren, es war um das Datum 1487 herum, da vermählte sich der Bayernherzog Albrecht IV. mit Kunigunde, der Schwester des späteren Kaisers Maximilian I.

War das eine mittelalterliche Prunkhochzeit! Wer etwas galt im Lande, der ward geladen und kam auch prompt angereist, all die Großen und Mächtigen erschienen in München (wie heute doch auch, wenn man gesehen wird) zum großen Hoffest.

Fast alle Künstler, Spielleute, fahrenden Sänger, die einen Namen hatten zur damaligen Zeit, waren da. Und des Fressens, Saufens, Grölens war schier kein Ende. Daneben gab es natürlich die vornehmen und höfischen Darbietungen und Wettbewerbe, wie etwa das Lanzenstechen.

So befand sich unter der Gästeschar auch ein junger Edelmann, der war als Musikant angereist gekommen (er besaß eine ausgesprochen musische Ader, war aber träumerisch und nicht besonders den Finessen des Lebens gewachsen), der verstand es wirklich vortrefflich, den Dudelsack zu pfeifen und fremde Vogelstimmen nachzuahmen.

Als dieser Schöngeist das stolze Burgfräulein von Grünwald sah, da war es, als hätte ihm eine fremde Macht jeden Verstand aus dem Schädel gerissen.

Nur noch ein einziges Ziel hatte er: Sie.

Die merkte das bald. Kein Wunder. Denn bei jeder sich bietenden Gelegenheit stammelte er ihr von seiner Minne.

Wir sehen ja gerne ein, dass die Macht der Liebe besonders stark daherkommen mag, das steht dieser Macht zu, allein schon der Gedichte und Gesänge wegen, die daraus entstehen. Geht es bei diesem Spiel doch immerhin um den Fortbestand der Menschheit! Aber muss das Manöver denn gleich Todesopfer verlangen!

Nun also. Der junge Spiel- und Edelmann gestand seine Liebe. Immer und immer wieder tat er das, gerade überall, wo er das stolze Fräulein erwischen konnte.

Das schmeichelte dem Ding, selber empfand sie aber keinerlei Gefühle für ihn. Da war sie in ihrer Auffassung ganz modern: Kühler Blick nach vorn und warten auf den Märchenprinzen.

So begann sie, geschmeichelt, aber doch ärgerlich, weil sie ihren Verehrer als zu gering für sich erachtete, mit ihm, seinen Gefühlen und, weil der Teufel sie ritt, mit seiner Seele zu spielen:

»Der Mann, den ich liebe, der muss durchaus sein Leben für mich riskieren wollen!«

(Oh, du Dummkopf! Jetzt hättest du merken müssen, wie es mit der »inneren Schönheit« der jungen Herrin bestellt war. Aber er sah nur die roten Haare unter der Spitzhaube, die ergossen sich wie glühende Lava aus ihrem bösen Haupte, flammend, Verderben signalisierend, aber gleichzeitig verführerisch, und brannten ein schlimmes Loch ihm in Herz und Verstand.)

»Mein Leben, es gehört Euch. Alles tue ich, was Ihr verlangt.«

Da kokettierte das üble Weib, zierte sich spielerisch, aber gekonnt, rückte die Haube zurecht, überlegte aber mit messerscharfer Genauigkeit, was wohl die schlimmste Gemeinheit sei, die sie dem Spund jetzt antun könne: Und sie warf, weit ausholend, ihren Ring in die Isar, die an dieser fürchterlichen Stelle besonders reißend sich durch Untiefen ergoss. Für jedermann ersichtlich, ein Todesurteil.


Das hochmütige Ritterfräulein warf den Ring in die tiefsten Strudel der Isar, die sich unterhalb der Burg ergossen. (Ansicht von Grünwald nächst München, Radierung, Mitte 19. Jahrhundert); 12

»So spring hinein und hol ihn mir!« befahl sie.

Schon war er im eiskalten Flusse, mitsamt Kleidung, Schwert und Kopfbedeckung, für Überlegungen hatte er keine einzige Gehirnzelle zur Verfügung. In dem Moment, da er aufs Wasser klatschte, riß es ihn hinab und dort blieb er für immer.

Ertrunken in tiefer Sehnsucht. So wie es um ihn stand, war dieser schnelle Tod vielleicht noch eine Gnade gewesen.

Seine Leiche hat man bis heute nicht gefunden. Schade um ihn. Schade?

Hier soll angemerkt werden: Zu den klassischen Rittertugenden zählt neben Zucht, Ehre, Milde, Stete, Frömmigkeit, Mannhaftigkeit, Treue… eben, und vor allem, auch die »Maße«.

Die Mäßigung also. Und damit auch das Maßhalten mit den Gefühlen. Damit war es bei dieser besinnungslosen Hingabe des Minnerekruten natürlich nicht weit her. Maßlosigkeit ist oft eine tödliche Untugend. Schon mancher angesehene Ritter der Artusrunde hat wegen Unmäßigkeit (auch mit Frauen), also wegen des Verlustes der Mitte, eine lange und beschwerliche Aventiure-Fahrt auf sich nehmen müssen. Denken wir an Erec und Enite! Doch der Sänger war kein Erec. Für Läuterung blieb ihm keine Gelegenheit. Eines Burgfräuleins Schabernack willen in die tiefsten Untiefen der wütenden Isar zu springen, das eben war nicht Man-nheit, sondern schlicht Blödheit.

Sie aber hätte es wissen müssen. Sah sie doch von Anfang an in seinen Augen, dass er mit sich machen ließ, was sie wollte. Mag auch der übrigen Menschheit ihre Missetat verborgen geblieben sein, der höheren Macht blieb nichts verborgen.

Sofort tat sich die Erde auf, viele Klafter tief, und weg war das lose Ding.

Wer an einsamen Abenden, vor allem im Spätsommer und Frühherbst, wenn die Jahreszeit des Vergessens erste Schleier über das Land zu breiten beginnt, wer dann dort am Isarstrande spazierengeht, der vernimmt gar oft das sehnend-lockende Gesäusel des verwunschenen Fräuleins.

»Das ist der Lockvogel«, sagen die einen.

»Die verwunschene Nixe!« die anderen.

Und keiner traut der Geschichte so recht.

Wahr ist, dass die hochmütige Evastochter augenblicklich in eine Nixe verwandelt wurde, mit einem glitschigen Fischschwanz statt langer Beine, und dass sie fortan bei einem stets grantigen Wassermann leben muss in einer finsteren Wassergrotte, gleich bei Großhesselohe. Dem alten Lustgreis muss sie dauernd die hässliche Glatze kraulen, aber schlecht aufgelegt bleibt der trotzdem und hat kein gutes Wort für sie übrig. Er lässt sich nur bedienen, erachtet dies als selbstverständlich, und sie, das ehedem so hochnäsige Geschöpf, kann nichts dagegen tun.

Ihr Hass auf Männer ist dadurch nicht besser geworden. Im Gegenteil!

Da sie besser aussieht denn je (Beobachter, denen man Glauben schenken darf, berichten: strahlend hellgrüne Nixenaugen, grüne, lang wallende Nixenhaare – nur einige wenige erzählen, sie hätten rote Haare gesehen –, Traumfigur, anmutig langer Hals), da sie also nach wie vor so blendend mit Blend-Werk ausgestattet ist, nützt sie die Magie ihres Körpers, um biedere Flößer ganz gemein und hinterlistig in den Tod zu locken. Denn diese verblendeten Herren übersehen dann die Gefahren und die Stromschnellen.

Die Flößer wissen dies und haben Angst. Dabei ist Angst überhaupt nicht das richtige Mittel gegenüber so einem Wesen, Vorsicht wäre besser.

Denn Angst ist letztlich das missratene Kind des Stolzes, und da ist die Neugierde gar nicht weit weg. Wer aber neugierig ist und diese Neigung, zusammen mit seiner Angst, zu einer Art Sehnsucht verbindet, der sehnt sich nach der Nixe, wird geradezu süchtig nach dem, was ihre Erscheinung verspricht und nie hält. Sucht aber kann tödlich sein.

Die Flößer bekreuzigen sich deshalb, tragen Amulette bei sich oder fromme Beigaben. Doch kaum singt die Nixe, »sind sie weg«.

Wer sollte die Nixe erlösen? Erlösung geschieht durch Liebe. Sie aber tritt Gefühle mit Füßen. Kein Wunder, dass sie nur begehrt, nie aber geliebt wird. Das macht ihren Zorn aus.

Und sie singt weiter. Drum Obacht geben, lieber Leser, nicht links und nicht rechts schauen, wenn die Nixe auftaucht. Wie immer hilft beten zu Gott am allermeisten. Denn: »Sie« verdreht sofort den Kopf.

Das ist ihr Dreh.

Das versunkene Dorf bei Riem oder: Nicht nur Flughäfen verschwinden! (Auch Omnibusse in unseren Tagen)

Bisweilen verschwinden Dinge und Einrichtungen, die uns über viele Jahre hinweg vertraut sind, mit sagenhafter Plötzlichkeit. So ist in der Umgegend von und im Luftraum über Riem im Mai 1992 von dem einen auf den anderen Tag der dröhnende Lärm der Flugzeuge verschwunden, weil die triebwerkspolternden Düsenriesen es plötzlich vorgezogen haben, den neuen Großflughafen in Erding anzusteuern beziehungsweise anzufliegen.

Jeder kann selbst raus nach Riem gehen und sich überzeugen, wie der sandsteinrote »Tower« unvergessen in den Himmel ragt, von allen Frequenzen verlassen.

Da steckt aber keine Sage im Hintergrund, sondern ein sehr detailliert vorbereiteter Umzug.

Ganz anders erging es dem nahegelegenen Ort Pachem, der, wenn man dem Stoff, aus dem die Sagen sind, Glauben schenken will, zwischen Riem und Berg am Laim gelegen haben muss.

In alten Urkunden, die aus dem 14. und dem 15. Jahrhundert stammen, wird dieses Dorf noch erwähnt, es soll Bachheim geheißen haben oder Pachem. Warum, das weiß weder der liebe Gott, die Sage noch die Urkunde, und der liebe Gott, der täte es dann am Ende vielleicht doch wissen, aber er verrät es uns nicht, damit die Sage recht geheimnisvoll bleibt und spannend.

Der Name »Bachheim« deutet darauf hin, dass ein Bach geflossen sein könnte, aber es ist da dort kein Bach gewesen, weder damals noch heute…

Oder doch! Denn wir wissen, dass das »Höllwasser«, ein unterirdischer Flusslauf, die schreckliche Buskatastrophe, nämlich das Einbrechen eines Linienbusses in den »Truderinger Krater« vor wenigen Jahren, ausgelöst hat.

Man hätte aus der Sage lernen können und sollen!

Damals nämlich ging das ganze Dorf »den Bach runter«, und davon wollen wir hören.

Denn die Sage berichtet, dass der Ort mit allem, was dazugehörte, im Erdboden versunken ist. Man stelle sich das vor: Da liegen eben noch Häuser, Ställe, Wirtshaus und natürlich die Kirche, mitsamt den dazugehörigen und in ihr Leben eingebundenen Menschen, geschäftiges Dasein breitet sich aus vor dem staunenden Betrachter und, plötzlich!

Alles ist weg! Irgendjemand muss damals zugeschaut haben, wie alles verschwand, sonst würden wir es ja nicht wissen. Oder?

So schrecklich die Mär auch sein mag, ein wahres Schreckgespenst ist so ein Verschlucktwerden eines gesamten Dorfes samt Infrastruktur aus der Sicht heutiger moderner Bodenspekulanten: Wie sollen denn die Preise stabil bleiben oder, wie viele sich ausrechnen, zusehends steigen im Raume Münchens, wenn Bauland so urplötzlich »frei« wird, anstatt sich beständig zu verknappen!

Aber um die Menschen, die damals mit dem Dorfe »untergegangen« sind, war’s schade. Ob die jämmerlich umkommen mussten dabei, oder im Untergrund als Untote oder Gespenster weiter existieren durften, davon weiß man nichts. Die Sage weiß nichts, und wir wissen es auch nicht.

Aber…

Manchmal, an windstillen Tagen, vor allem, seit der Fluglärm weggefallen ist, da war an diesem Orte bisweilen Gespenstisches zu hören: Laute Zurufe, Peitschenknallen sowie das Rollen, Ächzen und Knarren schwerer Wagenräder, dazu das Blöken von Schafen und Muhen der Kühe…

Aber zu sehen ist rein gar nichts. Hat man solche Gespenstertöne schon seit alters her gekannt an dem Ort, so hört man sie jetzt vermehrt wieder!

Vielleicht ist Bachheim in einem der zahlreichen Kriege des 15. und 16. Jahrhunderts bei einer Brandschatzung dem Erdboden gleichgemacht worden; vielleicht ist es tatsächlich durch bösen Fluch in tausend Klüften und Abgründen verschwunden. Nichts Gewisses weiß man nicht.

Nur: Wer die Sage ernst nimmt und den »wahren Kern« erkennt, der würde dort niemals eine U-Bahn bauen …

Wenn der Teufel selbst mit im Spiel ist


Die drei Raben oder: Wie der Teufel sich die Seele eines Münchner Advokaten holte!

Wenn man durch die Maximilianstraße spaziert oder die in geldaristokratischem Jugendstil bebauten Sträßchen Alt-Bogenhausens durchwandert, dann dauert es selten lange, bis einem an den Eingangspforten der verwöhnten und verwöhnenden Domizile golden oder silbern glänzende Namensschildchen auffallen, prunkend montierte Visitenkarten renommierter Anwaltskanzleien, hinter deren Fenster flinke Erfolgsjuristen schalten und walten und die Welt so gestalten, dass ohne juristische Entwirrung nichts mehr läuft.

Alles, was recht ist, mag man da gerne einwenden, das Recht jedoch ist den Herren bevorzugt recht, denn mit dem Recht lässt sich recht gut verdienen. Wer verdient, der verdient Achtung, und in unseren Tagen haben sich die Anwälte, Justitiare, Notare, Steuerberater und alle sonstigen Rechtsbeistände so unersetzlich gemacht, dass jedermann froh sein darf; wenn er »einen hat«, also eine gute Adresse kennt.

Man sieht sie in München bevorzugt im Zentrum oder in guter Gegend, sie tragen »Nadelstreifen«, im Winter Lodenmäntel und -hüte und stets eine gute Gesinnung vor sich her. Das Leben gerinnt ihnen zum »Fall«, und das gefällt ihnen so.

Die meisten sind anständig.

»Der Sage nach« soll es in dieser Stadt aber einmal ein recht schwarzes Schaf jener Innung gegeben haben:

Zu Ende des 18. Jahrhunderts, da lebte in München ein Advokat, der war verschlagen und hinterlistig.

Dem war alles recht.

Denn vom Recht lebte er. Seine Seele hatte er längst verloren, er besaß nichts mehr davon, dafür aber hatte er tausend krumme Winkelzüge im Gehirn. Und er dachte an nichts anderes, als wie er seinen Geldsack füllen könnte.

Mit der sogenannten »inneren Ethik« dieses Mannes kann es nicht allzu weit her gewesen sein, denn er handelte stets nur zu seinem eigenen Vorteil, auch wenn es dem Recht zu leid und dem Unrecht zu lieb geschah.

Mit seinen Klienten führte er »Beratungsgespräche«, wie man sie auch heute so kennt, aber das muss schon eine saubere Beratung gewesen sein!

Niemals besänftigte er seine Kunden, wenn diese gegeneinander aufgebracht waren, vielmehr stachelte er sie auf zu unvernünftigem Handeln und Prozessieren, so lange, bis sie endlich alles verloren und er ihnen den letzten Heller aus der Tasche gezogen hatte. Auch machte er sich, wie man das damals benannte, »kein Gewissen daraus«, selbst arme Witwen und Waisen um ihr Recht und um ihr letztes Schärflein zu bringen.

Den Menschen, die mit ihm zu tun haben mussten, denen konnte er die Worte im Munde umdrehen, eher noch, als diese ihre eigenen Worte überhaupt gedacht hatten!

»Rabulist«, so nannte man einen derartigen Wortteufel und Winkeladvokaten damals. Heute täte man sagen: »…ein gewandter Redner, erfolgreich im Denken und Auftreten, zielorientiert, praxisbezogen«.

Wir wissen als aufmerksame Leser einer Sage und als Erkenner der inneren Wirklichkeit längst, dass solche Gewissenlosigkeit niemals ungestraft bleibt. Dem Advokaten ging es so ähnlich wie dem herzlosen und ausschließlich profitorientierten »Jedermann«: Mitten aus dem Leben heraus traf ihn der Schlagfluss (Gehirnschlag). Und mausetot waren sowohl er selbst als auch sein geöltes Mundwerk.

Dies möge keine Abhandlung über Bestattungsriten in München sein, aber Beerdigungsunternehmen und das, was wir »Trauerhilfe« nennen, das gab es damals noch nicht in der Form, wie wir es heute gewohnt sind. Wenn einer tot war, dann musste er sich schon selber helfen. Auch die Trauernden konnten nicht einfach zum Telefonhörer greifen und die Bestattungs-, Formal-, und sogar Trauerarbeit einem städtischen oder privaten Dienstleistungsunternehmen übergeben.

Es gab dafür, neben den Totengräbern vor Ort, sogenannte »Seelnonnen«, die sich um die Leiche kümmerten und diese zur Aufbahrung aufbereiteten. So auch hier.

Die Seelnonne also hatte den Leichnam hergerichtet, ihm zwei brennende Lichter an die Seite gestellt und ein Kruzifix am Haupte aufgerichtet, so lag er in seinem Saal, ehrbar und prunkhaft aufgebahrt. Und wie es der Brauch ist, kamen Leute aus der Nachbarschaft, um den Toten zu beschauen, ihn mit Weihwasser zu besprengen und um für ihn ein Vaterunser zu beten. »Und vergib uns unsere Schuld…!«

Geweint hat allerdings kein Mensch um den Kerl, ganz im Gegenteil; manches böse Wort wurde laut. Aber was da alles an Abfälligkeiten gesagt wurde, das soll hier nicht wiedergegeben werden. Nur die Einsichtigen und Mildgesinnten meinten: »Gott möge seiner armen Seele gnädig sein!«

Aber da!

Plötzlich war ein unheilverkündendes Rauschen in der Luft, ein bösartig knarrendes Flügelschlagen!

Da hörten die im Totenzimmer Versammelten sowie das Volk, das gaffend ums Haus herumlungerte, etwas durch die Luft daher rauschen, und man sah alsbald zwei mächtige Raben an das geschlossene Fenster fliegen.

Hat man je zuvor Vögel mit so teuflisch intelligenten und wissenden Augen gesehen! Die pickten mit ihren starken Schnäbeln an die Scheiben, bis das Glas zerbrach und die Scherben klirrend auf den Boden fielen.

Das war der Teufel selber und ein Spießgeselle, der Seelenfänger in Persona war da, der den Unglücklichen, der da unvorbereitet hat sterben müssen, ohne je etwas von seinem ichbezogenen Leben bereut zu haben, durch die Luft abgeholt hat. Im selben Augenblick, zu aller Staunen und Grauen, entflog dem Munde des Toten ein ebensolcher schwarzer Vogel, schwirrte zum Fenster hinaus und mit den beiden anderen davon.

Wir wissen, dies war die Seele des Erfolgsanwalts, die zum Teufel ging.

Im Totengemach aber war es stockdunkel jetzt.

Fassungslos standen die Menschen da, alle Lichter waren verlöscht, und das Kruzifix lag umgestürzt am Boden: Ein eindeutiges Zeichen, dass die Macht des Bösen über den bösen Juristen gesiegt hatte. Doch der hat es, wie wir gesehen haben, der Schwarzen Macht recht leicht gemacht.

Der Teufel hat ihn einfach nur abzuholen brauchen.

Das heißt, seine Seele war schutzlos den höllischen Vögeln preisgegeben. Der Körper lag immer noch da und ist nachher, vor den Augen der Umstehenden und zu Tode Erschrockenen, über und über schwarz geworden.

Wollen wir im Lesen innehalten und für ihn beten, dass er doch noch irgendwann einmal erlöst werden möge. Der liebe Gott kennt, Gott sei Dank, andere Gesetze und Gesetzmäßigkeiten, als Juristen und Pharisäer sie kennen. Er verzeiht - wenn der Mensch ihm auch nur einen einzigen Schritt entgegenkommt. Für den hinterlistigen und wortverdreherischen Advokaten ist es dafür zu spät gewesen.

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