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4.4 Psycholinguistische und soziolinguistische Aspekte der MKK
Das Erfassen der kommunikativen Phänomene im mehrsprachigen aufgabenorientierten Unterricht kann nur ausreichend beleuchtet werden, wenn pluralistische Forschungsansätze eingesetzt werden. Daher ist eine Synthese zwischen psycholinguistischen und soziokulturellen Perspektiven nötig (vgl. Müller-Hartmann & Schocker von Ditfurth 2005: 14; Ellis 2003: 72f.). Nur diese Doppelperspektive bei der diskursanalytischen Auswertung der plurilingualen Aushandlungsprozesse kann die kommunikativen Leistungen der Lernenden eingehend behandeln und die damit einhergehenden Formen des sozialen Lernens erkennen und kategorisieren. Dadurch soll ein ganzheitliches Bild des Kompetenzerwerbsprozesses umrissen werden, das die Innenperspektive des subjektiven Lernens mit der Außenperspektive des sozialen Lernens und der kommunikativen Interaktion zwischen Lernenden und Lernenden bzw. Lehrenden verbindet, denn beides ist für das Forschungsdesign gleichermaßen wichtig: Es handelt sich um Aufgabenformate, welche die Lernenden dazu anregen, miteinander nicht nur ins Gespräch zu kommen, sondern im kritischen Austausch komplexe mehrsprachige Situationen zu bewältigen, indem sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kompetenzen aktivieren, um sich von einer lebensweltlichen Mehrsprachigkeit in Richtung bildungssprachlicher Mehrsprachigkeit zu bewegen. Dabei soll sowohl sprachliche als auch inhaltliche Kreativität nicht ausgeklammert werden, vielmehr werden die Lernenden dazu angeregt, neue Problemlösungsstrategien und Handlungsmöglichkeiten auf beiden Ebenen anzudenken (vgl. Legutke 1988; Hallet 2012b).
Zunächst sollen zwei für dieses Forschungsdesign relevante aus den insgesamt fünf Spracherwerbsmodellen vorgestellt werden, um aufzuzeigen, welche Lernprozesse im mehrsprachigen Unterricht initiiert werden, wie diese im TBLT als Verstehensprozesse koordiniert werden und zu einem mehrsprachigen Kompetenzzuwachs beitragen. Anschließend werden sprachliche Phänomene des mehrsprachigen Diskurses, die im Zuge der diskursanalytischen Auswertung besonders häufig vorkamen, in ihrer Funktion beschrieben und erläutert, da sie bei der Modellierung der MKK relevant sind.
4.4.1 Das Faktorenmodell
Das von Britta Hufeisen entwickelte Faktorenmodell (Hufeisen 2010c: 203f.) berücksichtigt beim Fremdsprachenlernen im Unterricht vorher gemachte Lernerfahrungen, insbesondere bezüglich der L2 und beim Erlernen weiterer Fremdsprachen. Nach dem Erlernen von L2 erfolgt ein qualitativer Sprung und das Erlernen weiterer Fremdsprachen unterscheidet sich von dem der L2 in vielen Aspekten, da zum Zeitpunkt des Erwerbes einer zweiten Fremdsprache die Lernenden bereits eine Reihe von Erfahrungen gesammelt und Strategien entwickelt haben, über ihren Lerntyp Bescheid wissen und gelernt haben, mit Motivation und FLA (Foreign Language Anxiety) umzugehen. Nicht nur diese neurolinguistischen, kognitiven und emotionalen Aspekte beeinflussen den Spracherwerb, sondern auch die Lernumgebung, die Quantität und Qualität des Input und fremdsprachenspezifische Faktoren. Die Erfahrungen in der Lernumgebung sind ausschlaggebend für Einstellungen und Haltungen. Einen relevanten Beitrag leisten auch eine erweiterte Lebenserfahrung und Weltwissen, die beim Erlernen einer L3/Lx zum Tragen kommen. Die Lernenden kennen Phänomene der Sprachmischung bereits und können sich darauf einstellen, verfügen z.B. bereits über Strategien beim Vokabellernen (Hufeisen & Neuner 2003b: 9; Allgäuer-Hackl et al. 2015: 12). Diesem entscheidenden kognitiven und emotionalen Unterschied sollte beim L3-FSU Rechnung getragen werden. So könnten komplexere und anspruchsvollere Inhalte im Unterricht behandelt werden, da von einem beschleunigten Spracherwerbsprozess ausgegangen werden kann:
Faktorenmodell Hufeisen 2010: 204
4.4.2 Das DMM (Dynamic Model of Multilingualism)
Das DMM ergänzt Hufeisens Faktorenmodell insofern als es einen Erklärungsversuch der Funktionsweise mehrsprachiger Sprachverarbeitungssysteme im Menschen anhand der Systemtheorie darstellt (Herdina & Jessner 2002). Dabei wird angenommen, dass sich bei mehrsprachigen Menschen ein einziges Sprachensystem entwickelt, das sich in seiner Gesamtheit durch äußere Einflüsse ändert, und dass diese Veränderungen nicht vorhersehbar sind. Dieser Prozess verursacht laut Jessner (Jessner 2004: 34) eine Reihe von Reaktionen, CLIN (Cross Linguistic Interacition) genannt. Darunter versteht Jessner alle Transfer- und Interferenzphänomene sowie Code-switching, Borrowing, Translanguaging. Das Erkennen und Sich-zunutze-machen „interlingualer sprachlicher Einheiten, Kontraste und Regularitäten“ (Morkötter 2004: 31), der metakognitive translinguale Transfer / CLIN (Cross Linguistic Interaction) ist zwar selbstgesteuert und weitgehend unbewusst (vgl. Cenoz et al. 2001; De Angelis 2005; Hammarberg 2009; De Angelis & Dewaele 2011; Ringdom 2011; Wunder 2011; Vidgren 2013), kann jedoch durch Bewusstmachung konstituierender Teil der MKK werden, da dadurch Ressourcen und Strategien zur Bewältigung komplexer mehrsprachiger kommunikativer Situationen verfügbar gemacht werden. Normabweichungen sind in diesem Falle Zeichen eines kreativen Umgangs mit Sprache und Beweis für sprachübergreifende und -vergleichende Hypothesenbildungen. Im Unterschied zu Kecskes/Papp (Kecskes & Papp 2000: XVI, 38), die von Überlappungen der Sprachsysteme sprechen, geht Jessner einen Schritt weiter, indem sie folgende Hypothese aufstellt:
DST theory presupposes a complete metamorphosis of the system involved and not merely an overlap between two subsystems. If this is applied to multilingual development, it means that the interaction between the three systems results in different abilities and skills that the learners due to their prior language learning experience. In other words as part of the M-factor [Multilingual Factor, Anmerkung vom Autor] third language learners develop, for instance, an enhanced level of metalinguistic awareness and metacognitive strategies which considerably contribute to the quality of CLIN in multilinguals. (Jessner 2004: 35)
Sprachen bilden demnach ein einziges dynamisches System mit dem Ziel, sich selbst zu erhalten. Um diese Aufrechterhaltung zu gewährleisten, bedarf es eines erheblichen Aufwandes. Diese sog. Maintenance-Leistung und der dafür nötige erhöhte Energieaufwand führen im mehrsprachigen System zu einem erweiterten metasprachlichen Bewusstsein. Ein wichtiger Aspekt dieses metasprachlichen Bewusstseins ist die erweiterte sprachvernetzte Wortsuche, bei der in zunehmendem Maße auf prozedurales und deklaratives Wissen auf L2 und Ln zurückgegriffen wird, L1 hingegen verliert seine Rolle als ausschließliche Transfersprache, was darauf zurückzuführen ist, dass L1 und L2 unterschiedlich erworben worden sind (vgl. vorhergehendes Kapitel). Fehlererkennung und Analyse im grammatischen Bereich sind bei mehrsprachigen SprecherInnen viel effektiver und zielführender (vgl. Gibson & Hufeisen 2003; Bialystok 2001). Außerdem neigen laut Jessner erfahrene SprachenlernerInnen zu größerer Risikobereitschaft beim Sprachvergleich und Inferieren von Kognaten, da sie über eine erhöhte kognitive Kontrolle ihrer Sprachverarbeitungsprozesse verfügen. Auch in diesem Fall besteht Verbindung zum Sprachniveau. Cenoz postuliert unterschiedliche Sprachbewusstseinsniveaus, die sich auf die Organisation des mentalen mehrsprachigen Lexikons auswirken (vgl. Cenoz 2001, 2003). Eng mit CLIN und metasprachlichem Bewusstsein verbunden sind laut Jessner die sog. mehrsprachigen Kompensationsstrategien (Multilingual Compensatory Strategies, Jessner 2004: 87).
Zu diesen Strategien gehören laut Poulisse Sprachenwechsel (Code-mixing), wörtliche Übersetzungen, Verfremdung, Beschreibung, Suche nach bedeutungsähnlichen Wörtern und Lehnübersetzungen. Dabei wechseln die Lernenden zu einem sog. Metamode (Jessner 2004: 89; De Angelis & Selinker 2001), in dem die Sprachproduktion ständig monitorisiert und analysiert wird zum Zweck der Fehlersuche und Selbstverbesserung. Ist sprachliches Wissen nicht verfügbar, kommt es zu einem Ausgleichsverhalten, indem strategische Instrumente eingesetzt werden, um ein Gleichgewicht beizubehalten.
Mehrsprachige LernerInnen können also laut Jessner auf ein Metasystem zurückgreifen (Interlanguage), das sich im Drittspracherwerb herausbildet und sich auf eine zweisprachige Norm beruft (Jessner 2002: 131 und 61). Diese werden unter dem Begriff M-Faktor zusammengefasst (Multilingualism Factor) und sind keineswegs als gegebene Fähigkeiten und Kompetenzen zu verstehen, sondern sie entwickeln sich, indem die Sprachsysteme miteinander interagieren im Sinne der Multicompetence. Je mehr also Sprachsysteme miteinander vernetzt werden, desto ausgeprägter ist der M-Faktor, was wiederum eine qualitative und quantitative Veränderung des gesamten Systems bedingt (ibid.: 221). Das MLA (Multilinguales Bewusstsein) entsteht eben aus diesem Kontakt der Systeme und setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen: MLA, dem sprachlichen Bewusstsein, und XLA, dem zwischensprachlichen Bewusstsein. Letzteres, das Bewusstsein der Interrelationen der Sprachen untereinander, impliziert die Fähigkeit, auf alles implizite und explizite, also prozedurale Wissen zurückzugreifen und Zusammenhänge festzustellen. Dabei können alle Sprachen als Brückensprachen, wenn auch in unterschiedlicher Form, fungieren.
Eine Folge dieses erhöhten und erweiterten MLA ist, dass mehrsprachige Menschen laut Jessner eine besondere pragmatische Sensibilität aufweisen. Das heißt, sie können sich im Gespräch gut auf ihre Gesprächspartner einstellen, da sie über ein besonderes Gespür für pragmatische Feinheiten und Färbungen verfügen (Jessner 2004: 106). Diese interaktionale Kompetenz befähigt mehrsprachige Sprechende im mehrsprachigen Gespräch, auf das Sprachverhalten der Gesprächspartner angemessen zu reagieren und notfalls lenkend oder korrigierend einzugreifen. Darüber hinaus gewinnen sie durch ihr Gesprächsverhalten eine Vorbildfunktion und können, da sie für die Aufrechterhaltung und Entwicklung des Gespräches sorgen, das Gesprächsverhalten anderer positiv beeinflussen. Sie übernehmen die Funktion, zwischen Sprachen, Kulturen und Weltanschauungen zu vermitteln.
Diese Mittlerfunktion ist aufgrund der besonderen Gegebenheiten in Südtirol sehr wichtig. Wie bereits im vorhergehenden Absatz erwähnt, findet sich hier eine für den Spracherwerb z.T. sehr problematische Situation. Die DLC (Dominant Language Constellation) ist üblicherweise Deutsch; Italienisch und Englisch, Englisch folgt also auf Italienisch und ist demzufolge L3. Aufgrund der geschichtlichen Ereignisse und der daraus resultierenden Konsequenzen auf sprachlicher Ebene ergibt sich bei vielen SchülerInnen folglich eine als problematisch anzusehende Sprachkonstellation, da L2 (Italienisch) weitgehend negativ behaftet ist, wie unter anderem auch aus der KOLIPSI-2-Studie der EURAC hervorgeht (2017). In der vorliegenden Studie ist zu zeigen, dass ein mehrsprachiger Unterricht, der Italienisch nicht gesondert von anderen Sprachen behandelt, sondern es integriert und durch diese Gleichbehandlung in seiner Funktion und seinem sozialen Prestige aufwertet, die subjektive Wahrnehmung der Sprachkonstellation einzelner Lernenden dahingehend positiv beeinflusst, dass Italienisch psychotypologisch und emotional anders empfunden wird und somit das metasprachliche Bewusstsein und sein Potenzial für den Sprachenerwerb und die kulturelle Begegnung besser ausgeschöpft werden kann. Ein wichtiges Instrument hierfür ist der mehrsprachige Aushandlungsprozess, weil unter anderem durch die Mittlerfunktion mehrsprachiger Lernender die durch geschichtliche Ereignisse bedingte emotionale Trennung von Sprachen und Kulturen durchlässiger werden.
Die aufgezeigten Unterschiede zwischen einsprachigen und zwei- bzw. mehrsprachigen Sprechern, die zunehmende sprachliche Vernetzung durch simultanen Sprachgebrauch bei beiden und der daraus resultierende Kompetenzzuwachs sind im Rahmen einer Modellierung mehrsprachiger Kompetenz ein Erkenntnispool, der bei der Datenauswertung und Ausformulierung der Deskriptoren zur MKK herangezogen werden kann, denn erst dieser ermöglicht die Analyse der vielfältigen mehrsprachigen Gesprächspraktiken.
4.5 MKK – Mehrsprachige Gesprächspraktiken und einfaches Sprachmanagement
Die Verwendung mehrsprachiger Gesprächspraktiken wie Code-switching (CS), Code-mixing (CM), Translanguaging (TL) u.a.m. in sprachlich heterogenen Gruppen ist eine kennzeichnende Praxis und verschafft Einblick in die Entwicklung der MKK. Im Falle der vorliegenden Studie konnte anhand von Audio- und Videoaufzeichnungen über einen Zeitraum von 7 Monaten beobachtet werden, wie sich diese Praktiken und der Kompetenzzuwachs im Bereich Mehrsprachigkeit bei den Lernenden der Recherchegruppe entwickeln.
Die mehrsprachigen Gesprächspraktiken fallen größtenteils in den Bereich des einfachen Sprachmanagements1 (Neustupný & Nekvapil 2003). Gemeinhin wird angenommen, dass mit Sprachmanagement vor allem Fragen der sprachlichen Kompetenz gelöst werden. Es werden demzufolge im Diskurs sprachliche Probleme aufgegriffen und durch entsprechende Korrekturmaßnahmen gelöst. Allerdings umfasst das Forschungsgebiet ein viel umfassenderes Spektrum an möglichen Interventionen. Diese beinhalten unterschiedliche kommunikative Phänomene sowie soziokulturelle und sozioökonomische Aspekte. Man versteht also darunter im weitesten Sinne all jene Aktivitäten metasprachlicher Art, die mit der Sprachproduktion zusammenhängen, mit der Absicht, diese durch bewusste oder unbewusste Eingriffe zu regulieren. Als „Verhaltensmuster gegenüber Sprache“ (Fishmann 1975: 30) betrifft es die individuellen Merkmale des Sprachgebrauchs eines Individuums in einer konkreten Interaktionssituation. Es kann sich sowohl mit Sprachvarietäten und Dialekten beschäftigen als auch mit der Verwendung mehrerer Sprachen im Diskurs. Dabei wird der Frage nachgegangen, nach welchen Kriterien und aufgrund welcher Bedürfnisse im Diskurs bestimmte Sprachen anderen vorgezogen werden, wie die Sprachwahl erfolgt und was sie beeinflusst. Fälle von Sprachmanagement oder gesprächsstrategischem Einsatz von Mehrsprachigkeit sind integraler Bestandteil des mehrsprachigen Diskurses. In den Aufzeichnungen soll ihre Funktion und Wichtigkeit für den Sprachlernprozess aufgezeigt werden.
Mittels der diskursanalytischen Auswertung der mehrsprachigen Aushandlungsprozesse konnten diese sprachlichen Phänomene in ihrer Funktion identifiziert und als Indikatoren für den Erwerb von spezifischen Kompetenzen für den mehrsprachigen Diskurs herangezogen werden. In diesem Sinne können CS, CM und TL als Fenster bezeichnet werden, die Einblick verschaffen in Lernprozesse und Kompetenzzuwachs im Bereich MKK, die sich bei den einzelnen Lernenden über einen längeren Zeitraum durch einen mehrsprachigen aufgabenorientierten Unterricht entwickeln. Dies gibt auch Aufschluss über die veränderte Einstellung einzelner Lernenden zu den verschiedenen Sprachen sowie über ihre Haltungen und Emotionen.
4.5.1 Code-switching
Ein erstes bedeutendes Phänomen ist das Code-switching (CS)1. Darunter versteht man die Verwendung mehrerer Sprachen und Sprachvarietäten im Gespräch zwischen Menschen mit der gleichen Herkunftssprache oder unterschiedlicher Herkunftssprachen und insbesondere den Wechsel von einer Sprache in die andere im Verlauf des Gespräches. Die Forschung hat CS lange Zeit als Sprachvermischung negativ bewertet und als ein Signal unzureichender sprachlicher Kompetenzen aus dem Unterricht ausgeschlossen. Dies geschah in der vermeintlichen Verteidigung eines sprachlichen Reinheitsgebotes, das es um jeden Preis zu erhalten galt. Aus soziolinguistischer Perspektive und aufgrund von Theorien zur sozialen Interaktion wurde jedoch bald klar, dass CS keine Sprachvermischung darstellt, sondern als kommunikative Strategie sowohl bewusst als auch unbewusst eingesetzt wird. Seitdem erfreut sich CS einer langen Forschungstradition (Auer 1998; Milroy & Muyskens 1995; Basnight-Brown & Altarriba 2007; Gardner-Chloros 2009a, 2009b) ,es wurde jedoch weiterhin weitgehend darauf zurückgeführt, dass Sprechende einen Sprachwechsel vornehmen, um einen temporären Wortausfall zu kompensieren. Dieses sog. Code-mixing wird heute als Kompensationsstrategie aufgewertet und kann im mehrsprachigen Unterricht eine -Funktion einnehmen.
Cook untersucht erstmals die pragmatischen Aspekte des CS im Fremdsprachenunterricht (Cook 2001: 39, 1991: 132). Dabei stellt sich heraus, dass CS als strategisches Instrument in der mehrsprachigen Kommunikation dient. Es wird zwischen CS innerhalb des Satzes (intrasententiell), zwischen den Sätzen (extrasententiell) und satzunabhängigem CS unterschieden. Die Positionierung dient unterschiedlichen Bedürfnissen in der Kommunikation. CS kann pragmatischer, metalinguistischer und sprachlicher Natur sein. Pragmatisches CS befähigt die Lernenden, die Konversation zu bearbeiten, die Rolle der Teilnehmer festzulegen oder einen impliziten Adressatenwechsel vorzunehmen zum Zweck der Aushandlung und Aufgabenverteilung oder für einen Themenwechsel. Es kann zudem herangezogen werden, um Informationen hervorzuheben oder um zu signalisieren, dass aus zweiter Hand berichtet wird. Häufig beobachtet werden beim pragmatischen CS Sprachwechsel bei Interjektionen, Heckenausdrücken, kurzen Fragen, Gesprächseröffnung, Abschluss und Unterbrechungen. Metalinguistisches CS hingegen wird eingesetzt für Kommentare (auch in Form von Seitengesprächen), zur Besprechung sprachlicher Aspekte wie Grammatik, Syntax, Phonetik usw. Sie sind die häufigste Form von CS im Klassenzimmer und leiten oft zu einem Seitengespräch über, das sich auf formelle Aspekte bezieht. Oft wechselt die Lehrperson zu L1 der Lernenden, um etwas verständlicher zu machen oder zu erklären, für einen metalinguistischen Einschub oder ganz einfach, um ein Wort zu übersetzen. Sprachliche CS signalisieren einen Hilferuf vonseiten des Sprechenden, der informell und implizit entweder Hilfe anbietet oder um Hilfe bittet. Dazu kommen unbewusste CS, deren Intention dem Beobachter verborgen bleibt. Im letzteren Fall handelt es sich oft um Funktionswörter, die keine besondere Relevanz in der Kommunikation einnehmen (Bono 2011a: 36f., 43). Ungerer-Leitzke erwähnt eine besondere Form des CS, nämlich das informelle Dolmetschen (Ungerer-Leitzke 2008: 254) und meint damit die Praxis von Lernenden, schnell von einer Fremdsprache nach L1 zu übersetzen. Dies kann aus unterschiedlichen Gründen geschehen, meistens jedoch wird übersetzt, um umständliche Erklärungen zu vermeiden und sich durch Übersetzung im Sinne der Sprachökonomie in der gemeinsamen Erstsprache oder der Lingua franca unmittelbar verständlich zu machen. Kognate fallen auch in diesen Bereich, ihre Übersetzung im Aushandlungsprozess ist laut Cummins ein Transferunterricht-Beispiel, um das Prinzip der konzeptionellen Interdependenz von Sprachen aufzuzeigen (Cummins 2009: 319). Besonders eignen sich dafür Sprachen, die genetisch in einem Verwandtschaftsverhältnis zueinander stehen, nicht aber unbedingt zur gleichen Sprachfamilie gehören. Im polyglotten Dialog können bei bestimmten Wortformen (darunter sind Internationalismen und Latinismen besonders hervorzuheben) die Interdependenz zwischen den Sprachen genutzt werden. So können Kognate durch das Instrument der „sieben Siebe“ abgeleitet werden.
Bei zwei- und mehrsprachigen Menschen, bei denen die Sprachbeherrschung teilweise nur funktional ist, ist CS oft dadurch bedingt, dass das sprachliche Wissen über bestimmte Themen in einzelnen Sprachen besser ausgeformt ist als in anderen. Da der Erwerb von Lebensumständen, Bedürfnissen und sozialen Faktoren, Zweck und Umgebung abhängt, werden Sprachen oft domänespezifisch erworben und die Sprachbeherrschung ist in Teilen unterschiedlich gut ausgeprägt (Grosjean 2008: 39; Herdina & Altarriba 2001: 165). Weitere ausschlaggebende Aspekte bei der Wahl der Sprachen sind laut Bono in erster Linie Psychotypologie, Sprachbeherrschung und zeitliche Nähe des Sprachgebrauchs. Aber es wirken auch Aspekte wie Kognition, Lernerprofil, Grad der Aufmerksamkeit und Kontrolle, Einstellungen und Selbstwahrnehmung, erzieherische Zwänge, Lernumgebung, Lernerfahrungen bzw. Ziele und Erwartungshaltung der Lehrpersonen (Bono 2011a: 30 vgl. auch Scheu 2000). CS ist besonders beliebt unter Jugendlichen und in eher informellen Kontexten, sofern die Sprachen nicht zueinander in Konkurrenz sehen (Franceschini 2009: 46f.).