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Im Lande des Mahdi I

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»Da liegt rings die ganze frühere Herrlichkeit. Hier hat es einen köstlichen Springbrunnen gegeben, welcher Kühle spendete, sich aber längst nicht mehr in Thätigkeit befindet. Denken Sie, wie viele Zimmer es hier giebt, oben und unten! Wer soll sie alle in Gebrauch nehmen!«

Er hatte türkisch gesprochen. Der Haushofmeister, welcher seitwärts von uns stand, verbeugte sich zustimmend und sagte arabisch: »Richtig, sehr richtig!«

Aber was für eine Verbeugung war das! Ich hatte noch nie eine solche gesehen und werde auch niemals wieder eine zu sehen bekommen, denn ein Haushofmeister Selim existiert nur einmal auf dieser Erde. Als er den Oberleib senkte, geschah das so plötzlich und mit solcher Gewalt, daß es schien, als ob derselbe von der Stellage der langen Beine ab- und zu Boden geschleudert werden solle. Dabei wackelte jedes Glied an dem Menschen. Er glich einer Espe oder Zitterpappel, durch deren Zweige und Blätter ein plötzlicher, starker Windstoß fährt. Dabei wurde der lange Kaftan in einer ganz eigenartigen, unbeschreiblichen Weise bewegt, ungefähr wie im Theater auf der Bühne das Tuch, mit dessen Hilfe die Wellenbewegung des Meeres dargestellt wird. Es war, als habe jede Rippe, jeder einzelne Knochen dieses Mannes sich aus dem Körperverbande gelöst und schieße nun auf eigene Rechnung allerlei Sprünge und Purzelbäume, welcher ausgelassenen Bewegung die betreffenden Stellen des Kaftans zu folgen hatten.

»Jetzt werde ich Ihnen auch den Garten zeigen,« fuhr der Türke fort. »Kommen Sie!«

Wir schritten über den Hof hinüber. Hinter mir hörte ich abermals ein »Richtig, sehr richtig!« und als ich mich umblickte, sah ich Selim in einer zweiten Verbeugung begriffen, welche so tief war, daß sein Leib mit den Beinen einen spitzen Winkel von sechzig Graden bildete.

Auf der anderen Seite des Hofes führte eine mit keiner Thüre versehene Maueröffnung in den Garten, der sehr groß war, natürlich im Verhältnisse zu dem Umstande, daß er mitten in der Stadt lag. Die drei anderen Seiten waren von einer doppelt manneshohen Mauer umgeben, welche an einigen Stellen altersschwache Breschen zeigten. Aber Grasplätze oder gar Blumen gab es nicht, sondern nur eine einzige Wildnis von allerlei Unkraut und Giftpflanzen, ein Bild des Orientes, wie es treffender gar nicht sein konnte.

»Das zeige ich Ihnen, damit Sie sich orientieren,« meinte Nassyr. »Nun sollen Sie Ihre Zimmer sehen.«

Wir kehrten in den Hof zurück. Dort stand Selim, auf uns wartend, noch immer an derselben Stelle und führte, als wir an ihm vorüberschritten, eine so waghalsige Verbeugung aus, daß mich die ernstliche Besorgnis überlief, seine überschlanke Taille werde sich aus der Hüfte drehen. Dann folgte er uns mit würdevollen Schritten, um uns die erste Thüre des Parterres zu öffnen, wobei er sich wieder so tief verneigte, daß die Spitze seiner Nase fast den Boden berührte.

Wir betraten eine Art Vorzimmer, welches mit einem großen Palmenfaserteppich belegt war. Die Wände waren, wie auch die Decke, weiß getüncht. Von hier aus kamen wir in einen zweiten größeren Raum, welcher jedenfalls als Empfangszimmer benutzt worden war. Rundum waren rotsamtne Kissen gelegt; ein Smyrnateppich bedeckte den Boden, und an den Wänden sah ich Kuransprüche, in Gold auf blauen Grund gemalt. Das nächste Zimmer war zum Schlafen bestimmt. Von der Mitte der Decke hing eine farbige Glasampel herab. In der einen Ecke lag ein kostbarer Gebetsteppich; in der anderen stand der Waschapparat, welcher, wie ich später sah, aus echt chinesischen Porzellangefäßen bestand, und gegenüber befand sich das Bett, ein niedriges Gestell, mit mehreren hohen, weichen Kissen belegt, auf welchen einige mit Seide überzogene Decken ausgebreitet waren.

Dann gelangten wir in ein kleines Gemach, welches als Herrenzimmer eingerichtet war. An der einen Wand hing eine ganze Pfeifensammlung; in einer Nische standen Nargilehs und kupferne Tabaksgefäße, und eine zweite Nische war als Bücherschrank eingerichtet. Die Bücher lagen noch auf den Brettern. Ich sah zwei geschriebene Kurans und noch eine Anzahl anderer frommer Werke. Der Besitzer mußte ein sehr unterrichteter und zugleich gläubiger Moslem gewesen sein.

Eine Thüre führte weiter; wir öffneten dieselbe aber nicht, sondern Nassyr erklärte:

»Nun kommen die Räume, welche ich bewohne; diejenigen, welche Sie bis jetzt gesehen haben, sind für Sie bestimmt. Wollen Sie hier wohnen?«

»Ich bin bereit dazu, doch nur unter einer Bedingung.«

»Welche könnte das sein?«

»Mein Einzug in diese Räume darf mich nicht etwa verpflichten, Ihr Reisebegleiter zu werden.«

»Zugestanden, Effendi! Sie ziehen hier ein und sind in jeder Beziehung mein Gast; in allem übrigen können Sie ganz nach Ihrem Gutdünken handeln. Doch hoffe ich, daß Sie mir die Freude machen werden, Teil an meiner Fahrt nach Chartum zu nehmen. Aber ehe Ihr Entschluß, hier zu wohnen, Gültigkeit erlangt, will ich Ihnen eine Mitteilung machen, die ich für notwendig halte. Selim, bring‘ Pfeifen!«

Der Haushofmeister stand noch unter der letzten Thüre, welche er uns geöffnet hatte. Er verbeugte sich in der bereits beschriebenen Weise, wobei alle seine Glieder schlotterten und die Arme bis zum Fußboden niederhingen, und antwortete:

»Richtig, sehr richtig! Aber das ist nicht meine, sondern Sache des Negers. Ich werde ihn senden.«

Der sonderbare Schlingelschlangel hielt sich für zu hochgestellt, als daß er sich zu dem von ihm geforderten Dienst hätte herbeilassen mögen. Er verschwand, und bald darauf erschien ein alter Neger, welcher zwei Pfeifen von der Wand nahm, sie stopfte, indem er sich des in den Kupfergefäßen befindlichen Tabaks bediente, dieselben in Brand steckte und sie uns dann knieend darreichte. Dann entfernte er sich, um draußen vor der Thüre auf weitere Befehle zu warten. Indessen hatten wir uns nebeneinander auf das Polster gesetzt und uns unterhalten. Ihn nach seiner Schwester zu fragen, verbot mir der Gebrauch des Orientes, obgleich ich, da ich aufgefordert worden war, mit ihr zu reisen, ein lebhaftes Interesse für sie hegen mußte. Eine Dame, welche von Smyrna nach Chartum gebracht wird, um dort vermählt zu werden, das ist gewiß ein Fall, welcher ebenso selten ist, wie er seine ganz besonderen Gründe haben muß. Ich erfuhr nur so nebenbei, daß sie vier Dienerinnen bei sich habe, zwei weiße und zwei schwarze.

Auf die Mitteilung, welche Nassyr mir zu machen hatte, war ich sehr gespannt. Wie ich aus seinen Reden hatte entnehmen können, mußte dieselbe sich auf die Wohnung beziehen und es hatte geklungen, als ob er sie mir aus ehrlicher Gesinnung machen müsse. Handelte es sich irgend etwa um einen Grund, welcher mich veranlassen konnte, auf die Wohnung zu verzichten, trotzdem ich weder für das Logis noch für das Essen zu zahlen brauchte? Ich sollte nicht sehr lange im Zweifel sein, obgleich der Türke in orientalischer Weise seine Mitteilung nicht ganz direkt machte, sondern sie durch eine Reihe von Vorfragen einleitete.

»Sie sind ein Christ,« begann er, »und ich kenne Ihre Religion zu wenig, um zu wissen, was dieselbe lehrt. Glauben Sie an die Seligkeit und an die Verdammnis und daß die Seele nach dem Tode fortbesteht?«

»Natürlich.«

»Wissen Sie, wohin die Seele kommt, welches der Ort ist, an welchen sie sofort nach dem Tode gelangt?«

»Nein. Nur Gott allein kann das wissen.«

»Kann eine abgeschiedene Seele auf Erden als Gespenst erscheinen? Antworten Sie auf Ihr Gewissen!«

»Als Geist wohl, aber als das, was ich unter dem Worte Gespenst verstehe, gewiß nicht.«

»So irren Sie sich. Es giebt Gespenster.«

»Wenn Sie das glauben, so will ich nicht mit Ihnen streiten, obgleich ich Ihre Ansicht nicht teile.«

»Sie werden meiner Ansicht werden. Sie werden schon morgen glauben, daß es Gespenster giebt, denn wir haben einen Chajjal hier im Hause.«

Er blickte mich dabei scharf an, wohl in der Erwartung, daß ich erschrecken werde. Gegen seine Voraussicht aber blieb ich ruhig und antwortete lächelnd:

»Da es überhaupt das nicht giebt, was das Volk Gespenster nennt, so kann sich auch hier kein solches befinden.«

»Ich versichere Ihnen aber, daß ich die Wahrheit sage!«

»So beruht das auf einem Irrtume. Sie haben irgend etwas ganz Natürliches, vielleicht einen Schatten, für ein Gespenst gehalten.«

»O nein. Ein Schatten ist dunkel. Das Gespenst aber ist hell.«

»Wie ist es gestaltet?«

»Es nimmt alle möglichen Gestalten an, bald die eines Menschen, dann die eines Hundes, eines Kameles, eines Esels —«

»Dann trifft es,« fiel ich ein, »seine Auswahl auf keine geistreiche Weise. ich möchte nicht für ein Kamel oder einen Esel gehalten werden.«

»Scherzen Sie nicht, Effendi! Ich spreche in vollstem Ernste. Eigentlich ist es mir nicht leicht geworden, Ihnen diese Mitteilung zu machen, denn ich befürchtete, daß Sie dann auf diese Wohnung verzichten würden.«

»Das haben Sie ganz und gar nicht zu befürchten; im Gegenteile wird gerade Ihre Mitteilung mich bestimmen, das Logis von Ihnen anzunehmen. Ich habe so oft von Gespenstern gehört, aber leider noch kein einziges zu sehen bekommen. Da sich jetzt mir die Gelegenheit dazu bietet, werde ich sie mit Freuden benutzen. Ich bleibe also nun erst recht hier in diesem Hause.«

»Effendi, Sie lästern die Geisterwelt!«

»Fällt mir gar nicht ein! Ich bin nur wißbegierig und hoffe, von dem Gespenst gute Auskunft über die Geisterwelt zu erhalten, glaube aber leider nicht, daß es derselben angehört.«

»Es gehört ihr an, denn es kommt und verschwindet ganz nach Belieben.«

»Treibt es etwa Allotria? Oder verhält es sich wie eine ruhige Person in gesetztem Alter?«

»Sie spotten immer, werden aber anders denken lernen. Das Gespenst geht durch alle Thüren.«

»Sind sie verschlossen?«

»Nein.«

»Nun, das kann ich auch, ohne ein Gespenst zu sein.«

 

»Es klirrt wie mit Ketten; es heult, saust und braust wie ein Sturm; es bellt wie ein Hund, wie ein Schakal; es schreit wie ein Esel, wie ein Kamel.«

»Das alles kann ich auch nachmachen.«

»Auch das plötzliche Verschwinden?«

»Ganz gewiß, nachdem ich beobachtet habe, wie das Gespenst selbst es anstellt, um nicht mehr gesehen zu werden. Also Sie haben es gesehen und gehört?«

»Ja.«

»Wer noch?«

»Alle, alle; meine Schwester, ihre Dienerinnen, der Haushofmeister, meine beiden Neger. Es ist in ihre Stube gekommen und hat an ihrem Bett gestanden, auch an dem meinigen.«

»Auch an demjenigen Ihrer Schwester?«

»Nein, denn diese hat durch ihre Dienerinnen die Thüren des Harems verbarrikadieren lassen.«

»So haben wir es also mit einem Gespenst zu thun, welches nicht durch verrammelte, sondern nur durch offene Thüren gehen kann. Das bringe ich auch fertig.«

»O bitte, unsere Thüren sind zwar nicht verschlossen, aber doch verriegelt. Es giebt in diesem Hause keine Schlösser, sondern nur Riegel.«

»Hm! Hat das Gespenst eine gewisse Stunde, in welcher es erscheint?«

»Allerdings. Sie wissen vielleicht, daß die Geisterstunde um Mitternacht beginnt.«

»Kommt es täglich?«

»Ja, und es bleibt eine volle Stunde hier.«

»Das will ich ihm nicht verdenken, denn wenn den Gespenstern eine volle Stunde gegeben ist, so läßt es sich denken, daß ein richtiges Gespenst sein Recht ausnutzt. Hat jemand mit ihm gesprochen und was hat das Gespenst geantwortet?«

»Nichts.«

»Dieses Gespenst ist also kein gesprächiges, sondern ein stillvergnügtes Wesen. Das erwirbt ihm meine Achtung, da ich Schwatzhaftigkeit nicht liebe. Seit wann hat es sich denn an dieses Haus gewöhnt?«

»Seit langer Zeit, Es ist schon vor uns jedem Bewohner dieses Gebäudes erschienen.«

»Auch dem Besitzer desselben?«

»Nein, denn das Gespenst ist eben der Geist des letzten Besitzers.«

»Ah! Hat es das durch irgend eine gültige Legitimation bewiesen?«

»Bitte, Effendi, lassen Sie den Scherz! Es ist genau so, wie ich sage. Seit dem Tode des Besitzers, welcher im Heere des Vizekönigs Major gewesen ist, hat es keinen Bewohner dieses Hauses gegeben, welcher länger als eine Woche hier geblieben ist. Das Gespenst hat sie alle vertrieben.«

»Und wie lange wohnen Sie schon hier?«

»Eine Woche. Und ich will Ihnen aufrichtig gestehen, daß ich in einigen Tagen ausziehen würde, wenn ich Sie nicht gefunden hätte, denn ich denke, daß Sie das Gespenst vertreiben werden!«

»Das ist ein sehr offenherziges Geständnis, und ich bin Ihnen sehr dankbar für dasselbe. Meine Dankbarkeit werde ich Ihnen dadurch beweisen, daß ich Ihren Erwartungen entspreche. Ich hoffe, ein so eindringliches Wort mit diesem Geiste sprechen zu können, daß er nicht wiederkommen wird.«

»Allah, Wallah, Tallah!« rief er erschrocken aus. »Nehmen Sie sich das nicht vor! Er wird fortbleiben, ohne daß Sie mit ihm sprechen.«

»Meinen Sie?«

»Ja. Ihre einfache Anwesenheit wird ihn bestimmen, nicht wiederzukommen.«

»Sie meinen, daß er sich so sehr vor mir fürchte?«

»Das nicht, aber – — Effendi, werden Sie es mir übelnehmen, wenn ich aufrichtig spreche?«

»Nein. Reden Sie getrost.«

»Sie haben dort aus den Büchern ersehen, daß der Major in der letzten Zeit seines Lebens ein sehr frommer Mann gewesen ist, und daraus ist mit Sicherheit zu schließen, daß auch sein Geist fromm ist. Ein rechtgläubiges Gespenst aber, das Allah und den Propheten fürchtet, wird sicher ein Haus meiden, in welchem ein Christ, ein Ungläubiger, wohnt.«

»Ah,« lachte ich, »was Sie für ein Schlaukopf sind! Also darum haben Sie mir die Freiwohnung angeboten?«

»Nicht darum allein, sondern auch weil ich viel von Ihnen gehört habe und darum wünsche, daß Sie mich begleiten. Denken Sie sich in meine Lage! Dieses Haus ist die einzig passende Wohnung für mich und für meine Schwester; muß ich es wegen des Gespenstes verlassen, so finde ich keine zweite, welche unseren Ansprüchen in dieser Weise entspricht. Darum sind Sie mir so willkommen, denn ich weiß, daß der tote Major sein Haus nicht betreten wird, so lange Sie sich in demselben befinden. Meine Schwester fürchtet sich fast bis auf den Tod; sie will fort. Meine Diener haben mir gesagt, daß sie mich verlassen werden, wenn ich hier bleibe. Sie alle werden sich beruhigt fühlen, wenn ich ihnen sage, daß Sie unser Hausgenosse geworden sind.«

»So machen Sie ihnen diese Mitteilung schleunigst! Es freut mich herzlich, zu erfahren, daß die muhammedanischen Gespenster solche Angst vor uns Christen haben, und wenn der tote Major ein kluges Gespenst ist, so unterläßt er gleich von heute an seine Besuche. Wie viel zahlen Sie denn für dieses verrufene Haus?«

»Wöchentlich fünfzig Piaster. Denken Sie, wie billig!«

»Doch wegen des Gespenstes!«

»Ja. Ganz Kairo weiß, daß es hier umgeht, und niemand zieht herein. Es kann nur noch an Fremde vermietet werden, und auch diese bleiben nur einige Tage, höchstens eine Woche da.«

»Und wer ist der jetzige Besitzer?«

»Die Witwe des Verstorbenen; aber auch sie hat es nicht aushalten können und ist zu ihrem Bruder gezogen, welcher Teppichhändler in der Muski ist.«

»Hm! Ich halte es sehr unrecht von dem Geiste, so schlecht an seinem Weibe zu handeln. Wenn er ihr das Haus hinterlassen, sie also zu seiner Erbin eingesetzt hat, so ist es ihm gar nicht zu verzeihen, daß er sie nun in dieser Weise aus dem Erbe treibt.«

»O, er hat es ihr ja nicht vermacht, sondern der Kadirine, der frommen Bruderschaft des Seyd Abd el Kader el Djelani. Die Witwe hat das Recht, es bis zu ihrem Tode zu bewohnen; dann fällt es der Bruderschaft anheim.«

»Ah so! Diese fromme Kadirine darf das Haus bis zum Tode der Witwe nicht benutzen, und da geht der tote Major als Gespenst um! Gehen Sie zu Ihrer Schwester, und sagen Sie derselben, daß der Geist sie höchstens noch einmal belästigen wird!«

»Sie sind also meiner Meinung geworden? Sie geben mir recht? Das freut mich außerordentlich. Ja, ich werde jetzt gleich zu ihr gehen, um ihr diese frohe Botschaft zu verkündigen. Aber nicht das allein wird sie entzücken. Ich habe ihr damals von Ihnen erzählt, und wenn ich ihr sage, daß ich Sie wiedergesehen habe, daß Sie sich hier befinden, und daß Sie vielleicht mit uns nach Chartum gehen werden, so wird ihre Besorgnis wegen der gefährlichen Reise sofort verschwinden. Überhaupt habe ich ihr auf alle Fälle Ihre Anwesenheit zu melden, weil Sie bei uns essen werden.«

Er stand auf und ging. So war ich denn gleich in den ersten Stunden meiner Anwesenheit in Kairo mitten ins schönste Abenteuer geplatzt. Hoffnung auf freie Reise nach Chartum, und außerdem die beste Aussicht, den Geist eines ägyptischen Majors beim Schopfe nehmen zu können. Herz, was willst du mehr!

Was das Gespenst betrifft, so war mir, als ich die näheren Umstände vernahm, ein ähnlicher Gespensterfall in den Sinn gekommen, ein Fall, welcher sich in einem Dorfe nahe meiner Heimat und zuletzt gar vor dem Strafrichter abgespielt hatte. Ein reicher Bauer war gestorben und hatte im Testamente bestimmt, daß eine alte Verwandte das kleine Hinterhaus bis zu ihrem Tode zur Verfügung haben solle. Bald nach dem Begräbnisse begann der Verstorbene zu spuken, und zwar sonderbarer Weise im Hinterhause. Die alte Frau glaubte aber nicht an Gespenster, sie war klüger als die Majorswitwe in Kairo und ließ heimlich einige handfeste Männer kommen, welche sich versteckten und den Geist erwarteten. Er wurde ergriffen und des Betttuches, welches er umhängen hatte, entledigt; es war der Erbe, der Sohn des Verstorbenen, welcher der alten Frau das Hinterhaus nicht gegönnt hatte.

Sollte, wenn nicht der gleiche, doch ein ähnlicher Fall in Ägypten vorkommen können? Ich war jetzt allein und trat zur Thüre, um sie zu untersuchen. Alles war leicht zu erklären, nur das eine nicht, daß der Geist verriegelte Thüren hatte passieren können. Meine Stube hatte drei Thüren; durch die eine waren wir gekommen; die zweite führte nach den Gemächern des Türken, und die dritte ging hinaus auf die Säulenhalle, welche den Hof umschloß. Die erste wollte ich nicht öffnen, weil der Neger draußen wartete; der Riegel befand sich bei mir auf der Zimmerseite. Bei der zweiten gab es bei mir keinen Riegel, sondern dieser war jedenfalls an der andern Seite der Thüre angebracht; aber ich bemerkte drei nebeneinander gebohrte Löcher. Die dritte, nach der Säulenhalle führende Thüre hatte den Riegel innen auf der Stubenseite; als ich sie öffnete und draußen untersuchte, sah ich ähnliche drei Löcher, und zwar genau an der Stelle, an welcher innen der Riegel befestigt war. Diese Riegel waren nicht von Eisen, sondern von Holz. Zu bemerken ist noch, daß alle rund um den Hof gehende Stuben durch Thüren miteinander verbunden waren, so daß man aus einer in die andere gelangen konnte; jede hatte aber auch noch eine nach der Halle führende Thüre. Es war klar, daß das Gespenst mit Hilfe eines dünnen spitzen Nagels oder Drahtes von außen jede Thüre öffnen konnte; der Nagel brauchte nur in eines der Löcher gesteckt zu werden; dann griff er in den weichen Holzriegel und schob ihn zur Seite. Diese Entdeckung wollte ich Nassyr nicht mitteilen, sondern sie lieber für mich behalten.

Nach einiger Zeit kehrte er zurück, um mir zu sagen, daß ich der Dame außerordentlich willkommen sei; sie hege großes Verlangen, mich zu sehen; da es sich aber nicht schicke, daß sie mich besuche, und ein Mann auch nicht den Harem betreten dürfe, so müsse sie sich leider gedulden, bis die Reise Gelegenheit zur Begegnung gebe; aber da ich erst heute hier angekommen sei und mich im Hotel nur kurze Zeit aufgehalten habe, so sei ich jedenfalls hungrig und solle erlauben, daß man diesem Ungemach abhelfe.

Dem Dicken war es nicht beigekommen, daran zu denken, daß ich Hunger haben könne. Was das betrifft, so sind die Frauen der ganzen Welt, auch diejenigen des Orientes, umsichtiger als die Männer. Nassyr schien noch etwas auf dem Herzen zu haben; ich sah es ihm an und forderte ihn auf, es mir mitzuteilen.

»O,« meinte er, »ich mag Sie nicht belästigen; es betrifft nur die eine Negerin.«

»Was ist es?«

»Sie hat wütende Zahnschmerzen, und Sie sind Arzt, wie ich ganz sicher annehme.«

Wenn ein Deutscher im Oriente reist, so hält man ihn entweder für einen Arzt oder für einen Gartenkünstler.

»Darf ich sie denn sehen?« fragte ich.

»Eine schwarze Dienerin? Gewiß!« »So schicken Sie nach ihr!«

Er klatschte in die Hände, worauf der Neger eintrat, welcher den Befehl erhielt, die Schwarze zu holen. Sie war noch sehr jung und hatte nicht die eingedrückte Nase und die wulstigen Lippen der eigentlichen Neger. Ihre rechte Wange war dick angeschwollen; sie öffnete den Mund und zeigte mir mit dem Finger nach einander vier Zähne, von denen sie jeden für den schmerzenden hielt. Es war klar, daß ich es mit einem neuralgischen Zahnschmerz zu thun hatte, denn die Zähne waren alle kerngesund. Ich versprach ihr, sofort zu helfen, nahm eine geheimnisvolle Miene an, strich ihr, indem ich die Lippen bewegte, als ob ich leise Worte sagte, mit zwei Fingern einigemale über die Wange und schickte sie dann mit der Weisung fort, heute die Stube nicht zu verlassen.

Das war keine Charlatanerie, Der Zahnschmerz war nur symptomatisch; mit der eigentlichen Krankheit hatte ich nichts zu thun, und ich kannte den Einfluß, welchen der bloße Glaube, das Vertrauen äußert. Die Berührung eines weißen Arztes war bei dieser Negerin jedenfalls von größerer Wirkung als Bergmannsche Zahnseife oder Odontine. Daß ich, oder vielmehr, daß das Vertrauen dieser Negerin sie von ihren Schmerzen befreite, rettete mir später das Leben. Bald darauf kam der alte Neger herein und brachte auf einer Platte ein kaltes Huhn, welches von großen, dicken Rinderbratenstücken umgeben war. Dazu gab es dünne Fladenschnitte, welche die Stelle des Brotes vertraten. Gabeln waren nicht dabei. Ich zog mein Messer, der Dicke das seinige auch. Als ich ein Stück Braten gegessen hatte, waren hinter den glänzenden Zähnen Nassyrs die andern acht Stücke verschwunden. Ich nahm mir ein Bein vom Huhn; aber mein Mund vergaß die Arbeit, als ich sah, mit welcher Virtuosität mein Gastfreund die knusperige Henne von ihrem Skelette befreite und sich das Fleisch in großen Stücken zwischen die Kinnladen schob. Dieser Türke schien gar nicht zu kauen. Er schlang und schluckte und schluckte und schlang, bis es nichts mehr zu schlingen gab. Eben als er die Platte von sich schob, war ich auch mit meinem Beine fertig, dessen Knochen ich zu dem übrigen Skelette legte.

»So, das wäre gethan,« meinte er befriedigt, und in für mich tröstlicher Weise fügte er hinzu: »Heute giebt es mehr. Jetzt aber wollen wir wieder nach dem Bierhause gehen. Wir haben da eine bessere Unterhaltung als hier in dem einsamen Hause.«

 

Ich wäre lieber da geblieben, um einen längern Blick in die Bücher des verstorbenen Majors zu thun. Als ich eins derselben in die Hand nahm, meinte Murad Nassyr:

»Lassen Sie doch! Was können, da Sie Christ sind, diese Bücher Ihnen nützen; sie haben nicht einmal der Seele des Majors über die Brücke des Todes geholfen. Er soll auf dem Zuge nach Sennar große Grausamkeiten begangen haben, welche später sein Gewissen beschwerten. Darum ist er in seinen letzten Jahren fromm geworden und hat sein Vermögen der Bruderschaft vermacht. Lassen Sie aber die unnützen Bücher hier, und kommen Sie mit mir. Eine Flasche Bira nimsawiji ist besser als alle Weisheit der Gelehrten.«

Ich war gezwungen, mich vor dieser Philosophie zu beugen, und that dies, der Pilsener Brauerei zuliebe, nicht ungern. Draußen stand Selim, der Haushofmeister. Er eilte uns voran, um die Thüre zu öffnen.

»Dieser Effendi ist mein Gast,« erklärte ihm sein Herr. »Er wird bei uns wohnen und den Geist vertreiben.«

Selim öffnete den Mund, schob den Riesenturban in den Nacken und starrte mich wie abwesend an; dann schien er sich seiner Pflicht zu erinnern, riß die Thüre auf, warf den Oberkörper in tieferer als wagerechte Stellung nieder und antwortete:

»Richtig, sehr richtig! Aber wie will er das fertig bringen?«

Er behielt seine Körperlage bei, indem er die Antwort erwartete.

»Dadurch, daß er es klüger anfängt als du,« antwortete Nassyr.

Da richtete sich der Dürre so rasch auf, als ob sein Leib durch Federkraft emporgeschnellt worden sei, und sagte im Tone beleidigter Würde:

»Habe ich nicht abends und auch während der ganzen Nacht alle meine Waffen bei mir getragen?«

»Ja, das hast du.«

»Habe ich nicht unaufhörlich die heilige Fathha und auch die Sure des Kampfes gebetet?«

»Ich will es glauben, daß du das gethan hast.«

»So habe ich alles gethan, was ein gläubiger und frommer Moslem gegen diesen bösen Geist thun kann, und es darf mich kein Vorwurf treffen. Ich bin klug und tapfer. Man zählt mich zu den Helden meines Stammes, und ich habe bereits so viel Blut vergossen, wie Wasser sich im Nile befindet. Ich bin bereit, es mit allen Feinden des Weltalls aufzunehmen, aber soll ich etwa mit einem Geiste kämpfen, durch dessen Leib die Kugeln gehen, ohne ihn zu verletzen, und dessen Gestalt weder mein Säbel noch mein Messer treffen kann, während es von ihm nur eines kleinen Willens bedarf, um mir das Gesicht in den Nacken zu drehen?«

»Nein, das sollst du nicht, denn ein Gespenst kann man weder erschießen noch erstechen. Ich bin zufrieden mit dir.«

»Richtig, sehr richtig!« rief der Held seines Stammes, indem er zu seiner tiefsten Verbeugung zusammenknickte, um dann die Thüre zu schließen.

»Ein seltsamer Mensch, dieser Selim!« meinte ich, indem wir weiter schritten. »Ist er schon lange bei Ihnen?«

»Nein. Ich habe ihn erst hier gemietet.«

»Was und wo war er vorher?«

»Er war längere Zeit Führer nach den Pyramiden, ist aber dabei mit einem Engländer in Streit geraten und hat sich darüber so geärgert, daß er beschloß, sich auf andere Weise zu ernähren. Er versieht sein Amt bei mir mit großem Fleiße und ich habe nicht über ihn zu klagen.«

»Soll er Sie nach Chartum begleiten?«

»Ja; ich habe ihn zu dieser Reise gemietet, da er behauptet, die Gegend bis da hinauf genau zu kennen.«

»So gratuliere ich Ihnen. Wenn er wirklich ein so großer Held ist, wie er sagt, so wird er Sie gegen alle Angriffe und Fährlichkeiten beschirmen, und es ist ganz unnötig, daß Sie mich mitnehmen.«

»Ja,« nickte der Türke, »er hat seine Tapferkeit und Unüberwindlichkeit während des ganzen Tages auf den Lippen. Sie werden ihn noch kennen lernen. Sein Mund läuft von Ehrerbietung über, und die Verbeugungen, welche er mir tagüber macht, sind nicht zu zählen; aber an seinem Mute darf man nicht zweifeln, sonst kann er sogar grob werden. Ich bin auch überzeugt, daß es im gegebenen Falle bei ihm nicht bloß bei Worten bleibt.«

»Hm! Leute, welche so gern von ihrer Tapferkeit sprechen, sind gewöhnlich feig; ich habe diese Erfahrung schon oft zu machen gehabt.«

»Bei Selim ist es gewiß anders. Er hat mir einige seiner Erlebnisse erzählt, aus denen hervorgeht, daß er nicht nur ein furchtloser Streiter ist, sondern auch eine große Übung im Gebrauche der Waffen besitzt. Den Engländer, den ich soeben erwähnte, hat er so geohrfeigt, daß er für tot liegen geblieben ist.«

»Haben Sie das gesehen?«

»Nein; ich weiß es nur aus seinem Berichte.«

»So nehme ich das Gegenteil an. Der Engländer wird ihn geohrfeigt haben, so daß ihm die Lust, länger Fremdenführer zu sein, vergangen ist. Wäre es wirklich so, wie Selim sagt, so hätte es nur eines Wortes des englischen Konsuls bedurft, ihn in schwere Strafe zu bringen.«

Wir hatten jetzt das Bierhaus erreicht und nahmen wieder an einem Tische Platz. Um aber nicht wieder parterre zu geraten, hielt Murad Nassyr es für angezeigt, seinen Sitz, ehe er sich auf denselben niederließ, sehr eingehend auf dessen Festigkeit zu prüfen. Nachdem er sich befriedigt hatte, bestellte er zwei Flaschen Bier. Der Junge brachte sie und dazu zwei Wasserpfeifen. Dabei blinzelte er, ohne dieses Mal Furcht zu zeigen, den Dicken von der Seite so vertraulich an, daß es mir heimlich Spaß machte. Der Negerbube war ein höchst aufgewecktes Kerlchen. Er trug das Haar ganz glatt geschoren und war trotz seiner Jugend schon tätowiert. Er hatte einen tiefen Einschnitt zwischen den Augenbrauen, von welchem, als dem Centralpunkte, kreisförmige, punktierte Linien sich nach dem Scheitel und den beiden Seiten der Stirne hinzogen, eine Art der Tätowierung, die bei allen Stämmen der Dinkaneger, und zwar sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen gebräuchlich ist. Wie ich sehr bald erfuhr, befand sich der kleine Kellner in einem immerwährenden Kriege mit dem Dicken. Der letzte Angriff von seiner Seite war gegen den Schnurrbart des Feindes erfolgt und hatte ihm die erwähnten »Katzenköpfe«, aber auch einen Piaster Bakschisch eingetragen.

Es war ein wunderbar eigenartiges Treiben, welches sich davor dem Hause auf der breiten Gasse entwickelte. Von unserm Sitze aus konnten wir es in aller Bequemlichkeit beobachten, zumal es uns möglich war, die Straße eine ziemlich große Strecke auf- und abwärts zu überblicken.

An der Ecke der Seitengasse, durch welche ich vorher gekommen war, hielten einige Hammars, Eseljungen, welche den Beruf in sich fühlen, hier die oft undankbare Rolle der Berliner Schusterjungen zu spielen. Der Esel ist im Süden ein ganz anderes Tier als im Norden, wo er als ein struppiges, verdrossenes Sinnbild der Borniertheit betrachtet wird. Ein ägyptischer Esel ist ein unermüdlicher, stets munterer Diener seines Herrn, der ihn mit wenig Futter und vielen Schlägen oder gar Fußtritten belohnt. Selbst mit dem schwersten Reiter auf dem Rücken trabt er Stunden weit, ohne zu ermüden und verfällt trotz dieser Last von Zeit zu Zeit in die mutwilligsten Capriolen. Hinterher rennt schwitzend und pustend der Hammar, schlägt ihn, stößt ihn, versetzt ihm Fußtritte, oder wirft ihn mit Steinen, um seinen Lauf noch mehr zu beschleunigen. Diese Hammars sind wahre Menschenkenner; sie wissen auf den ersten Blick, ob sie einen Engländer, Franzosen, Italiener oder Deutschen vor sich haben. Von den Sprachen aller dieser Völker verstehen sie einige Worte und Redensarten; sie scheinen sogar einige Kenntnisse von der Geographie und Geschichte der betreffenden Länder zu besitzen, wie die Art und Weise, in welcher sie zum Gebrauche ihrer Langohren auffordern, beweist. »Hier ist ein schöner Bismarck!« schreit der eine, der einen Fremden kommen sieht, den er für einen Deutschen hält. Mit dem Bismarck ist natürlich sein Esel gemeint. » Here is a fine general Grant!« ruft ein zweiter einem Yankee zu, und ein Engländer hört sich angeschrieen: » Here is a good beefsteak, a celebrated Palmerston,« während ein gut republikanisch gesinnter Franzose hören muß: »Monsieur, voilà le plus grand Napoléon; j‘ai l‘animal, le plus préférable de la France!«

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