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Die schönsten Märchen

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Die Hexe und die Königskinder

Mitten in einem Walde wohnte eine alte schlimme Hexe ganz allein mit ihrer Tochter, die ein gutes, mildes Kind war und bei der das Sprichwort, der Apfel fällt nicht weit vom Stamme, nicht zutraf. Der Stamm nämlich war über alle Maßen knorrig, stachlig und häßlich; wer die Alte sah, ging ihr aus dem Wege und dachte: Weit davon ist gut vorm Schuß. Die Alte trug beständig eine grüne Brille und über ihrem Zottelhaar, das ungekämmt ihr vom Kopfe weit herunterhing, einen roten Tuchlappen, sie ging gern in kurzen Ärmeln, daß ihre dürren wettergebräunten Arme weit aus dem sie umschlotternden Gewand hervorragten. Auf dem Rücken trug sie für gewöhnlich einen Sack mit Zauberkräutern, die sie im Walde sammelte, und in der Hand einen großen Topf, darin sie dieselben kochte und damit Ungewitter, Hagel und Schloßen, Reif und Frost zu Wege brachte, so oft es ihr beliebte.

Am Finger trug sie einen Hexenreif von Golde mit einem glühroten Karfunkelstein, mit dem sie Menschen und Tiere bezaubern konnte. Dieser Ring machte die Alte riesenstark und lebenskräftig und machte sie, wenn sie wollte, auch ganz und gar unsichtbar; da konnte sie hingehen, wohin sie wollte, und nehmen, was sie wollte — und das tat sie auch, und im Walde suchte sie die Hirschkühe auf, und wenn die Tiere den Ring sahen und sahen den Stein funkeln, da mußten sie an eine Stelle gebannt stehen bleiben, und dann ging die Alte zu den Hirschkühen und molk deren Milch in ihren Topf und trank sie mit ihrer Tochter. Diese Tochter hieß Käthchen und hatte es nicht gut bei ihrer bösen Mutter, doch trug sie geduldig alles Leid. Am schmerzlichsten war ihr, daß ihre Mutter manchesmal Kinder mitbrachte, mit denen Käthchen gern gespielt hätte, allein die Alte nahm immer den Kindern ihre Kleider, sperrte die Kinder ein und fütterte sie mit Hirschmilch, daß sie fett wurden, und was sie dann mit ihnen vornahm, ist gruselig zu erzählen; sie verwandelte sie nämlich in Hirschkälbchen und verkaufte diese an Jäger. Die Jäger aber schossen die armen verwandelten und verkauften Hirschkälbchen tot und lieferten sie in die Stadt, wo die Leute das junge Wildbret gar gern essen. So schlimm und böse war die häßliche Alte, und da sie den ganzen Tag nichts tat, als zaubern und böse Ränke ersinnen, und dabei oft und viel laut vor sich hin murmelte, so lernte ihre Tochter Käthchen ihr unvermerkt einige Zauberstücklein ab, die sie ganz im stillen für sich behielt.

Da brachte eines Abends die Alte wieder zwei wunderschöne Kinder geführt, einen Knaben und ein Mädchen, denen sah man an, daß es Geschwister waren und reicher Leute Kinder; beide hatten sich im Walde verirrt, waren von der Alten gefunden und nach ihrem Hause mitgenommen worden, und sie hatte ihnen gesagt, sie wolle sie zurück zu den Eltern bringen. Die Kinder sahen sich schrecklich getäuscht, als die Alte ihnen ihre schönen Kleider auszog, ihnen dafür Lumpen anlegte und sie in ein dunkles Kämmerchen einsperrte. Doch bekamen sie einen ganzen Topf voll Hirschmilch zu essen, welche gut schmeckte, und ein Stück schwarzes Brot dazu, welches weniger gut schmeckte, aber endlich doch auch verzehrt wurde.

Am andern Morgen humpelte die Alte schon frühzeitig in den Wald und winkte den Hirschkühen. Da war eine Hirschfamilie, welche die Alte besonders gut kannte und schätzte, bestehend aus dem Herrn Hirsch, der Frau Hirschin und zwei jungen Kälbchen, die hielten sich immer treulich im Walde zusammen, waren aber doch in steter Furcht vor der bösen Alten, welche machen konnte, daß sie alle still stehen mußten, und mußten sich von der bösen Hexe die Muttermilch nehmen lassen, so daß die Kälbchen sich nicht satt trinken und nicht fett werden konnten. Könnt ich dir nur einmal mein Geweih durch den dürren Leib rennen! dachte oft der Hirsch, und die Hirschin hatte auch keine guten Wünsche für die Alte — es half aber ihr Wünschen allen beiden nichts. Während die Alte im Walde war, schlich Käthchen zu dem Kämmerlein und sah durch eine Ritze in der Tür die armen gefangenen Kinder, welche seufzten und weinten, in großem Herzeleid. Da fragte Käthchen: »Wer seid ihr denn, ihr armen Kinder?«

»Wir sind eines Königs Kinder! O mache uns frei, mein Vater wird es dir lohnen!« sprach der Königsprinz.

»Und meine Mutter auch«, sagte die kleine Prinzessin, indem sie hinzufügte: »Du sollst auch unsre gute Schwester sein und sollst bei mir im seidnen Bettchen schlafen, und ich will dir gar schöne goldne Kleider geben, hilf uns, hilf uns nur!«

Da sagte Käthchen: »Seid nur geduldig, liebe Königskinder; ich will schon zusehen und darauf sinnen, daß ich euch befreie.«

Am andern Morgen in aller Frühe machte das gute Käthchen ein Zauberstück. Sie verließ eilig ihr Lager, hauchte hinein und sagte leise:

 
»Liebes Bettchen, sprich für mich,
Bin ich weg, sei du mein Ich!«
 

So auch hauchte sie auf ihre Lade, auf die Treppe und auf den Herd in der Küche und sprach das nämliche Sprüchlein. Darauf ging sie an das wohlverwahrte Kämmerlein der Königskinder, hielt eine Springwurzel, welche die Alte auf dem Kannrück liegen hatte, an das Schloß und sagte:

 
»Riegel, Riegel, Riegelein,
Öffne dich, laß aus und ein!«
 

Da sprangen gleich Schloß und Riegel auf, und Käthchen führte alsbald die Königskinder hinweg und in den Wald hinein.

Als die Alte aufwachte, rief sie: »Käthchen, stehe auf und schüre Feuer an!« — Da rief es aus dem Bettchen:

 
»Ich bin schon auf und munter!
Ich komme gleich in die Küche hinunter!«
 

Die Alte blieb nun noch liegen, doch da sie nach einer Weile nichts hörte, rief sie wieder: »Käthchen! Wo bleibt denn das faule Ding?«

»Gleich!« rief es von der Lade:

 
»Ich sitze auf der Lade
Und binde das Strumpfband über die Wade!«
 

Da nun wieder eine Weile verging und sich im Hause nichts rührte noch regte, so ward die Alte böse und schrie: »Käthchen! Balg! Wo bleibst du denn?« Da scholl eine Stimme von der Treppe:

 
»Ich komme schon, ich fliege!
Ich bin ja schon leibhaftig auf der Stiege!«
 

Die Alte beruhigte sich noch einmal — aber nicht gar lange, denn da wieder alles still blieb, so fuhr sie auf und schalt und fluchte. Da rief es vom Herde her:

 
»Wozu die bösen Flüche?
Ich bin ja schon am Herd und in der Küche!«
 

Gleichwohl blieb es in der Küche und im ganzen Hause totenstill. Jetzt riß der Alten völlig der Geduldsfaden, sie sprang aus ihrem Bett, fuhr in die Kleider und nahm einen Besenstiel, willens, Käthchen unbarmherzig durchzuprügeln. Aber wie sie hinauskam, war kein Käthchen da, nicht zu sehen, nicht zu hören, und was das Schönste, für die Alte aber das Schlimmste war, auch die Königskinder waren fort. Jetzt hättet ihr sollen die Hexensprünge sehen, welche die zornige böse alte Frau machte. Ihr Ring zeigte ihr sogleich die Richtung an, nach welcher Käthchen mit den Kindern geflohen war, und sie raste nun wild hinter ihnen her. Die Kinder aber, als sie in den Wald gekommen waren, hatten dort den Herrn von Edelhirsch nebst Gemahlin, Sohn und Tochter angetroffen und dieser Familie in aller Eile ihr Unglück und ihre Flucht erzählt und ihre edlen Herzen mächtig gerührt, so daß sie sich bereit zeigten, ihnen alle mögliche Hilfe angedeihen zu lassen. Die gute Dame Hirsch bot den Kindern ihren Rücken dar, sie alle drei nach dem Königsschlosse zu tragen, das jenseit des Waldes lag, und der Gemahl befahl seinen Kindern, sich in das Dickicht zurückzuziehen, er selbst stellte sich hinter dichtes Laubgebüsch nahe am Weg, willens, die Alte, wenn sie vorbeirenne und er ihren Ring nicht sehe, über den Haufen zu stoßen.

Es währte auch gar nicht lange, so kam die Alte in großen Sprüngen gesetzt; in ihrem Zorn und Eifer vergaß sie ganz, unsichtbar sein zu wollen, hielt auch den Finger mit dem Ring nicht empor, und so geschah es, daß plötzlich ein großes und stattliches Hirschgeweih mit ihr in eine sehr verwickelte Berührung kam, bei welcher eines der Enden des Geweihes mit Gewalt den Finger der Alten so streifte, daß der Zauberring vom Finger herabging und sich auf dem Ende feststeckte, und ehe sich‘s einer versah, so hatte der Hirsch die alte Hexe aufgegabelt, die nun durch des Ringes Kraft selbst starr und steif wurde, und trug sie in gestrecktem Lauf der Fährte nach, welche die gute Hinde, seine Gemahlin, im tauigen Grase zurückgelassen. Diese war indes mit den drei Kindern bereits im Königsschloß angekommen, und von dem König und der Königin waren die verlorenen Kinder und das gute Käthchen, das sie gerettet, mit großer Freude empfangen worden — als sie plötzlich alle mit großer Verwunderung die Alte, auf dem Geweih des stattlichen Edelhirsches sitzend und getragen, daher schweben sahen. Der Hirsch aber sprang ohne Säumen in den Schloßteich und tauchte mit dem Kopfe unter. Als er wieder auftauchte, war sein Geweih frei von der Last. Aber auch der Zauberring blieb im Grunde. Hirsch und Hirschin kehrten zu ihrem Walde und zu ihren Kindern zurück und waren sehr froh, daß ihnen nun niemand mehr ihre Milch nahm; Käthchen aber blieb bei den Königskindern und schlief in einem seidnen Bettchen und trug goldne Kleidchen und wurde selbst gehalten wie ein Königskind.

Der Mönch und das Vögelein

Es war in einem Kloster ein junger Mönch, des Namens Urbanus, gar fromm und fleißig, dem war der Schlüssel zur Bücherei des Klosters anvertraut, und er hütete sorglich diesen Schatz, schrieb selbst manches schöne Buch und studierte viel in den andern Büchern und in der heiligen Schrift. Da fand er auch einen Spruch des Apostels Petrus, der lautet: Vor Gott sind tausend Jahre wie ein Tag und wie eine Nachtwache. Das dünkte dem jungen Mönch schier unmöglich, mocht und konnte es nicht glauben und quälte sich darob mit schweren Zweifeln.

 

Da geschah es eines Morgens, daß der Mönch herunterging aus dem dumpfen Bücherzimmer in den hellen schönen Klostergarten, da saß ein kleines buntes Waldvögelein im Garten, das suchte Körnlein, flog auf einen Ast und sang schön wie eine Nachtigall. Es war auch dieses Vögelein gar nicht scheu, sondern ließ den Mönch nahe an sich herankommen, und er hätte es gern gehascht, doch entfloh es, von einem Ast zum andern, und der Mönch folgte ihm eine gute Weile nach, dann sang es wieder mit lauter und heller Stimme, aber es ließ sich nicht fangen, obschon der junge Mönch das Vögelein aus dem Klostergarten heraus in den Wald noch eine gute Weile verfolgte. Endlich ließ er ab und kehrte zurück nach dem Kloster, aber ein anderes dünkte ihm alles, was er sah. Alles war weiter, größer und schöner geworden, die Gebäude, der Garten, und statt des niedern alten Klosterkirchleins stand jetzt ein stolzes Münster da mit drei Türmen. Das dünkte dem Mönch sehr seltsam, ja zauberhaft. Und als er an das Klostertor kam und mit Zagen die Schelle zog, da trat ihm ein gänzlich unbekannter Pförtner entgegen, der wich bestürzt zurück vor ihm. Nun wandelte der Mönch über den Klosterkirchhof, auf dem waren so viele, viele Denksteine, die er gesehen zu haben sich nicht erinnern konnte. Und als er nun zu den Brüdern trat, wichen sie alle vor ihm aus, ganz entsetzt. Nur der Abt, aber nicht sein Abt, sondern ein andrer, junger, hielt ihm stand, streckte ihm aber auch gleich ein Kruzifix entgegen und rief: »Im Namen des Gekreuzigten, Gespenst, wer bist du? Und was suchst du, der den Höhlen der Toten entflohen, bei uns, den Lebenden?«

Da schauerte der Mönch zusammen und wankte, wie ein Greis wankt, und senkte den Blick zur Erden. Siehe, da hatte er einen langen silberweißen Bart bis über den Gürtel herab, an dem noch der Schlüsselbund hing zu den vergitterten Bücherschreinen. Den Mönchen dünkte der Mann ein wunderbarer Fremdling, und sie leiteten ihn mit scheuer Ehrfurcht zum Sessel des Abtes. Dort gab er einem jungen Mönch die Schlüssel zu dem Büchersaal, der schloß auf und brachte ein Chronikbuch getragen, darin stand zu lesen, daß vor dreihundert Jahren der Mönch Urban spurlos verschwunden, niemand wisse, ob entflohen oder verunglückt.

»O Waldvögelein, war das dein Lied?« fragte der Fremdling mit einem Seufzer. »Kaum drei Minuten lang folgte ich dir und horchte deinem Gesang, und drei Jahrhunderte vergingen seitdem! Du hast mir das Lied von der Ewigkeit gesungen, die ich nicht fassen konnte! Nun fasse ich sie und bete Gott an im Staube, selbst ein Staub!« Sprach‘s und neigte sein Haupt, und sein Leib zerfiel in ein Häuflein Asche.

Zwergenmützchen

Es war einmal ein Müller, der hatte drei Söhne und eine Tochter. Die Tochter liebte er sehr, aber die Söhne konnte er gar nicht leiden, war stets unzufrieden mit ihnen und machte ihnen das Leben sauer, denn sie konnten ihm nie etwas recht machen. Darüber waren die Brüder sehr bekümmert und wünschten sich weit weg von ihrem Vaterhause und saßen oft beisammen, klagend und seufzend, und wußten nicht, was sie anfangen sollten.

Eines Tages, als die drei Brüder auch so betrübt beisammen saßen, seufzte der eine von ihnen: »Ach, hätten wir nur ein Zwergenmützchen, da wäre uns allen geholfen!«

»Was ist‘s damit?« fragte der eine von den beiden anderen Brüdern. »Die Zwerge, die in den grünen Bergen wohnen«, erläuterte der Bruder, »haben Mützchen, die man auch Nebelkäpplein nennt, und damit kann man sich unsichtbar machen, wenn man sie selbst aufsetzt. Das ist gar eine schöne Sache, liebe Brüder; da kann man den Leuten aus dem Wege gehen, die nichts von einem wissen wollen und von denen man nie ein gutes Wort empfängt. Man kann hingehen, wohin man will, nehmen, was man will, niemand sieht einen, solange man mit dem Zwergenmützchen bedeckt ist.«

»Aber wie gewinnt man solch ein rares Mützchen?« fragte der dritte und jüngste der Brüder.

»Die Zwerge«, antwortete der Älteste, »sind ein kleines, drolliges Völklein, das gern spielt. Da macht es ihnen große Freude, bisweilen ihre Mützchen in die Höhe zu werfen. Wupps! sind sie sichtbar, wupps! fangen sie das Mützchen wieder, setzen es auf und sind wieder unsichtbar. Nun braucht man nichts zu tun, als aufzupassen, wenn ein Zwerg sein Mützchen in die Höhe wirft, und muß dann rasch den Zwerg packen und das Mützchen geschwind selbst fangen. Da muß der Zwerg sichtbar bleiben, und man wird Herr der ganzen Zwergensippschaft. Nun kann man entweder das Mützchen behalten und sich damit unsichtbar machen, oder von den Zwergen so viel dafür fordern, daß man für sein Leben lang genug hat, denn die Zwerge haben Macht über alles Metall in der Erde, kennen alle Geheimnisse und Wunderkräfte der Natur; sie können auch durch ihre Lehren aus einem Dummen einen Klugen machen und aus dem faulsten Studenten einen hochgelehrten Professor, aus einem Barbuzius einen Doktor und aus einem Advokatenschreiber einen Minister.«

»Ei, das wäre!« rief einer der Brüder. »So gehe doch hin und verschaffe dir und uns solche Mützchen, oder mindestens dir eins, und hilf dann auch uns, daß wir von hier fortkommen!«

»Ich will es tun«, sagte der älteste der Brüder, und bald war er auf dem Wege nach den grünen Bergen. Es war ein etwas weiter Weg, und erst gegen Abend kam der gute Junge bei den Zwergenbergen an. Dort legte er sich in das grüne Gras an eine Stelle, wo im Grase die Kringelspuren von den Tänzen der Zwerge im Mondenscheine sich zeigten, und nach einer Weile sah er schon einige Zwerge ganz nahe bei sich übereinander purzeln, Mützchen werfen und spaßige Kurzweil treiben. Bald fiel ein solches Mützchen neben ihm nieder, schon haschte er danach — aber der Zwerg, dem das Mützchen gehörte, war ungleich behender als er, erhaschte sein Mützchen selbst und schrie: »Diebio! Diebio!« Auf diesen Ruf warf sich das ganze Heer der Zwerge auf den armen Knaben, und es war, als wenn ein Haufen Ameisen um einen Käfer krabbelt, er konnte sich der Menge nicht erwehren und mußte es geschehen lassen, daß die Zwerge ihn gefangennahmen und mit ihm tief hinab in ihre unterirdischen Wohnungen fuhren, davon sie auch selbst »Unterirdische« heißen und genannt werden.

Wie nun der älteste Bruder nicht wiederkam, so bekümmerte und betrübte das die beiden jüngeren Brüder gar sehr, und auch der Tochter war es leid, denn sie war sanft und gut, und es betrübte sie oft, daß der Vater gegen ihre Brüder so hart und unfreundlich war und sie allein bevorzugte. Der alte Müller aber murrte: »Mag der Galgenstrick von einem Jungen beim Kuckuck sein, was kümmert‘s mich? Ist ein unnützer Kostgänger und Freßsack weniger im Hause. Wird schon wiederkommen, ist ans Brot gewöhnt! Unkraut verdirbt nicht.«

Aber Tag um Tag verging, und der Knabe kam nicht wieder, und der Vater wurde gegen die beiden zurückgebliebenen immer mürrischer und härter. Da klagten die zwei Brüder oft gemeinsam, und der mittlere sprach: »Weißt du was, Bruder? Ich werde jetzt selbst mich aufmachen und nach den grünen Bergen gehen, vielleicht erlange ich ein Zwergenmützchen. Ich denke mir die Sache gar nicht anders als so: Unser Bruder hat solch ein Mützchen erlangt und ist damit in die weite Welt gegangen, erst sein Glück zu machen, und darüber hat er uns vergessen. Ich komme gewiß wieder, wenn ich glücklich bin; komme ich aber nicht wieder, so bin ich nicht glücklich gewesen, und für diesen Fall lebe du wohl auf immer.«

Traurig trennten sich die Brüder, und der mittlere wanderte fort nach den grünen Bergen. Dort erging es ihm in allen Stücken genauso, wie es seinem Bruder ergangen war. Er sah die Zwerge, haschte nach einem Mützchen, aber der Zwerg war flinker als er, schrie »Diebio! Diebio!« und der helle Haufen der Unterirdischen stürzte sich auf und über den Knaben, umstrickte ihn, daß er kein Glied regen konnte, und führte ihn tief hinab in die unterirdische Wohnung.

Mit der sehnsüchtigsten Ungeduld harrte der jüngste Bruder daheim in der Mühle auf des Bruders Wiederkehr, aber vergebens, und wurde dann sehr traurig, denn er wußte ja nun, daß sein mittlerer Bruder nicht glücklich gewesen war, und die Schwester wurde auch traurig, der Vater aber blieb gleichgültig und sagte nur: »Hin ist hin. Wem es daheim nicht gefällt, der wandere. Die Welt ist groß und weit. In meinem Hause hat der Zimmermann ein Loch gelassen. Wenn dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis, tanzt und bricht ein Bein. Laßt den Gigk in die Welt nur laufen, was grämt ihr euch um den Schlucker? Ich bin froh, daß er mir aus den Augen ist. Aus den Augen, aus dem Sinn!«

Der jüngste Bruder hatte im Ertragen gemeinsamen Leides bisher den Trost gefunden, den solches Ertragen gewährt, als aber nun seine beiden Brüder fort waren, fand er seine Lage ganz unerträglich und sagte zu seiner Schwester: »Liebe Schwester, ich gehe nun auch fort, und schwerlich werde ich wiederkommen, wenn es mir ergeht wie unsern Brüdern. Der Vater liebt mich einmal nicht, und ich kann nichts dafür. Die Scheltworte, die früher auf uns drei niederfielen, fallen jetzt auf mich allein, das ist mir denn doch eine zu schwere Last. Lebe du wohl, und lasse dir es wohl ergehen!«

Die Schwester wollte ihren jüngsten Bruder erst nicht fortlassen, denn sie hatte ihn am allermeisten lieb, allein er ging dennoch heimlich von dannen und überlegte sich unterwegs recht genau, wie er es anfangen wollte, sich ein Zwergenmützchen zu verschaffen. Als er auf die grünen Berge kam, erkannte er bald an den grünen Kringeln im Grase den Ort der nächtlichen Zwergentänze und ihren Spiel- und Tummelplatz und legte sich in der Dämmerung hin und wartete ab, bis die Zwerglein kamen, spielten, tanzten und Mützchen warfen.

Eins derselben kam ihm ganz nahe, warf sein Mützchen, aber der kluge Knabe griff gar nicht danach. Er dachte, ich habe ja Zeit. Ich muß die Männlein erst recht sicher und kirre machen. Der Zwerg nahm sein Mützchen, das ganz nahe bei dem Knaben niedergefallen war, wieder. Es dauerte gar nicht lange, so fiel ein zweites Mützchen neben ihn — ei, dachte der Knabe, da regnet‘s Mützchen — griff aber nicht danach, bis endlich ein drittes ihm gar auf die Hand fiel; wupps dich, hielt er‘s fest und sprang rasch empor. »Diebio! Diebio! Diebio!« schrie laut der Zwerg, dem das Mützchen gehörte, mit feiner, gellender Stimme, die durch Mark und Bein drang, und da wimmelte das Zwergenvolk herbei und wurde ihm der Knabe unsichtbar, weil er das Mützchen hatte, und konnte ihm gar nichts anhaben. Und allesamt erhoben sie ein klägliches Jammern und ein Gewinsel um das Mützchen, er solle es doch um alles in der Welt wieder hergeben.

»Um alles in der Welt?« fragte der kluge Knabe die Zwerge. »Das wäre mir schon recht! Aus dem Handel könnte etwas werden. Will aber erst sehen und hören, worin euer ›Alles‹ besteht. Vorerst frage ich: Wo sind meine beiden Brüder?«

»Die sind drunten im Schoß des grünen Berges!« antwortete der Zwerg, dem das Mützchen gehört hatte.

»Und was tun sie da?«

»Sie dienen!«

»So? Sie dienen — und ihr dient nun mir. Auf! Hinab zu meinen Brüdern! Ihr Dienst ist aus, und eurer fängt an!«

Da mußten die Unterirdischen dem irdischen Menschen gehorsam sein, weil er Macht über sie erlangt hatte durch das Mützchen. Welche Macht in und unter manchen Mützen und Mützchen steckt, ist ganz unbeschreiblich.

Die bestürzten und bekümmerten Zwerglein führten nun ihren Gebieter an eine Stelle, wo sich eine Öffnung in den grünen Berg fand, die tat sich klingend auf, und es ging rasch hinein und hinunter. Drunten waren herrliche und unermeßlich weite Räume, große Hallen und kleine Zimmer und Kämmerchen, je nach des Zwergenvolkes Bedarf, und nun verlangte der Knabe gleich, ehe er sich nach etwas anderem umsah, nach seinen Brüdern. Die wurden herbei gebracht, und der jüngste sah, daß sie in Dienertracht gekleidet waren, und sie riefen ihm wehmütig zu: »Ach, kommst auch du, lieber guter Bruder, unser jüngster! So sind wir drei nun doch wieder beisammen, aber in der Gewalt dieser Unterirdischen, und sehen nimmermehr wieder das himmlische Licht, den grünen Wald und die goldenen Felder!«

»Liebe Brüder«, erwiderte der jüngste. »Harret nur, ich vermeine, das Blättlein soll sich wohl wenden.«

»Herrenkleider und Prunkgewande für meine Brüder und mich!« herrschte er den Zwergen zu, hielt aber wohlweislich das werte Mützchen in der Hand fest, als seinem Befehle augenblicklich gehorsamet wurde und das Umkleiden vor sich ging. Nun befahl der Zwergengebieter eine Tafel mit auserlesenen Speisen und trefflichen Weinen, dann Gesang und Saitenspiel nebst Ballett und Pantomime, in welchen Künsten die Zwerge das Ausgezeichnetste leisten, was einer nur sehen kann, dann kostbare Betten zum Ausruhen, dann Illumination des ganzen unterirdischen Reiches, dann eine gläserne Kutsche mit prächtigen Pferden bespannt, um in den grünen Bergen überall herumzufahren und alles Sehenswerte in Augenschein zu nehmen. Da fuhren die drei Brüder durch alle Edelsteingrotten und sahen die herrlichsten Wasserkünste, sahen die Metalle als Blumen blühen, silberne Lilien, goldene Sonnenblumen, kupferne Rosen, und alles strahlte von Glanz und Pracht und Herrlichkeit.

 

Dann begann der Gebieter Unterhandlung mit den Zwergen über die Zurückgabe des Mützchens und legte ihnen schwere Bedingungen auf. Erstens einen Trank aus den köstlichsten Heilkräutern, die mit allen ihren Kräften den Zwergen nur zu wohl bekannt sind, für seines Vaters krankes Herz, daß es sich umkehre und Liebe zu den drei Söhnen gewinne. Zweitens einen Brautschatz, so reich wie für eine Königstochter, für die liebe Schwester. Drittens einen Wagen voller Edelsteine und Kunstgeräte, wie sie nur die Zwerge zu verfertigen verstehen, einen Wagen voller gemünztem Geld, weil das Sprichwort sage: Bares Geld lacht, und die Brüder gern auch lachen wollten, und endlich noch einen Wagen für die drei Brüder, höchst bequem eingerichtet, mit Glasfenstern, und zu diesen drei Wagen alles Nötige, Kutscher, Pferde, Geschirre und Riemenzeug.

Die Zwerge wanden sich und krümmten sich bei diesen Forderungen und taten so erbärmlich, daß es einen Stein erbarmt haben würde, wenn ein Stein ein Menschenherz hätte; es half ihnen aber all ihr Gewinsel nichts.

»Wenn ihr nicht wollt«, sagte der Gebieter, »so ist es mir auch recht, so bleiben wir da; es ist ja recht schön bei euch; ich nehme euch allesamt, wie ihr seid, eure Mützchen; dann seht, was aus euch wird, wenn man euch sieht — tot werdet ihr geschlagen, wo sich nur einer von euch blicken läßt. Noch mehr! Ich fahre hinauf auf die Oberwelt und sammle Kröten, die geb ich euch dann, jedem eine, vorm Schlafengehen, mit ins Bette.«

Wie der Gebieter das Wort Kröten aussprach, stürzten alle Zwerge auf ihre Knie nieder und riefen: »Gnade! Gnade! Nur das nicht! Um alles in der Welt! Nur das nicht!« denn die Kröten sind der Zwerge Abscheu und Tod.

»Ihr Toren!« schalt der Gebieter. »Ich verlange gar nicht ›alles in der Welt‹, ich habe euch die allerbescheidenste Forderung gestellt, ich könnte ja unendlich mehr verlangen, allein ich bin ein grundguter Knabe. Ich könnte ja alles nehmen, und das Mützchen und die Herrschaft über euch fort und fort behalten, denn so lange ich das Mützchen hätte, würde ich ja, das wißt ihr wohl, nicht sterben. Also, ihr wollt meine drei kleinen Bedingungen gewähren? Nicht?«

»Ja, ja, hoher Herr und Gebieter!« seufzeten die Zwerglein und gingen ans Werk, alles Begehrte herbeizuschaffen und alle Gebote zu vollziehen.

In der Mühle des alten greulichen Müllers droben war nicht gut sein. Als der jüngste Bruder auch davongegangen war, griesgrämelte der Müller: »Nun — der ist auch fort — bleibt auch aus, wie das Röhrenwasser — so geht es — das hat man davon, wenn man Kinder großzieht — sie wenden einem den Rücken zu. Nun ist nur noch das Mädchen da, mein Augapfel, mein Liebling.«

Der Liebling aber saß dort und begann zu weinen.

»Weinst schon wieder!« murrte der Alte, »denkst, ich soll denken, du weinst um deine Brüder? Um den Gauch weinst du — um den Liebhaber, der dich freien will. Ist so leer und ausgebeutelt wie ein Mehlsack — er hat nichts, du hast nichts, ich habe nichts, haben wir alle dreie nichts. Hörst du was klappern? Ich höre nichts. Die Mühle steht, schlechter kann es nicht stehen um eine Mühle, als wenn sie steht. Ich kann nicht mahlen, du kannst nicht heiraten, oder wir halten Bettelmanns Hochzeit. Wie?« Solcherlei Reden hatte die Tochter täglich anzuhören und verging fast im stillen Leid.

Da kamen eines schönen Morgens Wagen gefahren, einer, zwei, drei, und hielten vor der Mühle, kleine Kutscher fuhren, kleine Lakaien sprangen vom Tritt und öffneten den Schlag des ersten Wagens, drei junge hübsche Herrchen stiegen aus, fein gekleidet, wie Prinzen.

Dienerschaft wimmelte um die andern Wagen, lud ab, packte ab, schnallte ab, Kisten, Kasten, Kassetten, Toiletten, schwere Truhen, trugen alles in die Mühle. Stumm standen und staunend der Müller und seine Tochter.

»Guten Morgen, Vater! Guten Morgen, Schwester! Da wären wir wieder!« riefen die drei Brüder. Jene starrten sie verwundert an.

»Trink uns den Willkommen zu, lieber Vater!« rief der Älteste, nahm aus eines Dieners Hand eine Flasche, schenkte einen überaus künstlich gearbeiteten Goldpokal voll edlen Trankes und hieß den Vater trinken. Dieser trank und gab den Pokal weiter, und alle tranken. Dem Alten strömte Wärme in das kalte Herz, und die Wärme wurde zum Feuer, zum Feuer der Liebe. Er weinte und fiel seinen Söhnen in die Arme und küßte sie und segnete sie. Und da kam der Geliebte der Tochter und durfte auch mittrinken und auch küssen.

Darüber fingen vor Freude die Mühlräder, die so lange still gestanden, an, sich rasch zu drehen, um und um, um und um.

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