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Gesättigte Fettsäuren und das Gehirn: Freunde oder Feinde?
Es ist nicht einfach, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie sich gesättigte Fettsäuren auf das Gehirn auswirken. Bei der genaueren Betrachtung vieler Tierversuche zu diesem Thema stellt man fest, dass es sich bei der „fettreichen Nahrung“, mit der die Tiere gefüttert wurden, tatsächlich um eine toxische Masse aus Zucker, Schmalz und Sojaöl handelte.† Das könnte auf ein einfaches Versehen bei der Etikettierung zurückzuführen sein: Zulieferer für Laborratten-Futter zeichnen Nahrung, welche die typische amerikanische Ernährung imitieren soll, einfach als „fettreich“ aus.
Tierversuche wie diese sind unglaublich wertvoll. Dank dieser Studien haben wir einige Hinweise darauf, warum Menschen, die sich vorwiegend an die viel Zucker und Fett enthaltende typische amerikanische Ernährung halten, tendenziell einen kleineren Hippocampus (der Teil des Gehirns, in dem unsere Erinnerungen verarbeitet werden) haben.36 Diese Studien verraten uns auch, dass die Kombination von Zucker und gesättigtem Fett (die für Fast Food typisch ist) Entzündungen fördert und dem Gehirn BDNF entziehen kann.37
Das Problem ist, dass diese Nuance häufig verloren geht, wenn die Medien über die Ergebnisse berichten, was zu irreführenden Überschriften wie dieser führen kann: „How A High-Fat Diet Could Damage Your Brain“ („Wie eine fettreiche Ernährung dem Gehirn schaden könnte“) – die Überschrift eines vielgelesenen Artikels, der auf der Webseite eines bekannten Magazins veröffentlicht wurde.38 (Die Nahrung, mit der die Mäuse in dem Tierversuch gefüttert wurden, über den im Artikel berichtet wurde, enthielt 55 % gesättigte Fettsäuren, 5 % Sojaöl und 20 % Zucker.) Wenn die Leser sich nicht die Mühe machten, die ursprüngliche Studie zu finden und – im Fall, dass sie Zugang dazu bekamen – vom Fachjargon abgeschreckt wurden, konnte das leicht als Schlag gegen die Ernährung mit einem hohen Gehalt an „gesunden Fetten“ interpretiert werden, also eine Ernährung, die wenig industriell verarbeitete Kohlenhydrate und mehrfach ungesättigte Öle, dafür aber viel Omega-3-Fettsäuren und nährstoffreiches Gemüse sowie die relativ geringe Menge gesättigten Fetts enthält, das in tierischen Produkten aus artgerechter Haltung zu finden ist.
Bleibt die Frage, wie viel gesättigte Fettsäuren im Rahmen einer für das Gehirn optimalen Ernährung konsumiert werden sollten. Die Beweise, die vorgebracht werden, um uns vor gesättigtem Fett zu warnen, waren immer schon bestenfalls wackelig. Aber es gibt auch nur wenige Beweise, die dafür sprechen würden, dass es für das Gehirn von Vorteil wäre, gesättigtem Fett nachzujagen (ganz anders als z. B. im Fall von nativem Olivenöl extra, das große Mengen einfach ungesättigter Fettsäuren enthält). Während man immer noch dabei ist, die Details zu entschlüsseln, scheint uns ein integrativer Ansatz fürs Erste die besten Antworten zu geben – schließlich gilt, dass, was gut für den Körper ist, auch gut für das Gehirn ist. Was wir beginnen zu lernen, ist, dass nährstoffarme westliche Ernährungsformen, die große Mengen industriell verarbeiteter Öle mit hohem Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren und schnell verdauten Kohlenhydraten beinhalten, die wahren Schuldigen nicht nur für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern auch für Adipositas und Diabetes Typ 2 sind – und, wie Studien immer deutlicher machen, auch für Gehirnerkrankungen.
Aus diesem Grund verhänge ich keine Einschränkungen für den Konsum gesättigter Fettsäuren – solange diese in vollwertigen Lebensmitteln enthalten sind oder wenn sie gelegentlich für das Garen bei starker Hitze verwendet werden. (Das vorwiegende Öl in der Ernährung sollte immer Genius Food #1 sein – natives Olivenöl extra.)
Transfett: Ein Fett zum Fürchten
Transfette sind ungesättigte Fettsäuren, die sich in mancher Hinsicht wie gesättigte Fette verhalten. Eine natürlich produzierte Transfettsäure ist konjugierte Linolsäure (CLA), die in Milch und Fleischprodukten von Tieren aus Weidehaltung vorkommt. Man geht davon aus, dass CLA sehr gesund ist, da sie mit einem gesünderen metabolischen System, gesünderen Gefäßen und einem reduzierten Krebsrisiko in Verbindung gebracht wird. Natürliche Transfettsäuren sind in der modernen menschlichen Ernährung jedoch relativ selten.
Der Großteil der Transfettsäuren, die heute von uns Menschen konsumiert werden, ist das Ergebnis industrieller Lebensmittelverarbeitung. Diese menschengemachten Transfettsäuren sind nicht einfach schlecht, sie sind Darth Vader-trifft-Ramsay Bolton schlecht. Sie fangen als mehrfach ungesättigtes Öl an (das die Blut-Hirn-Schranke ohne Probleme durchdringt) und sind vollgepumpt mit Wasserstoff. Auf Zutatenlisten kann man sie identifizieren, indem man nach gehärteten oder teilgehärteten Fetten Ausschau hält. Der Vorgang des Hydrierens, bei dem gehärtete Fette entstehen, sorgt dafür, dass sie sich eher wie gesättigte Fettsäuren verhalten und bei Raumtemperatur fester werden. Lebensmittelproduzenten gefällt das aus zwei Gründen: Sie können Lebensmitteln mit billigem Öl eine cremige, buttrige Textur verleihen und die Haltbarkeit dieser Produkte verlängern. Daher sind diese Fette in der Regel in abgepackten Nahrungsmitteln zu finden: Kuchen, Margarine, Nussbutter (hier verhindern sie, dass sich das Öl absetzt) und sogar dem einen oder anderen veganen „Käseaufstrich“, bei ansonsten gesund wirkender Verpackung.
Menschengemachte Transfette sind stark entzündungsfördernd, begünstigen Insulinresistenz und Herzerkrankungen (sie können zum Anstieg des Cholesterinspiegels führen und dabei das schützende HDL verringern). Eine aktuelle Metaanalyse (die Studie mehrerer Studien) ergab, dass der Konsum von Transfetten mit einem 34 % gesteigerten Risiko der Gesamtmortalität in Verbindung zu stehen scheint, also frühem Tod mit beliebiger Ursache.
In Bezug auf das Gehirn könnten Transfette besonders schädlich sein. Können Sie sich noch daran erinnern, was ich Ihnen über die Bedeutung der Fließfähigkeit der Membranen erzählt habe? Transfette können sich in unsere neuronalen Membranen integrieren, sodass sie steif werden wie eine Leiche mit Totenstarre. Das erschwert es den Neurotransmittern, ihre Arbeit zu leisten und den Zellen Nährstoffe und Treibstoff zu erhalten. In Studien wurde der Konsum von Transfetten außerdem mit Gehirnschwund und dem stark erhöhten Risiko für Alzheimer in Verbindung gebracht – zwei Dinge, die Sie sicher nicht wollen.39 Und selbst bei gesunden Menschen wurde der Konsum von Transfetten mit einer deutlich schlechteren Gedächtnisleistung assoziiert. In einer Studie aus dem Jahr 2015 wurde festgestellt, dass jedes zusätzliche Gramm Transfett, das Teilnehmer verzehrten, bedeutete, dass ihre Erinnerungsfähigkeit für Worte, die sie sich hatten merken sollen, um 0,76 Worte zurückging.40 Die Studienteilnehmer, die am meisten Transfett zu sich nahmen, konnten sich an 12 Worte weniger erinnern als diejenigen, die keine Transfette aßen.
Sie glauben, Sie sind sicher, bloß weil Sie keine gehärteten Fette essen? Schon allein die Verarbeitung mehrfach ungesättigter Fettsäuren kreiert Transfette – Wissenschaftler haben kleine Mengen davon in den Flaschen vieler häufig verkaufter Speiseöle entdeckt. Selbst Bio-Rapsöl aus der Ölpresse enthält bis zu 5 % Transfette. Im Durchschnitt konsumieren wir pro Person täglich 20 Gramm Raps- oder anderes pflanzliches Speiseöl. Und schon haben wir 1 Gramm Transfett intus.
Indem Sie Maiskeim-, Soja- und Rapsöle (und mit diesen Ölen hergestellte Produkte) vermeiden, wie ich weiter oben in diesem Kapitel kurz behandelt habe, ebenso wie jegliche gehärtete oder teilgehärtete Fette, fangen Sie an sicherzustellen, dass keine Spur menschengemachter Transfette in Ihr System gelangen kann.
Fett: Die Nährstoff-Fähre
Ein letzter, aber unglaublich wichtiger Vorteil davon, mehr gesundes Fett (in Form von fettreichen Lebensmitteln wie Eiern, Avocados, fetthaltigem Fisch oder nativem Olivenöl extra) über die Ernährung aufzunehmen, ist die Tatsache, dass Fett die Absorption entscheidender fettlöslicher Nährstoffe erleichtert, z. B. der Vitamine A, E, D und K sowie die wichtiger Carotinoide wie Beta-Carotin. Diese Nährstoffe haben weitreichende Auswirkungen auf den Körper, von der Vorbeugung gegen DNA-Schäden zum Schutz von Fetten, die bereits im Körper und Gehirn vorhanden sind, vor Alterung.
Carotinoide – die gelben, orangefarbenen und roten Pigmente, die in Möhren, Süßkartoffeln, Rhabarber und besonders dunkelgrünem Blattgemüse wie Grünkohl und Spinat vorhanden sind – wurden als wirkungsvolle Gehirn-Booster identifiziert (in dunkelgrünem Blattgemüse kann man sie nicht sehen, da sie von dem grünen Pigment des Chlorophylls verdeckt werden – aber sie sind vorhanden). Darunter wurden besonders die beiden Carotinoide Lutein und Zeaxanthin mit größerer neuraler Effizienz und „kristallisierter Intelligenz“ bzw. der Fähigkeit, zeitlebens angelernte Fähigkeiten und angeeignetes Wissen zu verwenden, in Verbindung gebracht.41
TURBOAUFLADUNG DES GEHIRNS MIT CAROTINOIDEN
Es ist schon seit einiger Zeit bekannt, dass Carotinoide eine wichtige Rolle dabei spielen, Augen und Gehirn vor der Alterung zu schützen, und es könnte sein, dass sie das Gehirn schneller machen. In einer klinischen Studie der University of Georgia gaben die Wissenschaftler 69 jungen, gesunden männlichen und weiblichen Studenten über vier Monate hinweg Nahrungsergänzungsmittel, die Lutein und Zeaxanthin enthielten – zwei Carotinoide, die in reichlich in Grünkohl, Spinat und Avocados vorkommen – bzw. ein Placebo. Bei den Studienteilnehmern, die Lutein und Zeaxanthin bekamen, war ein 20%iger Anstieg der visuellen Verarbeitungsgeschwindigkeit zu beobachten, gemessen an der automatischen Reaktion der Retina auf einen Stimulus. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit ist wichtig, da es sich dabei um die Geschwindigkeit handelt, in der wir Informationen aufnehmen, das Wahrgenommene einordnen und beginnen, darauf zu reagieren. Eine schnellere visuelle Verarbeitung korreliert tendenziell mit besserer sportlicher Leistung, Lesegeschwindigkeit und exekutiven Funktionen, während reduzierte Verarbeitungsgeschwindigkeit ein zentrales und frühes Merkmal kognitiven Rückgangs ist. Über den beeindruckenden Anstieg schrieben die Wissenschaftler: „[er ist] signifikant, da man in der Regel davon ausgeht, dass junge, gesunde Probanden auf der Höhe der Effizienz sind und man daher erwarten könnte, dass der Widerstand gegenüber Veränderungen groß ist.“ Weiter schrieben sie: „Generell ist zu bemerken, dass eine Verbesserung der Ernährung nicht nur zur Vorbeuge erworbener Krankheiten oder Mangelerkrankungen dient, sondern zur Optimierung der Funktion das gesamte Leben lang.“ Dem kann ich nur zustimmen!
Diese Nährstoffe benötigen Fett, um in unseren Körperkreislauf übergehen zu können. Das geht so weit, dass Carotinoide beim Verzehr von Salat nur in zu vernachlässigenden Mengen absorbiert werden, wenn sie nicht zusammen mit einem Fettlieferanten konsumiert werden.42 Ein großzügiger Schluck natives Olivenöl extra ist hier eine exzellente Wahl, man kann aber auch einfach ein paar hart gekochte Eier unter den Salat mischen. In einer Studie der Purdue University stellte sich heraus, dass bei Teilnehmern, die ihrem Salat drei Eier zufügten, die Absorption von Carotinoiden gegenüber der Absorption dieser Nährstoffe aus Salat ohne Eiern um das 3- bis 8-Fache anstieg.43 Wer keine Eier mag, kann Avocados zufügen – im Wissen, dass man dadurch ebenfalls in den Genuss der erstaunlichen Vorteile fettlöslicher Nährstoffe (z. B. Carotinoide) kommt, welche die Leistung des Gehirns steigern.
Diese Rolle spielt Fett also in unserem Körper. Viele Generationen von Familien wurden in Bezug auf unseren wichtigsten Nährstoff in die Irre geführt, doch heute ist uns die Bedeutung der richtigen Fette für das Gehirn bekannt. Sobald ich das begriffen hatte, veränderte ich meine Ernährung drastisch und die sättigenden, nährenden und sicheren Lebensmittel, die früher einmal tabu waren, wurden zu unersetzlichen Grundzutaten meiner Ernährung.
Aber noch haben wir es nicht ganz überstanden. Mit Fett fängt die kognitive Katastrophe (und Erlösung) erst an. Befassen wir uns als Nächstes also mit dem ultimativen Vorboten der Gehirnzerstörung.
MERKZETTEL
▸ Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind oxidationsanfällig und können entweder unsere besten Freunde oder unsere größten Feinde sein. Vermeiden Sie Getreide- oder Samenöle, z. B. Maiskeimöl und Sojaöl, ebenso frittierte Lebensmittel, für deren Zubereitung pflanzliches Speiseöl wiederverwendet wurde.
▸ Machen Sie Ihr Salatdressing selbst. Wer will schon 200 Kalorien aus verdächtigen mehrfach ungesättigten Fettsäuren zur gesündesten Mahlzeit des Tages essen? Im Supermarkt und sogar im Restaurant gekaufte Salate sind manchmal die schlimmsten Missetäter. In Restaurant wird natives Olivenöl extra häufig durch Rapsöl oder – noch schlimmer – mysteriöses „pflanzliches Speiseöl“ ersetzt oder damit verdünnt!
▸ Das Essen im Restaurant ist immer ein Glücksspiel, also sehen Sie den Eigentümern in die Augen und fragen Sie, welche Öle zum Kochen verwendet werden.
▸ Wenn Sie nicht in der Lage sind, pro Woche 3+ Portionen fetthaltigen Fisch (Wildlachs und Sardinen sind stark konzentrierte Quellen für Omega-3-Fettsäuren) zu essen, sollten Sie ein Fischöl- Nahrungsergänzungsmittel in Erwägung ziehen, bzw. Algenöl, falls Sie sich vegetarisch oder vegan ernähren.
▸ Natives Olivenöl extra sollte das vorwiegende Öl in Ihrer Ernährung sein.
▸ Gesättigtes Fett aus vollwertigen Lebensmitteln ist gesund im Kontext einer zuckerfreien Ernährung mit wenig Kohlenhydraten, hohem Ballaststoffgehalt, Omega-3-Fettsäuren und essenziellen Nährstoffen aus pflanzlichen Lebensmitteln.
▸ Transfette sind Teufelszeug im Rahmen einer gesunden Ernährung. Vermeiden Sie alle Lebensmittel, die gehärtetes Fett oder industriell verarbeitete Öle mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren enthalten, denn darin sind mindestens 5 % Transfette verborgen – selbst ohne den Prozess der Hydrierung.
▸ Bestimmte Nährstoffe aus Gemüse können nur in der Gegenwart von Fett vom Körper absorbiert werden. Daher sollten Salat und Gemüsegerichte immer auch eine Quelle für gesundes Fett enthalten.
* Zuvor wurden beim Einsatz von Omega-3-Fettsäuren gemischte Ergebnisse bei Menschen mit geistiger Erkrankung beobachtet, doch diese Studie bietet Hinweise darauf, dass es effektiver ist, früher mit der Behandlung zu beginnen.
† Manchmal enthalten experimentelle fettreiche Ernährungen sogar Transfette. Das macht wenig Sinn, wenn man daran denkt, dass menschengemachte Transfette hoch toxisch sind und ganz klar schädliche Auswirkungen auf die kognitive Gesundheit haben.
GENIUS FOOD #2
AVOCADOS
Avocados sind ein „All-in-One“ Genius Food – eine Komplettlösung und das perfekte Lebensmittel zum Schützen und Fördern des Gehirns. Erst mal haben sie die höchste fettschützende Kapazität aller Obst- und Gemüsesorten. Das sind gute Nachrichten für unser Gehirn, das nicht nur das fetthaltigste Organ unseres Körpers ist, sondern oxidativen Stress (einer der größten Triebkräfte der Alterung) auch magnetisch anzieht – eine Konsequenz der Tatsache, dass 25 % des Sauerstoffs, den wir einatmen, dafür verwendet wird, in unserem Gehirn Energie zu erzeugen. Avocados sind außerdem reich an verschiedenen Formen von Vitamin E (eine Eigenschaft, die nur wenige Nahrungsergänzungsmittel für sich beanspruchen können) und sie sind ein wirkungsvoller Lieferant der Carotinoide Lutein und Zeaxanthin. Aus Kapitel 2 wissen Sie bereits, dass diese Pigmente die Verarbeitungsgeschwindigkeit des Gehirns erhöhen können, um richtig absorbiert zu werden jedoch Fett benötigen. Praktischerweise sind Avocados eine reichhaltige Quelle gesunder Fette.
Heutzutage sind Gefäßerkrankungen eine regelrechte Epidemie und treten nicht nur als Herzerkrankungen auf, sondern auch in Form von vaskulärer Demenz – nach Alzheimer die zweithäufigste Form der Demenz. Kalium und Natrium wirken bei der Regulation des Blutdrucks zusammen und sind essenziell für die Gefäßgesundheit, doch in der heutigen Zeit neigen wir dazu, unzureichende Mengen Kalium zu konsumieren. Wissenschaftler gehen sogar davon aus, dass unsere Jäger-Sammler-Vorfahren etwa viermal mehr Kalium konsumierten als wir es heute tun. Das könnte eine Erklärung dafür sein, dass Bluthochdruck, Schlaganfälle und vaskuläre Demenz inzwischen so weit verbreitet sind. Avocados bieten gegenüber Bananen den doppelten Kaliumgehalt, daher ist eine ganze Avocado das perfekte Lebensmittel, um die geschätzten 400 Meilen Mikrovaskulatur im Gehirn zu versorgen.
Und wer braucht schließlich Weizenkleie, wenn er eine Avocado essen kann? Eine komplette Avocado mittlerer Größe enthält beeindruckende 12 Gramm Ballaststoffe – Nahrung für die hungrigen Bakterien, die in unserem Darm leben und die letztendlich ihre Miete in Form von biochemischen Verbindungen zahlen, die Leben und Gehirn unterstützen, indem sie Entzündungen hemmen, die Insulinsensitivität erhöhen und die Wachstumsfaktoren im Gehirn ankurbeln.
Zur Verwendung: Ich versuche täglich eine halbe bis zu einer ganzen Avocado zu essen. Avocados können ganz einfach mit einer Prise Meersalz und etwas Olivenöl genossen werden. Oder man schneidet das Fruchtfleisch in Spalten und serviert es in Salaten, zu Eiern, in Smoothies oder meiner Supergehirn-Schüssel (siehe Kapitel 12 für Rezepte).
Profi-Tipp: Avocados sind dafür bekannt, dass sie lange brauchen, um zu reifen, dann aber innerhalb von ein oder zwei Tagen verderben. Damit überschüssige Avocados nicht schlecht werden, bewahrt man sie am besten im Kühlschrank auf, sobald sie reif sind, und nimmt sie wieder heraus, wenn man sie essen möchte. Das bringt den Punktsieg über die Avocado.
KAPITEL 3
ÜBERSÄTTIGT UND DOCH AM VERHUNGERN
„Ein Mensch sollte in der Lage sein, eine Windel zu wechseln, eine Invasion zu planen, ein Schwein zu schlachten, ein Schiff zu steuern, ein Gebäude zu entwerfen, ein Sonett zu verfassen, Konten abzurechnen, eine Mauer zu bauen, einen Knochen zu schienen, Sterbende zu trösten, Befehle zu befolgen, Befehle zu erteilen, zu kooperieren, eigenständig zu handeln, Gleichungen zu lösen, neue Probleme zu analysieren, Mist zu schaufeln, Computer zu programmieren, eine gute Mahlzeit zu kochen, effizient zu kämpfen, galant zu sterben. Spezialisierung ist etwas für Insekten.“
–ROBERT A. HEINLEIN
Versetzen wir uns in eine Zeit zurück, in der es noch keine Lieferservice-Apps und Diät-Gurus gab, als „Trader Joe“ der Typ war, der den einzigen Leckstein in einem Radius von hundert Meilen bewachte, und „Biohacking“ höchstens als das verstanden worden wäre, was man mit einem geschärften Stein und einem frisch erlegten Tier machte. Ernährungsempfehlungen der Regierung (und Regierungen überhaupt) wird es erst in Jahrtausenden geben, also müssen wir uns mit Intuition und dem, was verfügbar ist, durchschlagen – wie es unsere Vorfahren auch taten. Unsere Ernährung als Jäger und Sammler besteht aus diversen Landtieren, Fischen, Gemüse und wilden Früchte. Kalorien nehmen wir hauptsächlich über Fett auf, gefolgt von Proteinen.1 Eventuell konsumieren wir auch eine begrenzte Menge an Stärke, in Form von ballaststoffreichem Knollengemüse, Kernen und Samen. Konzentrierte Quellen verdaulicher Kohlenhydrate sind jedoch stark limitiert, wenn wir überhaupt Zugang dazu haben.
Wilde Früchte, die einzigen süßen Lebensmittel, die unserem Ahnen-Selbst zur Verfügung stehen, sehen ganz anders aus und schmecken auch anders als die domestizierten Früchte, die Äonen später die Supermarktauslagen füllen werden. Vermutlich würden wir sie neben ihren heutigen Gegenstücken noch nicht einmal erkennen – der Kontrast wäre fast so groß, wie wenn ein Malteser direkt neben seinem Urahnen, dem Wolf, stehen würde. Diese Ur-Früchte sind klein, schmecken nur einen Bruchteil so süß und sind nur saisonal erhältlich.
Dann, vor etwa 10000 Jahren, biegt die menschliche Evolution um eine Haarnadelkurve. Im Nullkommanichts entwickelt sich unser Stamm herumstreifender Jäger und Sammler zu von den Jahreszeiten abhängigen Siedlern, die Getreide aussäen, Gemüse anpflanzen und Nutztiere halten. Die Erfindung der Landwirtschaft bringt unsere Familie – und den Rest der Menschheit – in eine vorher undenkbare Situation: Es ist möglich, mehr Nahrungsmittel zu produzieren, als für das Stillen der sofortigen Bedürfnisse des täglichen Überlebens notwendig. Dies ist eine der bedeutendsten „Singularitäten“ der menschlichen Existenz – ein Paradigmenwechsel, der unumkehrbare Beginn einer neuen Realität. Und in dieser neuen Realität gelingt es uns zwar, Lebensmittel in ausreichenden Mengen zu produzieren, um viele Menschen günstig satt zu machen und damit das weltweite Bevölkerungswachstum anzukurbeln, die individuelle Gesundheit entwickelt sich aber zum Schlechten.
Zuvor war die menschliche Ernährung Hunderttausende Jahre lang über unterschiedliche Klimazonen reich an verschiedenen Nährstoffen, doch diese die Mikronährstoffe betreffende und geografische Diversität verschwand, als jede Mahlzeit nur noch auf die Handvoll Pflanzenarten und Tierspezies begrenzt war, die es uns gelang zu kultivieren. Verhungern war keine große sofortige Bedrohung mehr, doch wir wurden zu Sklaven der Monokulturen und Nährstoffmangel war keine Seltenheit mehr. Der dramatische Anstieg der Verfügbarkeit von Stärke und Zucker (z. B. aus Weizen und Mais) führte zu faulen Zähnen, Adipositas und dem Rückgang der Knochendichte. Indem wir Pflanzen und Tiere domestizierten, domestizierten wir uns unbeabsichtigt auch selbst.
Der Beginn der Agrikultur setzte eine bösartige Spirale verhaltensgenormter Bedürfnisse in Gang, die das Wesen unseres Gehirns verändern sollte. Jäger und Sammler mussten autark sein, nach der landwirtschaftlichen Revolution war jedoch Spezialisierung gefragt. Jemand, der Weizen aussät, jemand, der ihn erntet, jemand, der die Getreidekörner mahlt, jemand, der sie gart, und jemand, der sie verkauft. Dieser Vorgang der Hyper-Spezialisierung führte schlussendlich zur industriellen Revolution und all den Bequemlichkeiten, die diese nach sich ziehen sollte, etwa iPhones, Großhändler und das Internet. Doch die Modernisierung hatte auch ihre Kehrseite. Ein altertümliches Gehirn an eine moderne Umgebung anzupassen gleicht dem Versuch, einen quadratischen Stöpsel in ein rundes Loch zu zwängen, wie die Millionen Amerikaner bezeugen, die Antidepressiva, Stimulantien und illegale Drogen einnehmen. Jemand, der unter ADHS leidet, hätte sich als Jäger und Sammler womöglich hervorragend gemacht, da sich das Gehirn betroffener Personen voll entfaltet, wenn sie Neues erleben und Entdeckungen machen, hat heutzutage aber in einem Job zu kämpfen, der Wiederholung und Routine verlangt (die Autoren können das – ähem! – nachvollziehen).
Das Zusammenkommen dieser ernährungsspezifischen Veränderungen und die Verkümmerung unserer kognitiven Aufgaben führte dazu, dass das menschliche Gehirn innerhalb von nur 10.000 Jahren den volumetrischen Gegenwert eines Tennisballs verlor. Unsere Vorfahren vor 500 Generationen hätten unsere kümmerliche Existenz bedauert und sich dann dafür entschuldigt, dass sie den Verlust unserer kognitiven Fähigkeiten eingeleitet haben. Vergessen wir einmal, dass wir die folgenden Generationen mit verringertem Lebensstandard, Studienschulden oder Umweltzerstörung konfrontieren – unsere Vorfahren waren so erfolgreich, dass sie uns kleinere Gehirne bescherten.
Damals konnten wir es nicht wissen, doch wir hatten der Ernährung und dem Lebenswandel, die das menschliche Gehirn kreiert hatten, mit einem Schlag den Rücken zugekehrt und stattdessen eine Ernährung und einen Lebenswandel angenommen, die zu Gehirnschwund führten.