Читать книгу: «Der dritte Versuch Magische Wesen», страница 2

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Im Westen


Gerade als Finn den Spruch beendet, wird es um ihn dunkel. Hat ihn jetzt doch noch die Schleiereule erwischt? Komisch ist aber, dass er keinerlei Schmerzen verspürt. Doch das könnte daran liegen, dass Eulen, anders als Katzen, ihre Beute schnell töten, dann würde er natürlich keine Empfindungen mehr haben.

»Aber warum kann ich dann noch denken?« Der junge Elf ist völlig verwirrt. Plötzlich scheint der Boden unter ihm zu schwanken. Dann hat er das Gefühl, als ob er sich nach oben bewegen würde. Da das keinesfalls aus eigener Kraft geschieht, wird ihn der Nachtjäger wohl gerade mit in die Luft nehmen. Vielleicht wird er zu einem Nest in einer Baumhöhle oder Scheune gebracht, um an junge Eulen verfüttert zu werden. Aber halt, jetzt scheint es von oben hell zu werden.

»Ja, wen haben wir denn da?«, ertönt eine seltsame, knarzige Stimme. Finn richtet seine Ohren dorthin und sein immer noch vorhandenes, kleines Schnäuzchen prüft zitternd die Luft. Sofort verharrt die Haselmaus in ihrer Bewegung.

»Wie kann das sein?« Der Elf ist verwirrt. »Ich habe doch den Gestaltwandlungszauber vollständig ausgesprochen. Sollte ich dabei etwas falsch gemacht haben? Hm. Es könnte natürlich sein, dass ich den Spruch als Haselmaus nicht richtig artikulieren konnte. Aber warum spricht mich die Eule so an, als wäre sie über meinen Anblick erstaunt?« Finn schüttelt den Kopf und blickt dorthin, woher das Licht kommt. Sollte er für einen kurzen Moment vor Schreck seine Sehkraft eingebüßt haben, als er von den tödlichen Krallen der Schleiereule ergriffen wurde, und jetzt kehrt sie zurück? Doch nun wird es erneut dunkel.

»Da habe ich endlich Erfolg gehabt! Wie stand es doch in dem alten Buch? »Am ersten bis fünften Morgen nach einem Blutmond kannst du mit Glück jedes magische Wesen sehen. Es hinterlässt eine Leuchtspur, die in der Dämmerung sichtbar ist. Am Mittag des fünften Tages wird die Spur vergehen.« Jetzt hat es bereits am zweiten Morgen geklappt, da kann ich heute Nacht ausschlafen. – Hm. Seltsam ist aber, dass es magische Haselmäuse gibt. Ich muss in meinen Büchern nachschauen. Vielleicht kann mir Cloe einen Tipp geben? Aber jetzt sollte ich hier schleunigst verschwinden, bevor einer der Zauberer des Mondes mich hier entdecken kann. Portaro!«

Während Finn noch versucht, sich aus dem Gehörten einen Sinn zusammenzureimen, hört er schon wieder die fremde Stimme, die er mittlerweile einer Frau zuordnet.

»Mein Schatz, ich bin zurück. Kannst du mal schnell kommen? Ich bin im Wohnzimmer.« Der junge Elf wundert sich, wo er jetzt wohl sein mag. Zumindest nicht im Nest einer Eule, die ihn gleich verfüttern will.

»Das ist schon einmal gut. Aber warum hat mich diese Frau gefangen und was will sie mit mir? Ist sie auf der Suche nach magischen Wesen, die sie für alchemistische Zwecke nutzen will?«

»Hallo Mom«, vernimmt er jetzt eine junge, angenehme Mädchenstimme. »Was gibt es denn so Wichtiges?«

»Jetzt schau dir das mal an.« Finn spürt, wie er hin und her geschaukelt wird, bevor es über ihm wieder hell wird. Er überlegt, welchen Zauber er anwenden soll und richtet sein Schnäuzchen nach oben. Eine seiner Pfoten ist bereits dorthin gerichtet, als er erstaunt innehält.

»Oh, wie niedlich. Eine kleine Haselmaus. Warum hast du die denn …? Ähem, warum hast du sie im Wald gefangen und hergebracht? Wir sollten sie wieder zurückbringen. Vermutlich ist sie starr vor Angst. Schau nur, wie ihre Knopfaugen nach oben blicken!«

»Ach, Quatsch. Das ist doch keine einfache Maus. Ich habe sie mitgenommen, weil sie magische Kräfte besitzt. Hörst du, sie beherrscht Magie.«

Der junge Elf weiß nicht, woher die Frau das wissen kann, doch er zögert noch, sie anzuwenden, weil ihm das Gesicht gefällt, das er erkennen kann.

Helle, große, blaue Augen mit kleinen, grauen Einsprenkelungen blicken ihn an. Auf und um die gerade Nase des Mädchens sind vereinzelt schwache Sommersprossen sichtbar. Ihr Alter zu schätzen fällt Finn schwer. Wenn sie eine Elfe ist, könnte sie etwa so alt wie er selbst sein. Als Menschenkind wäre sie vermutlich so um die 16 Jahre. Als sie jetzt den Kopf etwas zurückzieht und zur Seite blickt, kann er ihr mittelblondes, nicht ganz schulterlanges, glattes Haar sehen, das in der Mitte gescheitelt ist. Ihre Stirn ist sichtbar, da sie die vorderen Haare eines längeren Ponys hinter die Ohren gestrichen hat, von denen sich einzelne Strähnen lösen und ihr ins Gesicht fallen.

»Hör mir bitte erst zu, bevor wir entscheiden, was zu tun ist. Du weißt, dass ich es mir zur Aufgabe gemacht habe unseren Brüdern und Schwestern, also allen Elfen und ihren verbündeten Menschen, im Kampf gegen die bösen Zauberer des Mondes zu helfen. Bisher habe ich noch keinen Weg gefunden, was ich in meinem Alter noch beitragen könnte. Ich weiß, dass es überall in unserem Land magische Wesen gibt. Das sind nicht nur Menschen und wir Elfen, auch Kolkraben können zaubern. Bei einer Versammlung der Zauberer, zu der ich ausnahmsweise einmal gegangen bin, waren einige dieser großen, schwarzen Vögel anwesend. Es gibt aber noch andere magische Wesen, Faune, Kobolde, einen Feuervogel und … Nein, unterbrich mich nicht. Ich fantasiere keineswegs. Ich suche schon viele Jahre nach Verbündeten, die uns im Kampf gegen die Dubharan wirkungsvoll helfen können. Ich besitze einige Bücher aus der ehemaligen Bibliothek der Elfen im Süden, die darauf hindeuten, dass es unzählige derartige Kreaturen gibt. Den Hinweis, wo und wie man sie finden kann, hatte ich jedoch nicht. Am liebsten hätte ich einen der auch erwähnten kleinen Drachen erwischt. Das wäre natürlich kein richtiger Drache, sondern ein Drachengeist, sozusagen die Spur von einem Wesen, das einmal wirklich hier lebte. Diese Gedankenwesen sollen sehr mächtig, aber auch schwierig zu fangen sein. Ob sie überhaupt eine Leuchtspur hinterlassen, noch dazu in der Luft?« Juna unterbricht sich kurz und blickt grübelnd ihre Tochter an, aber ohne eine Antwort zu erwarten. »Mit viel Geduld kann so ein Drachengeist an einen Zauberer gewöhnt werden, man muss nur zuerst sein Vertrauen gewinnen, vermute ich. Dann ist er ein mächtiger Verbündeter! Die von mir in unserem Haus angelegte Büchersammlung ist zwar längst nicht so umfangreich, wie es die ehemalige Bibliothek in Deasgard gewesen ist, aber es befindet sich ein sehr altes und unscheinbares Buch darunter. Ich bekam es von einem Ausbilder vor vielen Jahren geschenkt, als ich die Lehrjahre bei ihm beendete. Das war kurz, nachdem meine Eltern zu Tode gekommen waren, weshalb ich es wohl einfach zu den anderen Büchern stellte. Viele Jahre hat es unbeachtet dort gestanden, bis es mir durch Zufall in die Hände fiel. Es war hinter die anderen gerutscht und nahm mich sofort gefangen, als mein Blick darauf ruhte. Darin habe ich über verschiedene Kreaturen gelesen und auch, wie man sie entdecken kann. Ich glaube fast, mein Ausbilder hat es mir nur aus dem Grund geschenkt, damit ich die magischen Kreaturen finden kann. Ich weiß noch, wie er mich dabei bedeutungsvoll anblickte. – Du kennst es, sein Titel lautet »Magische Wesen und ihre Macht«. Ich bin den Anweisungen, wie man sie entdecken kann, gestern und heute gefolgt.«

»Du willst mir jetzt aber nicht erzählen …«, beginnt das Mädchen, als es von seiner Mutter unterbrochen wird.

»Cloe, einen Moment noch. Bei meiner Suche folgte ich der Anleitung aus dem Buch und konnte es zuerst selbst nicht glauben, als ich diese silberne Spur auf dem Weg nach Munegard sah. Diese Festungsanlage wurde vor über zweihundert Jahren von den Zauberern des Mondes, den Dubharan, erbaut. Ich hoffte, in ihrer Umgebung magische Wesen zu entdecken, die möglicherweise für ihre dunklen Zwecke missbraucht werden. Diese wollte ich dann für uns nutzen, musste aber erst einmal eines finden. Zuerst vermutete ich, die Spur könne von einem der Magier hinterlassen worden sein und wollte bereits an einer anderen Stelle weitersuchen. Dann fiel mir auf, dass sie kaum mehr als ein dünner Silberfaden war, so ähnlich wie ein einzelnes Feenhaar. Dies konnte nicht von einem der Dubharan stammen, falls die überhaupt eine Spur hinterlassen sollten. Jemand, der Magie beherrscht, ist nicht unbedingt ein magisches Wesen, oder? Das sagte ich mir jedenfalls und folgte der Spur, die von der Festungsanlage weglief. Sie führte mich bald in den Wald, der dort rechts und links des Weges, dunkel und drohend wächst. Mein Eindringen in den Wald scheuchte schon bald kleinere Tiere auf, die vor mir davonstürmten. Einige Vögel und sogar eine große Schleiereule waren darunter. Dort, wo die Eule fortflog, erblickte ich nur einen kurzen Teil der Spur. Sie führte von einem umgestürzten Baum ein Stück weg und dann wieder dorthin zurück. Sollte die Eule das magische Wesen, was immer es auch war, gefangen und gefressen haben? Gerade in dem Moment krabbelte diese Haselmaus unter dem Stamm hervor, blickte sich suchend um und richtete sich auf. Sie musste das magische Wesen sein, das die Spur hinterlassen hatte. Also öffnete ich diesen Spezialbeutel, der mit silbernen Fäden durchwirkt ist und stülpte ihn über das kleine Tier. Nun sag mir bitte, was du über die magischen Fähigkeiten einer Haselmaus weißt.«

Jetzt herrscht Stille. Die Frau wartet auf eine Antwort und das Mädchen sucht nach einer.

»Bist du sicher, dass diese Maus Magie beherrscht?«

»Ich habe die Spur deutlich gesehen. Sie kam eindeutig von ihr.«

»Ich kann dir leider nicht sagen, welche besonderen Kräfte Haselmäuse haben könnten. Ich schlage vor, du bringst sie sofort zurück und lässt sie dort frei, wo du sie gefangen hast.«

Finn versucht währenddessen aus dem Beutel, der immer noch geöffnet ist, herauszukommen. Jetzt erscheinen seine kleine Schnauze und dann der Kopf mit den blitzenden Knopfaugen. Seine Barthaare zittern vor Aufregung. Sollte er in wenigen Augenblicken frei sein? Doch er fällt in den Behälter zurück.

»Mutter! Schau dir nur an, was du dem kleinen Kerl zumutest!« Dem Elf in Mausgestalt ist zwar nichts passiert, doch er muss sich erst ausruhen, bevor er einen neuen Versuch starten will. Erstaunt blickt er nach oben, als es um ihn herum dunkler wird. Er sieht, wie eine Hand auf ihn zukommt. Sie wird größer und größer, kommt bedrohlich nahe. Gleich hat sie ihn erreicht. Wie kann er sich wehren? Soll er mit seinen spitzen Zähnen zubeißen? Das wird für die Frau oder das Mädchen eine gute Lehre sein, sich nicht derart … Jetzt stutzt Finn und vergisst zuzubeißen. Die Finger streichen ihm zuerst sanft über den Rücken und die Stimme Cloes fordert:

»Scht, scht. Habe keine Angst. Ich werde dir nichts tun.« Der Elf erstarrt, als sich die Finger, zwar vorsichtig, aber unaufhaltsam unter seinen kleinen Körper schieben. Hätte er doch besser zugeschnappt? Jetzt wird er langsam und behutsam aus dem Beutel gehoben. Das Mädchen schaut ihn besorgt an und streichelt sein Fell.

»Ich tue dir nichts. Und vor Juna, meiner Mom, musst du auch keine Angst haben. Sie ist eigentlich eine ganz Liebe!«

»Bist du denn von allen guten … Nein. Natürlich muss die kleine Maus keine Sorgen haben. Ich wollte … nun, ja. Das war vermutlich keine so gute Idee. Ich bringe dich sofort wieder zurück in deinen Wald«, wendet sie sich nun direkt an das kleine Tier. »Vielleicht wartet dort bereits eine Familie auf dich.«

Finn will sich verständlich machen, doch sein Gefiepe wird nicht verstanden. Also versucht er, einen gedanklichen Kontakt herzustellen. Er muss mehrere Anläufe unternehmen, während das Mädchen ihn immer noch vorsichtig auf einer Hand hält und mit einem Finger der anderen streichelt. Da er etwas ungeübt in der Anwendung von Magie ist und das Streicheln ihn immer wieder ablenkt, braucht er mehrere Versuche. Er weiß nicht, ob eine Verbindung zu dem Mädchen funktionieren könnte, das vielleicht nicht einmal über magische Fähigkeiten verfügt, darum denkt er angestrengt:

»Juna, bitte erschrick nicht. Ich bin keine Haselmaus, sondern ein Elf!« Es erfolgt keine Reaktion.

»Juna. Ich bin keine Maus.« Wieder nichts.

»JUNA!«

»Was ist? Wer ruft mich?« Da die Elfe das laut fragt, schaut Cloe sie erstaunt an.

»Ich habe NICHT gerufen. Stimmt etwas nicht?«

Ein Alptraum


Etwas früher am gleichen Morgen. Cian wälzt sich unruhig im Bett. Seine Lippen bewegen sich, murmeln unhörbare Beschwörungen. Schwere Schweißtropfen perlen auf seiner Stirn. Lange, silbergraue Haare kleben ihm am Kopf. Mit einem nach Luft ringendem Atemzug richtet er sich ruckartig auf. Die Bettdecke verrutscht und lässt einen Blick auf die magere Gestalt in einem weißen, knielangen Nachthemd zu. Der alte Elf hockt zitternd auf dem Bett. Die Beine werden angewinkelt und die Bettdecke wieder hochgezogen, bis sie auch die Schultern bedeckt. Die hellblauen Augen irren noch einige Zeit im Raum umher. Der Traum war zu realistisch. Der Mann mit dem zerfurchten Gesicht fixiert den Eingang zum Zimmer. War dort soeben eine Bewegung? Kommt jetzt gleich sein Feind herein, um ihn nun, nach so langer Zeit, zu töten? Er ist für eine letzte Auseinandersetzung bereit. Wenn Cian das genau bedenkt, scheint ihm das eher unwahrscheinlich. Sein rasender Puls beruhigt sich. Er versucht, bewusst langsam zu atmen. Er ballt die Hände zu Fäusten, um die Panik, die ihn im Traum übermannte, zurück in die Erinnerung zu pressen. Jetzt sieht er sich erneut um, diesmal aber ruhig und forschend. Nein. Er ist allein. Der alte Elf bekommt in seinem Heim, im Osten des Landes, fast nie Besuch. Woher sollen Feinde daher wissen, wo sie ihn finden können? Sogar sein erbittertster Gegner Connor, der Oberste der Dubharan, ist nicht in der Lage, den Tarnzauber zu durchbrechen, wenn er denn hier nach ihm suchen würde.

Cian sitzt grübelnd auf dem Bett. Etwas an der Sequenz beunruhigt ihn. Es will ihm aber nicht einfallen was. Der Traum, der ihn in den vergangenen zwanzig Jahren immer mal wieder heimsuchte, seit … Nein, daran will er jetzt nicht denken. Diese Bilder tauchten in den letzten Wochen öfter auf. Er hat getestet, ob es mit dem Essen zusammenhängt. Er hat abends nichts mehr gegessen, so dass er Magendrücken ausschließt. Erfreut meinte er schon, die Ursache gefunden zu haben, bis er drei Nächte später die von ihm so gefürchtete Sequenz … Erneut driften seine Gedanken ab. Aber der Traum soeben war anders. Aber was war es nur?

Cian zuckt mit den Schultern. Es wird sicher nicht so wichtig sein oder ihm unvermittelt wieder einfallen. Er hat in der letzten Zeit immer öfter Alpträume, auf einen mehr wird es nicht ankommen. Er streckt seine Beine, dreht sich zur Seite und lässt sie über den Rand des Bettes hängen.

»Brr, ist das heute ungemütlich«, brummt er fröstelnd. »Incendere!« Die Holzscheite im Kamin, die er gestern vorsorglich aufgeschichtet hat, flammen auf. »Ich werde scheinbar langsam senil«, stellt er mit einem Grinsen fest. »Ich hätte abends besser ein dickeres Scheit auf die letzte Glut gelegt, dann wäre es jetzt nicht so ausgekühlt. Das ist eben der Nachteil, wenn man in einem alten Turm wohnt, selbst wenn es der berühmte »Giants Crown« ist, der einmal die letzte Zuflucht in der Königsburg des Ostens darstellte.«

Cian schüttelt den Kopf, als er kurz daran denkt, was hier vor zwei Jahrzehnten geschehen ist. Bei dem letzten Versuch der Dubharan, die Macht im Land an sich zu reißen, hatten sie es zuerst auf diesen Ort abgesehen. Sobald diese Festung in ihrer Hand sein würde, so hatten sie angenommen, würden nicht nur die verschiedenen Stämme der Menschen, sondern auch alle Elfenvölker sie als Herrscher anerkennen. Entsprechend heftig tobte der Kampf. Viele tapfere Menschen und Elfen aus allen Landesteilen ließen damals ihr Leben, genauso wie unzählige der verblendeten Anhänger der Dubharan.

Jetzt ist der Turm halb zerfallen und ragt als stilles Mahnmal aus den vielen Trümmerhaufen der einst stattlichen Burg. So sieht es zumindest aus, denn Giants Crown ist mehr als nur ein Mahnmal. Der Turm ist seit vielen Jahren der geheime Rückzugsort von Cian, der ihn in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzte. Danach sprach er einen mächtigen Tarnzauber, der den Turm für alle als Ruine erscheinen lässt, die derart zerfallen erscheint, dass sie keinesfalls bewohnbar sein kann.

Das war eine Kleinigkeit für ihn, der einer der drei Oberen aller Zauberer, der Elfen und Menschen, war. Doch er hat diesen Rang und die damit verbundene Verantwortung vor zwanzig Jahren abgegeben. Das war kurz nach dem zweiten Versuch der Dubharan, die Macht an sich zu reißen. Erneut gab es viele Verluste auf beiden Seiten in der letzten, blutigen Schlacht. Der alte Elf betrachtet die Innenseite seiner linken Hand, wo noch der Umriss einer Sonne zu erkennen ist, der aber kleiner als das ursprüngliche Symbol ist. Kaum jemand der jüngeren Elfen weiß, dass er einst einer der mächtigsten Magier gewesen ist, der an der Spitze der Elfenheere gegen die dunklen Zauberer in den Kampf zog.

Damals, vor vielen Jahren, war er als Ausbilder der magischen Fähigkeiten junger Elfen aktiv. Er wurde von diesen Jugendlichen geliebt und verehrt, da er ihnen gegenüber immer gerecht war und sie als gleichberechtigt ansah. Manch anderer Elf, Mann oder Frau, ließ sie ihre Jugend spüren. Die Erwachsenen verzogen keine Miene, wenn die jungen Elfen darüber sprachen, dass den Dubharan endlich klargemacht werden müsse, dass es für alle Seiten besser wäre, friedlich miteinander umzugehen. Dazu könne und müsse man manchmal einen Krieg beginnen, wenn dieses Ziel anders nicht zu erreichen ist. So sprachen die Jugendlichen. Die Erwachsenen wussten, dass dieser Ansatz nicht richtig ist, diskutierten aber nicht mit ihnen darüber. Cian verhielt sich anders. Sobald er von diesen Gedanken erfuhr, setzte er sich mit den Wortführern und allen, die dazu bereit waren, zusammen. Er führte ihnen vor Augen, welches Leid bereits in der Vergangenheit durch Auseinandersetzungen mit Waffengewalt entstanden war. Leider führten diese Gespräche auch dazu, dass ihm seine Schüler stets vertrauten. Er war ihr unumstrittenes Idol.

Bei dem zweiten Versuch der Dubharan, die Macht zu übernehmen, folgten diese Schüler Cian in die blutige Auseinandersetzung. Zu ihrem jugendlichen Ungestüm kam ihr blindes Vertrauen in ihren Herrn und Meister. In den vielen Unterrichtsstunden hatten sie sich immer auf sein Eingreifen verlassen können, sobald bei einem Zauberspruch etwas falsch lief. Das ist in einem Kampf natürlich von keinem Anführer, und sei er noch so ein mächtiger Zauberer, zu gewährleisten.

Cian sieht in manchen seiner Alpträume, wie viele seiner Schüler, für die er gerne sein Leben gegeben hätte, starben. Obwohl er damals bereits länger gelebt hatte, als viele andere Elfen, war es ihm nicht möglich, sein Leben gegen eines von ihnen zu tauschen. Seit diesen Ereignissen nahm er keinen Schüler mehr an. Er wollte sich nicht erneut emotional an ein junges Talent binden und es andererseits auch nicht in Situationen wissen, in der es möglicherweise auf sein Eingreifen vertrauend untergehen könnte.

Vor zwei Jahren kam es dann anders, als er es sich hatte vorstellen können. Er akzeptierte nach fast zwanzig Jahren einen jungen Elf als Schüler, seinen letzten, wie er sich fest vorgenommen hat: Finn!

Dieser Junge hatte ihn, wie er heute weiß, bei dem jährlichen Treffen aller Zauberer gezielt angesprochen. Bereits nach kurzer Zeit diskutierte er mit ihm über den Sinn des Lebens, fragte, ob es gerecht wäre, wenn junge Lebewesen, egal ob Mensch, Elf oder Tier, sterben müssten, wenn andererseits ältere ihrer Artgenossen leben dürften. Sofort sah Cian die Gesichter seiner Schüler vor sich, die ihn mit brechenden Augen scheinbar anklagten. Er wusste in diesem Moment nicht, wie er reagieren sollte. Wollte ihn der junge Elf anklagen, ihn mit etwas konfrontieren, wofür er ihn schuldig hielt? Er ballte seine Fäuste und Tränen traten in seine Augen. Er fühlte sich so unendlich schuldig, das musste ihm nicht extra gesagt werden. Doch Finn hatte anderes vor, er wollte diese Frage ohne Hintergedanken diskutieren.

»Ich weiß, dass sie auf ein langes Leben zurückblicken können«, führte er das Gespräch fort. »Gibt es einen bisher von mir nicht entdeckten Sinn darin, wenn Kinder vor ihren Eltern sterben, egal aus welchem Grund?« Überrascht schaute der alte den jungen Elf an, sah, dass seine Augen genau wie seine eigenen in Tränen schwammen. Cian erstarrte und grübelte. Alle Antworten, die ihm dazu einfielen, erschienen ihm platt und nichtssagend. Er straffte seine Schultern und schüttelte den Kopf.

»Ich kenne keinen!« Erneut schwiegen beide. Endlich setzte der junge Elf zu einer Antwort an und schluckte noch einmal. Seine Worte kamen leise, ohne vorwurfsvoll zu klingen.

»Ich habe vor Jahren meinen Onkel verloren. Er starb bei den letzten großen Kämpfen gegen die Dubharan. Ist ein möglicher Sinn darin zu sehen, weil er das Gute gegen das Böse verteidigte? – Meine Großeltern sind daran beinahe zerbrochen. Sie wollten es zuerst nicht akzeptieren, suchten nach Schuldigen, die sie dafür verantwortlich machen konnten. Sie waren einmal sogar so weit, allein gegen die letzten bösen Zauberer zu kämpfen, einfach nur, um etwas zu tun, was ihrer Wut über den frühen Tod ihres Sohnes ein Ventil bot. Ich sah sie oft weinen, doch langsam stellten sie sich dem geänderten Leben. Sie konzentrierten ihre Liebe, so schien mir jedenfalls, jetzt stärker auf mich. Ich habe lange Gespräche mit ihnen geführt und kenne mich mit fast allen Details aus dem kurzen Leben meines Onkels aus. – Ich weiß, dass er zuletzt bei ihnen, Cian, ausgebildet worden ist. Halt, bitte stehen sie nicht auf! Ich, ich brauche ihren Rat.« Der greise Elf hatte sich etwas erhoben, ließ sich dann aber doch wieder auf dem Sitz nieder. »Danke! – Mein Onkel hielt große Stücke auf sie, bewunderte ihre faire Art und Weise, mit möglichen Problemen umzugehen. Sie prüften stets alle Seiten, hörten jedes Argument und Gegenargument, bis sie einen möglichen Lösungsansatz boten, ohne jedoch auf dessen Richtigkeit zu bestehen. – Jetzt benötige ich diese klare Urteilsfähigkeit. Ich möchte einen besonderen Ausbilder bitten, meine magischen Fähigkeiten zu vervollkommnen.«

»Ich bilde niemanden mehr aus!«, flüsterte der Alte kaum hörbar.

»Ich weiß das. Möchte sie aber auffordern, meine Bitte mit ihrem Verstand zu untersuchen, nicht mit ihrem Gefühl. Entschuldigung«, unterbrach sich Finn, »ich weiß natürlich, dass es schwer für sie ist, gegen ihr Gefühl zu handeln, aber bitte, nutzen sie ihren messerscharfen Verstand, den mein Onkel so sehr bewunderte!«

»Dieser Verstand schaffte es aber nicht, deinen Onkel und so viele andere, talentierte und geliebte Elfen vor dem Tod zu bewahren. Vor einem Tod, den weder sie, noch ihre Eltern verdient hatten. – Nein. Mein Gefühl spricht dagegen!«

Obwohl jetzt Stille herrschte, stand Cian nicht auf, um zu gehen. Auf was wartete er? Vielleicht auf ein Argument Finns, genau diesen Verstand zu bemühen? Aber der junge Elf schwieg, schaute ihn nicht einmal an. Wenn Cian jetzt aufgestanden wäre, hätte ihn Finn sicher nicht zurückgehalten. Völlig unerwartet sagte der Jüngere dann doch etwas, leise und kaum vernehmbar.

»Der Sinn meiner Ausbildung bei ihnen wäre klar. Es geht darum, dass das Erlebte vieler Jahre, an einen wissbegierigen aber noch dummen Elf weitergegeben wird. Genauso wie die Kenntnisse über Zauber und das Wissen ihrer Anwendung. Vielleicht kann dadurch zukünftig der Tod Unschuldiger verhindert werden.«

Überrascht hob Cian seinen Kopf und dachte sofort:

»Von wegen dummer Elf. Das hast du dir doch lange und gut überlegt. Meinst du, möglicherweise mit Schmeicheleien zu erreichen, was schon viele vor dir vergeblich versuchten?« Ein jungenhaftes Lächeln huschte dabei über das Gesicht des Alten, der nun erwiderte:

»Ich werde es mir überlegen, verspreche aber nichts. Vermutlich werde ich dir sogar absagen. – Meine Fähigkeiten als Ausbilder wurden schon lange nicht mehr gefordert. Sollte ich dich doch nehmen, und ich sage ausdrücklich SOLLTE, dann musst du mir versprechen, mir nie blind zu vertrauen. Wäge stets ab, ob das, was du beabsichtigst, Sinn macht. – Und lass das blöde »Sie«, nenne einfach meinen Namen.«

»Ich kann ihnen … hm, dir, Cian, ja etwas dabei helfen, wenn deine Ausbildertalente etwas eingerostet sind. Gemeinsam schaffen wir es sicher! – Danke!« Jetzt spiegelte sich das Lächeln Cians in dem des Jungen, der wusste, dass er gewonnen hatte.

Der Elf schüttelt sich, um sich in die Gegenwart zurückzurufen. Er will jetzt zuerst frühstücken.

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9783742722058
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