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Josef Römelt

geb. 1957, Redemptorist, Inhaber des Lehrstuhls für Moraltheologie und Ethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt; Gastprofessor an der Accademia Alfonsiana und Gregoriana (Rom).

LITERATUR

Sigusch, V., Anti-Moralia. Sexualpolitische Kommentare, Frankfurt a. M. 1990.

Werz, N. (Hg.), Demografischer Wandel (Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft 25), Baden-Baden 2008.

Wider das Familienhurra in der Kirche

Im katholischen und evangelikalen Milieu rechtskonservativer Prägung grassiert ein unreflektierter bis ideologischer Familismus. Er treibt bisweilen groteske Blüten und dient mehr der Selbstbestätigung als der Nachfolge Jesu Christi. Denn das Christentum ist weder Familienreligion noch Fruchtbarkeitskult. Andreas Püttmann

Beginnen wir mit einigen Schlaglichtern aus dem katholischen Leben:

2007 nahm eine mir bekannte Theologin – Anfang 50, ledig, kinderlos – erstmals am Kongress „Freude am Glauben“ des „Forums deutscher Katholiken“ teil, wo ich referierte. Als konservative Katholikin passte sie eigentlich gut dorthin. Dachte ich. Aber als Eva Herman unter frenetischem Beifall ihre Hymne auf Ehe, Mutterschaft und Familie vortrug, wichen Freude und Identifikation meiner Freundin zusehends einer Beklommenheit. Sie fühlte sich unter diesen Familientrunkenen fremd. „Dahin geh’ ich nie wieder; sowas brauch’ ich nicht“, sagte sie später und meinte nicht nur die Rede der konfessionslosen TV-Prominenten, die zur Bannerträgerin der christlichen Sache hochstilisiert worden war.

Im November 2009 bescheinigte Martin Lohmann vom „Arbeitskreis Engagierter Katholiken“ in der CDU der jungen Bundesfamilienministerin Kristina Köhler (später: Schröder) gleich zu ihrem Amtsantritt, „sich selbst weder politisch noch persönlich mit Ehe und Familie befasst“ zu haben – nur weil sie erst verlobt und nicht schon verheiratete Mutter war. Unsinn natürlich, denn jeder Mensch befasst sich von Kind auf mit Ehe und Familie – der eigenen und anderen. Selbst kreuzbrave, ehewillige Spätzünder sind eben nicht davor sicher, wegen „Familien-Defiziten“ von Katholikensprechern dumm angerempelt zu werden.

Am 26.2.2012 beklagte der katholische Journalist Jürgen Liminski in der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“, Kinderlose hätten „in der Regel ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als selbst gut verdienende Väter oder Mütter, ohne wie diese etwas für die Zukunft der Gesellschaft getan zu haben“. Tut ein Priester nichts für die Zukunft der Gesellschaft? Oder eine passionierte ledige Lehrerin? Oder ein unverheirateter Ministerpräsident, der zwei Bundesländer bis weit über das Ruhestandsalter hinaus regierte?

Als 2012 die Spionage im päpstlichen Haushalt ruchbar wurde, wunderte man sich laut KNA-Korrespondent Johannes Schidelko im Vatikan, dass „ein ehrbarer Familienvater mit drei Kindern in geregelten Verhältnissen zu einem solchen Verrat fähig sein“ könne (kath.net 26.5.12). Der Familienstand als Ausweis der Seriosität, als schlagendes Indiz, es mit einem moralischen Gesamtkunstwerk zu tun zu haben? Wirkten an den großen Verbrechen der Menschheitsgeschichte nicht überwiegend Männer in „geregelten Familienverhältnissen“ mit, die ihre Ehefrauen und Kinder fürsorglich liebten?

Es ist offenkundig im christlichen Lebensalltag, was auch die Soziologie eruierte: eine hohe Affinität von Christ und „Familientyp“ (Klaus-Peter Jörns). Besonders Katholiken wird eine Tendenz zum „Familismus“ attestiert. Ihr Gefühl der Verbundenheit mit den Vorfahren ist überdurchschnittlich ausgeprägt, Verwandtenbesuche sind häufiger. Die gewünschte und die reale Kinderzahl kirchennaher Christen liegen höher als bei den Konfessionslosen. Religiöse Jugendliche machen sich das Lebensziel „Kinder haben“ um 20 Prozent häufiger zu eigen als Nichtreligiöse. Regelmäßige Gottesdienstbesucher erklären häufiger als Kirchenferne, nichts gegen „Leute mit vielen Kindern“ als Nachbarn zu haben. Auch weisen religiöse Menschen eine unterdurchschnittliche Scheidungsrate auf und ein überdurchschnittlich harmonisches Familienleben, jedenfalls wenn man die Selbstauskünfte zum Maßstab nimmt: „Gemeinsame Mahlzeiten sind uns wichtig“; „Wir sprechen viel miteinander“; „Wenn es Streit gegeben hat, gelingt es uns meist recht schnell wieder, uns zu versöhnen“; „In unserer Familie gibt es Wärme und Geborgenheit“. Soweit, so erfreulich.

TAKTLOSIGKEIT KATHOLISCHER FAMILISTEN

Die Kehrseite: katholische Taktlosigkeit gegenüber Menschen, die das Ideal verfehlen, eine Hypertrophie des Familismus, seine ideologische oder habituelle Überdrehung. Sie kann ganz harmlos daherkommen: in den Vorstellungsrunden kirchlicher Gremien erfährt man bisweilen mehr von der biologischen Fruchtbarkeit der Teilnehmer(innen) als von ihrer relevanten Sachkompetenz und beruflichen Ausbildung, den Gründen ihrer Entsendung oder Motiven ihrer Mitarbeit. Atmosphärischer Sieger ist, wer von der höchsten Kinder- und Enkelzahl zu berichten weiß. Selbst in Büchern mit wissenschaftlichem Anspruch, deren Autorenverzeichnis Werdegang, Wirkungsstätte, Ämter und Forschungsschwerpunkte der beitragenden Experten darlegen soll, drängt einem mancher seine privaten Lebensverhältnisse auf, auch wenn sie nichts mit dem behandelten Thema und der Qualifikation dafür zu tun haben. Ein respektabler Kardinal trat kurz vor der Emeritierung mit seiner Familieneuphorie in den Fettnapf, als er sich bei einer Rede vor frommen Kinderreichen zu der Aussage hinreißen ließ: „Eine Familie von euch ersetzt mir drei muslimische Familien.“

Schon weniger harmlos: die Genderkritikerin Gabriele Kuby, Kuratoriumsmitglied des „Forums deutscher Katholiken“, patzte im Herbst 2014, als sie mitten im Ukrainekrieg im Kreml einen von Putin-nahen Oligarchen organisierten Kongress „Große Familien und die Zukunft der Menschheit“ besuchte, zu dem sich auch westeuropäische Rechte vom „Front National“ oder der FPÖ ein Stelldichein gaben. Sie referierte dort sogar und durfte danach in der „Tagespost“ und auf „kath.net“ begeistert berichten – ohne ein Wort zu den Menschenrechten in Russland und zu Putins Hasskampagne gegen den Westen zu verlieren. Von den Leiden ukrainischer Familien ganz abgesehen.

Das notorische katholische Familienhurra könnte als kompensatorisches gerechtfertigt sein, wenn der Wert der Familie in der Gesellschaft verkannt würde. Doch das Gegenteil ist der Fall. Zwar mag es eine gewisse Geringschätzung der Rolle der Hausfrau und Mutter geben, wie die Debatte um das Betreuungsgeld zeigte, und eine überziehende „Antidiskriminierung“, etwa bei der Forderung nach „Öffnung“ der Ehe und Fremdkindadoption für homosexuelle Paare. Aber ideologische Frontalangriffe und praktische Rebellion gegen die Familie wie in den 68er-Jahren sind passé. 65 Prozent der Deutschen leben laut Emnid gern in ihrer klassischen ehelichen Familie; weitere 19 Prozent leben nicht so, würden es aber gern tun, nur jeder Zehnte lehnt dieses Lebensmodell ab. Der subjektive Stellenwert der Familie ist, so Allensbach-Chefin Renate Köcher, „außerordentlich hoch“: „Für das eigene Leben benennen konstant mehr als drei Viertel der Bevölkerung die Familie als wichtigsten Lebensinhalt.“ In der jungen Generation (bis 30 Jahre) ist der Wert von Familie sogar „so hoch wie nie zuvor“. Der Anteil der jungen Erwachsenen, der meint: „Man braucht eine Familie zum Glück“, stieg in den letzten 25 Jahren in Westdeutschland fast kontinuierlich von unter 50 auf beinahe 80 Prozent; im Osten lag er seit 1991 stets über 70 und erreicht nun ebenfalls fast 80 Prozent. Über 50 Millionen Menschen in Deutschland (ab 14 Jahre) finden es laut Allensbach „ganz besonders wichtig, sich für die Familie einzusetzen“. Über 90 Prozent der Bevölkerung nehmen auch bei Personen ihres sozialen Umfelds die Familie als „sehr wichtig“ (55 %) oder „wichtig“ (37 %) wahr. Ein Mehrbedarf an Bewusstseinsbildung für den Wert der Familie besteht daher wohl kaum. Dort, wo die Realität hinter dem Ideal zurückbleibt, wie es Scheidungsraten und die Zunahme von Patchworkfamilien zeigen, hat dies weniger weltanschauliche Gründe als zivilisatorische und tugendethische. Denen kommt man aber nicht mit Grundsatzpropaganda für die Familie bei.

KINDER ALS SOZIALKAPITAL, SINGLES ALS SCHMAROTZER

Wortführer der lauten katholischen Familienlobby reduzieren Kinder zum Sozialkapital und, je nach Bedarf, zur Lebensleistung oder Last, die eine größere finanzielle Kompensation verlange. Manche führen ihr Verdienst als Eltern, und sei es noch so bescheiden, ausdrücklich gegen die Demographiedienstversager ins Feld, welche die Familien „ausbeuteten“ und es sich gut gehen ließen. Da atmet man als derart ins Unrecht gesetzter Sozialschmarotzer erleichtert auf, wenn die F.A.Z. (12.4.14) titelt: „Deutsche Singles zahlen und zahlen“. Dass Singles auch reichlich an Familien oder gemeinwohldienliche Initiativen vererben, wird in den generationenübergreifenden Gerechtigkeits-Kalkulationen unterschlagen. Die Familisten-Forderungen nach immer mehr Geld vom Staat kommen einer faktischen finanziellen Vergesellschaftung von Kindern nahe – obwohl man eine staatliche „Lufthoheit über den Kinderbetten“ vehement zurückweist. Die katholische „Tagespost“ (2.5.2012) definierte Transfers zugunsten der Familie nicht mehr als Sozialleistung, sondern als „Honorar für eine erbrachte Leistung“. Sieht man es so, erscheint Erziehung bald nicht mehr als „Beschenkung mit Menschlichkeit“ (Johannes Paul II.) und „Schule der Unentgeltlichkeit“ (Benedikt XVI.). Sie wird zur Dienstleistung, die von Kindeserzeugern im Auftrag des Staates ausgeübt wird und eine entsprechende Bezahlung auslöst. Soll dies das christliche Familienbild sein? Hilfreicher wäre es, pragmatisch und flexibel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.

Es sollte selbstverständlich sein, muss aber immer wieder gesagt werden: das Christentum ist weder eine Familienreligion noch ein Fruchtbarkeitskult. Es wurde gestiftet von einem kinderlosen Single und wird in der katholischen Konfession auch geleitet von kinderlosen Singles. Trifft das mal nicht zu, ist es meistens ein Skandal. Auch in manchen profanen Berufen gehörten Kinderlosigkeit und Ledigenstatus bis vor wenigen Jahrzehnten sogar zum guten Ton; die Betreffenden sollten sich ganz und gar ihren Schutzbefohlenen widmen können. Auch die allermeisten zur Ehre der Altäre erhobenen Heiligen waren kinderlos.

ENGFÜHRUNG DES CHRISTENTUMS

Zudem kompromittiert ein ideologischer Familismus den Glauben, indem er sich anmaßend mit ihm identifiziert und seine katholische, „allumfassende“ Weite verengt: Hybride Formeln wie „Familie – das pure Christentum“ („Die Tagespost“, 22.12.2011) erwecken den Eindruck, die Frohe Botschaft begründe eine Religion für vornehmlich verheiratete, kinderreiche Personen. Damit verlören unsere Pfarrgemeinden, wo nach Streichung vieler Gottesdienste die „Familienmessen“ mancherorts schon das Monopol am Sonntagvormittag haben, das Einladende für alle Christen.

Dabei sollte das Bild von Familie, welches das Alte wie das Neue Testament zeichnet, eigentlich von einem allzu euphorischen Lobpreis der Blutsbande zurückhalten. Die schützen vor Mord und Totschlag, Habgier und Neid, Verrat und Unverständnis nämlich nicht. Jesus selbst wird offenbar von seiner Sippe verkannt („Er ist von Sinnen!“) und beantwortet die Frage: „Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder?“ schlicht so: „Wer den Willen Gottes erfüllt.“ Um seinetwillen, so prophezeit er, würden sich Familienmitglieder gegenseitig in den Tod schicken. Seine Apostel lassen ihre Familien zurück, um ihm nachzufolgen. In der Bergpredigt durchbricht Jesus das überlieferte Clandenken mit den wuchtigen Fragen: „Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden?“ Das Christentum kann also nur durch biblische Ignoranz oder Falschmünzerei zur Familienreligion stilisiert werden.

Andere ideologische Überformungen des Glaubens, etwa der religiöse Sozialismus oder Ökopazifismus, stießen bei Konservativen zu Recht auf Kritik. Für ihre eigene ideologische Deformation des Glaubens müssen sie erst noch sensibilisiert werden. Die Reaktionen sind dann aber meistens uneinsichtig und aggressiv. Den Splitter im Auge der Anderen sehen sie wohl, den Balken im eigenen Auge nicht.

Eine Szene aus einem diözesanen Pastoralrat: Mitglied X, Familienvater, schlägt, wie in jeder der halbjährlichen Sitzungen, unter „Verschiedenes“ vor, einen „Familienkongress“ abzuhalten. Welcher Gutmeinende wollte dagegen Einspruch erheben? Doch einmal meldet sich eine couragierte ältere Frau zu Wort und kontert: „Wir sollten unsere Aufmerksamkeit lieber mal auf die vielen Vereinsamten in unseren Großstädten richten“. Recht hat sie! Da wird nämlich von manchen, die lieber um die eigene Lebenswirklichkeit kreisen, eine pastorale Herausforderung ersten Grades übersehen. Womöglich nicht nur eine pastorale, sondern auch eine normative, vielleicht sogar theologische: denn der Wert einer erfüllten, Gott wohlgefälligen Existenz auf Erden bemisst sich nicht vorrangig an der Fertilität oder Bereitstellung künftiger Rentenbeitragszahler. Das Christentum bricht menschliches Nützlichkeitskalkül radikal auf.

Jeder stiftet dem Gemeinwohl seine Talente zu: der eine durch eine große Kinderschar und liebevolle Erziehung, der andere durch berufliche Spitzenleistungen mit außergewöhnlichem Arbeitseinsatz bis hin zu einer 60- oder 70-Stunden-Woche, der nächste durch seine vorbildliche Charakterstärke, die gegen die Dunkelheiten des grassierenden Egoismus, Opportunismus, Materialismus und Hedonismus wie ein Leuchtturm strahlt. Wieder ein anderer durch eine große Biographie des Gebets oder durch die unermüdliche Verkündigung der Frohen Botschaft. Und mancher vielleicht nur dadurch, dass er eine schwere Krankheit oder Behinderung mit vorbildlicher Tapferkeit und Demut ein Leben lang trägt, ohne zu jammern.

UNTERBELICHTET: DIE ETHIK DER FREUNDSCHAFT

Überlassen wir das Thema Familie also nicht den bloß Selbstzufriedenen, den Ideologen und den Materialisten, die einen Klassenkampf der Kinderreichen gegen die Kinderlosen predigen und das Glück der Elternschaft, das selbstverständlich mit Opfern verbunden ist, verdunkeln. Entdecken und schätzen wir als Christen neu die Vielfalt der Berufungen zu einem fruchtbaren Leben und auch die Vielfalt der Möglichkeiten, für Kinder da zu sein. Lassen wir nicht zu, dass das Christliche überwölbt und verfremdet wird durch das Rechtskonservative, für das Familie und Vaterland die höchsten Werte sind. Für den Christen sind sie es nicht. Was sich auch als ein Stück „Entweltlichung“ begreifen lässt: Nicht im Sinne einer Geringschätzung diesseitiger Lebenswirklichkeiten, sondern einer jenseitigen Perspektive, die weltliche Glücksmaßstäbe relativiert und den Sinn irdischer Pilgerschaft nicht darin sieht, in Nachkommenschaft „weiterzuleben“, sondern in der himmlischen Herrlichkeit Gottes.

Der Familienbegriff erstreckt sich heute, weit über die Kernfamilie hinausgreifend, für jeden Sechsten sogar auf „enge Freunde, Freundinnen“. Dies dürfte als kompensatorisch zu erklären sein angesichts der Verkleinerung der Kernfamilien und der häufigeren geographischen Zerstreuung der weiteren Familie durch die erhöhte berufliche Mobilität. Es ist daher an der Zeit, neben der kirchlichen Sorge für die Familie theologisch und seelsorglich auch eine Ethik christlicher Freundschaft zu pflegen, die ein Beziehungsnetzwerk der Liebe und Fürsorge dort gewährleisten hilft, wo kein „Blut zieht“. Für diese Erweiterung des Blickwinkels spricht nicht zuletzt ein Befund aus dem in 27 Sprachen übersetzten Bestseller „The Top Five Regrets of the Dying“ von Bronnie Ware. Sie begleitete auf der Palliativstation todkranke Patienten und schrieb auf, was diese im Rückblick auf ihr Leben bedauerten. Eines der fünf wichtigsten Versäumnisse: „Ich wünschte mir, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden aufrecht erhalten.“ Die hohe Bedeutung von Freundschaft würde vielen Menschen erst bewusst, wenn ihr eigenes Leben zu Ende gehe. Sie seien zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt gewesen, um sich genug Zeit für die Pflege von Freundschaften zu nehmen. „Jeder vermisst seine Freunde, wenn er stirbt.“

Andreas Püttmann

geb. 1964, Dr. phil., Politikwissenschaftler und freier Publizist; zuvor Wiss. Mitarbeiter und Referent für Begabtenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung; sein Buch „Gesellschaft ohne Gott. Risiken und Nebenwirkungen der Entchristlichung Deutschlands“ (2010) erscheint in vierter Auflage bei Gerth Medien.

LITERATUR

Püttmann, Andreas, Wertschätzung und Wandel von Familie – Empirische Erkenntnisse in christlicher Perspektive, in: Augustin, George / Kirchdörfer, Rainer (Hg.), Familie. Auslaufmodell oder Garant unserer Zukunft? Freiburg / Basel / Wien 2014, 99-113 (mit Quellenangaben der hier referierten empirischen Befunde).

Danke für Freundschaft, für Freundschaft in der Familie und für die (christliche) Familie!

Die Replik von Josef Römelt auf Andreas Püttmann

Als ich aufgrund meiner Behinderung zunehmend Probleme hatte, meine Texte am Computer mit der Hand zu schreiben, schaffte ich mir eine Worterkennungssoftware an. Sie setzt das gesprochene Wort in geschriebenen Text um. Um sie zu trainieren, musste ich einen Text vorlesen, der über den Umgang von Berufsgruppen mit der deutschen Sprache handelte. Er behauptete, dass vor allem Journalisten dazu neigen, neue Worte zu erfinden – für eine Erkennungssoftware natürlich ein Problem. Es ist leichter, Gewohntes wiederzuerkennen, als Neues und Ungewohntes zu identifizieren.

Das neue Wort vom Familismus scheint eine soziologische Erfindung zu sein. Meine Erkennungssoftware – modernste Technik – kennt diesen Begriff nicht, muss sich an dieses Wort gewöhnen. Es mag richtig sein, dass Menschen in einer Gesellschaft, die vor allem das Ungewöhnliche und das Neue wertschätzt, mit einer gewissen Härte Werte vertreten, die mit diesem Ausdruck „Familismus“ offenbar verbunden werden: Orientierung an lebenslanger Partnerschaft, Kinderreichtum und Glaubenstreue. Aber sozialwissenschaftliche Analyse lässt auch erkennen, dass der oft maßlose Druck, den die moderne Welt mit ihrer vor allem durch die ökonomischen Interessen geprägten Logik ausübt, die Lebbarkeit von Familie enorm belastet. Ist es hilfreich, die Grabenkämpfe zwischen den verschiedenen Familienformen zu vertiefen?

EINE CHRISTLICHE DEUTUNG VON FREUNDSCHAFT UND LIEBE

Vielleicht hilft eine Entfaltung christlicher Deutung von Freundschaft und Liebe weiter. Schon Thomas von Aquin nennt als Kennzeichen der Sakramentalität christlicher Ehe neben der Sichtbarmachung der Liebe Gottes und der Weitergabe des Lebens an Kinder die eheliche Freundschaft (!). Mit dem Wort Freundschaft versucht er, die emotionale Intimität und die gegenseitige Hilfe zu beschreiben, welche die Partner füreinander bedeuten. Genau diesen Gedanken hat das Zweite Vatikanische Konzil aufgegriffen und mit dem Wort der Freundschaft beschrieben, dass die Ehe nicht ein Vertrag, sondern ein Bund ist, den die Partner schließen (GS 49). Und es ist richtig: den Partnern helfen Freundschaften, welche ihre gemeinsame Lebenswirklichkeit nicht nur für den Austausch mit Kindern, also auf Familie im engeren Sinn hin öffnen, sondern in die weitere Vielfalt von Beziehungen. Ja, der katholische Weltkatechismus beschreibt auch das Zueinander zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern mit dem Wort der Freundschaft, die er als selbstlos auszudeuten versucht. Was diese Selbstlosigkeit meint, darüber kann man streiten. Ob sie jegliche sexuelle Kommunikation ausschließen muss oder nicht. Aber die moderne Theologie der christlichen Ehe und Familie denkt darüber nach, dass es gerade der Kernbegriff der Freundschaft ist, welche die innere Mitte, die personale Spontanität der Liebe, das vielfältig differenzierte Engagement von Menschen füreinander in den unterschiedlichen Familienformen gemeinsam kennzeichnen.

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