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c) Vielzahl von Messerstichen
555
Eine Vielzahl der Messerstiche beruht nicht auf Grausamkeit, wenn der Angeklagte dem Opfer nicht in gefühlloser unbarmherziger Gesinnung Schmerzen oder Qualen zufügen, sondern ersichtlich nur das für die Tötung erforderliche Maß einhalten wollte[133].
3. Gemeingefährliche Mittel
a) Grundsätzliches
556
Eine Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln liegt vor, wenn ein Mittel zur Tötung Verwendung findet, das in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Maßgebend ist nicht allein die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels, sondern dessen Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters[134]. Das Mordmerkmal „mit gemeingefährlichen Mitteln“ ist nicht erfüllt, wenn der Täter lediglich eine bereits vorhandene gemeingefährliche Situation zur Tat ausnutzt[135].
557
Eine mit gemeingefährlichen Mitteln begangene Tötung durch Unterlassen ist grundsätzlich nicht möglich; sie kommt nur dann in Betracht, wenn der Täter bei der Gefahrsetzung mit Tötungsvorsatz handelt[136].
b) Pistolenschüsse
558
Ein Schuss aus einer Pistole erfüllt diese Voraussetzung selbst dann nicht, wenn – was der Täter billigend in Kauf genommen hat – bei einem Tötungsversuch nicht der Gegner getroffen wird, sondern ein in einer Menschentraube befindlicher unbeteiligter Dritter[137].
c) Kraftfahrzeug als Tatwerkzeug
559
Auch ein an sich seiner Natur nach nicht gemeingefährliches Mittel wie ein Pkw, dessen Fahrer durch gewissenlose Fahrmanöver billigend in Kauf nimmt oder gar bezweckt, das Leben eines Mitinsassen, Fußgängers oder Insassen eines anderen Fahrzeugs zu vernichten, kann unter Umständen zu einer Gemeingefahr werden. So kann bei einer in Selbstmordabsicht vorgenommenen Geisterfahrt das Mordmerkmal der Gemeingefährlichkeit erfüllt sein, wenn der Pkw als Tötungsmittel in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat[138]. Der Fahrzeugführer, der im Rahmen eines versuchten erweiterten Suizids bei hoher Geschwindigkeit durch eine abrupte Lenkbewegung absichtlich einen Unfall herbeiführt, um sich selbst, aber auch seine Beifahrerin zu töten, bedient sich nur dann eines „gemeingefährlichen Mittels“, wenn in der konkreten Situation Folgeunfälle mit tödlichem Verlauf für die Insassen anderer Fahrzeuge drohen[139].
d) Steinwürfe von einer Autobahnbrücke
560
Ob bei Steinwürfen von einer Autobahnbrücke – Tötungsvorsatz unterstellt – das Tatbestandsmerkmal des „gemeingefährlichen Mittels“ erfüllt ist, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Gilt der Steinwurf einem bestimmten Fahrzeug (und wird auch nur dies getroffen), so schließt ein solcher (heimtückischer) Mordanschlag gegen die Fahrzeuginsassen, also bereits individualisierte Opfer, zwar die Annahme, der Täter habe ein gemeingefährliches Mittel verwendet, nicht von vornherein aus. Allerdings wird eine tödliche Gefahr für eine Vielzahl von Menschen zumeist nur dann bestehen, wenn dichter Verkehr herrscht und deshalb Folgeunfälle drohen, bei denen die Insassen anderer Fahrzeuge tödliche Verletzungen erleiden können. Auch wenn der Täter bei seinem Steinwurf noch kein bestimmtes Fahrzeug im Auge hat und ein Fahrzeug eventuell noch nicht einmal in Sicht ist, genügt die Gefahr, die von dem auf der Fahrbahn liegenden Stein für ein einzelnes, sich annäherndes Fahrzeug ausgeht, im „Normalfall“ noch nicht, um einen Mord oder Mordversuch mit gemeingefährlichen Mitteln anzunehmen. Etwas anderes wird gelten, wenn etwa ein vollbesetzter Omnibus mit dem Stein kollidiert oder Folgeunfälle mit tödlichen Verletzungen drohen[140].
Teil 4 Vorsätzliche Tötungsdelikte › A › IV. Mordmerkmal des besonderen Tatmotivs
IV. Mordmerkmal des besonderen Tatmotivs
561
In der 1. Gruppe der Mordmerkmale werden Tötungen aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier und aus sonstigen niedrigen Beweggründen erfasst.
1. Niedriger Beweggrund
a) Grundlegendes
aa) Definition
562
Ein Beweggrund ist niedrig, wenn er „nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist“[141], wobei eine Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der seelischen Situation des Täters zu erfolgen hat[142]. Dass der Täter womöglich nur mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat, schließt das Vorliegen niedriger Beweggründe nicht aus[143].
bb) Motivbündel
563
Entspringt das Handeln des Täters verschiedenen Motiven (Motivbündel), ist der Beweggrund zu ermitteln, der der Tat ihr Gepräge gegeben hat[144]. Nur wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche die Tat prägen, als besonders verwerflich einzustufen sind, kann die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen beruhen[145]. Der tatrichterliche Beurteilungsspielraum besteht auch, soweit der Tatrichter bei Motivbündelung die für den Angeklagten bestimmenden Motive in ihrer Gesamtheit nicht als niedrig im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB wertet[146].
cc) Gesamtwürdigung
564
Bei der Prüfung, ob objektiv niedrige Beweggründe gegeben sind, sind die persönlichen Verhältnisse und die innere Verfassung des Täters und seine Persönlichkeit sowie das zur Tat führende Geschehen einzubeziehen[147]. Es ist eine Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der seelischen Situation des Täters vonnöten, insbesondere bei Verzweiflungstaten[148].
dd) Beurteilungsspielraum
565
Bei der Bewertung der Niedrigkeit von Beweggründen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann. Hat das Tatgericht die allgemeingültigen Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt erschöpfend gewürdigt, ist dies revisionsrechtlich hinzunehmen, selbst wenn ein anderes Ergebnis möglich oder sogar näherliegend gewesen wäre[149].
ee) Absehen von Höchststrafe in Ausnahmefällen
566
Fortwährend erduldete gravierende Kränkungen durch das Opfer können es im Fall heimtückischer Tötung gebieten, von der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe abzusehen[150].
b) Die objektiven Voraussetzungen der „Niedrigkeit“
aa) Fehlen eines triftigen Grundes
567
Tatmotive wie Wut, Zorn, Verärgerung oder Eifersucht[151] kommen ebenso wie Hass und Rachsucht[152] nur dann als niedriger Beweggrund in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, also nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind[153]. Beruhen diese tatauslösenden und tatbestimmenden Gefühlsregungen dagegen auf dem (berechtigten) Gefühl, (schweres) Unrecht zu erleiden, und entbehren sie damit nicht eines triftigen, jedenfalls nachvollziehbaren Grundes, spricht dies dagegen, von einem „niedrigen“ Beweggrund im Sinne der Mordqualifikation zu sprechen[154].
bb) Krasses Missverhältnis zwischen Tatanlass und Tötung
568
Auf einem objektiv niedrigen Beweggrund beruht die Tat auch dann, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen Tatanlass und Tötung besteht[155]. Dieses Missverhältnis kann aber auch Hinweis auf eine Affekttat sein[156].
cc) Fehlende moralische Rechtfertigung der Tat
569
Die Niedrigkeit der Beweggründe für ein Tötungsdelikt ergibt sich nicht schon allein aus der fehlenden moralischen Rechtfertigung der Tat[157]. Dass ein Angeklagter den Käufer von Betäubungsmitteln aus Wut über die Nichterfüllung seiner Geldforderungen zu töten versucht, begründet nicht zwingend das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe[158].
dd) Tötung eines Angreifers nach Tatprovokation
570
Nichts anderes gilt für die Tötung eines Angreifers in Kenntnis eines aufgrund eigener Tatprovokation nur eingeschränkten Notwehrrechts[159].
c) Die subjektiven Voraussetzungen der „Niedrigkeit“
aa) Bewusstseinslage des Täters
571
Für das Vorliegen der subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe ist zumindest erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Täter die Mordmerkmale subjektiv in ihren tatsächlichen Voraussetzungen erfasst. Er muss die Umstände kennen und mit seinem Bewusstsein erfassen, welche es gebieten bzw. rechtfertigen, seinen Handlungsantrieb als „niedrig“ einzustufen. Lediglich unbewusste Handlungsantriebe haben außer Betracht zu bleiben, denn das Schuldprinzip setzt voraus, dass die die Tat charakterisierenden Motive und Absichten als Merkmale des subjektiven Tatbestandes nur dann berücksichtigt werden dürfen, wenn sie auch in das Bewusstsein des Täters vorgedrungen sind. Die – rechtliche – Bewertung der Handlungsantriebe als „niedrig“ braucht der Täter jedoch nicht vorzunehmen oder nachzuvollziehen; auf seine eigene Einschätzung oder rechtsethische Wertung kommt es nicht an. Der Täter muss nur zu einer zutreffenden Wertung in der Lage sein[160]. Bei Mord aus niedrigen Beweggründen ist die Annahme, der Täter sei sich bei der Begehung der Tat der besonderen Verwerflichkeit seines Tuns nicht bewusst gewesen, umso eher zu verneinen, je schwerwiegender die Tat ist[161].
bb) Beherrschbarkeit gefühlsmäßiger oder triebhafter Handlungsimpulse
572
Soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen wie Verärgerung, Wut, Hass, Rache oder Zorn sein Handeln angetrieben haben, muss es ihm – subjektiv – möglich gewesen sein, seine – objektiv – niedrigen Motive gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern[162]. Damit wird nichts anderes als Vorsatz und Vorwerfbarkeit in Bezug auf das Mordmerkmal verlangt[163]. Diese Einschränkung soll allerdings nicht gelten, wenn die Voraussetzungen der Mordlust erfüllt sind[164].
cc) Grenz- oder Problemfälle auf der Bewusstseinsebene des Täters
573
Ob auch die erforderliche subjektive Komponente des Mordmerkmals zu bejahen ist, bedarf im Einzelfall der sorgfältigen Prüfung[165].
(1) Spontantaten
574
Ob sich der Täter bei Tatbegehung der Umstände bewusst gewesen ist, die die Beweggründe besonders verachtenswert erscheinen lassen, und ob er auch imstande war, seine niedrigen Motive gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern, erscheint häufig bei Gewalttaten zweifelhaft, die sich ohne Plan und Vorbereitung plötzlich aus der Situation in Sekundenschnelle entwickeln (plötzliche Situationstaten, Spontantaten)[166]. Die Annahme niedriger Beweggründe ist zwar auch bei einer Spontantat nicht gänzlich ausgeschlossen. Spontanität des Tatentschlusses kann im Zusammenhang mit der Vorgeschichte und psychischen Verfassung des Angeklagten aber zumindest Anlass sein, die subjektive Seite des Mordmerkmals besonders sorgfältig zu prüfen[167].
(2) Alkohol, Drogen, Affekt
575
Massive drogeninduzierte Wahrnehmungseinschränkungen rechtfertigen die Ablehnung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe, wobei auch das vom Angeklagten genannte, ihm nachteilige Tatmotiv u.U. nur vorgeschoben ist[168]. Das Gesagte gilt erst recht, wenn die Schuldfähigkeit alkoholbedingt beeinträchtigt[169] oder das Tötungsdelikt unter der kumulativen Wirkung von Drogen und Alkohol in einem affektiven Durchbruch begangen worden ist[170]. Auch wenn die Voraussetzungen des § 21 StGB noch nicht begründet sind, schließen Besonderheiten in der geistig-seelischen Befindlichkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat die Möglichkeit einer Einschränkung der subjektiven Komponente der niedrigen Beweggründe nicht aus[171]. Bei „eklatanter Kurzsichtigkeit und Kopflosigkeit der spontanen Tötungshandlung“ eines Angeklagten, der über eine ganz ungewöhnlich niedrige Frustrationstoleranz verfügt, kann bei affektiver Motivation die Annahme gedanklicher Beherrschung und willensmäßiger Steuerung seiner tatlenkenden gefühlsmäßigen Regungen in Frage stehen[172].
(3) Persönlichkeitsmängel
576
Persönlichkeitsstörungen können, vor allem im Zusammenwirken mit weiteren psychischen Beeinträchtigungen, der Annahme der subjektiven Voraussetzungen von niedrigen Beweggründen entgegenstehen, falls aufgrund des geistig-seelischen Zustandes der Angeklagte außer Stande war, die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in sein Bewusstsein aufzunehmen und seine gefühlsmäßigen und triebhaften Regungen entsprechend zu beherrschen und willensmäßig zu steuern.[173]. Die Fähigkeit zu einer zutreffenden Bewertung der eigenen Handlungsantriebe kann im Einzelfall infolge eines Persönlichkeitsmangels fehlen[174], selbst wenn der Schweregrad des § 21 StGB nicht erreicht wird[175]. Hierfür bedarf es in der Regel der Aufklärung des Tatmotivs[176].
(4) Gewalttäter aus „fremden Vorstellungswelten“
577
Auch im Zusammenhang mit innerfamiliären Gewalttaten von Ausländern kann womöglich bei Tätern, die aus einfachsten Verhältnissen stammen, strikt nach den Moral- und Wertvorstellungen ihrer Heimat leben, nach einem autoritär-patriarchalischen Weltbild erzogen worden sind und die totale Unterwerfung bzw. Entrechtung einer Frau und nötigenfalls auch ihre Bestrafung vielleicht für das Natürlichste der Welt halten, die subjektive Tatbestandskomponente zweifelhaft erscheinen.
578
Über Jahrzehnte hinweg bis Mitte der 90er-Jahre galt unangefochten, dass bei der Bewertung des Beweggrundes als niedrig auch die Anschauungen und Wertvorstellungen zu berücksichtigen seien, denen die Täter wegen ihrer Bindung an eine fremde Kultur verhaftet seien[177]. Diese Rechtsprechung ist mittlerweile überholt.
579
Die derzeit gültige Rechtsauslegung soll kurz anhand eines in Anatolien aufgewachsenen Angeklagten skizziert werden, der seine Ehefrau erstochen hatte. Nach Auffassung des BGH[178] stand seine Tat objektiv auf niedrigster moralischer Stufe, da er seiner Ehefrau nur deshalb das Lebensrecht abgesprochen hatte, weil sie sich von ihm wegen seines unerträglich gewordenen Verhaltens, insbesondere seiner Misshandlungen trennen wollte. Bei der Gesamtwürdigung, ob ein Tötungsmotiv als niedrig einzuschätzen sei, sei nicht auf die Herkunft des Angeklagten aus einem anderen Kulturkreis abzustellen. Der Maßstab für die objektive Bewertung eines Beweggrunds sei allein den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen, in der der Angeklagte lebe und vor deren Gericht er sich zu verantworten habe, und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe, die sich den sittlichen und rechtlichen Werten dieser Rechtsgemeinschaft nicht in vollem Umfang verbunden fühle.
580
Für das Vorliegen der subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe genüge, dass der Täter die Mordmerkmale subjektiv in ihren tatsächlichen Voraussetzungen erfasse; er müsse die Umstände kennen und mit seinem Bewusstsein erfassen, welche die Bewertung seines Handlungsantriebes als niedrig begründen. Er müsse nur zu einer zutreffenden Wertung in der Lage sein; die Fähigkeit dazu könne jedoch bei einem ausländischen Täter fehlen, der den in seiner Heimat gelebten Anschauungen derart intensiv verhaftet sei, dass er deswegen die in Deutschland gültigen abweichenden sozialethischen Bewertungen seines Motivs nicht in sich aufnehmen und daher auch nicht nachvollziehen könne. Es sei im konkreten Fall nichts dafür ersichtlich, dass sich der Angeklagte nach anatolischen Wertvorstellungen für berechtigt halten durfte, seine Ehefrau ständig zu misshandeln und schlussendlich zu töten.
d) Fallkonstellationen zum niedrigen Beweggrund
aa) Tötung des Intimpartners in der Trennungsphase
581
Nicht jede Tötung eines Intim- oder Ehepartners, nur weil der sich vom Täter abwenden wollte, beruht auf niedrigen Beweggründen. Es können vielmehr Gefühle der Verzweiflung und der inneren Ausweglosigkeit einer solchen Annahme entgegenstehen[179]. Davon ist auszugehen, wenn der Täter die Trennung nicht akzeptierte, weil er die gemeinsame Tochter nicht verlieren wollte und eine Entfremdung von diesem Kind befürchtete, zu welchem eine besonders starke Bindung bestand[180].
bb) Eifersucht als Triebfeder
582
Ebenso wie Rache, Wut oder Hass kann auch Eifersucht im Einzelfall einen niedrigen Beweggrund darstellen, wenn sie jeglichen nachvollziehbaren Grund entbehrt. Dies hat der BGH mehrfach[181] hinsichtlich solcher Täter bejaht, die aus verschmähter Liebe getötet hatten, weil sie ihre Opfer, zumeist wehrlose Frauen, „keinem anderen gegönnt hatten“ und sie umbrachten, „damit sie auch kein anderer bekommt.“ Entsprechendes gilt, wenn der Täter seinen Nebenbuhler aus krasser, übersteigerter Eifersucht tötet, weil er beide, den Nebenbuhler und dessen Geliebte, „einander nicht gönnt“[182].
583
Wer sich hingegen von seinem Freund gekränkt, verraten und hintergangen fühlt und nicht verkraftet, dass der Betreffende unter Missbrauch seines Vertrauens die Beziehung auseinandergebracht hat, handelt auch bei unbedingtem Tötungswillen nicht aus niedriger Gesinnung[183].
584
Niedrige Gesinnung ist auch zu verneinen, wenn der Täter ernsthaft eingeplant hatte, sich selbst zu töten[184].
cc) Kindestötung durch die Mutter bei oder nach der Niederkunft
585
Auch nach Aufhebung des § 217 StGB a.F. durch das 6. StrRG[185] wird, selbst wenn die Täterin mit der Kindestötung während des Geburtsvorgangs und nach der Geburt auch eigene Interessen verfolgt, die Annahme von Mord nur ausnahmsweise in Betracht kommen, weil ein gewisses Maß an Eigennutz bei der vorsätzlichen Tötung eines anderen regelmäßig mit im Spiel ist und deshalb die Qualifikation der Tat als Mord noch nicht ohne Weiteres rechtfertigt[186]. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Tat von besonders krasser Selbstsucht geprägt ist[187].
586
Bei einer Kindestötung in und nach der Geburt ist stets zu prüfen, ob die körperliche und seelische Belastung der Gebärenden der Annahme niedriger Beweggründe entgegensteht oder ob, falls entsprechende objektive Umstände vorliegen, sie diese auch subjektiv in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in ihr Bewusstsein aufgenommen hat[188].
dd) Gewalt gegen das schreiende Kleinkind
587
Ist leitendes Tatmotiv die Verärgerung über das ständige Weinen des Kindes, verbunden mit dem Bestreben, „Ruhe vor dem schreienden Kind zu haben“, wird dies längst nicht immer das Merkmal des niederen Beweggrundes erfüllen, so etwa dann, wenn der oder die ohnehin leicht reizbare Angeklagte nervlich überfordert war und es deshalb – und nicht aus verwerflicher Gesinnung – zu einem Aggressionsdurchbruch und der Gewaltanwendung gegen das Kind kam[189].
ee) Verdurstenlassen eines Kleinkindes aus Selbstsucht
588
Neben Grausamkeit ist auch Mord aus niedrigen Beweggründen anzunehmen, wenn eine Mutter aus Egoismus ihr Kleinkind sehenden Auges verdursten lässt[190].
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