Читать книгу: «Hitler 1 und Hitler 2. Das sexuelle Niemandsland», страница 17

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Eva Braun – »die unglücklichste Frau Deutschlands«

23. Zeuge – Hitlers vierter »Leibfahrer« Erich Kempka

Erich Kempka war Hitlers Fahrer von 1932 bis 1945 – nach Emil Maurice (1921–1927) und alsdann neben und nach Julius Schreck (1928–1936). Kempka äußerte sich 1947 in seinem Verhör durch den Nürnberger Anklage-Vertreter, den US-Richter Michael Musmanno, über die Frau-Mann-Bedingungen beim Paar Braun-Hitler. Kempka beschrieb Brauns Existenz an der Seite Adolf Hitlers: »Sie war die unglücklichste Frau in Deutschland.« (Kempka 47)

Von Hitler ist seit Langem bekannt, dass er ein Auto-Narr war. (Ullrich, S. 449 ff.) Doch verblüffenderweise konnte er selbst nicht fahren. (a. a. O., S. 450) Ein Verhaltensmerkmal, dessen genital-bezügliche Interpretation im Moment ausgespart wird.

Hitler hätte zu Anfang seines Lebens als Hitler 2 in München ab Ende November 1918 genug Zeit und auch Gelegenheiten gehabt, das Autofahren zu erlernen. Er leistete sich stattdessen mit seinen »Leibfahrern« schon zu seiner Frühzeit eine intimst denkbare Seit-an-Seit-Busenfreundschaft, indem er immer vorn auf dem Beifahrer-Sitz saß und seine Lenkrad-Steuerer oft zu den tollsten Über-100-Stundenkilometer-Geschwindigkeiten ankitzelte, um in seinen Mercedes-Benz-Gefährten gemeinsam mit seinen Chauffeuren durch die Gegend zu rasen. Nicht nur sausende Geschwindigkeit nach vorn, sondern auch Emotions-Speed zur linken Seite hin, zu seinen immer selben »Leibfahrern«, ist belegt = ganz enge siebenjährige Freundschaft mit Emil Maurice bis zum Geli-Maurice-Verlobungs-Knatsch im Dezember 1927.

Beim Tod von Hitlers nächstem »Leibfahrer« Julius Schreck 1936 war Hitler so tief ergriffen, dass er sich ähnlich wie nach dem gewaltsamen Tod seiner Nichte Geli Raubal 1931 für einen lebensgeschichtlichen Moment zurückziehen musste. (a. a. O., S. 631)

Wenn ein noch ziemlich junger Mann von Anfang zwanzig in eine solche Gefühls-Siedehitze von Hitler gebracht wurde, öffneten sich auch andere Befindlichkeits-Poren. Erich Kempka (1910–1975) nahm seinen Dienst bei Hitler als »Leibfahrer« mit 21½ Jahren auf – am 29. Februar 1932, weil er zu dieser Zeit in Hitlers SS-Begleitkommando kam und der Vertreter von Hitlers damals »erstem [Leib]Fahrer« Julius Schreck geworden war. Das alles geschah genau im Monat vor Beginn der engeren Beziehung zwischen Braun und Hitler im März 1932.

Also ist Wahrheit über Hitlers sexuelle Angelegenheiten wieder aus einer menschlichen Nähe zwischen ihm und jemandem zu pressen. »Leibfahrer« Erich Kempka kannte auch Eva Braun genau. Er fuhr sie meist, wenn sie während Hitlers Anwesenheit in dessen Münchener Wohnung am Prinzregentenplatz zu ihm zu Besuch geholt werden sollte. Kempka gab zu Protokoll, dass ab 1932 keine andere Frau mehr außer Eva Braun in Hitlers Auto sitzen durfte. (Kempka 47, Lambert, S. 254)

Trotzdem definierte dieser junge Mann und Hitlers Auto-Alter-Ego seine Generations-Genossin Eva Braun als »unglücklichste Frau in Deutschland«.

Das tat Kempka nicht wie viele seiner 22 Vorzeugen aus der statischen Nähe eines Arztes, Dieners, Freundes, Verwalters oder sonstigen Funktionsträgers oder der Position einer der vier Sekretärinnen, sondern aus der Rolle von Hitlers Auto-Sausebraus, des »Leibfahrers«, mit dem routinemäßig durch Deutschland gekurvt wurde, was Hitler lieber tat als zu fliegen oder mit der Bahn zu fahren.

Mit »unglücklichster Frau in Deutschland« war gemeint, dass »Leibfahrer« Kempka den Stab über der sexuellen Erfüllung Eva Brauns brechen wollte. Dass Kempka mit der Bemerkung, Braun sei »die unglücklichste Frau in Deutschland«, tatsächlich sexuelles Unglück hat treffen wollen, ergibt sich aus Kempkas eigenen Lebensbedingungen. Er selbst war verheiratet und wusste aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, »eine Frau glücklich zu machen«. Er war blutjung und nur eineinhalb Jahre älter als Eva Braun, beobachtete sie demnach auch altersmäßig aus nächster Nähe.

Kempka entstammte einer Bergmann-Familie mit zehn Kindern. Noch wichtiger für sein Urteil: Er war mit einer Frau verheiratet, die vor ihrer Ehe beruflich auf sexuellem Gebiet tätig gewesen war. Sie durchschaute die Dinge der Horizontalen schneller und leichter als andere Menschen – aus einem Fachfrau-Hintergrund, auch wenn dieser das halbseidene Gewerbe betraf, wie damals verächtlich über solche Frauen gesprochen wurde.

Pikanterweise hatte Frau Kempka auch ein loses Mundwerk, mit dem sie ungeniert ihre Einschätzungen über eben dieses »ganzseidene Gewerbe« sämtlicher Paare unter der Hitler-Entourage in Umlauf brachte. Bormann verlangte schließlich von Kempka die Scheidung von dieser Frau. Das Paar absolvierte sie wie mit linker Hand im Oktober 1944, blieb jedoch weiterhin miteinander verbunden. Alle Einzelheiten darüber sind in den Briefen Bormanns an seine sittenstrenge, stumme, zehnfach gebärende Mittäter-Gattin Gerda in den Monaten vor der Kempka-Scheidung 1944 zu finden. (Trevor-Roper 54)

Wieder wurde eine Frau aus dem engeren Kreis um Hitler verbannt, weil sie wie das österreichische Mädchen vom Lande, das Zimmermädchen Anna Plaim-Mittlstrasser (14.), zum Glas-klaren Durchblick in intimen Dingen fähig war. Solche genauen Wahrnehmungen in sexuellen Dingen fürchtete Hitler wie die Pest. Die Bestrebung, seinen »Leibfahrer« Kempka zur Scheidung zu bringen, ging von Hitler selber aus. (a. a. O.)

Kempka gab seine Einschätzung von der sexuellen Pleite im (»Berg«)Hause Hitler gleich nach 1945 zu Protokoll. Sein Verdikt über Eva Braun als »unglücklichste Frau Deutschlands« wirkte noch im Jahre 2000 auf die US-Dokumentaristin Marion Milne so überzeugend, dass sie es in ihren Film Adolf and Eva einbaute (Premiere am 29. April 2001). (Lambert, S. XI f., Anm. 5, S. 254)

HETERO

Das »Kunst«gewerbe »des Weglassens«

Wie präsentiert man einen Mann, der – auch für jeden Hitler-Biografen belegtermaßen ersichtlich – auf sexuellem Gebiet von der Norm abwich, als stinknormalen Hausherrn mit Zubehör-Weib?

So tat es Volker Ullrich in seiner zweitjüngsten, immer noch aktuell frischen, Zeugnis-überquellenden 1100 Seiten langen Hitler-Gesamt-Biografie von 2013 (erster Teil) – Englisch 2016: Man lässt von dem »Trauermarsch« der Anti-Hetero-Zeugen, den bisher 23 vorbeidefilierten Daumen-Runter-Haltenden, als Erstes einfach 15 weg.

In Ullrichs zwei Kapiteln zu Hitlers Heterosexualität, Hitler und die Frauen und Die Berghof-Gesellschaft, und in den zwei Jugend-Abrissen Die Wiener Jahre und Das Schlüsselerlebnis des Krieges kommen nur acht Nein-Zeugen zu Wort: NSDAP-Schatzmeister Schwarz (2.) = »platonisch« (Ullrich, S. 918, Anm. 108), Sekretärin Schroeder (3.) = »Scheinverhältnis« (S. 321), Auslands-Spezialist Hanfstaengl (4.) = »impotent« (S. 911, Anm. 4), Berghof-Hausverwalter Döhring (5.) = »keine Bett-Spuren« (S. 689), Jünglings-Intimus Kubizek (7.) = »Asket« (S. 54), Co-Meldegänger Brandmayer (10.) = »Klosterbruder« (S. 76), SA-Finanz-Spezialist Otto Wagener (19.) = »Überwindung« des Sexualtriebs (S. 322), Duzfreund und erster »Leibfahrer« Emil Maurice (22.) = »kein Geschlechtsverkehr mit Liebschaften!« (S. 305).

Zwischen einer und drei Zeilen werden von Ullrich zu jedem Zeugen gebracht, manchmal steht nur ein Wort da – in einem 1100-Seiten-Buch über Hunderte Seiten ohne Zusammenhang verstreut, mit Seite 54 anfangend, der ersten Erwähnung des Problems, bis zu Seite 918 im Anmerkungsapparat – hier nicht einmal im Text.

Ullrichs zwei Mitteilungen der negativen Bewertung von Hitlers Sexualität durch Schwarz (2.) und Hanfstaengl (4.) unter den Anmerkungen zählen wie nur halb, da viele Leser von Ullrichs riesigem Konvolut es nicht bis zum Studium jeder Fußnote schaffen können. Damit schrumpfen die acht auf sieben.

Und Otto Wagener (19.) mit seiner brisanten Wiedergabe von Hitlers verschlüsseltem Bekenntnis, nie den spezifisch männlich-sexuellen, phallisch-vaginalen Eindrangs-Trieb gehabt zu haben, wurde unter den Seitenzahlen im Personen-Register vergessen. Dann ist diese Passage für den Querleser und Überflieger unauffindbar – macht lediglich sechs Neins. Die Zahl der von Ullrich weggelassenen Neins steigt dadurch auf 17, die – wie sich noch ergeben wird – längst noch nicht alle erreichbaren Zeugen sind. Die Neins werden im Laufe der Untersuchung zu Hitlers Heterosexualität auf über 40 steigen.

Die Ullrich’sche Schieflage bedeutete nichts, wenn es nicht um etwas Jahrhundert-Essentielles ginge – um die Erkrankung des umfänglichsten Zerstörers der Welt an der Reagibilität seines speziellsten Organs, das und dessen kommunikative Tätigkeit Sitten-dogmatisch nicht bei Tisch und in Gesellschaft benannt, geschweige denn von früh an erforscht werden darf. (Und kein Protest von Sexualwissenschaftlern gegen diese Strangulierung von Forschung und Lehre!)

Das Häuflein der sechs/acht Aufrechten zum Thema Hitlers abartige Sexualität ist in Ullrichs Hitler-Biografie von keinem noch so sexual-bezüglich interessierten Lesenden in einen Zusammenhang zu bringen, der jemals in dem Aha münden könnte: Ach so, Hitler = serienkillend Orgasmus-defekt.

Besonders die weggelassenen 15 Zeugen wider die sexuelle Normalstatur Adolf Hitlers erlaubten es Ullrich, Hitler den Normalmann-Anzug maßgeschneidert anzupassen. Das wiegt schwer, weil Ullrich – mit zwei Ausnahmen – alle übrigen 13 Nein-Zeugen und ihre Bemerkungen kennt und sie trotzdem bei seiner Beschäftigung mit Hitlers Sexualität nicht zu Wort kommen lässt. Erst wenn Ullrich die 15 Gemiedenen vorgehalten werden, tritt sein Verfahren der Aussparung deutlich hervor, mit dem er es sich erlauben konnte, den Weg in die sexuelle Abnormität Hitlers nicht gehen zu müssen.

Erstens: Hoffmann (1.) – Es beginnt sogleich mit dem ersten Zeugen, dem Stifter des Braun-Hitler-Verhältnisses, Fotograf Heinrich Hoffmann, der von Ullrich um die 40-mal herangezogen wird – nicht mit Hoffmanns heterosexuellem Todesurteil, Hitlers Verhältnis zu Eva Braun »war immer ein platonisches«. Wegen Hoffmanns Wort »immer« hätte die Akte über Hitlers Heterosexualität eigentlich geschlossen werden können. Gerade Ullrich muss vorgeworfen werden, dass er dieses Kurz-und-Bündig-Ergebnis zu Hitlers nicht-existierender Heterosexualität für weitere unabsehbare Jahre Hitler-Forschung verhindert hat.

Zweitens: Linge (6.) Bei Ullrich fehlt ausgerechnet eine der Zeugen-Hauptfiguren – Hitlers zweiter Leibdiener Heinz Linge – mit ihrer Einsicht über Eva Brauns Schicksal an Hitlers Seite: »als Bettgenossin ein entsagungsvolles Leben.« Diese fünf Wörter sind so einprägsam wie Döhrings »unbefleckte Laken«, erst recht Linges Stabbruch über »Hitlers Verhältnis zu Eva Braun«, das »eindeutig unnormal« gewesen sei. Anstatt Linge aus dem Buch Hitler zu zitieren, widmet sich Ullrich dem »Widerrufs-Linge«, (Ullrich, S. 689) den er zum Ja-Sager umpolt, dieser Vorgang bekommt in AMORO eine ausführliche Behandlung (2. Ja-Sager).

Ullrichs sechsmal Ja – das hält die Waage mit Ullrichs Sechs-Komma-Zwei Neins (sechs im Text, zwei in den Anmerkungen). Und schon steht der heterosexuelle Hitler Kerzen-gerade da.

Drittens: Hanisch (8.) – wesentlich wegen Hanischs Hinweis auf Hitlers Mädchen-Phobie schon als 10/11-Jähriger.

Viertens: Das Münchener Freundes-Kollektiv von 1913/14 (9.): »Nie Damenbesuch!«

Fünftens: Junge (11.) – Das Braun-Hitler-Verhältnis habe »nichts mit Erotik zu tun« gehabt. Wieder, wie bei Hoffmann, wird ein Beiwort benutzt, das Endgültigkeit beansprucht. Bei Hoffmann ist es »immer platonisch«, bei Junge »nichts mit Erotik zu tun«. Ende der Diskussion, was Ullrich verhindert.

Sechstens: Brandt (12.) – Die Braun-Hitler-Beziehung sei ein Versorgungs-Arrangement gewesen und keine romantische Liebe.

Siebentens: Blaschke (13.) – 14 Jahre keine Geste, keinen Liebes-Blick gesehen.

Achtens: Plaim-Mittlstrasser (14.) – Nie etwas emotional Du-Harmonisches wahrgenommen und niemand wusste, wo Hitler »eigentlich geschlafen« hätte.

Neuntens: Schaub (15.) – Seine Auswalzung der »wartenden« Eva, der »oft Enttäuschten« mit der »inneren Leere« in ihrem Leben.

Zehntens: Wolf (16.) – Hitler war an Eva Braun gar nicht interessiert, wollte sie beim Kriegführen nicht in seiner Nähe haben. In die Wolfsschanze durfte sie nie kommen. Und in den »Führer«-Bunker unter der Reichskanzlei hat sie sich Hitler für die letzten Untergangs-Wochen im April 1945 aufgedrängt.

Elftens: Krause (17.) – Es gab »kaum Gelegenheit« zum Sexualverkehr – heißt: Trotz »Führer«-»Mätressen«-Suite auf dem Berghof war auch da nix mit Geschlechtsakten.

Zwölftens: Misch (18.) – Nie »etwas« bemerkt. Die Erotik fehlte sogar über dem komischen Mann-Frau-Seit-an-Seit. »Die Musi spielte« auf dem Berghof erst, wenn Hitler weg war.

Dreizehntens: Orr (20.) – Alle Eingeweihten wussten es: Braun und Hitler hatten keine »Liebesgemeinschaft« miteinander. Das ganze Dokumenten-Refugium über Adolf Hitler im Gestrüpp der Münchener Hausfrauen-Illustrierten Revue kennt Ullrich nicht. Und dieses Versäumnis begeht er, obwohl Orr bei Ullrichs größtem Vorläufer, Ian Kershaw, mehrmals vorkommt.

Vierzehntens: Scholten (21.) – die Gynäkologen-Quelle zu Eva Brauns Hitler-Phallus-vakanter Vagina.

Fünfzehntens: Kempka (23.) – das Nach-45-Interview mit dem Verdikt, Eva Braun wäre »die unglücklichste Frau Deutschlands« gewesen und das über ein Jahrzehnt lang, wonach wiederum die Hitler-Hetero-Akte hätte geschlossen werden können.

Die gesamte englische TV-Dokumentation Adolf and Eva von Marion Milne (2001), in der auch das Statement von Hitlers ehemaligem »Leibfahrer« Erich Kempka vorkommt, enthält zu viele Hinweise auf Ungereimtheiten in Bezug auf Hitlers Heterosexualität, (Milne) sodass Ullrich sie links liegen lässt, sie nicht im Einzelnen oder gar nicht kennt, auf jeden Fall nicht erwähnt, weil er sie seiner Darstellung eines heterosexuell normalen Hitlers nicht in die Quere kommen lassen will.

»Ausgewogenheit« als ein Mittel der Hitler-Bild-»Frisierung«

Ullrich bringt in seiner Hitler-Biografie, Teil I, doch Tausende Quellen – warum ihm das Fehlen von 15 vorwerfen? Weil er mit dieser Aussparung erneut einen Hitler in die Welt gesetzt hat, den es in sexueller Hinsicht nicht gab. Ullrich macht das nicht dogmatisch-indoktrinie-rend wie ab den 1970ern sein Vorläufer Werner Maser. (Maser 71-2001) Aber gerade mit Ullrichs Ausgewogenheits-Methode wirkt der Dargestellte normal funktionierende Heteromann Adolf Hitler so überzeugend, dass er für die nächsten Jahre im gesellschaftlichen Bewusstsein Wahrheits-resistent weiter umlaufen kann – und ab März 2016, dem Erscheinen der englischen Fassung von Ullrichs Buch, dann auch in der vom Englischen dominierten ganzen Welt.

Neben die 8 Nein-Sagenden stellte Ullrich 9 Ja-Sagende, die drei Zeuginnen Winter, Schirach und Ostermayr, die über ein Techtelmechtel zwischen Braun und Hitler in dessen Münchener Wohnung am Prinzregentenplatz berichtet haben (ORALO, Auf dem Chamberlainsofa), dazu die Berghof-Angestellte und ab 1943 Hausverwalterin Gretel Mittlstrasser (7. Ja-Sagerin), die betroffene Eva Braun mit ihrem Tagebuch-Fragment über ihre Beziehung zu Adolf Hitler (ORALO, 6. Ja-Sagerin) und den angeblichen 180-Grad-Kehrtwende-Diener Heinz Linge (AMORO, 2. Ja-Sager) – macht sechs.

Mit zwei Herren-Statements möchte Ullrich das Hetero-Bild Hitlers abrunden. Er zitiert eine Äußerung Hitlers, die dieser angeblich zu seinem Kanzlei-Adjutanten Fritz Wiedemann gemacht hätte: »[…] halte ich mir eben in München ein Mädchen«. (Wiedemann, S. 70, Ullrich, S. 322 f.) Und Ullrich baut auf Hitlers »Leibpiloten« Hans Baur auf, der behauptetermaßen in ein »Stelldichein« zwischen Braun und Hitler geplatzt sei = achtens.

Neuntens fügt Ullrich einen Satz aus den Gesprächen zwischen Joachim Fest und Albert Speer an, »das Verhältnis Hitlers zu Eva Braun [sei] ›einfach zu enträtseln‹, Hitler habe sie sich ›ausschließlich für gewisse natürliche Bedürfnisse gehalten‹ – ›sozusagen für die Regulierung seines Hormonhaushalts‹«. (Fest 05 I, S. 59, Ullrich, S. 689, 10. Ja-Sager)

Dass Hitlers Hormonhaushalt über heterosexuelle Praktiken reguliert worden sei, hat Speer aus der Luft gegriffen, wie Ullrich selbst sofort im Nachsatz des Zitats den Finger in die Wunde dieser Übermittlung legt: »Woher er [Speer] dieses Wissen bezogen hatte, das verriet Speer allerdings nicht.« (Ullrich a. a. O.)

Diese Relativierung Ullrichs genügt nicht, denn der von Fest zitierte Speer-Satz ist der Wurf einer Handgranate in jegliches Forschungs-Labor, in dem Hitlers sexuelle Außer-Normalität nachgewiesen werden soll: Adolf Hitler habe seinen Hormonhaushalt über den heterosexuellen Geschlechtsverkehr mit seiner Berghof-Genossin Eva Braun reguliert. So etwas glaubt die Hetero-Mehrheit bereitwillig, weil sie es glauben will.

Und das noch Dickere im Speer-Zitat: Hitler habe »ausschließlich […] gewisse natürliche Bedürfnisse« in Richtung Eva Braun gehabt und sie sich im Geschlechtsverkehr mit ihr befriedigt. Da können Marianne Hoppe und Karl Wilhelm Krause mit ihrer Registrierung von Hitlers Oberschenkel-Reibungen vor Männer-Kampf-Szenen einpacken. (ONANO, Hitlers Männermord-Orgasmus)

Es handelt sich bei Speers Satz gegenüber Fest um reine »Männerphantasien« (Theweleit) – ausgetauscht von Normalo zu Normalo über den angeblichen Mit-Normalo-»Führer«. Seinen Hormonhaushalt regelte der noch junge, verheiratete Ehemann und Familienvater Albert Speer gemeinsam mit seiner Ehefrau Margarete und mithilfe seines ihm zur Verfügung stehenden männlichen Dranges, »eine Frau körperlich zu besitzen« (ONANO, 19. Nein-Sager Otto Wagener).

Ullrich lässt mit diesen neun Pro- und acht Kontra-Zeugen zu Hitlers Heterosexualität die Wahrheit in der Schwebe und schreibt dazu für Forscher-Gemüter Tränen-Rühriges: Er geht daran, »eine Zentralfrage in Hitlers persönlicher Biographie aufzuwerfen: wie es nämlich um seine Beziehungen zum weiblichen Geschlecht bestellt war. – Diese Frage ist nur sehr schwer und wahrscheinlich niemals abschließend zu beantworten. Von ›undurchsichtiger Erotik‹ hat schon der erste Biograph Konrad Heiden gesprochen, und daran hat sich bis heute wenig geändert«. (Ullrich, S. 299 – Hilden war Hitlers zweiter Biograf nach Rudol Olden)

Auf Schritt und Tritt kann Ullrich nachgewiesen werden, dass er mit seinem Text strauchelt, sowie es um die Sexualität Adolf Hitlers geht. Ullrich verliert den festen Boden unter seinen Füßen, der ansonsten sein großes Werk über Hitler konstant kennzeichnet. Doch mit einem Male werden Namen falsch geschrieben. Ja, die gesamte Adresse von Hitlers Münchener »Intim-Schauplatz«-Wohnung am Prinzregentenplatz verlegt Ullrich durchgängig in die »Prinzregentenstraße«. (Einzelnachweise folgen, wenn dieser Schauplatz betreten wird.)

»Hitler hat, was die Seite seines Privatlebens betraf, selbst gegenüber Vertrauten ein Versteckspiel getrieben.« (a. a. O.) Das allein schon genügte für die Aberkennung des Prädikats »heterosexuell«, denn so etwas macht kein Heteromann und es ist von keinem übermittelt worden. Ein solcher hat immer Intimfreunde, die über sein Intimstes alles wissen.

»Authentische persönliche Dokumente sind äußerst rar«, (a. a. O.) das stimmt schon wieder nicht, da 23 »persönliche Dokumente« soeben vorgelegt werden konnten. Nach diesem Jammer-Entree zur angeblichen Unbeantwortbarkeit der Frage Hitler und die Frauen wechselt Ullrich trotz seiner später nur vier sich als echt erweisenden Ja-Zeuginnen auf deren Seite und beendet seine Ausgewogenheit. Er tut das auf so Biografie-verheerende Weise, dass die Kritik dieser Ullrich-Passage nicht scharf genug sein kann:

Sprung zu Ullrichs zweitem Hitler-Hetero-Kapitel Die Berghof-Gesellschaft, nämlich dem Hausstand seines Protagonisten, in dem dieser einen Veitstanz demonstrierter Heterosexualität bei all seinen Berghof-Aufenthalten aufführte – an der Seite seiner Mittäterin Eva Braun: »Hier bin ich Mann, hier darf ich’s sein!«

O-Ton Ullrich: »Manches spricht in der Tat dafür, dass Hitler hinter der Fassade vermeintlicher Unnahbarkeit ein normales Liebesverhältnis mit Eva Braun pflegte. Mit Bestimmtheit sagen lässt sich das jedoch nicht, und die Biografen sollten sich davor hüten, Schlüssellochphantasien der Leser zu reizen. ›Vor diesem menschlichen Persönlichen hat auch die Pflicht des Chronisten halt zu machen und es zu respektieren‹, hat schon Otto Dietrich bemerkt.« (Ullrich, S. 689, 1006, Anm. 79 – mit Verweis auf Dietrichs Schrift 12 Jahre mit Hitler von 1955, S. 231)

Dass es bei Ullrich mit seinem Otto-Dietrich-Zitat plötzlich zu einer derartigen Rückversicherung geführt hat, zeigt, wie unsicher der Biograf gegenüber Hitlers Heterosexualität wirklich ist. Mithilfe eines der obersten Nazi-Terror-Mittäter will Ullrich den Vorhang des Unwissens vor Hitlers sexuellen Bedingungen zuziehen – mit dem denkbar unsinnigsten Anti-Forscher-Argument, es bestünde »die Pflicht des Chronisten«, »vor diesem menschlichen Persönlichen« (der sexuellen Frage gegenüber dem Zerstörer Adolf Hitler) »halt zu machen und es zu respektieren«!

Was sollen wir »Chronisten« »respektieren«? Die Mauer vor Hitlers aberativer Sexualität, die ihn in die kollossalste Vernichtung trieb, derer sich je ein Mann gegenüber seinen Zeitgenossen und der Nachwelt schuldig gemacht hat?

Ullrich muss in Sachen Hitlerscher Sexualität so verunsichert sein, dass er einen der engsten Hitler-Mitzerstörer zitiert, um seine eigene Blöße zu bedecken, hier nicht weiterforschen zu können. Otto Dietrich war neben Goebbels und Max Amann die Propaganda-Walze, die den Destruktions-Staubsauger Adolf Hitler 26 Jahre über die deutsche Gesellschaft fegen ließ, bis nach präliminarischen Tötungen in der Anmarsch-Zeit ein mörderisches «Ausmisten« des Ganzen von allen Kräften geschah, die eine Nation veredeln, und bis im Lande nur noch übrig blieb, wer auf die Bluttour des Staats-terroristisch seriellen Vernichters abfuhr und sich zum Mitmachen ins Zeug legte.

Otto Dietrich war »Reichspressechef der NSDAP« seit 1931, »SS-Obergruppen-Führer« seit 1932 und Staatssekretär im Goebbels’schen »Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda« seit 1933. Ullrich vergaß bei seinem absegnenden Vorhang-zu-Zitat aus dem Gedanken-»Schatz« eines Otto Dietrich, was sich dieser Nazi-Co-Destrukteur hat zu Schulden kommen lassen.

Nur weil die Nürnberger Ankläger dem »Zerstörer mit Hilfe der Schrift« Gnade vor Recht gewährten, ist Dietrich als Kriegsverbrecher lediglich zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden. Ihm hätte genauso der Strang gebührt wie den anderen beiden verbalen Mitmördern Alfred Rosenberg und Julius Streicher, wenn schon Todesurteile ausgesprochen wurden. Diesmal für Dietrichs Volksteile- und Völker-totmachende Scharfmach-Schriften Mit Hitler in die Macht. Persönliche Erlebnisse mit meinem Führer (1933), Die philosophischen Grundlagen des Nationalsozialismus. Ein Ruf zu den Waffen deutschen Geistes (1935), Der Führer und das deutsche Volk (1936) sowie Auf den Straßen des Sieges. Mit dem Führer in Polen (1939).

Volker Ullrich passt nicht auf, realisiert nicht, dass ihm sein affirmatives Otto-Dietrich-Zitat Zustimmung aus der rechten Ecke einbringen könnte. Selbstverständlich müssen Nazi-Quellen fürs Faktische herangezogen werden, aber nicht für Philosopheme und erst recht nicht für die Enthaltsamkeit gegenüber Wahrheiten in Sex-Angelegenheiten, noch weniger dazu, die eigene Blöße der Kenntnisse in Sexualwissenschaft zu bedecken.

Otto Dietrichs Satz hat nach 1945 Gesellschafts-glücklicher Weise keine Gültigkeit mehr. Bei Adolf Hitler, dem Universal-Zerstörer, darf es überhaupt kein Halt und keinen Respekt »vor diesem menschlichen Persönlichen« geben. Im Gegenteil, es gibt nur eine »Pflicht des Chronisten«, endlich die Sphinx Hitler zu enträtseln. Und deswegen muss auch mit den unbeantwortbaren Fragen Schluss sein, zugunsten von deren Antwort-losem Verbleiben sich der Hitler-Biograf Joachim Fest mit Hitler-Liebling Albert Speer gegen Fests eigene Aufklärungspflicht plötzlich eingeschaukelt hatte.

Zu diesem Vorgang hat Ullrich wiederum vorbildlich informiert, dass nämlich Fest und Verleger Siedler den aus dem Gefängnis entlassenen Speer dazu bewogen hätten, dessen Erinnerungen verkaufsträchtig zu modifizieren (Ullrich, S. 10, 840, Anm. 22) – ein ungehöriges, unerhörtes und ungeheuerliches Geschehen in den 1960er Jahren, das diesmal den Biografen Fest diskreditiert. Es belegt, dass auch jemand wie Fest in eine temporäre Umnachtung gegenüber seinem Gegenstand Adolf Hitler verfallen konnte. Volker Ullrich hat über diese Fest-Speer-Liaison schon zwei Artikel publiziert und kündigte an, zur Hitler-biografischen Entgleisung Fests eine weitere »gesonderte Studie vor[zu]legen«. (a. a. O.)

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9783955101473
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