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Der Arzt auf Java

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VII.
Ein sonderbares Codicill

Der Mann des Gesetzes, den wir sahen, wie er Eusebius van der Beek und Esther Menuis den Tod ihres Onkels, des Doctor Basilius, anmeldete, war der erste Schreiber des Notar Maes. Dieser wohnte auf dem Platze Weltevrede, einem der schönsten Plätze von Batavia. Er war ein großes Original, dem es indeß nicht an Character mangelte und der wohl der Mühe lohnt, daß wir seiner physischen und moralischen Beschreibung eine oder zwei Blätter widmen.

In physischer Beziehung war Meister Maes groß, dick, aufgedunsen. Er hatte die Figur eines Regimentstambours und daneben ein unbärtiges Gesicht, eine Roxelanennase und eine Haut von Rosen und Lilien, welche den sondersbarsten Contrast zu seiner herkulischen Gestalt bildeten.

Moralisch betrachtet war Meister Maes doppelt, das heißt, es gab bei ihm zwei Menschen in einer und derselben Haut. Der Eine dieser beiden Menschen war Meister Maes, der Notar, der Andere Herr Maes schlechthin. Es konnte nichts Ruhigeres, Pünctlicheres, Methodischeres, Geregelteres geben, als Meister Maes, den Notar. Hätte ein Client seine Anwesenheit um vier Uhr Morgens verlangt, so würde er nicht anders ausgegangen sein, als im schwarzen Anzuge mit weißer Halsbinde und frischen Handschuhen, gerade wie die Etiquette in Batavia es verschrieb. Niemand konnte sich erinnern, ihn zu Fuß auf einer der Straßen der Stadt gesehen zu haben, so. lange die Sonne am Horizonte stand. Bei der Ausübung seines Amtes lächelte er nie; seine Physiognomie blieb stets ernst und roch beständig etwas nach dem Testamente, selbst, wenn es sich um einen Heirathscontract handelte.Er sprach zu seinen Clienten nur in der dritten Person, und wußte geschickt das Gespräch zu lenken, wenn es sich auf Gegenstände verirrte, die außerhalb der Functionen seines Amtes lagen.

Am Abend aber, punct sechs Uhr, legte Meister Maes mit einem lauten Seufzer der Befriedigung seine Haltung, seine Kleidung und seine finstere Physiognomie ab. Ein Lächeln der Zufriedenheit ergoß sich über sein breites Gesicht; er entledigte sich des schwarzen Frackes und der schwarzen Beinkleider, die ihn so weit und so bequem umschlossen, daß Madame Maes, eine anständige und sehr ordentliche Frau, obgleich lebhaft und ungestüm, darüber unglücklich, war; er legte dann einen Anzug von weißem; Piqué an, und versuchte so lebhafte Sprünge zu machen, wie sein schwerfälliger Bau es ihm gestattete, trank vier oder fünf Gläser Gingerbeer Zug auf Zug und wurde Meister Maes kurzweg, das heißt, ein heiterer Gesellschafter, der nicht nur nach seinem Mittagsessen die Genüße einer Pfeife Opium nicht verschmähte, sondern sich sogar zuweilen in die engen Gäßchen und unter die Strohdächer von Mynheer Cornelis verirrte, und der in solchen Fällen regelmäßig seinen Abend in dem chinesischen Viertel, in dem kleinen Theater des Platzes Voyang Tschina beschloß, wohin er, wie böse Zungen behaupteten, viel weniger ging, um die dramatische Literatur des himmlischen Reiches zu studiren, als die häuslichen Sitten der hübschen Malayinnen, welche diesem Theater seine verführerischesten Besucherinnen lieferten.

Herr Maes war zu der Stunde, in welcher wir ihn einführen, noch nicht bis zu der lustigen Phase seiner täglichen Existenz gelangt. Es konnte etwa halb sechs Uhr Nachmittags sein; er befand sich in seinem Cabinet, einem Schreibtische gegenüber, der mit Papieren und Actenheften überhäuft war, die er mit einer Genauigkeit untersuchte, welche wohl geeignet war, seinen Clienten ein festes Vertrauen einzuflößen. Von Zeit zu Zeit jedoch wandte sein gewaltiger Körper sich schmerzhaft in seiner schwarzen Kleidung. Sein Hals streckte sich krampfhaft aus seiner weißen Binde hervor, als wären Beide ungeduldig, sich ihrer Fesseln zu entledigen und ehe er dann die Blicke wieder auf seine Papiere richtete, sah er melancholisch nach einer großen Uhr, die mit einer verzweiflungsvollen Langsamkeit und Monotonie verrückte.

Die Thür öffnete sich.

»Herr Notar,« sagte eintretend einer der Schreiber-, »Madame van der Beek-Menuis wünschte Sie zu sprechen, wenn es Ihnen nicht zu lästig wäre.«

»Lassen Sie sie eintreten, Wilhelm Ryck,« erwiederte Meister Maes. »Man muß die Clienten nie warten lassen, und noch viel weniger die Clientinnen,« fügte der Notar mit einem bedeutsamen Lächeln hinzu. Und da er einsah; daß der junge Mann diesen Worten eine leichtfertige Deutung geben könnte, verbesserte sich Meister Maes, indem er sagte: »besonders wenn es so ehrenwerthe Clientinnen sind, wie Madame van der Beek-Menuis. Lassen Sie sie also eintreten, mein Freund.«

Der Notar warf einen flüchtigen Blick in einen kleinen Spiegel, der über einem Divan von carmoisinrother Seide hing, um sich zu überzeugen, daß seine ungeduldige Regung von vorhin die Falten seiner Kravatte und die Harmonie seiner Kleidung nicht gestört hätte.

Der Schreiber führte Madame van der Beek ein. Die kürzlich überstandene Krankheit Esthers, die Befugnisse die sie für die Gesundheit ihres Mannes hegte, ließen ihre Spuren auf dem Gesichte der jungen Frau zurück. Sie war sehr blaß, aber deshalb vielleicht nur um so hübscher.

Der Notar schob ihr artig einen Stuhl zu.

»Vor allen Dingen, Madame,« sagte er mit dem theilnahmvollsten Tone, »will ich mich nach der Gesundheit des Herrn van der Beek erkundigen.«

»Es geht mit meinem Manne besser,« antwortete die junge Frau. »Zum Glück für ihn sind von allen Orakeln die mindest zuverlässigenden der medicinischen Facultät, denn sein Arzt hat mich wahrhaft in Verzweiflung gebracht.«

Meister Maes lächelte und Madame van der Beek fuhr fort: »Die Jugend und die kräftige Constitution meines Mannes haben über die Krankheit triumphirt und er ist glücklich von dem entsetzlichen Delirium geheilt, während dessen er von furchtbaren Visionen gemartert wurde. Auf diesen Zustand fieberhafter Aufregung folgte eine noch beunruhigendere Betäubung, über die wir jedoch zu triumphiren hoffen.«

»Ich glaube,« unterbrach sie der Notar, welcher dem Anstande ein hinlängliches Opfer gebracht zu haben meinte, und der bei der vorgerückten Stunde zu dem Geschäfte zu gelangen wünschte, »ich glaube, daß Madame van der Beek zu mir gekommen sind, um mit mir über die Erbschaft ihres Onkels, des Doctor Basilius, zu sprechen.«

»Ganz gewiß, mein Herr, denn Ihr Schreiber, den Sie gestern zu uns schickten, sprach von einem Codicill, welches gewisse Bedingungen enthielte, die die Bestimmungen aufheben könnten, deren wesentlichen Inhalt sie uns mitgetheilt hatten.«

»In der That, Madame; aber beginnen wir bei dem Anfange. Gestatten die Madame van der Beek mir daher zunächst den Erfolg von der Aufnahme des Inventars zu berichten, das ich dem Gesetze gemäß über die beweglichen und unbeweglichen Güter des verstorbenen Doctor Basilius aufnehmen mußte.«

»Wie Sie wollen, mein Herr,« erwiederte, sich verneigend, Madame van der Beck.

»Ich werde daher die Ehre haben, Madame zu sagen,« fuhr der Notar fort, »daß diese Erbschaft bedeutend ist, bedeutender, als dieselbe und ihr Gatte sie vernünftiger Weise vermuthen konnten. Ich finde ein Activum von nicht weniger als 1 1/2 Millionen Gulden. Was die Passiva betrifft, so hatte der Doctor Basilius eine solche Ordnung in seinen Geschäften, daß er nie eine Centime schuldig war.«

»Ach, mein Gott!« rief die junge Frau, »Mein armer Eusebius! Welche Freude für mich, ihn reich zu sehen, all den Luxus genießend, den wir gleich den übrigen Armen beneideten, als wir ihn in der Ferne erblickten, ohne Hoffnung, ihn jemals selbst kennen zu lernen.«

»Fügen die Madame nach hinzu,« sagte Meister Maes, »daß deren Befriedigung doppelt groß sein muß durch das Glück, den Gatten zu bereichern, denn die Erbschaft kommt von Ihrer Seite.«

Die bleichen Wangen Esthers färbten sich roth und sie sagte: »Ich gestehe Ihnen, mein Herr, daß ich meinen armen Eusebius innig liebe, denn er selbst hat mir so große Beweise seiner Liebe gegeben!«

Der Notar richtete einen Blick auf die Uhr und schien zu bereuen, von der Sache abgeschweift zu sein. Er fuhr daher eilig fort: »Ich habe die Ehre, der Madame van der Beek hier eine Abschrift des Inventars vorzulegen – das Vermögen des Doctor Basilius, gegenwärtig das der verehrten Dame, besteht demnach in Folgendem: Erstens in einer Pflanzung in dem Districte von Buytenzorg, geschätzt aus 600, 000 Gulden.

»Zweitens in 400, 000 Gulden, angelegt bei dem Hause van der Broik, einem der solidesten in Batavia.

»Drittens 230, 000 Gulden, baar vorgefunden in der Wohnung des Verstorbenen, und nach meinem Domicil gebracht.

»Viertens in verschiedenen Waaren, theils nach meinem Domicil, theils nach der Niederlage geschafft.«

Madame van der Beek unterbrach den Notar.«

»Ich zweifle nicht, mein Herr,« sagte sie, »daß Ihr Inventar vollkommen in der Ordnung ist. Ich bitte Sie daher, uns zu dem erwähnten Codicill kommen zu lassen.«

Diese Abweichung von der strengen Regel schien Meister Maes etwas in Verlegenheit zubringen. Er hustete, trocknete sich langsam das Gesicht mit dem Taschentuche, runzelte die Stirn, schob die Brille in die Höhe, die er trug, solange er Notar war, nicht nur als Schmuck seines Gesichtes, sondern auch als Anhängsel seines Amtes, und indem er mit seiner goldenen Uhrkette spielte.

»Ich werde die Ehre haben, der Madame van der Beek-Menuis zu sagen, daß ich es vorziehe, die Wiederherstellung des Herrn Eusebius van der Beek, ihres Gatten, zu erwarten, um ihr diese höchst sonderbare Klausel in dem Testamente des verstorbenen Herrn Doctor Basilius mitzutheilen, eine Klausel, welche übrigens lediglich Herrn van der Beek interessirt, wo nicht an und für sich selbst, wenigstens durch ihre Wirkungen. Herr van der Beek ist der natürliche und gesetzmäßige Vormund der Legatarin. Es scheint mir daher möglich, ausführbar und zweckmäßig, den Genannten in Besitz der Güter Ihres verstorbenen Onkels zu setzen, und so lange das Codicill ruhen zu lassen, welches nichts Dringendes enthält, besonders während der Krankheit des Herrn van der Beck. Nach seiner Genesung wird Herr van der Beek dieses Codicill seiner Frau mittheilen, nachdem er selbst davon Kenntniß genommen hat.«

 

»Wahrlich, mein Herr,« entgegnete die junge Frau, »Sie machen mich sehr gespannt. Indeß ist es nicht blos die Neugier, welche mich auf meinen Wunsch bestehen läßt. Eusebius kann noch längere Zeit nicht die Leitung unserer Angelegenheiten übernehmen; überdies halte ich es, nach manchen Aeußerungen seines Fieberwahnsinns, für zweckmäßig, daß die Erinnerung an gewisse Episoden seines Verkehrs mit meinem Onkel aus seinem Gedächtnisse entfernt werde. Ich beschwöre Sie daher, sprechen Sie und theilen Sie mir dieses Codicill in seiner ganzen Sonderbarkeit mit.«

»O, es ist in der That durchaus sonderbar, Madame,« entgegnete der Notar, »so sonderbar, daß ich nicht weiß, wie ich der Madame van der Beek-Menuis den Gedanken des Testators auf eine passende Weise erklären soll, ohne die Achtung zu verletzen, die ich derselben so wie mir selbst schuldig bin. – Wenn es noch allenfalls sechs Uhr Abends wäre,« fügte er lachend hinzu.

»Jedenfalls, mein Herr,« erwiederte Esther, indem sie ebenfalls zulächeln suchte, »brauchen Sie darauf nicht lange zu warten, denn eben schlägt es sechs Uhr.«

In diesem Augenblicke und während noch der letzte Schlag der sechsten Stunde ertönte, öffnete sich die Thür, und eine kleine Frau tobte wie ein Sturmwind herein. Es war die ehrenwerthe Madame Maes.

»Nun, woran denkst Du denn heute?« rief sie, ohne zu bemerken, daß ihr Mann nicht allein war. »Es sind wenigstens zehn Minuten her, seitdem es an der Gouvernementsuhr sechs schlug; die Schreiber haben das Comptoir verlassen; weshalb zögerst Du, es eben so zu machen, wie sie?«

Der Notar zeigte seiner Frau die Madame van der Beek, welche aufgestanden war.

»Wilhelmine,« sagte er, »dies ist Madame van der Beck, die ich die Ehre habe, Dir vorzustellen; Madame van der Beek – Madame Maes.«

Diese erwiederte den Gruß der jungen Frau durch eine tiefe Verbeugung.

Madame Maes war ein ganz eigenthümliches Gegenstück ihres Mannes. Sie war ungestaltet wie er, doch nicht in der Länge, sondern in der Breite, und hatte in dieser Richtung eine solche Entwickelung gewonnen, daß es wenig Thüren gab, durch die sie anders als von der Seite zu gelangen vermochte. Ihre kleinen lebhaften und funkelnden Augen, ihre aufgestülpte Nase, ihr breiter Mund, geschmückt mit zweiunddreißig Zähnen, die sie bei jeder Gelegenheit zeigte, gaben ihrer Physiognomie einen umso sonderbareren Ausdruck, als der Himmel sie reichlich mit der männlichen Zierde geschmückt hatte, die ihrem Gatten fehlte, so daß ihr ganzes Gesicht mit einem weißlichen Flaum bedeckt war.

Die Lebendigkeit der dicken Dame bildete einen sonderbaren Contrast zu ihrem Wesen. Sie war auf diese Lebendigkeit sehr stolz und schrieb sie ihrem Ursprunge zu, welcher ihrer Behauptung nach französisch war, da sie in Lüttich geboren wurde, als die wallonischen Provinzen französische Departements waren.

Die Nationalität, welche Wilhelmine (wie ihr Gatte sie beständig nannte) sich beilegte, rechtfertigte ihre Lebendigkeit, die um so auffallender war, da, wie wir erwähnten, ihre gewaltige Körperfülle nicht gut zu derselben paßte; diese Beweglichkeit stimmte auch wenig zu der phlegmatischen und gesetzten Haltung, welche Herr Maes von acht Uhr Morgens bis sechs Uhr Abends bewahrte, und Madame Maes, die auf ihre französische Lebendigkeit eine echt holländische Strenge gepfropft hatte, die Folge der Dankbarkeit gegen ihr Adaptiv-Vaterland, begriff eben so wenig den Maes, den Epikuräer und Lebemann, den sie von sechs Uhr Abends bis acht Morgens besaß, wie den strengen und gemessenen Maes, der ihr von acht Uhr Morgens bis sechs Uhr Abends entschlüpfte.

So kam es, daß der Tempel des Janus, der unter der Herrschaft des Augustus drei Mal geschlossen wurde, in der Häuslichkeit des Platzes Weltevrede dieses Vorzuges nur selten genoß.

Indeß schien Herr Maes über die Erscheinung seiner Frau sehr zufrieden zu sein, da sie kurz die Mittheilung abschnitt, die Madame van der Beek von ihm verlangte und die so schwer zu machen schien.

»Ja, Du hast Recht, Wilhelmine,« sagte er, »die Stunde, zu welcher meine Arbeiten beendigt sein müssen, ist in der That erschienen, und diese Arbeiten sind unter unserem brennenden Himmel so peinlich, daß wir,« fügte er, gegen Esther gewendet, hinzu, »ebenso pünctlich darin sind, sie zu beendigen, wie sie anzutreten. Wenn Madame es mir gestatten, werden wir daher unser jetziges Gespräch auf einen andern Tag verschieben und ich werde dieselbe um die Bestimmung einer ihr passenden Stunde bitten, damit wir die Actenstücke unterzeichne.«

»Ich wiederhole Ihnen, mein Herr,« erwiederte Esther, »daß ich nicht weiß, ob wir diese Erbschaft antreten können, so lange wir die Bedingungen dieses merkwürdigen Codicills nicht kennen.«

»Wie!« rief Madame Maes, »Du hast der Madame van der Beek die Nichtswürdigkeit ihres alten schuftigen Onkels nicht mitgetheilt? Ei das wäre! Ich finde sie in der That sehr ruhig.für eine Frau, die wissen mußte, was vorgegangen ist.«

»Ich muß Dir bemerken, meine theure Wilhelmine,« entgegnete Herr Maes, indem er die Brille, die er bereits auf den Tisch gelegt hatte, wieder aufsetzte, »ich muß Dir bemerken, daß dies eine Geschäftsangelegenheit ist, in welcher Deine Einmischung unpassend wäre.«

»Und ich bemerke Ihnen, mein Herr,« entgegnete Wilhelmine mit bitterem Tone, »daß die Stunde der Geschäfte vorüber ist und daß diese junge Dame, welche mir der höchsten Theilnahme würdig erscheint, erfahre, wie weit die Schlechtigkeit gewisser Menschen gehen kann. – Uebrigens, mein Herr, mache ich Sie darauf aufmerksam, daß ich der Dame die Sache mittheilen werde, wenn Sie es nicht thun.«

»in der That,« sagte Herr Maes, sich besinnend, »scheint mir diese Mittheilung im Grunde genommen so unwichtig zu sein, daß es besser ist, sie werde bei einem einfachen gesellschaftlichen Geplauder gemacht, als durch einen Vertreter des Gesetzes. Gleichwohl wünschte ich dieser Eröffnung einige Fragen vorauszuschicken, deren Unbescheidenheit zu verzeihen ich Madame van der Beek bitte. Diese Unbescheidenheit wird übrigens durch den Inhalt des erwähnten Codicills vollkommen erklärt werden.«

»Sprechen Sie, mein Herr!« sagte Esther ungeduldig.

»Zunächst, Madame, muß ich Sie fragen, – ob Ihre Ehe mit Herrn van der Beek eine Heirath aus Liebe ist?«

»O, gewiß mein Herr!« sagte Esther. »Wir waren Beide gleich arm und wußten durchaus nicht, was aus meinem Onkel Basilius Menuis geworden war; so arm, daß die Trauringe, welche wir wechselten, ganz einfache silberne Ringe sind.«

Und ihre Linke dem Notar reichend, zeigte sie ihm in der That an dem Mittelfinger einen Ring von diesem untergeordneten Metall.

Herr Maes übersah mit einem Blick die Hand und den Ring; er fand die erstere sehr schön und den letzteren sehr einfach.

»Sehen Sie wohl,« fügte Esther hinzu, »und dennoch würde ich diesen Ring nicht gegen den Diamanten des Groß-Mogol vertauschen.«

»Und Ihr Mann hat einen ähnlichen?« fragte der Notar-.

»Genau einen gleichen.«

»Und er hält auf seinen Ring eben so sehr, wie Sie auf den Ihrigen?«

»Ich würde darauf schwören.«

»Das ist schon etwas sehr Gutes,« sagte der Notar. »Nur sagen Sie mir noch, meine gute Dame, seit wie langer Zeit Sie verheirathet sind?«

»Seit länger als achtzehn Monaten.«

»Und während dieser achtzehn Monate, das ist die kitzliche Frage, Madame, indeß werden Sie sogleich die Wichtigkeit derselben erkennen – seit diesen achtzehn Monaten würden Sie für die Treue Ihres Mannes haften?«

»Mit meinem Leben!« rief ohne Zögern Esther.«

»Glückliche Frau,« sagte Madame Maes. »Ich hafte dafür, daß während des ersten Monats unserer Ehe dieses Ungeheuer – dabei deutete sie auf Herrn Maes – »schon drei oder vier Treulosigkeiten gegen mich begangen hatte.«

»Wilhelmine! Wilhelmine? sagte Herr Maes, »wenn Du uns jeden Augenblick unterbrichst, kommen wir nie zu Ende.« Sich zu Esther wendend, fügte er dann hinzu: »Ueber die Vergangenheit beruhigt, Madame, hegen Sie also durchaus keine Besorgniß wegen der Zukunft?«

»Durchaus nicht.«

»Nun wohl Madame, so erfahren Sie denn –«

»Ja, erfahren Sie, liebe Kleine, daß Ihr Onkel ein Ungeheuer war, ein Wüstling, der öffentlich in der schmachvollsten Zügellosigkeit lebte.«

»Wilhelmine!« ermahnte Herr Maes.

»Laß mich in Ruhe,« sagte Wilhelmine; »Du bist nicht besser, wie er. Ach, liebe Kleine,« fuhr die Frau des Notars fort, indem sie die Hände der Madame van der Beek in die ihrigen nahm und ihre kleinen grauen Augen mit dem Ausdrucke des Schmerzes zu der rothen Decke des Zimmers erhob, »wenn Sie wüßten, in was für ein abscheuliches Land Sie gekommen sind; wenn Sie den Grad der Irreligion und der Demoralisation kennten, zu welchem die Bewohner gelangt sind und der Herr dort vor Allen!«

»Aber werde ich denn endlich, Madame,«sagte Esther ungeduldig, »das berüchtigte Codicill kennen lernen —«

»Mein teures Kind, Ihr Ungeheuer von einem Onkel hatte einen wahren Harem, gleich dem Großtürken; über zwanzig Weiber, sagt man.«

»Drei; nur drei,« unterbrach sie Herr Maes, »und alle drei waren ausgezeichnet schön.«

»Hören Sie es? Hören Sie es?«

»Und mein Onkel,« sagte Esther, »hat einen Theil seines Vermögens diesen drei Weibern hinterlassen. Darin erblicke ich nur etwas sehr Natürliches. Mein Onkel war mir zu Nichts verpflichtet. Er machte mich zur Millionärin. Die Dankbarkeit verbietet mir, einen Tadel über seine Ausführung auszusprechen und seine Großmuth im Geringsten anzutasten.«

»Armer Engel des guten Gottes,« rief Madame Maes, indem sie Esther umarmte, »welch’ ein Zartgefühl, welch’ ein Herz! Ist es nicht abscheulich, so gute, so reine Geschöpfe, wie wir sind, den gemeinen Leidenschaften solcher Wesen überliefert zu sehen? Aber mein liebes Kind, das wäre nichts; das sind dergleichen Betrübnisse, denen wir uns unterwerfen müssen, ohne zu murren. Nein, nein, es ist schlimmer, als Sie denken. Stellen Sie sich vor, daß dieser höllische Basilius, der, übrigens ganz das Aussehen eines Schurken hatte, durch ein Testament die Ausschweifung ermuthigt und der Verderbtheit dieser drei Unglücklichen eine Prämie aussetzt.«

Esther wendete sich zu Herrn Maes, indem sie hoffte, daß derselbe durch einige Worte der Redseligkeit seiner Frau ein Ziel setzen würde.

»Er hat ein Drittel Ihres Vermögens Derjenigen der drei Weiber versprochen, der es gelingen würde, die Liebe Ihres Mannes zu erringen,« erwiederte ohne Zögern der Notar.

»Ihres Mannes! Ist das nicht entsetzlich, mein armes Kind? Man muß ein Mann sein, um so etwas Nichtswürdiges, so etwas Unanständiges, zu ersinnen.«

»Ich finde es nur komisch,« erwiederte Herr Maes, »besonders auf diese drei Weiber angewendet.«

»Wie so auf drei?« fragte Esther.

»Ohne Zweifel, liebe Kleine, so, daß wenn es diesen drei Geschöpfen gelingt, die Liebe Ihres Mannes Eine nach der Andern zu gewinnen, Sie nicht nur betrogen, gedemütigt, geopfert sind, sondern auch um Ihr Vermögen gebracht.«

»Ist das wahr, mein Herr?« fragte Esther zögernd, »ein so eigenthümliches Codicill ist kaum zu glauben.«

»Ach Madame,« entgegnete der Notar, indem er verzweiflungsvoll mit dem Kopfe nickte, »nichts ist wahrer.«

»Aber Sie werden klagen, meine liebe Madame van der Beek« rief Wilhelmine. »Aus Liebe zu dem heiligen Institute der Ehe müssen Sie klagen und die Gerichtshöfe werden einem so abscheulichen Verlangen Gerechtigkeit widerfahren lassen.«

»Unsinn!« rief Herr Maes. »Klagen! Als ob dieser Teufel von Doctor nicht Alles vorausgesehen hätte! Sagt dieses Codicill nicht ganz deutlich, daß für den Fall, wenn es angetastet werden sollte, das erste Testament ungültig ist und das ganze Vermögen der Regierung zufällt? – Auf anderthalb Millionen Gulden zu verzichten – da haben Sie gut reden, Madame Maes.«

»Ach, mein Herr,« sagte Esther, »ich gebe Ihnen die Versicherung, daß es nicht die Größe dieses Vermögens ist, die mich reizt, sondern die Furcht vor der Noth, die mich entscheidet Eusebius ist krank, sehr krank, und ich gestehe Ihnen, daß ohne die Erbschaft, welche uns auf so wunderbare Weise zufiel, unsere Hilflosigkeit so groß ist, daß ich gezwungen wäre, mich von ihm zu trennen und von der öffentlichen Barmherzigkeit die Sorgfalt für ihn zu erbitten, die ich ihm nicht gewähren könnte. Ich bin tief betrübt über das Aergerniß, welches dieses unglückselige Codicill veranlaßt, aber es erschreckt mich keineswegs. Die Liebe meines Eusebius für mich ist unwandelbar. Ich kenne sein Herz und bin überzeugt, daß nie eine Andere als ich darin Platz finden wird.«

 

»Arme Frau! Welch’ ein Glaube!« rief Madame Maes und trocknete sich eine Thräne.

Herr Maes hustete und fragte: »Sie nehmen also die Erbschaft an?«

»Ich nehme sie an.«

»Und Sie thun meiner Treu wohl daran; es gibt in der Welt so viel zu lieben, daß drei Ausnahmen von keinem großen Belange sind.«

»Herr Maes,« sagte Wilhelmine, »Sie sind ein durchaus verderbter Mensch; achten Sie wenigstens das Zartgefühl dieser jungen Frau.«

»Ei, Madame,« entgegnete der Notar, »ist es nicht sieben Uhr vorbei und folglich erlaubt, über den komischen Gedanken des Doctor Basilius zu scherzen?«

»Komisch! Komisch!« rief Madame Maes. »Das Ungeheuer findet den Gedanken komisch?«

»Mein Herr,« sagte Esther, »ich habe noch eine letzte Frage an Sie zu richten.«

»Sprechen Sie,« entgegnete der Notar, indem er seine Ernsthaftigkeit wieder annahm.

»Was ist aus diesen drei Frauenzimmern geworden?«

»Ich weiß es nicht. Als ich am Tage nach der Beerdigung in das Haus des Doctor Basilius kam, waren sie verschwunden.«

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