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Der Geflügelschütze

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Viertes Kapitel.
Eine Wiedervergeltung, welche die Angelegenheiten nicht ausgleicht

Alain war indessen nicht todt.

Der Degen hatte eine Rippe getroffen und war ein wenig von seiner Richtung abgewichen.

Er war durch die Brustmuskel gedrungen, hatte den äußeren Rand der rechten Lunge verletzt und war unter dem Schulterblatt wieder herausgekommen.

Es war ein hübscher Degenstoß, sehr zierlich und frei, aber nicht durchaus tödtlich.

Indessen war der Verwundete nahe daran, zu ersticken.

Es war eine Verblutung zu befürchten.

Der junge Wundarzt zog ihm den Hemdärmel herauf, entblößte seinen herkulischen Arm und öffnete ihm eine Ader, um einen starken Aderlaß zu bewerkstelligen.

Alain öffnete die Augen wieder und athmete leichter.

Aber bei der ersten Bewegung, die er zu machen versuchte, fehlte ihm die Stärke und er wurde von Neuem ohnmächtig.

Man war nur wenige Schritte von dem Pavillonde-Madrid entfernt, und dorthin brachte man den Verwundeten.

Dieser Pavillon ist von einem Wächter bewohnt, der, an ähnliche Besuche gewöhnt, immer für solche Fälle ein Zimmer in Bereitschaft hält.

Dies ist das Trinkgeld des alten Mannes.

Zum Glück war dieses Zimmer nicht besetzt; seit acht Tagen hatte man sich in der Umgebung von Madrid nicht geschlagen, und der letzte Verwundete war nach Verlauf einer Viertelstunde gestorben.

Man breitete frische Betttücher auf das Bett und legte Montplet darauf.

Der junge Wundarzt, der noch keine Praxis hatte, konnte ihm eine ganze Zeit widmen.

Diese beständige Sorgfalt, vereint mit der vortrefflichen Körperbeschaffenheit des Verwundeten machten, daß die Genesung mit erstaunenswerther Schnelligkeit vor sich ging, für Die, welche nicht wußten, wie schnell gewisse Wunden heilen.

Drei Wochen, nachdem seine Brust durchlöchert worden war, konnte Alain Montplet wieder aufstehen.

Acht Tage später bezahlte er den wackeren Wächter reichlich für den Unterhalt eines Monats.

Dann kehrte Alain in eine Wohnung zurück, ebenso wohl, wie an dem Tage, als er hinausgegangen war.

Nur eine Idee quälte Alain.

Wenn er nicht einem Pariser zurückgab, was ein Pariser ihm gegeben, so mußte er, wie man auf der Schule sagt, einen Makel auf sich sitzen lassen.

Nun schmeichelte sich Alain, daß er sich nie dergleichen habe zu Schulden kommen lassen.

Er ging, seinen Professor zu besuchen.

Als dieser ihn nicht zurückkehren gesehen, hatte er errathen, was geschehen war.

Der Genesene erzählte ihm mit allen Einzelnheiten, wie die Sache sich zugetragen; Grisier hatte sich keinen Vorwurf zu machen, er hatte ihm vorher gesagt, wenn sein Gegner eine so gute Auslage sähe, würde er glauben, daß Etwas dahinter sei.

Der Baron hatte sich nicht geirrt: hinter der Auslage war Alain Montplet’s Körper.

Alain erinnerte hierauf den Professor an Das, was er von seiner Anlage zum Fechten gesagt, und fragte ihn, wie viel Zeit er glaube, daß er verwenden müsse, um dem Baron Hector gewachsen zu sein.

Grisier ist ein gewissenhafter Mann, der einen Eleven nicht täuschen würde.

»Zwei Jahre,« sagte er ihm, »wenn Sie mit Aemsigkeit studieren.«

Alain Montplet war unfähig, eine Sache, welche es auch ein mochte, zwei Jahre zu treiben.

»Gut,« sagte er, »es ist mir lieb, daß Sie mir Das jagen; ich will mich auf das Pistolenschießen legen; in acht Tagen werde ich mich vollkommen darauf verstehen.«

Grisier versuchte den jungen Mann davon abzubringen, sich dem Studium einer Waffe zu widmen, die so undankbar und brutal sei, wie die Pistole.

»Der Degen,« sagte der berühmte Professor, »der Degen ist die wahre Waffe des Cavaliers.«

»O! was Das betrifft,« erwiderte Montplet, »ist mir die Sache sehr gleichgültig; ich bin kein Cavalier, ich bin ein Bauer.«

»Aber,« versetzte Grisier, »wenn Der, mit dem Sie künftig zu thun haben werden, den Degen wählt?«

»Gut,« sagte Montplet, »ich weiß jetzt, wie es damit zugeht; der Beleidigte hat die Waffe zu wählen; ich werde warten, bis man mich beleidigt!«

»Warum das ?«

»Nun, um mich zu schlagen.«

»Sie haben also einen Groll auf Ihren Gegner?«

»Auf Monsieur Hector de Ravennes? Nicht den geringsten! Es ist ein charmanter Junge, der die ganze Zeit, während ich zu Bette gelegen, keinen einzigen Tag verfehlt hat, nach meinem Befinden fragen zu lassen; weit entfernt, einen Groll gegen ihn zu haben, würde ich, wenn ich von seinem Range wäre, ihn bitten, mich zu seinen Freunden zählen zu dürfen.«

»So haben Sie also einen Groll auf irgend einen Anderen?«

»Auf Niemand in der Welt! Nur begreifen Sie wohl, will ich keinen Makel auf mir sitzen lassen.«

Alain irrte sich, Grisier begriff es nicht.

Der junge Mann und der Professor wechselten einen herzlichen Händedruck.

Alain sprang in ein Cabriolet und ließ sich zu Gossjet’s Schießstande fahren.

Unser Jäger hatte richtig geurtheilt; die Aehnlichkeit, welche zwischen einer Feuerwaffe und einer anderen Feuerwaffe herrschte, machte, daß Alain’s Hand, nachdem er bei den ersten Schüssen das Ziel ein Wenig verfehlt hatte, sicherer wurde, so daß er bei der fünfundzwanzigsten Kugel ein vollendeter Schütze geworden war.

Nach Verlauf von acht Tagen machte Alain alle Kunststücke, welche die geübtesten. Schützen machten: er zerbrach die Pfeifen, durchlöcherte die tanzenden Eier, dublirte und triplirte die Kugeln.

Als er einmal seines Schusses gewiß war, und dies war eine Angelegenheit von acht Tagen, kehrte Alain nicht mehr auf den Schießplatz zurück.

Jede Einförmigkeit ermüdete ihn.

Was diese überschäumende Organisation bedurfte, war das unordentliche und umherschweifende Leben der Trottoirs, der Kaffeehäuser, der Theater und der Spielhäuser.

Nur zeigte sich bei allen diesen Thorheiten nicht die Gelegenheit für ihn, Revanche zu nehmen.

Alain begann zu glauben, daß er genöthigt sein würde, nach Maisy zurückzukehren, und den Makel mit sich zu nehmen.

Die Erbschaft feiner Mutter näherte sich ihrem Ende. —

In weniger als anderthalb Jahren hatte er mehr als 150.000 Franken verthan.

Als die letzten Thaler bei einem Mittagessen aufgegangen waren, nahm Alain Montplet wieder eine Zuflucht zu Thomas Langot.

Gegen einen Wechsel, der völlig nach der Regel ausgestellt war, ließ ihm Thomas Langot noch etwa 30.000 Franken zukommen.

Aber die Geldsendungen nahmen beständig ab.

Die vorletzte betrug nur tausend Franken, die letzte nur noch fünfhundert.

Auch sagte ihm der Materialhändler in dem Briefe, der diese letzte Sendung begleitete, welchen Brief Thomas Langot sich hatte schreiben lassen, da er selber nicht schreiben konnte, nicht mehr auf ihn zu rechnen, und diese fünfhundert Franken wären die letzten, die er erhalten werde.

Alain wendete seine fünfundzwanzig Louisdor nach allen Seiten und fragte sich, was er damit machen solle.

Es war so Viel, wie er gewöhnlich in vierundzwanzig, höchstens achtundvierzig Stunden ausgab.

Nur sagte er sich, beim Spiele könne er, wenn er ein Wenig Glück habe, diese Summe verdoppeln, verdreifachen, vervierfachen, verzehnfachen.

Er kannte vier oder fünf Häuser, wo man spielte.

Als der Abend gekommen war, gab er sich nicht einmal die Mühe, zu wählen. Er ging geradezu in das nächste.

Es war nicht das erste Mal, daß man ihn dort sah.

Sein Eintritt machte also kein weiteres Aufsehen, als die Ankunft eines hübschen und leidenschaftlichen Spielers zu erregen pflegt.

Alain setzte sich an den ersten besten Tisch und spielte.

Der Zufall wollte, daß er als Gegner einen fremden Officier, halb Italiener, halb Polen, hatte, der schon mehrmals mit beharrlichem Glücke gegen ihn gespielt hatte. —

So lange Alain Montplet eine Taschen voll Louisd’or und Banknoten gehabt hatte, achtete er nicht viel auf die Art, wie diese Louis d’or und diese Banknoten fortgingen; aber zu dieser Stunde, wo es sich darum handelte, seine letzten fünfhundert Franken einträglich zu machen oder Paris zu verlassen, achtete der junge Mann auf sein Spiel.

Indem er genau beobachtete, glaubte er zu bemerken, daß der Officier nicht ganz richtig abschlug.

Von seinen fünfundzwanzig Louis d’or waren ihm schon nicht mehr als fünfzehn übrig, und er setzte sie auf diesen Coup.

Der Officier schlug Kreuzkönig auf.

Weder er noch ein Gegner hatte noch die Karten aufgenommen.

Alain Montplet legte eine Hand auf das Spiel seines Gegners.

»Man berührt die Karten nicht,« sagte der Officier.

»Verzeihen Sie, mein Herr,« antwortete Alain; »aber wenn Sie nicht drei Atouts unter ihren fünf Karten haben, will ich im Unrecht sein, und ich mache Ihnen zum Voraus meine Entschuldigungen.«

»Und wenn ich drei Atouts unter meinen fünf Karten habe?« sagte der Officier in rauhem Tone.

»Dann werde ich Ihnen nicht nur keine Entschuldigungen machen,« entgegnete Alain Montplet sehr höflich, sondern ich werde auch sagen – ich werde jagen —«

»Was werden Sie jagen?« brummte der Officier.

Alain wendete die Karten um.

Das Spiel des Officiers enthielt Kreuzdame, Kreuzbube und Kreuzzehn.

»Ich werde jagen,« fuhr Alain Montplet fort, »daß Sie die Volte geschlagen haben, und daß Sie ein Betrüger sind.«

Der Officier nahm eine Hand voll Karten und warf die Alain ins Gesicht.

»Gut,« sagte Alain, »ich habe in den Duellgesetzen des Monsieur Chateau-Villars gelesen, daß eine Berührung schon ein Schlag ist.

Ich werde genöthigt sein, nach Maisy zurückzukehren, aber ich glaube, daß ich den Makel nicht mit dorthin nehmen werde.«

Das Ereigniß hatte Aufsehen gemacht.

Ehe man sich trennte, wurde ein Zusammentreffen auf den folgenden Morgen um acht Uhr verabredet.

 

Alain, der von dem Officier gleichsam geschlagen worden war, hatte die Wahl der Waffen.

Er wählte die Pistolen.

Der Officier machte keine Einwendung dagegen – er galt selber für einen außerordentlich guten Schützen.

Alain wünschte sich in der Muette zu schlagen.

Er hatte eine Revanche gegen den Ort selber zu nehmen, wo er den ersten Aermel verloren hatte.

Dies wurde ihm auch bewilligt.

Es wurde verabredet, daß die Secundanten einfache Pistolen, die noch nie gebraucht worden, von dem Schießstande mitbringen sollten.

Ein Aufwärter von dort begleitete die Secundanten, um die Waffen zu laden.

Um acht Uhr war man auf dem Platze.

Als man die Pistolen untersuchte, fand man sie allen Bedingungen entsprechend.

Man bestimmte, daß die Gegner sich vierzig Schritte von einander aufstellen und auf einander losgehen sollten.

Jeder von ihnen sollte still stehen, nachdem er zehn Schritte zurückgelegt.

Die wahre Entfernung betrug also zwanzig Schritte.

Man weiß, daß bei einem Duell ein Schritt drei Fuß beträgt.

Die Duellanten wurden in der bestimmten Entfernung aufgestellt.

Als der Aufwärter die Pistolen geladen hatte, wurde einem Jeden eine in die Hand gegeben.

Die beiden Secundanten, welche den Gegnern die Pistolen zugeschickt hatten, zogen sich jetzt zurück und sagten zugleich:

»Vorwärts!«

Auf dieses Commando gingen Alain und der Officier auf einander los.

Nach zwei Schritten erhob Jeder eine Pistole und gab Feuer.

Man hörte nur einen einzigen Knall.

Alain schwankte, blieb aber stehen.

Der Officier drehte sich zwei Mal um sich selbst und fiel mit dem Gesicht auf den Boden.

Jeder Secundant lief auf einen Duellanten zu.

Alain hatte die Kugel gerade in die Mitte des Kinns erhalten, wo sie sich wie auf einer eisernen Platte breit geschlagen.

Der Knochen war frei geworden, aber nicht zerbrochen.

Die Heftigkeit der Erschütterung hatte Alain schwanken gemacht.

Dem Officier war die Kugel ins Herz gedrungen und er war auf der Stelle todt.

»Es ist kein großer Schade,« sagten die vier Secundanten zugleich; »es ist ein Betrüger weniger auf der Welt, Das ist Alles.«

Dies war die Leichenrede des Officiers, nach dessen Namen ich vergebens gefragt habe, um ihn hier aufzuzeichnen; aber Niemand hat mir ihn sagen können.

Man nannte ihn »den Officier,« Dies war die einzige Benennung, unter welcher er bekannt war.

»Ah, Henker! Henker!« sagte Alain, ein Taschentuch an sein Kinn haltend; »ich habe keinen Sou mehr, aber wenigstens habe ich den Makel von mir abgeschüttelt.«

Als Alain nach Paris zurückkehrte, verkaufte er seine Uhr.

An diesem Abend war er auf dem Balkon im Opernhause und hatte ein englisches Pflaster auf einem Kinn.

Dies war die einzige Spur, die ihm außer einer gewissen Schwere des Kopfes von dem Duell an dem Morgen übrig blieb.

Am folgenden Tage reiste er auf der Post nach Saint-Malo.

Er hatte sich zwei Jahre in Paris aufgehalten und in diesen zwei Jahren mehr als zweihunderttausend Franken vergeudet.

Fünftes Kapitel.
Wer die Zeche zahlen mußte

Es ist eine Ueberlieferung, die uns seit dreitausend Jahren aus der Bibel kommt und die sich folglich unserer Verehrung, von der Majestät der Jahrhunderte umgeben, darstellt, daß die verlorenen Söhne, so verschwenderisch sie auch gewesen, immer in dem väterlichen Hause gut empfangen werden, sobald sie sich herablassen, dorthin zurückzukehren.

Jean Montplet bestätigte die Parabel durch die Art, wie er seinen Sohn empfing, und große Thränen durchfurchten eine von der Sonne verbrannten Wangen, als Alain plötzlich eintrat, sich ihm zu Füßen warf und ihn um Verzeihung bat.

Der arme Vater umarmte ihn zärtlich und ohne ihm ein Wort von der Vergangenheit zu sagen, gab er ihm seinen Platz im Hause zurück.

Den Platz im Herzen hatte der unartige Junge gegenwärtig oder abwesend immer eingenommen.

Der Mißbrauch des Vergnügens hatte übrigens einen so heilsamen Erfolg, daß die Vorstellungen unnöthig gewesen wären.

Obgleich die Nothwendigkeit allein ihn bewogen hatte, nach Maisy zurückzukehren, so war es doch nicht ohne eine lebhafte Genugthuung, daß er seinen Geburtsort wiedersah und die tiefen und rührenden Gemüthsbewegungen wiederfand, die ihm der Fischfang, das Schwimmen und die Jagd gewährten, wofür die zügellosen Freuden der Hauptstadt ihn nie vollständig hatten entschädigen können.

Nachdem er einige Tage in der Meierei zugebracht hatte, während welcher er bis zu den Stunden seiner ersten Jugend zurückgekehrt war, kam er dahin, sich zu fragen, wie man ein so leichtes und glückliches Leben gegen gemachte Genüsse vertauschen könne, die nur eine Leere in der Seele – und Gewissensbisse im Herzen zurücklassen.

Aber dem guten Vater Montplet wäre es nicht leid gewesen, den Leidenschaften, deren Ueberschäumen er zu fürchten gelernt hatte, einen mächtigeren Zügel, als die Reue anzulegen.

Folglich sprach er mit Alain von der Verheirathung.

Das erste Mal antwortete Alain: Nein:

Das zweite Mal wurde er roth vor Zorn.

Der junge Mann hatte in Paris in jener Gesellschaft von leichtfertigen Sitten gelebt, die jedem Zwange Feind war, und die Leichtigkeit, womit er die Gewohnheit angenommen, hatte seinen Widerwillen gegen Das vermehrt, was er die Welt nannte, das ist: die friedlichen und ehrlichen Leute. Die verächtlichen Frauenzimmer, mit welchen er Umgang gehabt, hatten ihm eine tiefe Verachtung gegen das weibliche Geschlecht eingeflößt. Er verwechselte die Gattung mit den einzelnen Personen – und welchen Personen!

Er hatte mit allen Verbindungen dieser Art gebrochen und verwünschte das Andenken daran. Aber seltsam genug! Alain Montplet war von Natur furchtsam! Kühn und frech gegen gewisse Frauenzimmer, erröthete er, schlug die Augen nieder und verlor die Fassung vor einem anständigen Mädchen. Dann vermöge einer leicht begreiflichen Unzufriedenheit mit sich selber, ließ er dieser letzteren die Furchtsamkeit entgelten, die er in ihrer Nähe empfand, und da er doch unter diesen seine Lebensgefährtin auswählen und sich verheirathen mußte, so hatte er sich selber gelobt als Junggeselle zu leben und zu sterben.

Ueberdies bei einem Glücke das väterliche Haus wieder gefunden zu haben, hatte Alain doch eine Augenblicke der Schwermuth. Er dachte nicht ohne Schrecken an die Verbindlichkeiten, die er gegen Langot übernommen hatte. Die Unordnung des jungen Lebemanns war so groß, daß es ihm unmöglich war, auch nur annährungsweise zu bestimmen, auf welche Summe sich eine Verpflichtungen beliefen.

Er wußte nur, daß sie beträchtlich waren, und daß die immer größer werdende Summe wie eine Lawine, die von der Höhe des Berges herunterrollt, ihn vernichten könne, wenn sie auf ihn herabstürze.

Von Zeit zu Zeit fragte er sich, ob er nicht dem guten Vater Montplet Alles gestehen solle, der ihm schon so Vieles verziehen hatte, daß er mit seiner Nachsicht nicht zurückbleiben werde.

Da übrigens Langot sehr freundlich gegen ihn war, so verschob er immer das schmerzliche Geständniß, und indem er wartete, verging die Zeit.

Der alte Montplet liebte einen Sohn zu sehr, um nicht seine Traurigkeit zu bemerken.

Sie erschreckte ihn, denn er hielt sie für Langeweile.

Er erneuerte seine Heirathsvorschläge, welche er für um so nöthiger und dringender hielt, da er ein unbestimmtes Vorgefühl hatte, daß der Tod ihn bald von seinem Sohne trennen werde.

Indessen, von der Erfahrung belehrt, hütete er sich wohl, diesmal den Stier bei den Hörnern zu fassen.

Er hatte in Isigny einen alten Freund, Namens Jousselin, der einen Butterhandel hatte.

Ganz Frankreich kennt den Ruf der Butter von Isigny.

Freund Jousselin hatte bei diesem Handel sein Glück gemacht.

Er hatte eine einzige Tochter von so bewunderungswürdiger Schönheit, daß man bis Caen von ihr sprach.

Wenn man sich von ihr unterhielt, bezeichnete man sie nur mit dem Namen: die schöne Jousseline.

Man kennt die Gewohnheit der Provinz, den Namen eine weibliche Endung zu geben.

Jean Montplet schöpfte aus der lebhaften Zärtlichkeit, die ihm sein Sohn einflößte, den Muth, die Schmerzen zu überwinden, welche ihm seine Gicht verursachte. Er ließ sich auf das alte Pferdchen heben, welches seit drei Jahren, wie ein Herr, von seinen früheren Anstrengungen ausruhte – der Eine auf seinem Lehnsessel, das Andere auf einer Streu.

Das Pferdchen ging im Trabe fort, welcher zeigte, was es ehemals gemacht hatte, und einige Stunden später war die Sache zwischen den beiden Freunden abgemacht, wohlverstanden, die Zustimmung der beiden Contrahenten vorausgesetzt.

Eines Tages kam Alain von der Jagd zurück. Er war vom Kopf bis zu den Füßen durchnäßt, und da er in dem Sumpfe gewesen war, bis an den Gürtel mit Schlamm bedeckt; er hatte seine Cravatte abgelegt, die ihm dazu dienen mußte, eine mit Wild angefüllte Jagdtasche zu halten, und folglich hatte er sein Hemd zurückgeschlagen und den Hals bloß.

Vor dem Hause angekommen, richtete sich ein Hund, wie er zu thun pflegte auf eine Hinterfüße, stellte die Vorderfüße gegen die Thür, stieß sie auf, öffnete sie und trat ohne Weiteres zuerst ein.

Alain trat nach ihm ein, hatte seine Flinte auf der Schulter, an deren Ende er seinem Filzhut gesteckt hatte, der vom Regen triefte.

Aber kaum hatte er einen Schritt in das Zimmer gethan, als er zurückwich, als hätte man ihm das Medusenhaupt vorgehalten.

Neben dem Lehnsessel seines Vaters hatte er eben zwei Fremde erblickt.

Der Eine von diesen Fremden, ein Greis von ziemlich gemeinen Aussehen, hatte diesen Eindruck nicht hervorbringen können.

Man mußte ihn also dem anderen Fremden oder vielmehr der anderen Fremden zuschreiben.

In der That war die Fremde ein junges Mädchen, so schön, daß Alain ungeachtet seiner Verlegenheit eine Augen, indem er zurückwich, nicht von Derjenigen abwenden konnte, die diese übermäßige Schüchternheit veranlaßt hatte.

Er blieb auf derselben Stelle stehen, als wäre er an den Fußboden festgenagelt gewesen.

Dann dachte er, er könne doch nicht so lange stehen bleiben, ohne zu sprechen, ohne vorzutreten und ohne zurückzuweichen, entschloß sich daher zu einer mürrischen Verbeugung und entschuldigte sich auf linkische Weise wegen eines unordentlichen Costüms.

Das junge Mädchen antwortete mit einem Lächeln, welches die schönsten Zähne von der Welt zeigte.

Dann glaubte er genug gethan zu haben, um sein Hinausgehen entschuldigt zu haben, und der Jäger beeilte sich, unter dem Vorwande zu verschwinden, seine Kleider wechseln zu müssen.

Er war zornig über den Streich, den sein Vater ihm gespielt hatte, und einmal draußen, kam ihn die boshafte Lust an, ihn und seine Gäste im Stiche zu lassen und in das Gasthaus zu gehen und dort zu Mittag zu speisen.

Aber der gute alte Mann hatte vor einigen Tage einen Anfall von Gicht gehabt, woran er beinahe gestorben wäre, und sein Sohn fürchtete, wenn er so handelte, ihm zu viel Schmerz zu verursachen.

Er legte also in der Haft die ersten besten Kleider an, die ihm in die Hände kamen, stieg dann murrend hinunter und hatte noch einen Augenblick der Furchtsamkeit, indem er den Drücker faßte; dann stieß er die Thür kräftig auf, wie ein Mann, der einen gewaltsamen Entschluß faßt, und trat ein, indem er sagte:

»Am Ende werden sie mich doch nicht verschlucken.«

Ungeachtet dieser verständigen Betrachtung, ungeachtet der flehenden Blicke, die sein Vater auf ihn richtete, zeigte Alain eine sehr üble Laune.

Dies schreckte Mademoiselle Jousselin durchaus nicht zurück, da man die benachrichtigt hatte, daß sie einen Bären zu zähmen haben werde.

Da nun, in Folge seines Aufenthaltes in Paris und der mittelmäßigen Gesellschaft, die er dort gehabt hatte, dieser Bär einen ungezwungenen Anstand und eine unbefangene Sprache angenommen hatte, die in Isigny nicht gewöhnlich war, so begann das junge Mädchen ihre Aufgabe, die ihr auferlegt war, so gern wie möglich und ging sogleich tapfer darauf ein.

Uebrigens ward ihr diese Aufgabe leichter, als jeder Anderen, denn der Bär, mit dem sie es zu thun hatte, war besonders für die Schönheit empfänglich, und Mademoiselle Jousselin war auffallend schön.

Sie war zwei und zwanzig Jahre alt, hatte prächtiges Haar von dem schönsten aschfarbigen Blond, welches es auf der Welt gab, und eine etwas niedrige Stirn, aber auf zwei großen schwarzen Augen ruhend, die wie zwei Stücke Sammet gegen ihren milchweißen Teint abstachen.

Sie war groß; ihre Füße und Hände, wie die der meisten Frauen, die auf dem Lande wohnen, waren nicht tadellos; aber dagegen hatte ihre Brust eine herrliche Entwickelung und die kräftig hervortretenden Hüften hoben ihren schlanken Oberkörper um so mehr hervor.

 

Uebrigens glich sie hinsichtlich des Costüms nicht mehr den anderen Mädchen von Maify, als Alain’s Toilette seit seiner Rückkehr von Paris derjenigen der jungen Burschen von Maisy und Grand-Camp.

Sie hatte nicht gerade die baumwollene Mütze abgeschworen, diese unedle männliche Kopfbedeckung, die ihre Stirn, so sehr sie auch noch Kind gewesen, niemals entweiht hatte, wohl aber die großen Hauben, mit Spitzen bedeckt, nach der Façon Isabeau’s von Baiern, die zu engen Kleider und die Halstücher von Alençonspitzen. Mademoiselle Jousselin war ein Kind der Städte und der Civilisation; sie kaufte ihre Hüte bei der besten Putzmacherin von Caen oder wenigstens von Saint-Lo; sie hüllte sich in einen französischen Caschemir; endlich trug sie Kleider mit Volants, welche die Pracht dieser Toilette noch erhöhten.

Als er Lisa Jousselin’s Schönheit im Ganzen hatte beurtheilen können, fühlte Alain, wie eine Schüchternheit noch zunahm.

Aber ungeachtet ihres halb aristokratischen Wesens schien die Tochter des Butterhändlers ein so gutes Kind, daß Alain sich bald unbefangener mit ihr unterhielt und die Mittagstafel war noch nicht beendet, als die üble Laune sich bei diesem Manne mit den beweglichen Leidenschaften und dem zügellosen Verlangen sich in einen glühenden Wunsch verwandelt hatte, die schöne Normannin zu besitzen – und hätte er sie heirathen müssen.

Obgleich coquett auf der Oberfläche wie ein Spiegel, um die Lerchen anzulocken, gehörte Lisa noch nicht zu der Categorie der leichtfertigen Frauen, und da Alain bei ihr keine Ermuthigungen fand, welche ihm gewöhnlich auf halbem Wege entgegenkamen, so mußte er sich Zwang anthun.

Die Folge davon war, daß der Kampf, welcher in seiner Seele zwischen dieser entstehenden Leidenschaft und dem Zwange vorging, den ihm das junge Mädchen zur rechten Zeit aufzuerlegen wußte, damit endete, daß er sich bezwang und eine Neigungen unterdrückte.

Das Gefühl eines halben Platonismus entwickelte sich in seinem Herzen, und nach Verlauf von vierzehn Tagen gelangte er dahin, Diejenige, welche sein Vater zu feiner Gattin bestimmte, mit der reinen und naiven Liebe eines Mannes zu lieben, der niemals in der Welt gelebt hat.

Da Lisa Jousselin über ihren Erfolg sehr erfreut war und Alain ihr überdies durchaus nicht mißfiel, so war, nachdem diese vierzehn Tage vergangen waren, durchaus Nichts mehr vorhanden, was sich der Verbindung der beiden Liebenden widersetzte.

Einen Monat später waren sie bereits proclamiert und man hatte den Hochzeitstag, wie bei den alten Römern, mit weißer Kreide bezeichnet, als ein heftiger Gichtanfall plötzlich den alten Jean Montplet hinwegraffte.

Wir müßten den Character Alain’s schlecht gezeichnet haben, wenn unsere lieben Leser nicht sogleich voraussetzen sollten, daß seine Verzweiflung groß war.

Als Monsieur Jousselin die unheilvolle Nachricht hörte, eilte er in die Meierei und fand seinen künftigen Schwiegersohn vor dem Sterbebette kniend und schluchzend den Kopf in den Betttüchern verborgen. Er unterstützte Alain bei den letzten Pflichten, welche dieser dem Verstorbenen zu leisten hatte; dann, um die Wünsche der jungen Leute zu erfüllen, so wie auch um seine eigene Ungeduld zu befriedigen, seine Tochter als Herrin der schönen Besitzung zu sehen, willigte er ein, daß dieses Ereigniß die Feier der Hochzeit nur um einen Monat verzögern solle.

Aber eine schreckliche Erscheinung hatte einen Schleier über die Hoffnung des armen Alain geworfen und machte, daß er in der Mitte seines Schlummers erbebte.

Als Alain Montplet nach dem Leichenbegängnisse seines Vaters aus der Kirche kam und an Thomas Langot"s Hause vorüberging, konnte er nicht umhin, einen verstohlenen Blick auf diesen Laden zu werfen, so schwarz und traurig wie die Wolken, welche den Donner und Blitz einschließen.

Der Laden war geschlossen, mit Ausnahme eines Guckfensters in dem größeren Fenster, von der Breite und Höhe von vier dieser kleinen Scheiben von grünem Glase, wie man sie noch jetzt in den alterthümlichen Häusern einiger abgelegenen Dörfer des alten Frankreich findet.

Dieses Guckfenster war aufgehoben und unter dem Glase wie unter dem grünlichen Blatte einer Sumpfpflanze zeigte sich der platte und feuchte Kopf Thomas Langot’s, welcher den Leichenzug mit Augen, die vor Freude und Habgier glänzten, vorüberziehen sah.

Dieser Kopf machte auf Alain den Eindruck einer riesenhaften Viper.

Es war der Anblick dieses Kopfes, der ihn plötzlich erbeben machte; es war die Erscheinung dieser glänzenden Augen in einem Schlummer, die ihn mit einem Schrecken erweckten.

Und in der That fürchtete Alain nicht ohne Grund.

Diese Erscheinung, so phantastisch sie auch vielleicht unseren Lesern vorkommen mag, führte bald Handlungen herbei.

Wegen eines Billets zur Theilnahme, welches er nicht erhalten, spielte Thomas Langot den Empfindlichen, und eines schönen Morgens brachte er vier und dreißig oder fünfunddreißig Verschreibungen, die alle in der Ordnung waren und ihn als Alain’s Gläubiger mit einer Summe von 87 000 Franken kund gab, zum Vorscheine.

Ich kenne nichts Aergeres, als einen empfindlichen Gläubiger.

Es ist im eigentlichen Sinne verderblich.

Thomas Langot war im höchsten Grade empfindlich.

Alain hatte ihn nicht nur nicht zu dem Leichenbegängnisse des guten Jean Montplet eingeladen, den er, Thomas Langot, so sehr liebte und schätzte, sondern der undankbare Alain hatte ihn auch kein einziges Mal seit seiner Rückkehr aus Paris in einem Hause besucht, wo er ihn mit so großem Vergnügen würde empfangen haben, war ihm sogar immer ausgewichen, wenn er ihm zufällig begegnete, und redete ihn nicht anders an, als wenn er ihm nicht ausweichen konnte.

Ach! Dies Alles war freilich wahr. Alain, welcher wußte, daß er Thomas Langot eine beträchtliche Summe schuldig war, – obgleich er nicht wußte, wie hoch sich diese Summe belief. Alain empfand dem Materialhändler gegenüber jene instinctmäßige Verlegenheit, die jeder Schuldner seinem Gläubiger gegenüber empfindet.

Jetzt wußte er die Summe, die er dem Materialhändler schuldig war.

Diese Summe belief sich auf 87,000 Franken.

Wie war Alain Montplet dazu gekommen, diese fabelhafte Summe von dem Materialhändler Langot zu borgen? Dies war es, was Alain sich nicht erklären konnte.

Aber die Thatsache lag vor, bestätigt durch Wechsel, die alle verfallen, alle protestiert waren, und die er nur einklagen durfte.

Dies geschah ongeachtet des Widerspruchs des Winkeladvokaten in Isigny Namens Richard, der mehrmals bei den ersten Belustigungen Alain’s sein Gefährte und sein Gast gewesen war. In Folge des ertheilten Urtheils, welches die zweite Instanz bestätigte, wurde die Meyerei in Beschlag genommen und auf gerichtlichen Befehl verkauft, und einige Kleidungsstücke, ein Bett und seine Waffen war – als die Leute des Gerichts wie eine Heuschreckenwolke über die Meyerei, den Obstgarten und die Felder herfielen – Alles, was dem armen Alain von dem Vermögen übrig blieb, welches der alte Montplet mit so vieler Liebe für ihn Sou für Sou zusammengespart hatte.

Dies war der rechte Augenblick, zu gehen und bei der schönen Lisa Trost zu suchen.

Alain lief folglich nach Isigny.

Aber so schnell er auf den Flügeln der Liebe dorthin eilte, so war doch die Nachricht von einem vollständigen Untergange vor ihm dorthin gelangt und der Vater Jousselin erklärte ihm, daß ein verschwenderischer Mann durchaus nicht für seine Tochter geeignet sei.

In Folge dessen wünschte er sich Glück, daß der alte Montplet aus der Tiefe des Grabes den Abgrund nicht sehen könne, in welchen ein unglücklicher Sohn gefallen, und forderte Diesen auf, seine Besuche nicht fortzusetzen.

Alain war in Verzweiflung.

Aber Das, was er gehört hatte, war nur der Ausspruch eines eigennützigen Vaters.

Es blieb noch übrig, zu erfahren, was die Tochter sagen würde.

Der junge Mann stellte sich also, als verlasse er Isigny.

Aber er blieb in einem Zimmer des Gasthauses versteckt, und als der Abend gekommen war, lauerte er in der Nähe des Hauses Lisa Jousselin’s.

Die zärtliche Normannin, die wahrscheinlich ihre Gründe hatte, so arm auch ihr Verlobter war, einen Bruch für eine schwierige Sache zu halten, benutzte den Augenblick, wo Monsieur Jousselin gegangen war, seine tägliche Partie Domino in dem Café Malherbe zu spielen, um ihrem Geliebten die Thür zu öffnen, da sie wohl errieth, daß er sich in der Nähe aufhalten müsse.

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