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Der Schiffs-Capitain

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V

Der Name sowohl, als der Anblick des Angemeldeten erweckte jetzt in Manuels Gedächtniß eine verworrene Erinnerung, zu der er weder Datum, noch Ereigniß wußte, als der, dem der Bediente vorausgegangen war, zu einer Thür herein trat, die der, durch welche sich die Marquise entfernt hatte, gegenüber war. Wiewohl die Visite zu jener Zeit lästig fiel, und der junge Graf, mit Entwürfen für die Zukunft erfüllt, vorgezogen hätte, sie zu überlegen, als in sein Herz zu verschließen, so sah er sich doch durch die Convenienzen des Anstandes, welche zu der Zeit unter gebildeten Leuten sehr streng genommen wurden, gezwungen, den Besuch, dessen Benehmen übrigens einen Mann von Welt, Artigkeit und Auszeichnung ankündigte, zu empfangen. Nach den gewöhnlichen Begrüßungen winkte der Graf dem Unbekannten, Platz zu nehmen; dieser verbeugte und setzte sich; die Unterhaltung begann mit alltäglicher Höflichkeit.

»Ich bin sehr erfreut, sie zu treffen, Herr Graf!« sagte der Fremde.

»Der Zufall hat mir wohl gewollt,« antwortete Manuel; »eine Stunde früher hätten sie mich nicht gefunden, mein Herr! Ich komme eben von Paris.«

»Ich weiß es, Herr Graf, denn wir machten denselben Weg; ich reiste eine Stunde nach ihnen ab und erhielt längs des Weges Nachricht von ihnen durch die Postillone, welche die Ehre hatten, sie zu fahren.«

»Darf ich fragen, mein Herr,« versetzte der Graf mit einem Ausdrucke, der einiges Mißvergnügen durchschimmern ließ, welchem Umstande ich diesen Antheil an meiner Person verdanke?«

»Unter alten Bekannten ist ein solcher natürlich, und dürfte ich mich vielleicht beklagen, daß er nicht gegenseitig ist!«

»In der That, mein Herr, ich glaube ihnen irgendwo begegnet zu sein; doch ist meine Erinnerung nicht mehr deutlich genug. Haben sie die Güte, ihr nach zu helfen.«

»Wenn das gegründet ist, was sie mir da sagen, Herr Graf, so ist ihr Gedächtniß in der That sehr flüchtig, denn seit sechs Monaten habe ich zum dritten Male die Ehre, mich mit ihnen zu becomplimentieren.«

»Und sollte ich mir neue Vorwürfe zu ziehen mein Herr, sehe ich mich gezwungen, meine Unbestimmtheit in Rücksicht ihrer zu bekennen. Haben sie also, ich bitte, die Güte, mir jene Epochen durch Datum und Ereignisse zu bestimmen und mir ins Gedächtniß zurückzurufen, bei was für Gelegenheiten ich die Ehre hatte, sie zuerst zu sehen.«

»Das erste mal, Herr Graf, war es auf den Dünen von Port-Louis. Sie wünschten Auskunft über eine gewisse Fregatte, die ich so glücklich war ihnen geben zu können. Ich glaube sogar, daß ich sie an den Bord begleitete. Da war ich im Kostüm eines Seekadetten der König Marine, und sie in der Uniform der Infanterie«

»In der That, nun erinnere ich mich, mein Herr, und ich mußte sogar das Schiff verlassen, ohne ihnen meinen Dank abstatten zu können.«

»Sie irren Herr Graf, ich habe ihn bei unserer zweiten Entrevue erhalten.«

»Wo denn?«

»Am Bord des Schiffes, in das ich sie gebracht hatte: in der Kajüte. Dießmal trug ich die Kapitänsuniform: blauen Rock, rothe Weste und Unterkleider, graue Strümpfe, dreieckigen Huth, und gerollte Haare. Nur schien der Kapitän 30 Jahr älter als der Seekadett, und es war nicht ohne Ursache, daß ich mich so alt gemacht hatte, denn kaum hätten sie einem Jüngling ein so wichtiges Geheimniß vertraut, als sie mir damals mitteilten.«

»Was sie mir da erinnerlich machen, ist unglaublich, mein Herr, und doch – muß es wahr seyn. Ja, ja ich erinnere mich, daß ich in dem Schatten, in welchen sie sich zurückzogen, solche Augen glänzen sah, wie die ihrigen. Ich habe sie nicht vergessen. Und das war das vorletzte mal, sagen sie, daß ich die Ehre hatte sie zu sehn? fahren sie fort, mein Herr, meinem Gedächtnisse nachzuhelfen, ich bitte, denn an das letzte mal kann ich mich durchaus nicht erinnern.«

»Das war… vor 8 Tagen, Herr Graf. . . in Paris, bei einem Angriffe St. Georges, Rue Chauteraine. Nicht wahr, sie erinnern sich eines Kavaliers, eines Engländers: er hatte rothe Haare, die der Puder kaum verbarg, ein rothes Kleid, enge Unterkleider. Ich hatte die Ehre mit ihnen zu fechten, Herr Graf, und war so glücklich sie dreimal zu entwaffnen, ohne daß sie mich ein einziges Mal treffen konnten. Damals hieß ich Jones.«

»Sehr sonderbar! das war freilich sein Blick, aber derselbe Mann können sie nicht sein!«

»Weil es Gott gefallen hat, daß der Mensch sich in Allem verstellen kann, aber nicht im Blick!« antwortete Paul, »darum hat er jedem eine Feuerflamme gegeben. Nun denn, dieser Seekadett, dieser Kapitän, dieser Britte – war ich.«

»Und was sind sie heute, mein Herr, wenns ihnen gefällig ist? denn bei einem Manne der sich so vollkommen verstellen kann, ist – daß werden sie einsehn! – eine solche Frage nicht überflüssig?«

»Sie sehn, Herr Graf, daß ich heute keine Ursache habe mich zu verstellen; so komme ich denn zu ihnen in der einfachen Tracht eines Negligés, wie es die Kavaliere tragen, wenn sie einander als Nachbarn auf dem Lande besuchen. Heute bin ich, was ihnen beliebt aus mir zu machen: Franzose, Britte, Spanier, Amerikaner sogar. In welcher dieser Zungen befehlen fiel die Unterhaltung fortzusetzen?«

»Ob mir gleich einige dieser Sprachen eben so geläufig sind als ihnen, mein Herr, so zieh ich doch die französische vor; sie ist am reichsten an kurzen und bündigen Ausdrücken.

»Es sey, Herr Graf!« antwortete Paul mit einen tiefen Ausdruck von Schwermuth. »Auch ich ziehe die französische Sprache vor, ich erblickte in Frankreich das Licht, Frankreichs Sonne erhellte zuerst meine Augen; und ob ich gleich oft genug, fruchtbarere Länder und eine glänzendere Sonne gesehen habe, so giebt es für mich nur ein Land, nur eine Sonne: Frankreich!«

»Ihr Nationalenthusiasmus « höhnte Manuel, »läßt sie vergessen, welchem Gegenstand ich die Ehre ihres Besuchs zu verdanken habe?«

»Sie haben Recht, Herr Graf, ich komme darauf zurück. Sechs Monat also sind es, daß sie, als sie auf den Dünen von Port-Louis spazierten, ein Schiff von enger Bauart, mit schlanken Masten im äußern Hafen vor Anker sahen, und sich sagten: der Kapitän dieses Fahrzeugs, muß eine nur ihm bekannten Ursachen haben, so viel Leinwand und so wenig Holz zu tragen. Da entstand der Gedanke in ihnen, daß ich ein Flibustier, ein Pirat, ein Korsar, was weiß ich's, sein müsse.«

»Habe ich mich denn geirrt?« fragte Manuel.

»Ich denke ihnen schon meine Bewunderung ihres Scharfblicks ausgesprochen zu haben, mein Herr!« sagte Paul, mit einem leichten Anflug von Scherz, »sie durchschauen Menschen und Dinge auf dem ersten Blick!«

»Ersparen sie die Complimente!– zur Sache!«

»In dieser Ueberzeugung, ließen sie sich also von einem gewissen Fähnrich an Bord führen, und fanden in der Kajüte einen gewissen Kapitän. Sie überbrachten ihm einen Brief von dem Minister der königlichen Marine, welcher jedem Officier bei einem langen Cours, dessen Fahrzeug die französische Flagge trug, und als solcher von ihnen anerkannt würde, wenn er nach dem Golf von Mexico schiffe, ein Individuum, Namens Lusignan, als Staatsverbrecher nach Cayenne zu deportieren, befahl.«

»So ist's!«

»Ich gehorchte dieser Ordre, denn damals wußte ich noch nicht, daß dieser große Verbrecher, kein andres Verbrechen begangen hatte, als der Liebhaber ihrer Schwester zu sein.«

»Mein Herr!« schrie Manuel und sprang auf.

»Hier sind ein Paar schöne Pistolen, Herr Graf!« fuhr Paul gleichmüthig fort, mit den Waffen spielend, die Manuel bei seiner Ankunft auf den Tisch geworfen hatte.

»Und auch geladen!« antwortete Manuel mit einem Accent, der so scharf war, daß er nicht täuschen konnte.

»Treffen sie gut?« fuhr Paul mit angenommener Gleichgültigkeit fort.

»Davon können sie sich leicht überzeugen, mein Herr, wenn sie einen Gang in den Park mit mir machen wollen!« antwortete Manuel.

»Es ist nicht nöthig, deshalb hinunterzugehen!« sagte Paul, als schiene er Manuels Vorschlag nicht in seinem herausfordernden Sinne zu begreifen.

»Hier ist ein Ziel und die Entfernung angemessen.«

Mit diesen Worten nahm der Kapitän das Pistol und richtete es aus dem offenen Fenster auf den Wipfel eines jungen Baumes. Ein Rothkehlchen wiegte sich in den höchsten Zweigen mit freudigem, durchdringenden Gesange; der Schuß ging los, und der arme Vogel fiel, mitten von einander geheilt, an dem Fuße des Baumes nieder. Ruhig legte Paul das Pistol wieder auf den Tisch.

»Sie hatten Recht, Herr Graf!« sagte er, »es sind gute Waffen, ich rathe ihnen, sie beizubehalten.«

»Sie haben mir einen sonderbaren Beweis davon gegeben, mein Herr!« antwortete der Graf, »und ich muß gestehen, daß sie eine sehr sichre Hand haben.«

»Was wollen sie, Herr Graf?« versetzte Paul, mit dem ihm so eignem schwermüthigen Accent, »wenn es so lange Tage der Stille giebt, wenn kein Lüftchen über den Spiegel Gottes sich kräuselt, den man den Ocean nennt, sind wir Seefahrer wohl gezwungen Zerstreuungen aufzusuchen, die ihnen auf dem Festlande entgegen kommen. Dann üben wir unsere Geschicklichkeit an dem Geflügel, daß sich sanft auf dem Gipfel der Wogen wiegt, und daß sich vom Himmel stürzt, um die unvorsichtigen Fische wegzufangen, die auf der Oberfläche des Wassers sich zeigen, an den, von einer langen Reise ermüdeten Schwalben, die sich auf die Spitzen unserer Rahs und Spieren setzen. So, Herr Graf, treibt jeder seine Profession, und so erlangen wir eine gewisse Kraft in unsern Uebungen, welche uns nicht ganz angemessen zu seyn scheinen.«

»Fahren sie fort, mein Herr, und wenn's möglich ist, kommen wir zu unserer Sache zurück.«

»Dieser Lusignan war ein guter, tapferer Jüngling! Er erzählte mir eine Geschichte, wie er nach dem Tode seines Vaters, eines alten Freundes des ihrigen, der ihn ohne Vermögen hinterließ, von diesem einige Jahre zuvor, eh' er aus einer unbekannten Ursache, den Verstand verlor, an Kindes statt angenommen und mit ihnen erzogen ward; wie er ihnen von Kindheit an, Haß und ihrer Schwester Zuneigung einflößte; er sagte daß diese langen Jugendjahre, die sich in derselben Einsamkeit entwickelten, ihm und ihrer Schwester durchaus nicht vereinzelt vorkamen, wenn sie bei einander waren! Er erzählte mir die Geschichte dieser jugendlichen Liebe mit allen Umständen und wie eines Tags Margaris die Worte jener Veroneserin zu ihm sprach: Ich will dein sein bis ins Grab!«

 

»Und das hat sie nur mehr als zu gut gehalten!«

»Ja, nicht wahr? und ihr andern tugendhaften Leute, nennt es Schande und Entehrung, wenn so ein armes Kind, das sogar durch seine Unschuld gefallen ist, der Jugend, der Liebe, der Leidenschaft nachgab? ihre Mutter, deren Pflichten sie von ihrer Tochter entfernten und ihrem Gemal näherten – denn die Tugenden ihrer Mutter sind mir bekannt, wie die Schwächen ihrer Schwester, Herr Graf! – es ist eine strenge Dame, strenger vielleicht, als es ein menschliches Wesen sein sollte, das vor andern den Vorzug voraus hat, nie gefallen zu sein. Ihre Mutter, sag' ich, hörte einstens in der Nacht ein nicht zu unterdrückendes Geschrei; sie kam in's Gemach ihrer Schwester, ging bleich und stumm zu ihrem Lager, riß kaltblütig ein neugebornes Kind aus ihren Armen und entfernte sich mit diesem, ohne einen Vorwurf an ihre Tochter zu richten, aber noch bleicher und schweigender als fiel gekommen war. Die arme Margarethe stieß weder eine Klage, noch einen Schrei mehr aus: sie war ohnmächtig geworden, bei dem Anblicke ihrer Mutter. Ist's so, Herr Graf? bin ich genug am unterrichtet? und ist diese schreckliche Geschichte wahr

»Da sie alles so, genau wissen, muß ich's wohl zu geben!« murmelte Manuel.

»Diese ganzen Einzelheiten sind in den Briefen ihrer Schwester enthalten!« sagte Paul, eine Brieftasche öffnend, die mir Lusignan eingehändigt hat, als sie die Gewogenheit hatten, ihm einen Platz unter Mördern und Verbrechern zu verschaffen, damit ich sie der zurückbrächte, die sie geschrieben hat.

»Geben sie mir diese Briefe, mein Herr!« rief Manuel, die Hand nach der Brieftasche ausstreckend, »sie sollen der Unvorsichtigen treu übergeben werden!«

»Die sich bei der einzigen Person zu beklagen wagte, die fiel in der Welt liebt, nicht wahr?« fiel Paul ihm in’s Wort, und zog die Brieftasche zurück, »unvorsichtiges junges Mädchen, der einer Mutter das Kind ihres Herzens entreißt, und das seine bittern Thränen in dem Schooße des Vaters dieses Kindes zu vergießen wagt? unvorsichtige Schwester! die, da sie bei ihrem Bruder keinen Schutz fand gegen eine solche Tyrannei, seinen edlen Namen kompromittiert hat, weil sie mit ihm diese Briefe unterschrieb, die in den Augen einer einfältigen, parteiischen Welt. . . wie nennen sie das, die Hochgestellter? . . . ihre Familie entehren konnten! – nicht so?« —

»Mein Herr!« rief Manuel erglühend vor Ungeduld, »da sie die schreckliche Wichtigkeit dieser Papiere kennen; so entledigen sie sich dieses Auftrags und geben sie dieselben meiner Mutter oder Schwester!«

»Dies war mein Vorsatz, als ich in Lorient vor Anker ging; aber es sind etwa zehn bis zwölf Tage, daß ich in eine Kirche ging« . . .

»In eine Kirche?«

»Ja, mein Herr!«

»Was wollten sie denn dort?«

»Beten

»Ach so, der Herr Hauptmann Paul glaubt an Gott!«

»Und wenn ich nicht an den glaubte, mein Herr, wen würde ich anrufen im Sturme?«

»Nun, und in dieser Kirche?«

»In dieser Kirche, mein Herr, hörte ich von dem Priester die nahe Vermählung des hochgeborenen Fräuleins Margarethe d’Auray mit dem hochwohlgeborenen und angesehenen Herrn Baron von Lectour ankündigen. Da forschte ich nach ihnen; sie waren in Paris: ich mußte auch dahin, um dem Könige Bericht von meiner Sendung abzustatten.«

»Dem Könige?«

»Ja, Herr Graf, Sr. Majestät dem Könige Louis XVI. . . Ich reiste ab und hoffte, mit ihnen zurück zu kommen. In Paris begegnete ich ihnen bei St. Georges, vernahm ihre nahe Abreise, richtete die meinige darnach ein, damit wir fast zu gleicher Zeit hier ankamen, und . . . hier bin ich Herr Graf mit einem von meinem erst gefaßten sehr verschiedenen Entschlusse, den ich vor drei Wochen für richtig hielt, als ich in der Bretagne landete.«

»Und dieser Entschluß? – denn wir müssen zu Ende kommen!«

»Nun denn, ich denke, da Alles, selbst ihre Mutter die arme Waise vergißt, ich mich ihrer wohl annehmen muß! In der Lage, in der sie sind, Herr Graf, und mit ihrem Verlangen, sich mit dem Barone Lectour zu Duellieren (der in ihren Gedanken der Einzige ist, der ihre ehrgeizigen Pläne realisieren kann), sind diese Briefe wohl 100.000 Francs werth, nicht wahr? und diese werden kaum eine Bresche in ihr Vermögen machen.«

»Allein wer beweist mir, daß diese Summe?«

– »Sie haben Recht, Herr Graf, auch will ich diese Briefe gegen den Contract einer Rente für den jungen Hector von Lusignan austauschen.«

»Und das wäre Alles?«

»Ich will auch noch von ihnen fordern, mir das Kind zu überlassen, das ich von diesem kleinen Vermögen will erziehen lassen, und zwar fern von der Mutter, die ihn vergessen hat, und von dem Vater, den sie verbannt haben.«

»Gut, mein Herr, hätte ich gewußt, daß sie wegen einer so geringen Summe und wegen eines so armseligen Interesses gekommen sind, so hätte ich mich nicht so sehr beunruhigt. Doch werden sie erlauben, daß ich mit meiner Mutter darüber spreche!«

»Herr Graf!« rief ein Bedienter, der zur Thür herein kam.

»Laß mich zufrieden, ich bin für Niemand zu sprechen! antwortete jener ungeduldig.

»Fräulein Margarethe will den Herrn Grafen sprechen!«

»Sie soll wiederkommen!«

»Sie wünscht aber sogleich!«

»Geniren sie sich nicht wegen mir!« fiel Paul ein.

»Aber meine Schwester darf sie doch unmöglich sehen – das finden sie doch wohl?«

»Ich gebe das zu; da es aber von Wichtigkeit ist, daß ich das Schloß nicht vor Abschluß der Sache, die mich her geführt hat, verlasse, so erlauben sie mir, in dieses Cabinet zu gehen.«

»Sehr gern!« sagte Manuel, die Thür aufmachend, und kaum hatte er sie wieder zugemacht, so erschien Margarethe.

VI

Margarethe d’Auray, deren Geschichte unsere Leser durch die vorige Unterhaltung erfahren haben, war eine jener zarten, blassen Schönheiten, die in Allem, was sie sind, ein gewisses Zeichen vornehmer Herkunft beurkunden. Im ersten Augenblicke errieth man durch die weiche Geschmeidigkeit ihres Wuches, die bleiche Zartheit ihrer Haut, in der Form ihrer spitzigen Hände mit rosigen, durchsichtigen Nägeln die Aristokratie des Geschlechts. Es war erwiesen, daß ihre beiden Füße, die so klein waren, daß sie in einem gewöhnlichen Frauenschuhe füglich Platz gehabt hätten, nur auf dem Teppiche eines Salons, oder dem blühenden Rasen eines Parks gewandelt waren. In ihrem höchst anmuthigem Gange war etwas Vornehm stolzes, welches an die Ahnenbilder erinnerte; kurz, man errieth, was ihre Seele, die zu jedem Opfer begeistert war, daß man ihr auf legte, sich auch gegen alle Tyranneien empören konnte; daß Pflichttreue in ihr eine instinktartige Tugend, Gehorsam aber ihrem Geiste nur eine Auflage ihrer Erziehung war, so daß sie der Sturm des Lebens, der über sie hin tobte, nur wie eine Lilie bog, nicht wie ein Rohr zerknickte.

Als sie aber jetzt eintrat, drückten ihre Züge eine gänzliche Entmuthigung aus; auf ihren Wangen glänzten noch frisch vergossene Thränen, und ihr Körper neigte sich gleichsam unter dem Gewichte eines entschiedenen Unglücks, so daß Manuel begriff, wie sie alle ihre Kräfte bedurft hatte, um ruhig zu scheinen.

Als sie ihn erblickte, nahm sie sich augensichtlich zusammen und nahte sich mit krampfhafter Standhaftigkeit dem Sessel, in dem er saß, als sie aber auf einen Zügen Unwillen über diese Störung las, blieb sie stehn, und die beiden Kinder einer Mutter, denen die Gesellschaft keine gleiche Rechte verlieh, betrachteten sich als Fremde, das Eine mit dem Blicke des Ehrgeizes, das Andre mit dem der Furcht. Nach und nach ermannte sich Margarethe.

»Endlich bist du wieder da, Manuel!« sagte sie zu ihm, »ich wartete auf deine Ankunft, der Blinde auf das Licht. Und doch kann ich an der Art deines Empfanges leicht sehen, daß deine Schwester Unrecht hatte, auf dich zu rechnen!«

»Wenn meine Schwester das wieder geworden wäre,« antwortete Manuel, »was sie stets hätte sein sollen, eine unterwürfige, achtungsvolle Tochter, so würde sie während meiner Abwesenheit haben einsehen lernen, was ihr Rang und ihre Stellung von ihr fordern; sie hätte dann die vergangenen Ereignisse vergessen, als Dinge, die nicht hätten geschehen sollen, und sich vorbereitet auf die neue Zukunft, die sich ihr eröffnet. Wenn sie auf solche Weise zu mir kommt, so sind ihr meine Arme geöffnet, und sie immerdar meine Schwester.«

»Höre was ich dir sage!« erwiderte Margarethe, »und halte meine Worte für eine Rechtfertigung für mich, als für einen dir gemachten Vorwurf. Wenn meine Mutter, welche anzuklagen Gott mich behüte, denn eine heilige Pflichte entfernte sie von uns, wenn sie, sage ich, das für mich gewesen wäre, was alle Mütter sind, so hätte ich ihr stets mein Herz aufgeschlossen wie einer Mutter, daß sie darinnen wie in einem Buche gelesen haben würde. Dann hätten sie mich bei den ersten Worten von einer fremden Hand hineingeschrieben, gewarnt vor der Gefahr, und ich – sie geflohen. Wäre ich mitten in der Welt erzogen worden, statt daß ich im Schatten dieser alten Eichen auf wuchs, wie eine wilde Blume, so hätte ich von meiner Kindheit an, den Rang und die Stellung gekannt, an die du mich heute erinnert, und hätte mich dann wahrscheinlich nicht von dem Anstand entfernt, den er vorschreibt, und von den Pflichten, die er auflegt. Endlich, wenn ich mitten unter die Weltfrauen geworfen worden wäre, deren lustigen Witz und leichtes Herz ich dich so oft rühmen hörte, die ich aber nicht kenne, so dürfte ich wohl denselben Fehler, den ich aus Liebe bei ging, aus Leichtsinn begangen haben; und dann, ja! das fasse ich! hätte ich das Vergangene vergessen und neue Erinnerung auf die Oberfläche derselben säen können, wie man Blumen auf Gräber pflanzt, ja, ich hätte den Platz aus dem sie entstanden wären vergessen, mir von diesen Blumen ein Bouquet zum Ball und einen Brautkranz winden können. Aber, unglücklicher Weise, ist dem nicht also, Manuel. Man hieß mich Acht haben, als es nicht mehr Zeit war, die Gefahr zu meiden; man erinnerte mich an meinen Rang und an meine Stellung, als ich schon gefallen war, und nun sinnt man meinem Herzen an, sich den Freuden der Zukunft zuzuwenden, da es versunken ist, in den Jammer der Vergangenheit!«

»Und der Schluß von dem allen?« fragte Manuel mit Bitterkeit.

»Du allein kannst ihn, wenn auch nicht glücklich, wenigstens doch rechtlich machen, Manuel. Zu meinem Vater kann ich keine Zuflucht nehmen, ach Gott! ich weiß nicht einmal, ob er mich als seine Tochter erkennen würde. Zu meiner Mutter kann ich keine Hoffnung mehr fassen. Ihr Blick erstarrt, ihre Worte tödten mich; so konnte ich also nur dich aufsuchen, und zu dir sagen: Mein Bruder, du bist das Haupt des Hauses, du bist's der jetzt vor unser aller Ehre verantwortlich ist! Ich habe aus Unwissenheit gefehlt, und mein Fehler ist bestraft worden wie ein Verbrechen, ist das nicht genug?«

»Und dann, dann! murmelte Manuel, »was verlangt du mehr?«

»Ich verlange, Bruder, da ihr die Verbindung mit dem, den ich allein heirathen könnte, für unmöglich erklärt habt, daß ihr die Strafe wenigstens abmeßt nach meinen Kräften. Meine Mutter – Gott vergebe es ihr! – hat mir mein Kind genommen, als wäre sie nie Mutter gewesen! und es wird entfernt von mir, in Vergessenheit und Dunkelheit erzogen – Du, Manuel hat es übernommen, den Vater zu entfernen, wie meine Mutter das Kind, und du bist grausamer gegen ihn gewesen, als es nicht einmal einen Richter gegen den Strafbaren, viel weniger einen Menschen gegen einen andern zukam es zu sein. Was mich betrifft, so vereinigtet ihr euch beide, mir ein noch schmerzlicheres Märtyrerthum aufzulegen, als das welches zum Himmel führt. Nun dann Manuel, so verlange ich denn im Namen unserer in einer Wiege vereinten Kindheit, im Namen unsrer von einem Dache beschirmten Jugend, im Namen des Titels Geschwister, den die Natur uns gab, ich verlange, daß du mir ein Kloster aufthut, Manuel, und hinter mir schließest; und in diesem Kloster, das schwör ich dir, mein Bruder, will ich täglich mit dem Gesichte auf den Steinen, vor Gott knien und meinen Fehltritt büßen, da will ich unaufhörlich zum Herrn flehn, daß er zu Vergeltung für meine Thränen, meinem Vater seinen Verstand, meiner Mutter alles Glück, und dir, Manuel, Ehre, Ruhm und Vermögen wiedergibt, ja, daß ich das thun will, schwöre ich dir.«

 

»Ja, und in der Welt würde es heißen, daß ich eine Schwester hatte, die ich meinem Glücke aufopferte, und bei Lebzeiten beerbte! geh! du bist eine Närrin!«

»Höre, Manuel!« begann sie wieder, sich auf den Rücken eines Sessels stützend.

»Nun?«

»Wenn du dein Wort gegeben hast, nicht wahr, so hältst du es? – «

»Ich bin Kavalier.«

»Nun, sieh dieses Armband . . . «

»Das sehe ich freilich, und dann?«

»Es ist durch einen Schlüssel zugemacht; dieser befindet sich an einem Ringe, und den habe ich mit meinem Wort gegeben, so daß ich mich nie meines Versprechens ledig glauben würde, bis mir der Ring zurückgebracht oder wieder zugestellt sei.«

»Und der, so diesen Schlüssel hat?«

»Ist, dank dir und meiner Mutter, zu entfernt, als daß wir ihn zurückfordern könnten; er ist in Cayenne.«

»Wenn du zwei Jahr verheirathet sein wirst!« lachte Manuel höhnisch, »so wird dir dieses Armband so lästig sein, daß du dich gern selbst davon wirst losmachen wollen.«

»Ich glaubte dir gesagt zu haben, daß es an meinem Arme befestigt ist.« —

»Nun, ich denke, daß du weißt, was man thut, wenn man einen Schlüssel verloren hat und nicht herein kann? man schickt und läßt den Schlosser holen!«

»Gut! für mich, Manuel!« antwortete Margarethe, die Stimme erhebend, und den Arm mit fester, feierlicher Geberde ausstreckend, »wird es der Nachrichter sein, den man wird holen lassen, denn eher soll man diese Hand abschneiden, eh ich sie einem andern gebe!«

»Schweig! schweig!« sprach er, fand auf, und blickte ungeduldig nach der Kabinetthüre.

»Nun weißt du alles,« fügte Margarethe hinzu, »ich setzte meine Hoffnung auf dich, Manuel, denn ob du gleich keines tiefen Gefühls fähig bist, bist du doch nicht bös. Mit Thränen kam ich zu dir; sieh, ob ich lüge; mein Bruder, diese Heirath ist mein Unglück, ist die Verzweiflung meines Lebens; das Kloster ist mir lieber, der Tod, selbst das Elend! – und du hast nicht auf mich gehört, oder wenn du mich gehört hat, so hast du mich nicht verstanden. Gut denn! So werde ich mich an jenen Mann wenden, ich werde an seine Ehre, an sein Zartgefühl appellieren. Wenn das nicht hinreichend ist, werde ich ihm alles erzählen; meine Liebe für einen Andern, meine Schwäche, meinen Fehltritt, mein Verbrechen; ich werde ihm sagen, daß ich ein Kind habe, denn wenn man mir es auch entrissen hat, ob ich es gleich nicht wieder gesehen habe, und nicht weiß wo es ist, so lebt mein Kind doch. Ein Kind stirbt so nicht, ohne daß sein Tod im Mutterherzen wiederhallte. Kurz, ich werde ihm sagen, wenn ich muß, daß ich einen Andern liebe, ihn nicht lieben kann, und nie lieben werde.«

»Nun, so sag ihm das alles!« rief Manuel unwillig über diese Bestimmtheit, »und Abends werden wir den Contract unterschreiben, und des andern Tages wirst du Baronin von Lectour sein.«

»Die allerunglücklichste Frau, die es auf der Welt giebt!« antwortete sie; »denn ich werde einen Bruder haben, den ich nicht mehr lieben, einen Mann, den ich nicht achten kann! Leb' wohl, Manuel! glaub' mir, der Contract ist noch nicht unterschrieben!«

Bei diesen Worten entfernte sich Margarethe mit dem Ausdrucke jener tiefen Verzweiflung, die nicht zu verkennen ist. Auch war der Graf überzeugt, daß es kein Sieg war, den er davon getragen hatte, aber ein Kampf, den er bestehen müsse, und so sah er ihr mit einer Unruhe nach, die nicht ganz ohne Rührung war. Nach einer Pause des Schweigens wandte er sich um, und erblickte Paul, den er ganz vergessen hatte, und der in der Thür des Cabinets stand. Sogleich fiel es ihm ein, von welcher Wichtigkeit bei diesen Umständen der Besitz jener Papiere sei, die dieser ihm angeboten hatte; er setzte sich schnell an den Tisch, nahm Feder und Papier und kehrte sich zu ihm.

»Jetzt, mein Herr,« sagte er, »sind wir allein und ungehindert, das Geschäft zu Stande zu bringen. In was für Ausdrücken wollen sie das Versprechen abgefaßt haben? Dictiren sie, ich werde schreiben!«

»Es ist nicht nöthig!« sagte der Kapitän kalt.

»Warum?« —

»Ich habe mich anders besonnen!«

»Wie denn so?« rief Manuel; und von den Folgen erschreckt, die er aus diesen unerwarteten Worten entstehen sah, sprang er auf.

»Ich werde,« sagte Paul ganz ruhig, »dem Kinde die 100,000 Francs geben, und ihrer Schwester einen Mann.«

»Aber wer sind sie denn,« sagte Manuel, einen Schritt auf ihn zugehend, »daß sie dergestalt über ein junges Mädchen verfügen wollen, die meine Schwester ist, die sie nie gesehen und nicht kennt?«

»Wer ich bin?« lächelte Paul, »auf Ehre, über diesen Punkt bin ich nicht aufgeklärter, als sie es sind, denn meine Geburt ist ein Geheimniß, daß mir erst entdeckt werden soll, wenn ich fünfundzwanzig Jahr alt bin?«

»Und sie werden es bald sein?«

»Heut' Abend, mein Herr. Von Morgen an steh' ich mit aller nur möglichen Auskunft, die sie von mir verlangen werden, zu Befehl.« Er verbeugte sich.

»Ich lasse sie gehen, mein Herr,« sagte der Graf; »aber versteht sich, unter der Bedingung wieder zu kommen!«

»Ich wollte sie ihnen selbst machen, Herr Graf, und danke ihnen, mir zuvor gekommen zu sein!« sagte Paul.

Er grüßte nochmals und verließ das Zimmer.

Am Thore des Schlosses fand Paul seinen Bedienten mit den Pferden; er schlug den Weg nach Port-Louis ein. Als er vom Schlosse aus nicht mehr gesehen werden konnte, stieg er ab und ging auf eine kleine Fischerhütte zu, die auf den Dünen erbaut war. Vor der Thür dieses Hauses saß ein, als Matrose gekleideter, Jüngling in tiefen Gedanken, so daß er ihn nicht kommen hörte. Der Kapitän legte die Hand auf seine Achsel; der junge Mann schauderte, sah ihn an und ward leichenblaß, obgleich Pauls offenes fröhliches Gesicht auf keine schlimme Nachricht deutete.

»Nun denn,« sagte Paul; »ich habe sie gesehen.«

»Wen?« murmelte der Jüngling.

»Na – Margarethen! bei Gott!«

»Und dann?«

»Sie ist reizend!«

»Das fragte ich dich nicht, mein Gott!«

»Sie liebt dich noch immer!« —

»Ach, mein Gott!!!« schrie der junge Mann, warf sich in Pauls Arme und brach in Thränen aus.

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