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Die beiden Dianen

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Er beklagte mit bewegtem Tone Babette und suchte sie auch zu trösten, so viel man eine Mutter, die ihr Kind beweint, trösten kann.

Gabriel brachte so den Rest des Tages unter seinen Freunden und Dienern zu, gut und liebevoll gegen Alle, doch ohne die tiefe Schwermuth abzuschütteln, die ihn niederzubeugen schien.

Was Martin-Guerre betrifft, der seinen theuren wiedergefundenen Herrn nicht mit den Augen verließ, so redete Gabriel mit ihm, und er erkundigte sich bei ihm mit vieler Theilnahme. Doch den ganzen Tag sagte er nicht ein Wort von dem Versprechen, das er ihm einst geleistet, und er schien die Verpflichtung, die er übernommen, den Namen- und Ehrenräuber zu bestrafen, der den armen Martin so lange verfolgt, gänzlich vergessen zu haben.

Martin-Guerre war seinerseits zu ehrfurchtsvoll und zu wenig selbstsüchtig, um die Gedanken des Vicomte d’Ermès auf diesen Gegenstand zu lenken.

Doch als der Abend kam, erhob sich Gabriel und sagte mit einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ:

»Ich muß nun wieder aufbrechen.«

Dann wandte er sich gegen Martin-Guerre und fügte bei:

»Mein braver Martin, ich habe mich bei meinen Wanderungen mit Dir beschäftigt, und unbekannt, wie ich war, gefragt, gesucht und glaube die Spuren der Wahrheit, die Dich interessiert, gefunden zu haben: denn ich erinnerte mich der Verpflichtung, die ich gegen Dich eingegangen hatte, Martin.«

»Oh! gnädiger Herr!« rief der Stallmeister ganz glücklich und ganz verwirrt.

»Ich wiederhole Dir also,« fuhr Gabriel fort, »ich habe hinreichend Anzeigen gesammelt, daß ich auf dem rechten Wege zu sein glauben darf. Doch Du mußt mithelfen, Freund. Reise noch in dieser Woche nach Rieux, Deiner Heimath, ab. Doch begib Dich nicht unmittelbar dahin. Sei nur von heute in einem Monat in Lyon. Ich werde Dich dort aufsuchen und wir bereden uns sodann, um gemeinschaftlich zu handeln.«

»Ich gehorche Euch, gnädiger Herr,« sprach Martin-Guerre. »Doch bis dahin soll ich Euch nicht wiedersehen.«

»Nein, nein, ich muß fortan allein sein,« erwiderte Gabriel voll Energie. »Ich gehe abermals, und sucht mich nicht zurückzuhalten, denn das hieße mich vergebens betrüben. Gott befohlen, meine guten Freunde. Martin erinnere Dich, in einem Monat in Lyon.«

»Ich werde Euch erwarten, gnädiger Herr,« sagte der Stallmeister.

Gabriel nahm herzlich von Jean Peuquoy und seiner Frau Abschied, drückte Aloyse die Hände und entfernte sich ohne den Schmerz der guten Amme bemerken zu wollen, abermals, um das irrende Leben wieder zu beginnen, zu dem er sich verurtheilt zu haben schien.

XXIII.
Worin man Arnauld du Thill wiederfindet

Es war sechs Wochen nachher, am 16. Juni 1558, im Dorfe Artigues, bei Rieux, vor dem schönsten Hause des Fleckens; die grüne Weinrebe, welche an der braunen Wand hinlief, diente als Grund für ein häusliches und ländliches Gemälde, dem es in seiner etwas plumpen Einfachheit nicht an einem gewissen Ausdruck gebrach.

Ein Mann, der nach seinen staubigen Stiefeln zu urtheilen, von einer langen Wanderung zurückkam, saß hier auf einer hölzernen Bank und streckte nachlässig seine Schuhe einer Frau dar, welche ihm dieselben aufschnürte.

Der Mann faltete die Stirne, die Frau lächelte.

»Wirst Du bald fertig sein, Bertrande?« sagte der Mann mit hartem Tone. »Du bist so ungeschickt und langsam, daß ich ganz außer mir komme!«

»Es ist geschehen, Martin,« sprach sanft die Frau.

»Ist es geschehen? hm?« brummte der vorgebliche Martin. »Wo sind nun meine anderen Schuhe? Ich wette, Du bist nicht einmal darauf bedacht gewesen, sie mitzubringen, albernes Weib! Ich werde wenigstens zwei Minuten mit nackten Beinen bleiben müssen.«

Bertrande lief in das Haus und brachte in weniger als einer Sekunde die anderen Schuhe, die sie eiligst selbst ihrem Herrn und Meister anzog.

Man hat ohne Zweifel die Personen erkannt. Es war unter dem Namen Martin-Guerre Arnauld du Thill, stets roh und gebieterisch; es war Bertrande de Rolles, unendlich gemildert und wunderbar zur Vernunft gebracht.

»Wo ist mein Glas Meth, wo ist es?« fragte Martin mit demselben mürrischen Ton.

»Es ist bereit, mein Freund,« erwiderte furchtsam Bertrande, »und ich will es Dir holen.«

»Immer warten!« versetzte der Andere, voll Ungeduld mit dem Fuße stampfend. »Vorwärts! beeile Dich, oder . . .«

Eine bezeichnende Gebärde vollendete seinen Gedanken.

Bertrande ging weg und kam mit der Geschwindigkeit des Blitzes zurück. Martin nahm aus ihren Händen ein volles Glas Meth und leerte es mit offenbarer Befriedigung aus einen Zug.

»Es ist gut!« sagte er herablassend und gab seiner Frau den leeren Becher zurück.

»Armer Freund! wie warm hast Du,« wagte die Frau zu bemerken, indem sie mit ihrem Sacktuch die Stirne ihres rauhen Mannes abwischte. »Setze doch Deinen Hut auf, ein Luftzug könnte Dir schaden. Nicht wahr, Du bist sehr müde?«

»Ei!« entgegnete Martin-Guerre, immer brummend, »was man sich nicht nach den albernen Gebräuchen dieser albernen Gegend richten und bei jedem Jahrestag seiner Hochzeit einen Haufen hungriger Verwandten einladen muß? . . . Meiner Treue! ich hatte diese einfältige Gewohnheit vergessen, und wenn Du mich nicht daran erinnert hättest, Bertrande! . . . Nun, die Runde ist gemacht; in zwei Stunden wird die ganze Verwandtschaft mit den gefräßigen Kinnbacken hier ankommen.«

»Ich danke, mein Freund,« sagte Bertrande, »Du hast sehr Recht, es ist ein alberner Gebrauch, doch ein gebieterischer Gebrauch, in den man sich fügen muß, wenn man nicht als hochmüthig und unverschämt erscheinen will.«

»Gut geurtheilt!« versetzte Martin mit Ironie. »Und Du, Faulenzerin, hast Du wenigstens Deinerseits gearbeitet? Ist der Tisch im Obstgarten gedeckt?«

»Ja, Martin, wie Du es befohlen.«

»Hast Du auch den Richter eingeladen?« fragte der zärtliche Gatte.

»Ja, Martin, und er hat gesagt, er werde sein Möglichstes thun, um dem Mahle beizuwohnen.«

»Er würde sein Möglichstes thun!« rief Martin voll Zorn. »Das ist es nicht! er muß kommen! Du wirst ihn ungeschickt eingeladen haben! es liegt mir daran, den Richter gut zu behandeln, Du weißt es, doch Du thust Alles, um mir zu mißfallen. Seine Gegenwart war das Einzige, was mich ein wenig für den langweiligen Gebrauch und die unöthige Ausgabe dieses lächerlichen Jahrestages entschädigt hätte.«

»Lächerlicher Jahrestag! der unserer Hochzeit!« entgegnete Bertrande mit Thränen in den Augen. »Oh, Martin! Du bist allerdings ein unterrichteter Mann, Du hast viel gesehen und viele Reisen gemacht, Du kannst die alten Vorurtheile dieser Gegend verachten . . . Doch gleichviel! dieser Jahrestag erinnert mich an eine Zeit, wo Du minder streng und mehr zärtlich gegen Deine arme Frau warst.«

»Ja,« sagte Martin mit einem höhnischen Gelächter, »und wo meine Frau minder sanft und mehr widerspenstig gegen mich war; wo sie sich sogar zuweilen so sehr vergaß, daß sie . . .

»Oh, Martin! Martin!« sprach Bertrande, »ruf diese Erinnerungen nicht hervor, die mich erröthen machen und von denen ich mir nun kaum Rechenschaft zu geben vermag.«

»Und ich! wenn ich bedenke, daß ich so dumm sein konnte, dies zu ertragen! Ah! ah! ah! Doch schweigen wir hiervon; mein Charakter hat sich sehr geändert und der Deinige auch; ich lasse Dir in dieser Hinsicht gerne Gerechtigkeit widerfahren. Wie Du sagst, Bertrande, ich habe seitdem viel Land gesehen. Dein schlimmes Benehmen hat mich, indem Du mich zwangst, in der Welt umherzulaufen, genöthigt, Erfahrungen zu sammeln; und als ich im vorigen Jahr hierher zurückkam, konnte ich die Dinge in ihrer natürlichen Ordnung wiederherstellen. Ich hatte zu diesem Behufe nur einen andern Martin, genannt Martin-Stock, mitzubringen. Nun geht auch Alles nach Wünschen und wir führen in der That die innigste Ehe.«

»Es ist, Gott sei Dank, wahr!« sagte Bertrande.

»Bertrande!«

»Martin?«

»Du gehst auf der Stelle,« sprach Martin-Guerre mit einem gebieterischen Ton, der keinen Widerspruch duldete, »Du gehst auf der Stelle wieder zum Richter von Artigues, Du wiederholst Deine inständigen Bitten, Du erhältst von ihm das förmliche Versprechen, sich bei unserem Mahle einzufinden, und wenn er nicht kommt, bedenke es wohl, so werde ich mich an Dich, an Dich allein halten. Gehe, Bertrande, und komme bald wieder zurück.«

»Ich gehe und komme sogleich wieder,« sagte Bertrande und verschwand in der Minute.

Arnauld du Thill schaute ihr einen Augenblick zufrieden nach; als er sodann allein war, streckte er sich träge auf seiner hölzernen Bank aus, schlürfte die Luft ein und blinzelte mit den Augen mit der selbstsüchtigen hochmüthigen Seligkeit eines glücklichen Menschen, der nichts zu befürchten und nichts zu wünschen hat.

Er sah einen Mann, einen Reisenden, nicht, der auf einen Stab gestützt mühsam auf der zu dieser heißen Stunde verlassenen Straße einher kam und, als er Arnauld erblickte, vor ihm stehen blieb.

»Verzeiht, Kamerad,« sagte der Mann, »gibt es in diesem Flecken keine Herberge, wo ich ausruhen und zu Mittag essen könnte?«

»Wahrhaftig, nein,« erwiderte Arnauld, ohne sich stören zu lassen, »Ihr müßt nach Rieux, zwei Stunden von hier, gehen, um ein Wirthshaus zu finden.«

»Noch zwei Stunden, während ich vor Müdigkeit schon nicht. mehr vorwärts kann!« rief der Reisende. »Gern wurde ich eine Pistole geben, wenn ich sogleich ein Lager und ein Mahl fände.«

»Eine Pistole!« sagte Arnauld, im Punkte des Geldes noch immer derselbe, mit einer Bewegung. »Ei, mein braver Mann, man kann Euch, wenn Ihr wollt, bei uns in einer Ecke ein Bett geben, und was das Mittagsbrod betrifft, so haben wir heute ein Jahrestagsmahl, wobei es auf einen Gast mehr nicht ankommt. Ist Euch das genehm?«

»Allerdings,« antwortete der Reisende, »ich sage Euch, daß ich vor Hunger und Müdigkeit umfalle.«

 

»Gut, es ist eine abgemachte Sache, bleibt für eine, Pistole,« sprach Arnauld.

»Hier ist sie zum Voraus,« sagte der Reisende.

Arnauld du Thill erhob sich, um sie zu nehmen, und nahm zugleich den Hut ab, der seine Augen und sein Gesicht bedeckte.

Der Fremde konnte jetzt erst sein Gesicht sehen und rief, vor Erstaunen zurückweichend.

»Mein Neffe! Arnauld du Thill!«

Arnauld schaute ihn an und erbleichte; doch er erholte sich sogleich wieder und entgegnete:

»Euer Neffe? Ich kenne Euch nicht. Wer seid Ihr?«

»Du kennst mich nicht, Arnauld,« sagte der Mann. »Du erkennst nicht Deinen alten Oheim mütterlicher Seite, Carbon Barreau, dem Du, wie der ganzen Familie, so viele Sorgen gemacht hast?«

»Bei meiner Treue, nein!« erwiderte Arnauld mit einem frechen Gelächter.

»Wie! Du verleugnest mich und verleugnest Dich?« versetzte Carbon Barreau. »Sprich, hast Du nicht gemacht, daß Deine Mutter, meine Schwester, eine arme Witwe, die Du vor zehn Jahren in Sagias verlassen hast, vor Kummer gestorben ist? Ah! Du erkennst mich nicht, schlimmer Geselle?«

»Ich weiß nicht, was Ihr sagen wollt,« versetzte der unverschämte Arnauld, ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen. »Ich heiße nicht Arnauld, sondern Martin-Guerre; ich bin nicht von Sagias, sondern von Artigues. Die Alten aus der Gegend haben mich geboren werden sehen und würden es bezeugen, und wenn Ihr verspottet werden wollt, braucht Ihr nur Eure Aussage vor Bertrande de Rolles, meiner Frau, und vor allen meinen Verwandten zu wiederholen.«

»Eure Frau? Eure Verwandten?« sagte Carbon Barreau erstaunt. »Verzeiht, sollte ich mich wirklich getäuscht haben? Doch nein, es ist unmöglich! eine solche Aehnlichkeit . . .«

»Nach Verlauf von zehn Jahren ist das schwer zu ermitteln,« unterbrach ihn Arnauld. »Geht! Ihr habt die Blendung, mein braver Mann; meine wahren Oheime und meine wahren Verwandten werdet Ihr sehen und sogleich selbst hören.«

»Gut also,« versetzte Carbon Barreau, der überzeugt zu sein anfing, »Ihr könnt Euch rühmen, meinem Neffen Arnauld du Thill zu gleichen.«

»Ihr belehrt mich hierüber,« entgegnete Arnauld hohnlachend, »ich habe mich dessen noch nicht gerühmt.«

»Ah! wenn ich sage, Ihr könnt Euch rühmen,« erwiderte der gute Mann, »so meine ich damit nicht, es sei Grund vorhanden; auf die Aehnlichkeit mit einem solchen Schuft stolz zu sein! Ich darf es wohl gestehen, mein Neffe ist der abscheulichste Schurke, den man sich vorstellen kann. Und wenn ich im Ganzen bedenke, es wäre sehr unwahrscheinlich, daß er noch leben wurde; denn zu dieser Stunde muß der Elende längst gehenkt sein.«

»Ihr glaubt?« versetzte Arnauld mit einer gewissen Bitterkeit.

»Ich bin dessen gewiß, Herr Martin-Guerre,« erwiderte Carbon Barreau mit Sicherheit. »Doch, nicht wahr, es macht Euch nichts, daß ich so von diesem Burschen spreche, da Ihr es nicht seid, mein Wirth?«

»Es macht mir durchaus nichts,« antwortete Arnauld du Thill ziemlich unzufrieden.

»Ah! mein Herr,« sprach der Oheim, der ein wenig Schwätzer war, »wie muß ich mir, seiner weinenden Mutter gegenüber, Glück wünschen, daß ich Junggeselle geblieben bin und keine Kinder gehabt habe, welche, diesem heillosen Gesellen ähnlich, hätten meinen Namen entehren und mein Leben trostlos machen können!«

»Das ist richtig,« sagte Arnauld zu sich selbst, »Oheim Carbon hatte keine Kinder, das heißt, keine Erben.«

»Woran denkt Ihr, Meister Martin?« fragte der Reisende.

»Ich denke,« anwortete Arnauld mit süßlichem Tone, »ich denke, daß Ihr, trotz Eurer entgegengesetzten Versicherung, Messire Carbon Barreau, vielleicht, wenn Ihr einen Sohn hättet, oder in Ermangelung eines Sohnes sogar den bösen Neffen, den Ihr so wenig beklagt, der aber doch am Ende eine Zuneigung, eine Familie wäre, ein Mensch, dem Ihr Eure Habe hinterlassen könntet.«

»Meine Habe?« versetzte Carbon Barreau.

»Allerdings, Eure Habe. Ihr, der Ihr so freigebig die Pistolen ausstreut, müßt nicht arm sein! Und dieser Arnauld, der mir so sehr gleicht, wäre, denke ich, Euer Erbe. Bei Gott! ich bedaure, daß ich nicht ein wenig er bin.«

»Arnauld du Thill wäre, wenn man ihn nicht gehenkt hätte, allerdings mein Erbe,« erwiderte Carbon Barreau mit raschem Tone. »Doch er würde keinen großen Nutzen von meiner Hinterlassenschaft haben, denn ich bin nicht reich. Ich biete in diesem Augenblick eine Pistole, um auszuruhen und mich ein wenig zu erquicken, weil ich von Müdigkeit und Hunger erschöpft bin; deshalb kann meine Börse doch leicht – sehr leicht sein.«

»Hm! . . .« machte Arnauld du Thill ungläubig.

»Ihr glaubt es nicht, Meister Martin-Guerre?« Nach Belieben. Es ist darum nicht minder wahr, daß ich mich nach Lyon begebe, wo der Herr Präsident des Parlaments, dessen Huissier ich zwanzig Jahre gewesen bin, mir ein Asyl und Brod für den Rest meiner Tage anbietet. Er hat mir fünfundzwanzig Pistolen geschickt, um meine kleinen Schulden zu bezahlen und die Reise zu machen, der freigebige Mann! Doch was mir davon übrig bleibt, ist Alles, was ich besitze. Und somit ist meine Erbschaft zu wenig, als daß Arnauld du Thill, selbst wenn er noch leben würde, sie in Anspruch nehmen sollte. Aus diesen Gründen . . .«

»Es ist genug, Schwätzer!« unterbrach ihn ungestüm Arnauld du Thill in seiner Unzufriedenheit. »Habe ich Zeit, Eure Albernheiten anzuhören? Gebt mir immerhin Eure Pistole und tretet in mein Haus ein, wenn es Euch beliebt. Ihr werdet in einer Stunde zu Mittag essen, hernach schlafen, und wir sind quitt. Wir brauchen deshalb nicht so viele Redensarten.«

»Aber Ihr habt mich gefragt?« versetzte Carbon Barreau.«

»Vorwärts! tretet Ihr ein, mein guter Mann, oder tretet Ihr nicht ein? Hier kommen schon einige von meinen Gästen, und Ihr werdet mir erlauben, Euch ihretwegen zu verlassen. Tretet ein; ich mache keine Umstände mit Euch und führe Euch nicht.«

»Ich sehe das wohl,« sagte Carbon Barreau.

Und er trat in das Haus ein und brummte dabei über den schnellen Umschlag der Laune seines Wirthes.

Drei Stunden nachher saß man noch bei Tische unter den Ulmen. Die Gäste waren vollzählig und der Richter von Artigues, dessen Gunst zu gewinnen Arnauld so sehr bemüht war, saß am Ehrenplatz.

Die guten Weine und die frohen Scherze kreisten. Die jungen Leute plauderten von der Zukunft und die, alten von der Vergangenheit, und der Oheim Carbon Barreau hatte sich versichern können, daß sein Wirth wirklich Martin-Guerre hieß und von allen Einwohnern von Artigues als einer der Ihrigen behandelt wurde.

»Erinnerst Du Dich, Martin-Guerre, des Augustinermönches, des Bruder Chrysostomus, der uns lesen lehrte?« sagte der Eine.

»Ich erinnere mich,« antwortete Arnauld.

»Erinnerst Du Dich, Vetter Martin,« fragte ein Andern, »erinnerst Du Dich, daß man bei Deiner Hochzeit zuerst Freudenschüsse in der Gegend gethan hat?«

»Ich erinnere mich,« antwortete Arnauld.

Und als wollte er seine Erinnerungen wiederbeleben, küßte er seine Frau, welche ganz freudig und stolz an seiner Seite saß.«

»Da Ihr ein so gutes Gedächtniß habt, Meister,« sprach plötzlich hinter den Gästen eine feste Stimme zu Arnauld du Thill, »da Ihr Euch so vieler Dinge erinnert, so werdet Ihr Euch auch wohl meiner erinnern.«

XXIV.
Die Justiz in Verlegenheit

Derjenige, welcher so mit gebieterischem Tone sprach, warf den breiten Hut und den braunen Mantel, worunter er verborgen gewesen, ab, und die Gäste von Arnauld du Thill, die sich, als sie ihn hörten, umgewendet hatten, konnten einen jungen Cavalier von stolzer Miene und reicher Kleidung sehen.

In einiger Entfernung hielt ein Diener die zwei Pferde, die sie gebracht hatten.

Alle standen ehrfurchtsvoll, zugleich ziemlich erstaunt und neugierig, auf.

Arnauld du Thill wurde bleich wie der Tod.

»Der Herr Vicomte d’Ermès,« murmelte er ganz bestürzt.

»Nun?« rief mit einer Donnerstimme Gabriel, »Dann, erkennt Ihr mich?«

Arnauld hatte nach einem Augenblick des Zögerns rasch alle seine Chancen berechnet und seinen Entschluß gefaßt.

»Allerdings,« sagte er mit einer Stimme, die er fest zu machen suchte, »allerdings! ich erkenne den Herrn Vicomte d’Ermès, den ich zuweilen im Louvre und anderswo zur Zeit gesehen habe, wo ich im Dienst von Herrn von Montmorency war; doch ich kann nicht glauben, daß der gnädige Herr mich erkennt, mich, einen geringen Diener des Connétable.«

»Ihr vergeßt,« sagte Gabriel, »daß Ihr auch der meinige gewesen seid.«

»Wer? ich!« rief Arnauld, das größte Erstaunen heuchelnd, »oh! verzeiht, der gnädige Herr täuscht sich sicherlich.«

»Ich bin dergestalt gewiß, mich nicht zu täuschen,« versetzte Gabriel ruhig, »daß ich den hier gegenwärtigen Richter von Artigues geradezu auffordere, Euch zu verhaften und einzukerkern. Ist das klar?«

Alle Anwesenden machten eine Bewegung des Schreckens. Der Richter näherte sich ganz erstaunt. Arnauld allein behielt seine scheinbare Ruhe.

»Darf ich wenigstens erfahren, welches Verbrechens ich angeklagt bin?« fragte er.

»Ich klage Euch an,« antwortete Gabriel voll Festigkeit, »daß Ihr betrügerisch den Platz meines Stallmeisters Martin-Guerre eingenommen, daß Ihr ihm böslicher und verrätherischer Weise seinen Namen, sein Haus und seine Frau mit Hilfe einer Aehnlichkeit gestohlen habt, welche so vollkommen ist, daß sie jede Einbildung überschreitet.«

Bei dieser so scharf ausgesprochenen Anklage schauten sich die Gäste verwundert an.

»Was soll das bedeuten?« murmelten sie. »Martin-Guerre ist nicht Martin-Guerre! Welche teuflische Zauberei steckt dahinter?«

Mehrere von diesen guten Leuten bekreuzten sich und sprachen leise Beschwörungsformeln. Die meisten fingen an, ihren Wirth mit Schrecken zu betrachten. Arnauld du Thill begriff, daß es Zeit war, einen entscheidenden Schlag zu thun, um die erschütterten Geister zu sich zurückzuführen, und er rief, indem er sich gegen diejenige umwandte, welche er seine Frau nannte:

»Bertrande! sprich doch, bin ich Dein Mann oder bin ich es nicht?«

Bis jetzt ganz bestürzt, keuchend, hatte die arme Bertrande, ohne ein Wort zu sagen, nur mit weit aufgerissenen Augen bald Gabriel, bald ihren vermeintlichen Gatten angeschaut.

Doch bei der herrischen Gebärde von Arnauld du Thill, bei seinem drohenden Tone zögerte sie nicht; sie warf sich mit einer Ergießung in seine Arme und rief:

»Theurer Martin-Guerre!«

Durch diese Worte war der Zauber gebrochen und das offensive Gemurmel wandte sich gegen den Vicomte d’Ermès.

»Mein Herr,« sagte Arnauld du Thill triumphierend, »beharrt Ihr in Gegenwert des Zeugnisses meiner Frau und aller meiner Verwandten und Freunde, die mich umgeben, auf Eurer seltsamen Anklage?

»Ich beharre darauf,« antwortete Gabriel ganz einfach.

»Wartet einen Augenblick!« rief Meister Carbon Barreau, dazwischentretend. »Ich wußte wohl, daß ich keine Blendung habe! Da es irgendwo einen andern Menschen gibt, der diesem hier Zug für Zug gleicht, so versichere ich, daß einer von Beiden mein Neffe Arnauld du Thill, wie ich aus Sagias gebürtig, ist.«

»Ah! das ist eine Hilfe der Vorsehung, die zu rechter Zeit kommt,« sagte Gabriel. »Meister,« fuhr er fort, indem er sich an den Greis wandte, – »erkennt Ihr Euren Neffen in diesem Menschen?«

»In der That,« antwortete Carbon Barreau, »ich vermöchte nicht zu unterscheiden, ob er es ist oder ein Anderer; doch ich würde zum Voraus schwören, daß, wenn ein Betrug stattfindet, dieser von meinem Neffen herrührt, der sehr an die Sache gewöhnt ist.«

»Ihr hört, Herr Richter?« sagte Gabriel zu dem Beamten, »wer auch der Schuldige sein mag, das Vergehen ist schon nicht mehr zweifelhaft.«

»Aber wo ist denn derjenige, welcher, um mich zu bestehlen, behauptet, er sei bestohlen worden?« rief Arnauld du Thill mit frechem Tone. »Wird man mich nicht mit ihm confrontiren? Verbirgt er sich? Er zeige sich und man richte.«

»Martin-Guerre, mein Stallmeister,« erwiderte Gabriel, »hat sich auf meinen Befehl zuerst in Rieux in Verhaft gegeben. Herr Richter, ich bin der Graf von Montgommery, Exkapitän der Garden Seiner Majestät. Der Angeklagte hat mich selbst anerkannt. Als sein Ankläger fordere ich Euch auf, ihn verhaften und einkerkern zu lassen. Wenn sie Beide in den Händen des Gerichtes sind, hoffe ich leicht beweisen zu können, auf welcher Seite die Wahrheit und auf welcher der Betrug ist.«

»Das ist klar,« sagte der geblendete Richter zu Gabriel. »Man führe Martin-Guerre in’s Gefängniß.«

»Stark durch meine Unschuld, begebe ich mich auf der Stelle selbst dahin,« sprach Arnauld. »Meine guten und theuren Freund,« fügte er bei, indem er sich an die Menge wandte, die er für sich zu gewinnen für klug erachtete, »ich zähle darauf, daß Ihr mich durch Eure redliche Zeugschaft in dieser Noth unterstützen werdet. Nicht wahr, Ihr, die Ihr mich gekannt habt, werdet mich insgesamt anerkennen?«

 

»Ja, ja, sei unbesorgt, Martin!« sprachen alle Freunde und Verwandten, bewegt durch diese Anrufung. Bertrande aber war in Ohnmacht gefallen.

* * *

Acht Tage nachher eröffnete sich die Instruktion des Processes vor dem Gerichte in Rieux.

Gewiß ein seltsamer und schwieriger Proceß, der wohl so berühmt zu werden verdiente, als er es noch nach dreihundert Jahren in unseren Tagen ist.

Hätte sich Gabriel von Montgommery nicht ein wenig darein gemischt, so würden die vortrefflichen Richter von Rieux, vor denen die Sache verhandelt wurde, sich nie herauszuziehen gewußt haben.

Was Gabriel vor Allem verlangte, war, daß die zwei Gegner bis auf neuen Befehl unter keinem Vorwand einander gegenübergestellt würden. Die Verhöre und Confrontationen fanden abgesondert statt und Martin wie Arnauld du Thill blieben dem strengsten Gewahrsam unterworfen.

In einen Mantel gehüllt, wurde Martin-Guerre abwechselnd seiner Frau, Carbon Barreau und allen seinen Nachbarn und Verwandten vorgeführt.

Alle erkannten ihn. Es war sein Gesicht, seine Haltung, man konnte sich nicht täuschen.

Doch Alle anerkannten gleichfalls Arnauld du Thill, als man diesen ihnen auch vorstellte.

Sie schrien, sie erschraken, doch keiner fand ein Zeichen, durch das die Wahrheit klar hervorgetreten wäre.

Wie sollte man sie in der That zwischen zwei Sosies unterscheiden, welche einander so ähnlich waren, wie Arnauld du Thill und Martin-Guerre.

»Der Teufel in der Hölle würde sein Lateinisch dabei verlieren,« sagte Carbon Barreau sehr verlegen über seine zwei Neffen.

Doch bei diesem unerhörten und wunderbaren Spiel der Natur waren es in Ermangelung materieller Verschiedenheiten die Widersprüche der Thatsachen und die entgegensetzten Charaktere, was Gabriel und die Richter leiten mußte.

In der Erzählung ihrer ersten Jahre führten Arnauld und Martin, jeder seinerseits, dieselben Thatsachen an, sie erinnerten an dieselben Data und citirten dieselben Namen mit einer furchtbaren Identität.

Zur Unterstützung seiner Aussagen brachte Arnauld überdies Briefe von Bertrande, Familienpapiere und den an seinem Hochzeitstage geweihten Ring.

Doch Martin erzählte, wie Arnauld, nachdem er ihn in Noyon habe hängen lassen, im Stande gewesen sei, ihm seine Papiere und seinen Ehering zu stehlen.

Die Verlegenheit der Richter war immer dieselbe, ihre Ungewißheit immer gleich groß, die Anscheine und Indicien waren eben so klar und beredt einerseits, als andererseits die Angaben der zwei Angeklagten aufrichtig zu sein schienen.

Es bedurfte förmlicher Beweise und unumstößlicher Zeugschaften, um eine so schwere Frage zu lösen. Gabriel übernahm es, sie zu finden und zu liefern.

Vor Allem stellte der Präsident des Tribunals auf seine Bitte an Martin und an Arnauld du Thill, welche stets abgesondert verhört wurden, folgende Fragen:

»Wo habt Ihr Eure Zeit vom zwölften bis zum sechzehnten Jahr zugebracht?«

Unmittelbare Antwort von beiden Angeklagtem welche Jeder besonders vernommen wurde:

»In San Sebastian, in Biscaya, bei meinem Vetter Sanxi.«

Sanxi war als berufener Zeuge da und bestätigte dieses Factum.

Gabriel näherte sich ihm und sagte ihm ein Wort ins Ohr.

Sanxi lachte und redete Arnauld in baskischer Sprache an.

Arnauld erbleichte und sagte kein Wort.

»Wie?« versetzte Gabriel, »Ihr habt Euch vier Jahre in San Sebastian aufgehalten und versteht nicht das Patois des Landes?«

»Ich habe es vergessen,« stammelte Arnauld.

Martin-Guerre schwatzte, derselben Probe unterworfen, eine Viertelstunde lang in baskischer Sprache zur großen Freude des Vetters Sanxi und zur vollkommenen Erbauung der Richter und aller übrigen Anwesenden.

Dieser ersten Probe, welche die Wahrheit in den Geistern schimmern zu machen anfing, folgte bald eine andere, die, obgleich nach der Odyssee wiederholt, darum nicht minder bezeichnend war.

Die Bewohner von Artigues vom Alter von Martin-Guerre erinnerten sich noch mit Neid und Bewunderung seiner Geschicklichkeit im Ballspiel.

Doch seit seiner Rückkehr hatte Martin-Guerre alle Partien, die man ihm antrug, unter dem Vorwande einer Wunde, die er an der rechten Hand erhalten, ausgeschlagen.

Der ächte Martin-Guerre machte sich im Gegentheil ein Vergnügen daraus, es in Gegenwart der Richter mit den stärksten Ballspielern aufzunehmen.

Er spielte sogar sitzend und stets in seinen Mantel gehüllt. Sein Secundant brachte ihm nur die Bälle zurück, die er mit wunderbarer Geschicklichkeit schleuderte.

Von diesem Augenblick war die bei solchen Fällen so wichtige öffentliche Sympathie auf der Seite von Martin-Guerre, d. h. eine seltene Erscheinung! – auf der Seite des guten Rechts.

Ein letzter bizarrer Umstand führte vollends im Geiste der Richter von Arnauld du Thill dessen Ruin herbei.

Die zwei Angeklagten waren durchaus von demselben Wuchs; doch Gabriel, der auf das geringste Anzeichen lauerte, hatte zu bemerken geglaubt, der Fuß seines braven Stallmeisters, leider sein einziger Fuß, sei viel kleiner als der Fuß von Arnauld du Thill.

Der alte Schuhmacher von Artigues erschien vor dem Tribunal und brachte seine früheren und seine neuen Maße.

»Ja,« sagte der brave Mann, es ist gewiß, daß ich Martin-Guerre einst zu neun Zoll beschuhte, und ich war sehr erstaunt, als ich bei seiner Rückkehr sah, wie sein Schuh zwölf maß; doch ich glaubte, es sei dies die Wirkung seiner langen Reisen.«

Der wahre Martin-Guerre reichte stolz dem Schuster den einzigen Fuß, den ihm die Vorsehung, ohne Zweifel zum höheren Triumphe der Wahrheit, erhalten hatte. Der naive Schuhmacher anerkannte, nachdem er gemessen hatte, den authentischen Fuß, den er einst beschuht und der trotz der langen Reise und seiner doppelten Anstrengung beinahe derselbe geblieben war.«

Von da an war es nur noch ein Schrei über die Unschuld von Martin und über die Schuld von Arnauld du Thill.

Doch es war nicht genug mit diesen materiellen Beweisen, Gabriel wollte auch noch moralische.

Er brachte den Bauern, dem Arnauld du Thill den seltsamen Auftrag gegeben hatte, in Paris zu verkünden, Martin-Guerre sei in Noyon gehenkt worden. Der gute Mann erzählte ganz treuherzig sein Erstaunen, als er in der Rue des Jardins-Saint-Paul denjenigen wiedergefunden, den er den Weg nach Lyon hatte einschlagen sehen. Dieser Umstand hatte zuerst Gabriel den Verdacht der Wahrheit eingeflößt.

Man hörte sodann abermals Bertrande de Rolles.

Trotz des Umschlags der allgemeinen Meinung war die arme Bertrande beständig für denjenigen, welcher sich gefürchtet machte.

Als man sie jedoch fragte, ob sie keine Veränderung in dem Charakter ihres Mannes seit seiner Rückkehr wahrgenommen habe, antwortete sie:

»Oh! ja, er ist sehr verändert zurückgekommen, doch zu seinem Vortheil, meine Herren Richter,« fügte sie eiligst bei.

Und da man in sie drang, sich deutlicher zu erklären, sprach die naive Bertrande:

»Früher war Martin schwächer und gutmüthiger als ein Lamm, und er ließ sich von mir leiten und sogar schmähen, so daß ich mich zuweilen für ihn schämte. Doch er kam als ein Mann, als ein Herr und Meister zurück. Er bewies mir auf eine unwiderlegbare Weise, ich hätte in der Zeit sehr Unrecht gehabt und es sei meine Pflicht als Frau, seinem Wort und seinem Stocke zu gehorchen. Nun ist es er, der befiehlt, und ich diene, er hebt die Hand auf und ich beuge den Kopf. Dieses Ansehen hat er von seinen Reisen zurückgebracht, und seit seiner Rückkehr sind die Rollen von uns Beiden das geworden, was sie sein sollen. Nun ändert sich das nicht mehr, und ich bin dessen froh.«

Andere Einwohner von Artigues bezeugten ebenfalls, der alte Martin-Guerre sei stets so harmlos, fromm und gut gewesen, als der neue angreifend, gottlos und halsstarrig sei.

Wie der Schuhmacher und wie Bertrande hatten sie diese Veränderung seinen Reisen zugeschrieben.

Der Graf Gabriel von Montgommery nahm nun das Wort unter dem ehrfurchtsvollsten Stillschweigen der Richter und aller Anwesenden.

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