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Die Zwillingsschwestern von Machecoul

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XVI.
Wo sich Petit-Pierre entschließt, im Unglück nicht zu verzagen

Unmittelbar nach der eben erzählten Unterredung verließ der Reisende den Meierhof La Banlœuvre. Er wollte vor Mittag wieder in Nantes eintreffen.

Einige Minuten nach seiner Abreise, und obgleich der Tag kaum graute, hatte Petit-Pierre seine Bauernkleider wieder angelegt und begab sich in die untere Stube des Meierhofes.

Es war ein sehr großes Zimmer, dessen schmutzige Wände an manchen Stellen von Kalk entkleidet, dessen Balken vom Rauch geschwärzt waren. Im Hintergrunde stand ein großer Schrank von Eichenholz, dessen blanke Schloßbeschläge im Halbdunkel glänzten. Die übrige Einrichtung bestand aus zwei Betten mit grünlichen Vorhängen, zwei unförmlichen Truhen und einer Wanduhr in einem hohen Gehäuse von geschnitztem Holz. Die Pendelschläge der Uhr brachten allein einiges Leben in die Stille der Nacht.

Der Mantel des hohen und breiten Camins war mit einem Streifen von demselben Stoff behangen, aus denen die Bettvorhänge gemacht waren, aber die grüne Farbe der Caminverziernng war schwarzbraun geworden.

Dieser Camin hatte seine gewöhnlichen Zierrathen: ein Wachsbild, das Jesuskind darstellend, stand unter einer Glaskugel; zwei Porzellantöpfe mit künstlichen Blumen, die durch einen Gazeüberzeug gegen die Fliegen geschützt waren; eine Doppelflinte und ein Buchsbaumzweig.

Diese Stube war von dem Stalle nur durch eine Bretterwand getrennt, und durch die in dieser befindlichen Luken steckten die Kühe des Pächters den Kopf, um ihr auf den Fußboden der Stube geschüttetes Futter zu fressen.

Als Petit-Pierre die Thür öffnete, stand ein vor dem Camin sitzender Mann auf und entfernte sich ehrerbietig, um dem Eintretenden seinen Platz zu lassen; aber Petit-Pierre winkte ihm seinen Platz wieder einzunehmen, rückte einen Schämel herbei und setzte sich in die andere Ecke, dem Andern gegenüber.

Dieser war kein Anderer als Jean Oullier.

Petit-Pierre lehnte den Kopf auf die Hand, stützte den Ellbogen auf ein Knie und blieb in Gedanken vertieft, während sein fieberhaft sich bewegender Fuß eine heftige innere Aufregung kundgab.

Jean Oullier, der ebenfalls Sorgen und Kummer hatte, schaute düster und schweigend vor sich hin. Seine Pfeife, die er, als Petit-Pierre erschienen war, aus dem Munde genommen hatte, drehte er mechanisch zwischen den Fingern. Nur von Zeit zu Zeit regte er sich, um seiner gepreßten Brust durch Seufzer, die aber einen drohenden Ton annahmen, Luft zu machen, oder um das Caminfeuer zu schüren.

Endlich nahm Petit-Pierre das Wort.

»Mich dünkt, Ihr rauchtet, mein Freund, als ich kam?« sagte er.

»Ja,« antwortete Jean Oullier kurz, aber mit Ehrerbietung.

»Warum rauchet Ihr nicht mehr?«

»Ich fürchte, daß es Ihnen unangenehm ist.«

»Wir sind ja im Grunde im Feldlager,« erwiderte Petit-Pierre »und Ihr müßt um so weniger etwas entbehren, da es leider unser letztes Feldlager ist.«

Jean Oullier wußte nicht was Petit-Pierre damit sagen wollte, aber er erlaubte sich keine Frage: er zeigte hierbei den seinen Takt, der dem Vendéer Bauer eigen ist. Ohne merken zu lassen, daß er in das Geheimnis des erlauchten Gastes eingeweiht war, benutzte er keineswegs die erhaltene Erlaubniß und that keine vorwitzige Frage.

Petit-Pierre bemerkte die Verstimmung des Bauers.

»Was fehlt Euch denn, lieber Jean Oullier?« fragte er, »ich hätte erwartet, Euch sehr vergnügt zu finden.«

»Warum soll ich vergnügt seyn?« fragte der alte Waldhüter.

»Weil ein guter treuer Diener wie Ihr immer an dem Glücke seiner Herrschaft theilnimmt: unsere schöne Amazone scheint seit vierundzwanzig Stunden so glücklich zu seyn, daß man wohl erwarten könnte, Ihr würdet Euch ihres Glückes freuen.«

»Gott gebe, daß dieses Glück lange dauere!« antwortete Jean Oullier kopfschüttelnd.

»Habt Ihr vielleicht ein Vorurtheil gegen Ehen, die aus Liebe geschlossen werden, lieber Jean? Ich bin sehr für solche Ehen eingenommen, es sind die einzigen, an denen ich in meinem Leben Antheil genommen.«

»Ich habe kein Vorurtheil gegen die Ehe,« erwiderte Jean Oullier, »ich habe nur etwas gegen den Mann einzuwenden.«

»Was denn?«

Jean Oullier schwieg.

»Redet doch,« sagte Petit-Pierre.

Der Vendéer schüttelte den Kopf.

»Ich bitte Euch, lieber Jean. Warum wollt Ihr Geheimnisse vor mir haben? Ich bin ja den beiden Mädchen, die Ihr gewissermaßen als eure Töchter betrachten könnt, von Herzen gut; ich bin zwar nicht der heilige Vater, aber Ihr wißt, daß ich die Macht habe zu lösen und zu binden.«

»Ich weiß wohl, daß Sie viel vermögen,« antwortete Jean Oullier.

»Dann saget mir, warum Ihr diese Heirath nicht billigt.«

»Weil der Name, den die künftige Baronin de La Logerie führen wird, mit Schmach bedeckt ist: es ist wahrlich nicht der Mühe werth, einen der ältesten Namen unseres Landes aufzugeben und diesen anzunehmen.«

»Ach, mein braver Jean,« erwiderte Petit-Pierre mit wehmüthigem Lächeln, »Ihr wisset wahrscheinlich nicht, daß wir nicht mehr in der Zeit leben, wo die Kinder für die Tugenden und Vergehen ihrer Vorfahren verantwortlich waren.«

»Nein, das wußte ich nicht,« sagte Jean Oullier.

»Heutzutage,« fuhr Petit-Pierre fort, »scheint es dem Menschen schon schwer genug zu werden, für sich selbst einzustehen. Sehet nur, wie Viele in unseren Reihen fehlen, in denen ihnen ihr Name einen Platz anwies. Wir wollen daher Denen danken, die trotz des Beispiels ihrer Väter, trotz ihrer Familienverhältnisse, trotz der Lockungen des Ehrgeizes, des Unglücks eine ritterliche Treue und Ergebenheit bewahren.«

Jean Oullier erwiderte mit dem Ausdruck der tiefsten Entrüstung:

»Sie wissen vielleicht nicht —«

»Ich weiß Alles,« fiel ihm Petit-Pierre ins Wort, »ich weiß was Ihr dem Vater des jungen de La Logerie vorwerft; aber ich weiß auch, was ich dem Sohne verdanke. Wenn der Vater wirklich ein Verbrechen begangen – worüber nur Gott zu richten hat – so hat er es ja durch einen gewaltsamen Tod gesühnt.«

»Ja, das ist wahr,« antwortete Jean Oullier, der unwillkürlich die Augen niederschlug.

»Wollt Ihr die Fügungen der Vorsehung ergründen; wollt Ihr behaupten, der höchste Richter, vor welchem der zum Tode Getroffene erschienen ist, habe ihn seiner Barmherzigkeit nicht würdig gefunden? Und wenn ihm Gott vielleicht, verziehen hat, warum wollte Ihr denn strenger, unerbittlicher seyn?«

Jean hörte, ohne zu antworten, aufmerksam zu. Die Worte Petit-Pierre’s schlugen an die religiösen Saiten seines Gemüthes und erschütterten seine gehässigen Vorurtheile gegen den Baron Michel, ohne dieselben jedoch gänzlich auszurotten.

»Michel de La Logerie,« fuhr Petit-Pierre fort, »ist ein braver, anspruchsloser, treuherziger junger Mann. Daß er reich ist, schadet nicht, und ich glaube, daß es eure junge Gebieterin mit ihrem etwas stolzen Charakter und unabhängigen Gewohnheiten nicht besser treffen konnte. Ich bin überzeugt, daß sie mit ihm sehr glücklich seyn wird; mehr wollen wir von Gott nicht verlangen, lieber Jean. – Vergeßt die Vergangenheit,« setzte Petit-Pierre mit einem Seufzer hinzu. »Ach, wenn wir an Alles zurückdenken müßten, so würden wir am Ende nichts mehr lieben können.«

Jean Oullier schüttelte den Kopf.

»Herr Petit-Pierre,« sagte er, »Sie sprechen wie ein wahrer Christ; aber es gibt Dinge, die man nicht so leicht, wie man wohl wünscht, vergessen kann, und zum Unglück für den jungen Herrn Michel gehörte mein Verhältniß zu seinem Vater zu diesen Dingen.«

»Ich will Euch eure Geheimnisse nicht entlocken, »Jean,« erwiderte Petit-Pierre, »aber der junge Baron hat sein Blut für mich vergossen, er ist mein Führer gewesen, er hat mir in diesem Hause, das ihm gehört, eine Zuflucht angeboten. Ich habe mehr als Zuneigung zu ihm, ich bin ihm zu Dank verpflichtet, und es wäre ein großer Kummer für mich, wenn Zwietracht unter meinen Freunden herrschte. Ich bitte Euch also, lieber Jean Oullier, ich bitte Euch bei der treuen Ergebenheit, die Ihr mir bewiesen, erstickt euren Haß! Ich will Euch nicht zumuthen, eure Erinnerungen abzuschwören; Ihr habt’s ja selbst gesagt, man kann geschehene Dinge nicht vergessen, wie man wohl wünscht. Aber die Zeit wird kommen, wo der Sohn eures Feindes das Mädchen seiner Wahl glücklich machen wird, und dann wird der Haß in eurer Seele erlöschen.«

»Das Glück komme von welcher Seite es Gott gefällt, ich werde Gott dafür danken; aber ich glaube nicht, daß es mit Herrn Michel in das Schloß Souday einziehen wird.«

»Warum denn nicht, lieber Jean.«

»Weil ich an seiner Liebe zu Fräulein Bertha zweifle.«

Petit-Pierre zuckte die Achseln.

»Lieber Jean Oullier, dann muß ich an eurem Scharfblick in der Liebe zweifeln.«

»Es ist möglich,« erwiderte der alte Vendéer, »aber wenn diese Verbindung mit Fräulein Bertha, nämlich die größte Ehre, die der junge Mann hoffen kann, eine so große Freude für Ihren Schützling ist, warum hat er denn den Meierhof so schnell verlassen, und warum irrt er die ganze Nacht wie ein Wahnsinniger umher?«

»Er irrt in der Nacht umher,« antwortete Petit-Pierre, »weil ihm die Freude keine Ruhe ließ, und den Meierhof hat er wahrscheinlich in unserem Interesse verlassen.«

»Ich wünsche es. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die nur an sich selbst denken, und obschon ich fest entschlossen bin, das Haus zu verlassen, sobald der Sohn Michel’s einzieht, so will ich doch Gott täglich bitten, daß er Fräulein Bertha glücklich mache, und zugleich werde ich ein wachsames Auge auf ihn haben. Ich werde mich bestreben, daß meine Ahnungen nicht in Erfüllung gehen und daß er statt des verheißenen Glückes nicht Trauer und Verzweiflung bringe.«

»Das ist schön von Euch, Jean Oullier. Ich kann also hoffen, daß Ihr meinem Schützlinge die Zähne nicht mehr weisen werdet? Nicht wahr, Ihr versprecht es mir?«

 

»Ich werde meinen Haß und mein Mißtrauen tief im Herzen verschließen und erst dann mit diesen Gefühlen hervortreten, wenn er dieselben rechtfertigt. Das ist Alles was ich Ihnen versprechen kann; verlangen Sie nicht, daß ich ihn liebe oder achte.«

»Unbezähmbares Volk!« sagte Petit-Pierre halblaut, »freilich macht gerade dies dich groß und stark.«

»Ja,« antwortete Jean Oullier, der diese Worte verstanden hatte, »wir kennen eigentlich kein anderes Gefühl, als Liebe oder Haß. Sie werden sich doch nicht darüber beklagen, Herr Petit-Pierre?«

Dabei sah er den jungen Mann scharf an.

»Nein,« erwiderte Petit-Pierre, »ich beklage mich keineswegs darüber; es ist ja ziemlich Alles, was Heinrich V. von seiner vierhundertjährigen Monarchie übrigbleibt – und das ist nicht genug, wie es scheint.«

»Wer sagt das?« fragte der Vendéer aufstehend und mit fast drohendem Tone.

»Ihr werdet es sogleich erfahren. Wir haben von euren Angelegenheiten gesprochen, Jean Oullier, und ich beklage mich nicht darüber, denn dieses Gespräch hat sehr traurige Gedanken verjagt. Jetzt ist’s Zeit, an meine Angelegenheiten zu denken. Wie viel Uhr ist es?«

»Halb fünf.«

»Weckt unsere Freunde; sie schlafen, trotz der Politik – ich kann nicht schlafen, denn meine Politik ist die Mutterliebe. Geht, lieber Jean.«

Jean Oullier entfernte sich.

Petit-Pierre ging gedankenvoll einige Male im Zimmer auf und ab; er stampfte ungeduldig mit dem Fuße, rang verzweifelnd die Hände, und als er wieder vor den Camin kam, rannen zwei Thränen über seine Wangen. Er sank auf die Knie und bat Gott, der die Kronen austheilt um Kraft zur Erreichung des hohen Zieles, oder um Ergebung zum Erdulden des Unglücks.

Vierter Theil

I.
Wo Jean Oullier zeigt, daß man nichts Besseres thun kann, als den einmal abgezogenen Wein trinken

Bald darauf erschienen Gaspard, Louis Renaud und der Marquis von Souday in der Stube.

Als sie Petit-Pierre kniend sahen, blieben sie an der Thür stehen, und der Marquis, der seiner Gewohnheit gemäß den Sonnenaufgang durch ein Lied begrüßt hatte, hielt ehrerbietig inne.

Aber Petit-Pierre hörte die Thür aufgehen; er stand auf und sagte zu den Eintretenden:

»Kommen Sie, meine Herren, und verzeihen Sie, daß ich Sie im Schlaf gestört habe; aber ich habe Ihnen eine wichtige Mittheilung zu machen.«

»Wir haben Ew. Hoheit um Verzeihung zu bitten, daß wir Ihrem Willen nicht zuvorgekommen sind,« sagte Louis Renaud.

»Lassen Sie die Complimente, lieber Freund,« erwiderte Petit-Pierre, »die Hoffnung auf den Sieg des Königthums ist eitel zu einer Zeit, wo es zum zweiten Male untergeht.«

»Was meinen Sie?«

»Ich meine,« antwortete Petit-Pierre, indem er dem Camin den Rücken zukehrte, während die Vendéer einen Kreis um ihn bildeten, »daß ich Sie kommen ließ, meine guten lieben Freunde, um Ihnen Ihr Wort zurückzugeben und Ihnen Lebewohl zu sagen.«

»Sie wollen uns unser Wort zurückgeben? Sie wollen uns Lebewohl sagen?« fragten die jungen Parteiführer erstaunt. »Wollen uns Ew. Hoheit denn verlassen?«

Alle sahen einander an.

»Das ist unmöglich!« sagten sie.

»Aber es muß seyn.«

»Warum denn?«

»Weil man mir den Rath gibt, ja weil man mich beschwört, nicht mehr zu bleiben.«

»Wer?«

»Leute, deren richtiges Urtheil ich so wenig in Zweifel ziehen kann, wie ihre Treue und Ergebenheit.«

»Aber unter welchem Vorwande? aus welchen Gründen?«

»Es scheint, daß die Sache des Königthums selbst in der Vendée rettungslos verloren ist; daß die weiße Fahne nur noch ein von Frankreich verschmähter Lappen ist; daß man in Paris nicht zwölfhundert Mann finden würde, die in unserm Namen Lärm auf der Straße machen; daß wir keine Anhänger in der Armee, keine Sympathien unter den Staatsbeamten haben; daß die Vendéer weit entfernt sind, sich zum zweiten Male wie Ein Mann zu erheben, um die Rechte Heinrichs V. zu vertheidigen —«

»Aber wer hat diese Meinung ausgesprochen?« unterbrach der Vendéer Edelmann, der seinen in dem ersten Kriege berühmt gewordenen Namen gegen den Namen Gaspard vertauscht hatte, und der sich nicht länger zu halten vermochte, »wer spricht mit solcher Zuversicht von der Vendée? wer wagt es uns zuzurufen: bis hierher und nicht weiter?«

»Verschiedene royalistische Comité’s, die ich Ihnen nicht zu nennen habe, deren Meinung wir aber nicht unbeachtet lassen dürfen.«

»Die royalistischen Comité’s!« erwiderte der Marquis von Souday, »ich kenne das, und wenn Ew. Hoheit meinem Rathe folgen wollen, so machen wir’s mit den Beschlüssen derselben, wie es der selige Marquis von Charette mit den damaligen Comités machte.«

»Wie machte er’s denn mit ihnen, mein braver Souday?« fragte Petit-Pierre.

»Die Ehrerbietung, die ich vor Ew. Hoheit habe,« antwortete der Marquis mit Ruhe, »verbietet mir zu sagen, was er damit machte.«

Petit-Pierre konnte sich eines Lächelns nicht erwehren.

»Wir leben aber nicht mehr in jener Zeit, lieber Marquis,« sagte er. »Der Marquis von Charette war unbeschränkter Gebieter in seinem Lager, und die Regentin Marie Caroline wird nie mehr als eine sehr constitutionelle Regentin seyn. Die beabsichtigte Erhebung kann nur dann gelingen, wenn alle an diesem Gelingen Betheiligten ganz einig sind. Ich frage Sie aber: wo ist diese Einigkeit zu finden, wenn man unmittelbar vor dem Kampfe dem Feldherrn meldet, daß sich drei Viertheile der Getreuen, auf die er zählen zu können glaubte, nicht einfinden werden?«

»Was liegt daran?« entgegnete der Marquis von Souday. »Je weniger sich einfinden, desto größer wird der Ruhm für die Anwesenden seyn,«

»Madame,« sagte Gaspard ernst, »man hat Ihnen gesagt, als Sie an Ihre Rückkehr nach Frankreich vielleicht noch nicht dachten:

»Die Männer, die den König Carl X. vertrieben haben, sind von der neuen Regierung entfernt worden und ohne Einfluß; das Ministerium ist so zusammengesetzt, daß Sie wenige oder gar keine Veränderungen mit demselben vorzunehmen haben; der Clerus, eine dauernde, nimmer wankende Macht, wird die Wiederherstellung des Königthums mit seinem ganzen Einfluß unterstützen; alle Gerichtsbehörden bestehen aus Männern, die der Restauration Alles verdanken; die durch strenge Mannszucht ausgezeichnete Armee steht unter dem Befehl eines Anführers, der gesagt hat, in der Politik müsse man mehr als eine Fahne haben; das 1830 als souverain proclamirte Volk ist unter das Joch der geistlosesten Aristokratie gefallen. Kommen Sie daher,« rief man Ihnen zu, »Ihr Wiedererscheinen in Frankreich wird eine zweite Rückkehr von der Insel Elba seyn; die Bevölkerung wird sich um Sie schaaren, um den Sprößling unserer Könige zu begrüßen und ihm zu huldigen!« – Auf diese dringenden Bitten sind Sie gekommen, Madame, und als Sie in unserer Mitte erschienen, erhoben wir uns. Jetzt wäre dieser Rückzug ein Unglück für unsere Sache, und eine Schmach für uns, denn man würde darin ein Zeichen politischer Unfähigkeit und persönlicher Ohnmacht erkennen.«

»Ja,« erwiderte Petit-Pierre, der eine Meinung, die ihm das Herz zerbrach, vertheidigen mußte, »ja, Alles was Sie da sagen, ist wahr; man hat mir’s versprochen, aber es ist weder Ihre Schuld, meine braven Freunde, noch die meinige, wenn Feinde eine thörichte Hoffnung für Wirklichkeit genommen haben. Die unparteiische Geschichte wird bezeugen, daß ich auf den Vorwurf, ich sey eine schlechte Mutter, geantwortet habe, wie es sich ziemte: Ich bin zum Opfer bereit! – Die Geschichte wird Ihnen, meine Getreuen, das Zeugniß geben, daß Sie in Ihrer Ergebenheit keinen Augenblick wankten, als meine Sache rettungslos verloren schien. Aber es ist für mich eine Ehrensache, Ihre Treue und Hingebung nicht zwecklos auf die Probe zu stellen. Wir wollen Alles ruhig in Erwägung ziehen, liebe Freunde; wir wollen die Zahlen reden lassen; sagen Sie, über wie viele Streiter könnten wir jetzt wohl verfügen?«

»Ueber zehntausend Mann, die sich auf das erste Zeichen stellen.«

»Es ist viel,« antwortete Petit-Pierre, »aber keineswegs genug; König Ludwig Philipp hat außer der Nationalgarde 48.000 Mann unbeschäftigter Truppen.«

»Aber die Mißvergnügten, die zu uns übergehen werden, und die außer Dienst befindlichen Offiziere sind doch auch in Anschlag zu bringen,« entgegnete der Marquis.

»Wohlan denn,« sagte Petit-Pierre, sich zu Gaspard wendend, »ich lege mein und meines Sohnes Geschick in Ihre Hände. Erklären Sie mir bei Ihrer Ehre, daß wir gegen zehn unglückliche Chancen zwei günstige haben, und ich werde Ihnen nicht mehr befehlen, die Waffen niederzulegen; ich will bei Ihnen bleiben, um Ihre Gefahr und Ihr Geschick, zu theilen.«

Auf diese Gewissensfrage, die nicht an sein Gefühl, sondern an seine Ueberzeugung gerichtet war, vermochte Gaspard keine Antwort zu geben.

»Sie sehen,« setzte Petit-Pierre hinzu, »Ihre Vernunft stimmt keineswegs mit Ihrem Herzen überein, und es wäre fast ein Verbrechen, eine von der Vernunft verurtheilte ritterliche Kühnheit zu benützen. Es bleibt also dabei, der Entschluß ist vielleicht gut. Gott gebe, daß ich einst unter günstigeren Verhältnissen wieder zu Ihnen komme. Jetzt wollen wir nur an die Abreise denken.«

Die Edelleute waren gewiß von der Nothwendigkeit dieses Entschlusses überzeugt, obgleich derselbe mit ihren Wünschen keineswegs übereinstimmte; denn sie antworteten nichts und wandten sich ab, um ihre Thränen zu verbergen.

Nur der Marquis von Souday ging mit einer Ungeduld, die er gar nicht verhehlte, in der Stube auf und ab.

»Ja,« fuhr Petit-Pierre nach einer langen Pause fort. »Einige haben gesagt, wie Pilatus: ich wasche meine Hände in Unschuld – und mein Herz, das keine Gefahr, selbst den Tod nicht scheut, ist weich geworden, denn die mir zugeschobene Verantwortung für unnütz vergossenes Blut mag ich nicht übernehmen. Andere —«

»Das für den Glauben vergossene Blut ist nie verloren!« sagte eine aus dem Winkel des Camins kommende Stimme, »ich bin nur ein gemeiner Mann, aber ich scheue mich nicht, diese Worte Gottes zu wiederholen: wer für seinen Glauben stirbt, ist ein Märtyrer, sein Blut befeuchtet die Erde, und bringt die Saat zeitig zur Reife.«

»Wer sagt das?« fragte Petit-Pierre hastig, indem er sich auf den Fußspitzen aufrichtete.

»Ich!« antwortete Jean Oullier, der von seinem Schämel aufstand und in den Kreis der Edelleute und Anführer trat.

»Du, braver Freund!« sagte Petit-Pierre, der sich freute, eine Stütze zu finden, als er sich schon von Allen verlassen glaubte. »Du denkst also nicht wie die Herren in Paris? Tritt näher und sprich; wir leben in einer Zeit, wo ein guter Rathgeber willkommen ist.«

»Ich bin mit Ihrer Abreise keineswegs einverstanden,« sagte Jean Oullier, »und wenn ich ein Edelmann wäre, wie diese Herren hier, so würde ich diese Thüre bereits verschlossen und Ihnen erklärt haben: Sie bleiben hier!«

»Sage mir deine Gründe, lieber Jean. Sprich!«

»Meine Gründe? Sie stehen ja unter unserer Fahne, und so lange ein Soldat, und wäre es der letzte der Armee, auf den Füßen steht, hat er das Recht sich zu wehren, bis ihm der Tod die Fahne als Grabtuch gibt.«

»Weiter, weiter! das war wohlgesprochen, Jean!«

»Sie sind die Erste Ihres Namens, die mitten unter ihren Getreuen erscheint, um mit ihnen zu kämpfen, und es wäre nicht schön, wenn Sie sich zurückziehen wollten, ehe es zum Kampf gekommen ist.«

»Weiter! weiter!« sagte Petit-Pierre, indem er sich die Hände rieb.

»Ihr Rückzug vor dem Kampfe,« fuhr Jean Oullier fort, »würde einer Flucht gleichen, und wir können Sie nicht fliehen lassen.«

»Aber,« entgegnete Louis Renaud der die Aufmerksamkeit, mit welcher Petit-Pierre dem alten Vendéer zuhörte, bedenklich fand, »aber die Theilnahme an dem Aufstande ist zu gering – die Erhebung wird sich auf ein klägliches Scharmützel beschränken.«

»Nein, der Mann hat Recht,« unterbrach Gaspard, der den Vorstellungen Petit-Pierres nur ungern nachgegeben hatte, »ein Scharmützel ist immerhin besser für uns als das Nichts, in welches wir hinabsinken werden; ein Scharmützel ist doch eine Thatsache, die in der Geschichte aufgezeichnet wird, und es kommt eine Zeit, wo das Volk Alles vergißt, ausgenommen den Muth seiner Führer. Wer denkt nicht noch jetzt an Carl Eduard und an seine Scharmützel bei Preston-Pans und Culloden? Ich gestehe, Madame, daß ich große Lust habe, den Rath dieses braven Mannes zu befolgen.«

»Sie würden vollkommen Recht haben, Herr Graf,« erwiderte Jean Oullier mit einer Zuversicht, welche bewies, daß die Fragen, um die es sich handelte, keineswegs über seinen Horizont gingen, »denn der Hauptzweck Ihrer königlichen Hoheit, der Zweck, dem sie die Zukunft der ihrer Vormundschaft anvertrauten Monarchie opfern will, wird verfehlt werden.«

 

»Wie so?« fragte Petit-Pierre.

»Sobald sich Madame entfernt hat und die Regierung sie fern von unseren Küsten weiß, werden die Verfolgungen anfangen, und je weniger Muth wir gezeigt haben, desto schonungsloser wird man uns behandeln. Sie sind reich, meine Herren. Sie können sich den Verfolgungen noch durch die Flucht entziehen; Sie können Schiffe an der Mündung der Loire und Charante in Bereitschaft halten; Sie sind da im Grunde überall zu Hause – aber wir armen Landleute sind, an die Scholle gebannt, wie die Ziege, die uns ernährt, und wir fürchten den Tod weniger als die Verbannung.«

»Und was schließest Du daraus, mein braver Oullier?«

»Was ich daraus schließe?« antwortete der Vendéer, »wenn der Wein abgezogen ist, soll man ihn trinken; wir haben zu den Waffen gegriffen und müssen uns schlagen, ohne die Zeit mit dem Zählen unserer Streitkräfte zu verlieren.«

»Wohlan, so wollen wir kämpfen!« sagte Petit-Pierre mit Begeisterung, »Volkesstimme ist Gottes Stimme – und was Jean Oullier sagt, ist gewiß die Stimme des Volkes.«

»Wir wollen kämpfen!« wiederholte der Marquis.

»Wir wollen kämpfen!« sagte Louis Renaud.

»An welchem Tage soll zu den Waffen gegriffen werden?« fragte Petit-Pierre.

»War denn nicht der 24 dazu bestimmt?« sagte Gaspard.

»Ja wohl, aber die Herren haben einen Gegenbefehl geschickt.«

»Welche Herren?«

»Die Herren in Paris.«

»Ohne Sie davon in Kenntniß zu setzen?« eiferte der Marquis. »Wissen Sie wohl, daß man wegen geringerer Vergehen füsiliert?«

»Ich habe verziehen,« sagte Petit-Pierre, die Hand ausstreckend, »überdies sind es keine Militärpersonen.«

»O! dieser Aufschub ist ein großes Unglück,« sagte Gaspard, wie mit sich selbst redend, »und wenn ich darum gewußt hätte —«

»Was denn?« fragte Petit-Pierre.

»Dann würden Sie die Meinung dieses Mannes vielleicht nicht getheilt haben.«

»Sie haben’s ja gehört, lieber Gaspard,« erwiderte Petit-Pierre: »der Wein ist abgezogen, man muß ihn trinken, meine Herren. Herr Marquis von Souday sehen Sie zu, ob Sie auf dem Meierhofe, wo mich Ihr künftiger Schwiegersohn beherbergt, eine Feder, Tinte und Papier auftreiben können.«

Der Marquis beeilte sich das Gewünschte zu bringen, aber während er in den Schubladen und unter den Kleidern des Pächters suchte, fand er Zeit, seinem getreuen Oullier die Hand zu drücken und ihm zuzuflüstern:

»Dein Rath ist Goldes werth, mein braver Jean; dein Waldhorn hat mich nie so sehr erfreut wie das Signal zum Abmarsch, das Du uns so eben geblasen.«

Endlich fand er Schreibzeug und stellte es auf den Tisch.

Petit-Pierre tunkte eine stumpfe Feder in die Tintenflasche und schrieb mit seiner festen sichern Hand:

»Lieber Marschall!

»Ich bleibe hier und ersuche Sie, sich zu mir zu begeben. Ich bleibe, weil meine Anwesenheit viele meiner treuen Diener compromittirt hat. Unter diesen Umständen wäre es Feigheit von mir, sie zu verlassen. Ueberdies hoffe ich, daß uns Gott trotz des leidigen Gegenbefehles den Sieg geben wird.

»Leben Sie wohl, Herr Marschall. Nehmen Sie Ihre Entlassung nicht, denn Petit-Pierre nimmt sie auch nicht.«

»Welchen Tag bestimmen wir jetzt für die Erhebung?« fragte Petit-Pierre, indem er den Brief zusammenlegte.

»Donnerstag den 31. Mai,« sagte der Marquis von Souday der die kürzeste Frist für die beste hielt, »wenn es Ihnen nämlich genehm ist.«

»Nein! nein!« entgegnete Gaspard. »Entschuldigen Sie, Herr Marquis, ich halte es für besser, die Nacht vom Sonntag auf den Montag, den 4. Juni, zu wählen. Nach der Messe versammeln sich alle Landleute vor den Kirchen, und die Anführer können ihnen, ohne Verdacht zu erregen, den Befehl geben zu den Waffen zu greifen.«

»Ihre Kenntniß der ländlichen Sitte kommt uns trefflich zu Statten, lieber Freund,« sagte Petit-Pierre, »ich stimme Ihnen bei: es sey in der Nacht vom 3. zum 4. Juni.«

Er schrieb sogleich folgenden Tagesbefehl:

»Da ich entschlossen bin, die so lange bewährten westlichen Provinzen nicht zu verlassen, so zähle ich auf Sie, mein Herr, zur Ergreifung der Waffen, die in der Nacht vom 3. zum 4. Juni stattfinden soll, die nöthigen Vorkehrungen zu treffen. Ich rufe alle Gutgesinnten an meine Seite; Gott wird uns bei der Rettung unseres Vaterlandes helfen. Keine Gefahr, keine Anstrengung wird mich abschrecken, man wird mich bei der ersten Zusammenkunft erscheinen sehen.«

Dieses Mal unterzeichnete Petit-Pierre:

»Marie Caroline,
Regentin von Frankreich.«

»Jetzt sind die Würfel gefallen,« sagte Petit-Pierre, »wir müssen siegen oder sterben!«

»Und am 4. Juni,« setzte der Marquis hinzu, »lasse ich Sturm läuten – und wenn auch zwanzig Gegenbefehle kommen!«

»Aber es kommt darauf an,« sagte Petit-Pierre, auf seinen Befehl zeigend, »daß dieses Schreiben schnell und sicher an die Divisionscommandanten gelange, um den üblen Eindruck aufzuheben, den die von Nantes gekommenen Weisungen gemacht haben werden.«

»Gott gebe,« setzte Gaspard hinzu, »daß der leidige Gegenbefehl zeitig genug auf dem Lande verbreitet worden ist, um die erste Bewegung zu hintertreiben und der zweiten alle Kraft zu lassen. Ich fürchte das Gegentheil, es ist nur zu wahrscheinlich, daß viele brave Männer ein Opfer ihres Muthes und ihrer Verlassenheit werden.«

»Eben deshalb ist keine Minute zu verlieren, meine Herren,« sagte Petit-Pierre, »einstweilen müssen die Füße in Bewegung gesetzt werden, bis der Tag kommt, die Arme zu gebrauchen. – Sie, Gaspard, benachrichtigen die Divisionscommandanten von Ober- und Niederpoitou. Der Herr Marquis von Souday wird im Lande Retz dasselbe thun. Sie, lieber Renaud, werden sich mit Ihren Bretagnern darüber verständigen. Aber wer wird meine Depesche an den Marschall befördern? Er ist in Nantes, und Ihre Gesichter sind dort zu bekannt, meine Herren, ich will keinen von Ihnen einer solchen Gefahr aussetzen.«

»Ich will die Depesche überbringen!« sagte Bertha, die in dem Alcoven wo sie mit ihrer Schwester ruhte, die lauten Stimmen gehört hatte und ausgestanden war, »ich bin ja Adjutant, und es gehört zu meinen Dienstgeschäften.«

»Ja wohl; aber Ihr Anzug, mein liebes Kind, antwortete Petit-Pierre, »wird vielleicht nicht nach dem Geschmack der Herren in Nantes seyn —«

»Madame,« sagte Mary, die sich ebenfalls genähert hatte, »es ist ja nicht nöthig, daß meine Schwester nach Nantes geht. Wenn Sie gütigst erlauben, will ich die Kleider von der Tochter des Meiers bergen; und Eurer Hoheit Ihren ersten Adjutanten lassen.«

Bertha wollte nicht nachlassen, aber Petit-Pierre flüsterte ihr zu:

»Bleiben Sie, liebe Bertha; wir wollen von dem jungen Baron sprechen und mit einander schöne Pläne machen, die er gewiß nicht vereiteln wird.«

Bertha schlug erröthend die Augen nieder, und ihre Schwester nahm den für den Marschall bestimmten Brief.

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