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El Salteador

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Fünftes Capitel.
Der Fluch

Die Zuschauenden bei diesem Auftritte, die endlich sämtlich thätigen Antheil nahmen, standen wie erstarrt da.

Nur Don Ramiro, der seinen Mantel um den blutenden rechten Arm schlug, trat zu Don Ruiz, reichte ihm die linke Hand und sagte: »Señor, wollet Ihr mir die Ehre erzeigen, diese Hand anzunehmen, damit sie Euch aufrichte?«

Don Ruiz nahm die gebotene Hand an, richtete sich mit Anstrengung auf, streckte dann die Hand nach der Richtung hin aus, welche Don Fernand genommen hatte, und sprach laut:

»Undankbarer Sohn, möge die Rache Gottes Dich verfolgen, wohin Du auch fliehest! Möge deine Hand, die mein graues Haar entweihte und mein Gesicht blutig schlug, machtlos seyn, Dich gegen die fremden Schwerter zu schützen, die sich für mich erhoben! Möge Gott, der deine Schandthat gesehen hat, Dir die Luft entziehen, die Du athmest, den Boden, aus dem Du wandelst, und das Licht, das Dir leuchtet!«

»Herr!« sagte ehrerbietig einer der Herren, der zu Don Ruiz trat, »hier ist euer Hut.«

»Herr,« sagte ein Zweiter, der ebenso achtungsvoll herantrat, »erlaubt, daß ich Euch den Mantel befestige.«

»Herr,« sagte ein Dritter, »hier ist euer Stock.«

Erst dieses Wort schien Don Ruiz aus seiner Erstarrung zu wecken.

»Ein Stock?« wiederholte er, »was nützt mir ein Stock? Einen Degen brauche ich. . . Ach, Cid, Cid Campeador, sieh, wie wir verändert sind, seit Du deine große Seele Gott dem Herrn zurückgegeben hast. Zu deiner Zeit rächten die Söhne die Beleidigungen, die ein Fremder ihren Vätern anthat; jetzt rächen Fremde die Beleidigungen, welche die Väter von ihren Söhnen empfangen.«

Darum wendete er sich an den Herrn, welcher ihm den Stock darbot, und sagte:

»Ja, ja, gebt ihn her; eine Beleidigung, welche die Hand zufügte, muß der Stock rächen . . . Mit diesem Stocke also werde ich mich an Dir rächen, Don Fernand. Aber ich täusche mich; wie könnte dieser Stock mich rächen? Ich habe ihn ja in der Hand, um mich auf ihn zu stützen, nicht um mit ihm anzugreifen. Wie könnte ich mich also rächen, wenn das Werkzeug meiner Rache das nicht zu erreichen vermag, was ich beabsichtige und was zu nichts dient, als damit auf die Erde zu pochen, gleichsam um zu sagen: Erde, Erde, öffne dem Greise die Pforte seines Grabes!«

»Señor, beruhigt Euch,« sagte einer der Umstehenden, »Dona Mercedes, eure Gattin, kommt schnell herbei und ihr folgt ein Mädchen, schön wie der Engel!«

Don Ruiz wendete sich gegen Mercedes und sah sie in mit einem solchen Blicke an, daß sie sofort stehen blieb und sich wankend auf den Arm der Dona Flor stützte, die allerdings schön war wie der Engel, aber blaß wie eine Leiche.

»Was gibt es, Señor?s fragte sie Don Ruiz, »Was ist geschehen?«

»Was geschehen ist?« antwortete Don Ruiz, dessen Zorn die Anwesenheit seiner Gattin zu erhöhen schien. »Euer Sohn bat mich ins Gesicht geschlagen; das Blut spritzte hervor unter der Hand dessen, der mich seinen Vater nannte. Der Schlag warf mich zu Boden, und nicht der Sohn, nein, Don Ramiro, bot mir die Hand, mich wieder aufzurichten. Danket Don Ramiro, Señora, welcher euern Gatten aufrichtete, den euer Sohn niedergeworfen!«

»Beruhiget Euch, – beruhiget Euch, Señor,« bat Dona Mercedes, »und sehet, wie viele Leute um Euch herumstehen.«

»Laßt sie kommen, laßt sie um mich herstehen, denn sie wollen mich vertheidigen. Kommt Alle her!« rief Don Ruiz, »damit ein Jeder durch mich selbst, aus meinem eigenen Munde erfahre, daß ich ein beschimpfter Mann bin, den man ins Angesicht geschlagen hat. Ja, Ihr Männer, sehet mich an . . . und zittert bei dem Gedanken, daß auch Ihr Söhne habt. Ja, Ihr Frauen, sehet mich an und bedenkt mit Entsetzen, daß Ihr Kinder gebäret, die fünfundzwanzigjährige Sorgen, Mühen, Opfer und Schmerzen damit vergelten, daß sie eure Männer ins Gesicht schlagen! . . . Ich habe den höchsten Richter um Gerechtigkeit angesprochen, ich spreche auch Euch um Gerechtigkeit an, und wenn Ihr mir nicht augenblicklich sagt, daß Ihr dem Vater Gerechtigkeit verschaffen wollet . . . nun, so verlange ich sie von dem Könige.«

Da die Menge vor Entsetzen über diese gewaltige Verzweiflung stumm blieb, so rief Don Ruiz:

»Ihr auch, Ihr auch verweigert mir Gerechtigkeit? Nun wohl . . . König Carlos! König Carlos, Gerechtigkeit, Gerechtigkeit!«

»Wer ruft hier den König Don Carlos?« fragte eine Stimme. »Wer verlangt Gerechtigkeit von ihm? Hier ist er!«

Die Menge trat sofort bei Seite, und auf dem Wege, den sie geöffnet hatte, sah man einen jungen Mann in einfacher Tracht, mit blinzelndem Auge und bleichem Gesichte, mit breitkrempigem Hute und dunkelfarbigem Mantel hervortreten.

Hinter ihm ging eben so einfach gekleidet der Oberrichter.

»Der König!« flüsterte die Menge.

»Der König!« stammelte Mercedes erbleichend.

»Der König!« wiederholte Don Ruiz triumphirend.

Augenblicklich bildete sich ein weiter Kreis, in dessen Mitte nur der König und Don Inigo, Don Ruiz und Dona Mercedes blieben, welche Letztere sich auf Dona Flor stützte.

»Wer verlangt Gerechtigkeit?« fragte der König.

»Ich, Sire,« antwortete Don Ruiz.

Der König blickte ihn an.

»Du nochmals? Gestern batest Du um Gnade, heute bittest Du um Gerechtigkeit?«

»Ja, Sire, und diesmal werde ich Ew. Majestät nicht verlassen, bevor Ihr mir gewährt habt, was ich bitte.«

»Wenn das was Du erbittest, gerecht ist,« antwortete der König, »wird Dir es nicht schwer werden, es zu erhalten.«

»Darüber wird Ew. Majestät entscheiden,« sagte Don Ruiz.

Don Inigo winkte den Umstehenden, weiter zurückzutreten, damit nur der König die Worte des Bittenden vernehme.

»Nein, nein,« fiel Don Ruiz ein, Jedermann soll hören, was ich bitte; damit Jedermann bezeuge, daß ich die Wahrheit sage.«

»So bleibet Alle und höret,« sagte der König.

»Sire,« fragte Don Ruiz, »ist es wahr, daß Ihr den Zweikampf in euern Staaten verboten habt?«

»So ist es, und noch diesen Morgen habe ich Don Inigo befohlen, die Duellanten mit aller Strenge und ohne Schonung zu verfolgen.«

»Nun, Sire, hier auf dieser Stelle, eben jetzt, unter dem Fenster meines Hauses, in einem Kreise von Zuschauern, duellirten sich zwei junge Männer.«

»Ah,« fiel der König ein, »bisher glaubte ich, wer dem königlichen Befehle ungehorsam seyn wolle, suche eine entlegene Gegend auf, wo die Einsamkeit wenigstens die Möglichkeit gewährt, das Verbrechen könne ungestraft bleiben.«

»Diese jungen Männer haben zu ihrem Streite das Tageslicht und den besuchtesten Platz in Granada gewählt.«

»Ihr höret es, Don Inigo,« sagte der König, indem er sich halb umdrehte.

»Mein Gott! Mein Gott!« jammerte Dona Mercedes.

»Señora,« flüsterte Dona Flor, »sollte er den eigenen Sohn anklagen wollen?«

»Der Gegenstand ihres Streites ist gleichgültig,« fuhr Don Ruiz fort, indem er dem Oberrichter einen Blick zuwarf, der verrieth, er schweige nur um der Ehre seiner Familie wegen; »ich kenne ihn nicht und will ihn nicht kennen; ich weiß nur, daß zwei Cavaliere vor meiner Thür mit dem Degen in der Hand ungestüm aufeinander eindrangen.«

Don Carlos runzelte die Stirn.

»Und Ihr kamt nicht heraus,« fragte er, »Ihr tratet nicht zwischen die Waffen der beiden Unsinnigen mit dem Gewicht eures Namens und dem Ansehen eures Alters? In diesem Falle seyd Ihr eben so schuldig wie sie, denn wer bei einem Duell mit hilft, oder sich demselben nicht widersetzt, ist Mitschuldiger.«

»Ich kam heraus, Sire, ich trat hinzu und gebot den jungen Männern die Degen in die Scheide zu stecken; der Eine gehorchte.«

»Er wird eine mildere Strafe erhalten,« sagte der König; »aber der Andere?«

»Der Andere weigerte sich, mir zu gehorchen, Sire; der Andere fuhr fort, seinen Gegner durch Beleidigungen zu reizen und zwang diesen Gegner, der das Schwert bereits in die Scheide gesteckt hatte, wiederum dasselbe zu ziehen und den Kampf fortzusetzen. . . «

»Ihr höret, Don Inigo, der Kampf wurde trotz den Bemerkungen des Don Ruiz fortgesetzt . . . « sagte der König, der dann den Alten fragte: »Was thatet Ihr nun?«

»Sire, nachdem ich gebeten hatte, drohte ich; nachdem ich gedroht, hob ich meinen Stock. . .«

»Und dann?«

»Der, welcher schon einmal zurückgetreten war, that es nochmals.«

»Und der Andere?«

»Der Andere, Sire, schlug – mich in das Gesicht.«

»Ein junger Mann schlug einen Alten, einen rico hombre, einen Don Ruiz ins Gesicht?«

Die Augen des Königs Don Carlos blickten fragend in der Menge umher, als erwarte er, irgend Einer unter den Anwesenden werde Don Ruiz widersprechen.

Aber jeder Mund blieb geschlossen und man hörte in dem allgemeinen Schweigen nur die erstickten Seufzer Dona Flors und das Schluchzen der Dona Mercedes.

»Fahret fort,« sagte der König zu Don Ruiz.

»Sire, welche Strafe verdient ein junger Mann, der einen alten in das Gesicht schlägt?«

»Wenn er nicht von Adel ist, die Peitsche auf öffentlichem Markt und einen Platz auf meinen Galeeren zwischen einem Türken von Algier und einem Mauren von Tunis; wenn er von Adel ist, lebenslängliches Gefängniß und Verlust seines Adels.«

»Und,« fragte Don Ruiz mit finsterer Miene den König, »wenn der, welcher den Schlag gab, der Sohn, der, welcher ihn empfing, der Vater war?«

»Wie sagst Du, alter Mann? Ich verstehe nicht gut spanisch; ich kann nicht recht verstanden haben.«

Don Ruiz wiederholte langsam und so deutlich was er gesagt hatte, daß jedes Wort ein schmerzliches Echo in dem Herzen der beiden Damen fand.

Ein Murren erhob sich in der Menge.

Der König trat einen Schritt zurück und sah den alten Mann zweifelnd an.

»Das ist unmöglich,« sagte er dann.

»Sire,« antwortete Don Ruiz, indem er sich auf ein Knie niederließ, »ich habe Euch um die Begnadigung meines Sohnes gebeten, obwohl er ein Mörder und Räuber ist . . . Sire . . . heute bitte ich um Gerechtigkeit gegen den Sohn, welcher die Hand gegen seinen Vater erhob.«

 

»Don Ruiz, Don Ruiz!« entgegnete Don Carlos, der einen Augenblick aus der kalten ruhigen Würde heraustrat, in die er sich gewöhnlich hüllte, »wisset Ihr, daß Ihr damit den Tod eures Sohnes verlangt?«

»Ich weiß nicht, Sire, welche Strafe in Spanien solches Verbrechen trifft, denn wie es vor ihm kein Beispiel gegeben hat, wird es wahrscheinlich keine Nachahmer finden; aber ich sage das, mein König: mein Sohn, Don Fernand, hat gegen das heilige Gebot gesündigt, welches das erste nach betten der Kirche ist, er hat es gewagt, seine Hand gegen mich zu heben, mich in das Angesicht zu schlagen und da ich selbst wegen dieses Verbrechens mich nicht rächen kann, klage ich gegen den Verbrecher und wenn Ihr mir Gerechtigkeit versagt, Sire, so vernehmt die Drohung, welche ein beleidigter Vater gegen seinen König richtet. . . Wenn Ihr mir Gerechtigkeit versagt, appellire ich von Carlos an Gott.«

Darauf stand er auf und fuhr fort:

»Sire, Ihr habt mich gehört und es ist von nun an nicht meine, sondern eure Sache.«

Er ging fort. Die Menge machte ihm schweigend Platz, verbeugte sich und entblößte die Häupter vor dem tiefgekränkten Vater.

Mercedes sank ohnmächtig in die Arme der Dona Flor, als sie sah, daß Don Ruiz an ihr vorüberging, ohne sie anzublicken, ohne ein Wort an sie zu richten.

Don Carlos warf einen der Seitenblicke, die ihm eigenthümlich waren, auf die Gruppe der Trauernden, dann wendete er sich an Don Inigo, der mehr zitterte und bleicher war, als wenn er der Angeklagte gewesen wäre.

»Don Inigo,« sagte er.

»Sire?« antwortete der Oberrichter.

»Ist die Frau dort die Mutter?«

Er blickte über die Achsel nach Mercedes.

»Ja, Sire,« stammelte Don Inigo.

»Da Ihr mein Oberrichter seyd,« fuhr der König nach einer Pause fort, »so geht Euch diese Sache an. Bietet alle Mittel auf, über die Ihr verfügt und erscheint nicht eher vor mir, bis der Schuldige ergriffen ist.«

»Sire,« antwortete Don Inigo, »seyd überzeugt, daß ich Alles aufbieten werde.«

»Thut es auch ohne Zögern,« denn die Sache ist für Euch wichtiger als Ihr glaubt.«

»Warum, Sire?« fragte der Oberrichter mit bebender Stimme.

»Ich habe über das Geschehene nachgedacht und weiß nicht, ob es in der Geschichte einen andern König gegeben hat, bei dem eine eben solche Klage angebracht worden ist.«

Darauf ging er gravitätisch und nachdenklich weiter und flüsterte vor sich hin:

»Herr, was bedeutet das? Ein Sohn hat seinen Vater in das Angesicht geschlagen!«

Der König suchte bei Gott die Erklärung eines Räthsels, die ihm die Menschen nicht zu geben vermochten.

Don Inigo war unbeweglich, wie versteinert stehen geblieben.

Sechstes Capitel.
Strom und Wildbach

Das Leben der Menschen ist voraus bestimmt. Bei einigen fließt es langsam und majestätisch dahin wie die gewaltigen Ströme, die gleich dem Missisippi und dem Amazonenflusse Ebenen von tausend Stunden zwischen ihrer Quelle und dem Meere durchziehen und Schiffe gleich Städten mit so viel Menschen tragen, daß sie zur Gründung einer Colonie genügen.

Andere, die ihre Quelle auf den höchsten Berggipfeln haben, stürzen sich in Cascaden, in Cataraeten herab, rauschen in Wildbächen dahin und verbinden sich nach einem Laufe von nur wenigen Stunden mit einem Flusse, mit einem See, wo sie weiter nichts thun können als daß sie noch eine Zeit lang das Wasser, mit dem sie sich vermischten, heftig bewegen und trüben.

Der Reisende, der den erstern folgen, ihre Ufer beschreiben, ihre Umgebungen mustern will, braucht Wochen, Monate, Jahre; der Wanderer, der die andern begleitet, bedarf kaum einiger Tage. Aber der Wanderer, welcher den Ufern des Wildbaches folgte, hat in der kurzen Zeit vielleicht seine Gefühle mannigfaltiger angeregt als der Reisende, welcher ein Jahr lang an einem Strome hinzog.

Die Geschichte, welche wir unseren Lesern vorlegen, gehört zu den Wildbächen; vom Anfange an überstürzen sich die Ereignisse, schäumen auf und bewegen sich brausend fort bis zum Ende.

Bei denen, welche die Hand Gottes forttreibt, werden alle Regeln der Bewegung umgekehrt und wenn sie am Ziele anlangen, kommt es ihnen vor als hätten sie den Weg nicht zu Fuß, nicht zu Pferd, nicht zu Wagen zurückgelegt, sondern in irgend einer seltsamen Maschine, welche über Ebenen, Dörfer und Städte rollte wie ein Dampfwagen, kreischend und funkensprühend, oder in einem Ballon, der so rasch durch die Luft schwamm, daß die Ebenen, Dörfer und Städte wie Punkte in der Unermeßlichkeit verschwanden, der Schwindel selbst die Festesten ergreifet und jede Brust bedrückt ist.

So weit sind wir gekommen, zu zwei Drittheilen der schrecklichen Wanderung, und bis auf den kalten Steuermann, den man Don Carlos nennt und der unter dem Namen Carl V. berufen ist, sich über Staatserschütterungen zu neigen wie jetzt über Familienerschütterungen, hatte ein Jeder den Ort verlassen oder wollte ihn verlassen, wo die letzten schrecklichen Ereignisse geschehen waren, – verlassen mit bebendem Herzen und Schwindel vor den Augen.

Wir haben gesehen, wie Don Fernand zuerst sich entfernte; wie dann Don Ruiz verschwand, den Sohn verfluchend, den König bedrohend, Gott beschwörend; wie endlich der König, immer ruhig, aber noch düsterer als gewöhnlich, über dem schrecklichen Gedanken, daß unter seiner Regierung ein Sohn das bis dahin unbekannte Verbrechen, seinen Vater ins Gesicht zu schlagen, begangen habe, langsamen Schrittes nach der Alhambra zuging, nach der er zurückkehrte, nachdem er mit dem Oberrichter die Gefängnisse besucht hatte.

Die einzigen Zuschauer, welche an dem Vorgange betheiligt waren und wie versteinert in der Menge stehen blieben, die sie mit Staunen und Schmerz anblickte, waren Dona Mercedes, die fast ohnmächtig an der Achsel der Dona Flor lehnte, und Don Inigo, der unbeweglich da stand, wie vom Blitz durch die Worte des Königs getroffen: erscheint nicht eher vor mir, bis der Schuldige verhaftet ist.

Er mußte also den Mann verhaften lassen, für den er eine so herzliche Zuneigung empfand, den Mann, um dessen Begnadigung er schon einmal vergeblich so dringend gebeten, als er sich nur solchen Verbrechen schuldig gemacht, welche die Menschen beleidigen, und dessen Bestrafung um so gewisser war, da er eine That begangen, welche Gott beleidiget, – oder er durfte, als Mitschuldiger bei einem der größten Verbrechen, die jemals die Menschheit erschreckt, niemals wieder vor seinem Könige erscheinen.

In seinem Herzen neigte er sich vielleicht zu diesem letzten Mittel, denn er verschob es, die nöthigen Befehle zur Verhaftung Don Fernands zu geben und eilte erst in das Haus, damit man Dona Mercedes die Hilfe leiste, welche ihr Zustand erforderte.

Sie mußte in das Haus gebracht werden, als aber Don Inigo, der stark und kräftig war wie ein junger Mann, in der Absicht zu Dona Mercedes trat, sie auf seinen Armen in das Haus zu tragen, schlug sie seltsamer Weise bei seiner Annäherung bebend die Augen auf, in denen sich fast Entsetzen aussprach.

»Nein, nein,« sagte sie, »Ihr nicht, Ihr nicht.«

Don Inigo beugte sich vor dieser seltsamen Abweisung und holte die Amme Fernands und einen alten Diener, welcher Knappe des Don Ruiz in den Maurenkriegen gewesen war, während Dona Flor in höchster Verwunderung flüsterte:

»Warum mein Vater nicht, Señora?«

Mercedes aber schloß die Augen wieder, nahm ihre Kräfte zusammen, obgleich die Ohnmacht noch fortzudauern schien, und begann, gestützt auf Dona Flor, einige Schritte nach dem Hause zuzugehen, so daß sie fast die Schwelle erreicht hatte, als die Diener ihr zu Hilfe kamen.

Dona Flor wollte mit Mercedes hineingeben, ihr Vater aber hielt sie an der Thür zurück und sagte:

»Wir geben zum letzten Male in dieses Haus; nimm Abschied von Dona Mercedes und komm wieder hierher zu mir.«

»Abschied! Zum letzten Male in dieses Haus? Warum das, lieber Vater?«

»Kann ich bei der Mutter wohnen, deren Sohn ich dem Tode überliefern will?«

»Dem Tode! Don Fernand!« entgegnete das Mädchen erbleichend. »Ihr glaubt, der König werde Don Fernand zum Tode verurtheilen?«

»Wenn es eine noch härtere Strafe gäbe, würde Don Fernand zu derselben verurtheilt werden.«

»Vater, könnt Ihr nicht zu eurem Freund Don Ruiz gehen und ihn milder stimmen?«

»Das kann ich nicht.«

»Kann nicht Dona Mercedes ihren Gatten vermögen, die Klage zurückzunehmen?«

Don Inigo schüttelte sein Haupt.

»Sie kann es nicht.«

»Mein Gott!« rief das Mädchen aus und eilte nach dem Hause, »so will ich mich an das Herz der Mutter wenden und das Herz wird ein Mittel finden den Sohn zu retten.«

Sie trat rasch in das Haus hinein.

Dona Mercedes saß in demselben Zimmer des Erdgeschosses, in welchem sie vor einer Stunde ihrem Sohne gegenüber gestanden und mit der Hand das freudige Klopfen ihres Herzens niedergehalten hatte; jetzt hatte sie die Hand auf dieses Herz gelegt, damit es nicht breche vor Schmerz.

»Mutter, Mutter,« rief Dona Flor-, »gibt es kein Mittel Don Fernand zu retten?«

»Hat Dir dein Vater einige Hoffnung gemacht, Kind?« fragte sie.

»Nein.«

»So glaube deinem Vater, armes Kind.«

Sie brach in Schluchzen aus.

»Aber, Señora,« fuhr Dona Flor fort, »wenn Ihr nach zwanzigjähriger Ehe Don Ruiz um diese Begnadigung ersuchet . . .«

»Er würde sie mir versagen.«

»Der Vater bleibt doch immer Vater.«

»Ja, ein Vater!« antwortete Mercedes, und sie ließ den Kopf auf die Hände sinken.

»Versucht es, ich beschwöre Euch.«

Mercedes saß einen Augenblick gedankenvoll da.

»Mein Recht ist es allerdings nicht, aber meine Pflicht,« sagte sie.

Dann fragte sie den Diener:

»Wo ist dein Herr?«

»In seinem Zimmer, Señora; er hat sich eingeschlossen.«

»Ihr seht,« sagte Mercedes, welche die Entschuldigung aufgriff, die sich ihr darbot.

»Wenn Ihr ihn bittet mit dem sanften Tone eurer Stimme, Señora wird er Euch öffnen.«

Mercedes versuchte aufzustehen, sank aber auf den Stuhl zurück.

»Ich habe nicht mehr die Kraft,« sprach sie.

»Ich werde Euch leiten, Euch beistehen,« fuhr das Mädchen fort, indem sie einen Arm um Dona Mercedes legte und sie mit einer Kraft aufrichtete, welche man in diesem zarten Körper nicht vermuthet hätte.

Mercedes seufzte und ließ sich führen.

Nach fünf Minuten klopften die Mutter und die Liebende weinend an die Thür des Don Ruiz.

»Wer ist da?« fragte Don Ruiz im rauhen Tone.

»Ich,« antwortete Dona Mercedes kaum vernehmlich.

»Wer?«

»Seine Mutter.«

Man hörte in dem Zimmer einen ächzenden Ton, dann näherten sich langsam schwere Tritte, und endlich wurde die Thür geöffnet.

Don Ruiz erschien mit unstätem Blick und verworrenen Haaren und Bart.

Er schien in einer halben Stunde um zehn Jahre älter geworden zu seyn.

»Ihr?« fragte er.

Und als er Dona Flor bemerkte, setzte er hinzu:

»Aber Ihr seyd nicht allein; ich wunderte mich, daß Ihr allein zu kommen wagtet.«

»Um mein Kind zu retten, würde ich Alles wagen,« antwortete Mercedes.

»So tretet ein, aber allein.«

»Don Ruiz,« flüsterte Dona Flor, »erlaubt Ihr der Tochter eures Freundes nicht, ihre Bitten mit denen einer Mutter zu vereinigen?«

»Wenn Dona Mercedes in eurer Gegenwart mir sagen will, was sie mir zu sagen hat, tretet ein.«

»Nein, nein!« fiel Mercedes ein; »allein oder gar nicht.«

»Dann geht allein,« sagte Dona Flor, gehorsam dem Willen der unglücklichen Mutter und der abwehrenden Geberde des Don Ruiz.

Die Thür schloß sich hinter Dona Mercedes.

Dona Flor blieb vor der Thür staunend stehen und sah dieses häusliche Drama sich entwickeln, ohne daß sie es verstand.

Sie schien zu horchen, aber sie horchte nicht.

Ihr Herz klopfte hörbar.

Gleichwohl war es ihr, als folge die klagende Stimme der Dona Mercedes der drohenden Stimme des Don Ruiz.

Dann hörte sie einen Fall.

Sie glaubte Dona Mercedes sey nieder gesunken und öffnete rasch die Thür. Dona Mercedes lag wirklich am Boden.

Sie eilte zu ihr und versuchte sie aufzuheben, aber Don Ruiz winkte ihr.

Dona Mercedes war sicherlich unter der Last eines Gefühles niedergesunken, welche sie nicht zu tragen vermocht hatte.

Don Ruiz stand zehn Schritte von ihr und hätte, wenn er eine Gewaltthat an der Gattin verübt, nicht soweit sich entfernen können.

Uebrigens hob er sie mit einem Ausdrucke, der nicht lieblos war, auf seine Arme und trug sie in das Vorzimmer, wo er sie auf einen Divan legte.

 

»Arme Frau! arme Frau!« flüsterte er.

Dann kehrte er in sein Zimmer zurück und schloß die Thür von neuem zu, ohne ein Wort zu dem Mädchen zu sagen, als sey sie gar nicht zugegen.

Nach fünf Minuten schlug Dona Mercedes die Augen auf, sammelte ihre Gedanken, erkannte wo sie war, erinnerte sich der Ursache, die sie daher geführt hatte, stand kopfschüttelnd auf und sprach leise:

»Ich wußte es wohl, ich wußte es wohl!«

Geführt von dem Mädchen kehrte sie in ihr Zimmer zurück und sank auf einen Sessel.

In diesem Augenblicke hörte man Don Inigo an der Thüre rufen:

»Komm, Kind, komm, wir können nicht länger hier bleiben.«

Das Mädchen sank aus beide Knie nieder.

»Señora,« sagte sie, »segnet mich, damit das, was ich versuchen will, glücklicher sey als das, was Ihr selbst versuchtet.«

Mercedes streckte die Hände nach dem Mädchen aus, berührte die Stirne desselben und sagte mit fast brechender Stimme:

»Gott segne Dich, wie ich Dich segne.«

Darauf stand das Mädchen auf, ging wankend zu ihrem Vater, der an der Thür wartete, und verließ mit ihm das Haus.

Kaum aber hatte sie einige Schritte auf der Straße gethan, als sie stehen blieb und fragte:

»Wohin geht Ihr, Vater?«

»Ist die Wohnung, welche der König uns in der Alhambra bestimmt hatte und welcher ich die mir von Don Ruiz gebotene vorzog.«

»Lasset mich vorher in das Annunciatenkloster eintreten.«

»Ja,« sagte Don Inigo, »das ist eine letzte Hoffnung.«

Fünf Minuten später ließ die Pförtnerin Dona Flor ein, während ihr Vater an der Pforte wartete.

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