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El Salteador

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Einundzwanzigstes Capitel.
Der Kampfplatz

In dieser Zeit, das heißt während die beiden alten Herren miteinander sprachen und Dona Mercedes und Dona Flor einander in ausdrucksvollem Schweigen zulächelten, gelangte Ginesta in das Gebirge.

Eine Viertelstunde von der Venta »zum Maurenkönige« traf sie auf Soldaten.

Diesmal floh sie dieselben nicht, sie suchte sie vielmehr auf.

»Ach!« riefen sie aus, »das schöne Mädchen mit der Ziege!«

Das Mädchen ging geradenwegs zu dem Anführer.

»Herr Hauptmann,« sagte sie, »leset dies Papier.«

Es war der von Don Carlos geschriebene und besiegelte Befehl den Salteador frei passiren zu lassen.

»Hm!« murmelte der Soldat. »So hätten wir nicht nöthig gehabt, den Wald fünf, sechs Stunden weit zu verbrennen und uns vier Mann tödten zu lassen.«

Er las das Papier nochmals, als wenn ihm die Sache so seltsam vorkomme, daß ihn einmaliges Lesen nicht überzeugte.

»Du bringst ihm das Papier hin wo er ist?« fragte er das Mädchen, das er für eine gewöhnliche Zigeunerin hielt.

»Ich bringe es ihm,« antwortete Ginesta.

»So geh.«

Ginesta eilte weiter.

»Einen Rath will ich Dir geben,« setzte der Hauptmann hinzu; »zeige ihm an, wer Du bist und was Du bringst, damit er Dich nicht empfängt, wie er meine Soldaten empfangen hat.«

»O, ich habe nichts zu fürchten,« antwortete Ginesta; »er kennt mich.«

»Beim heiligen Jacob! ich weiß nicht, ob Du Dich dieser Bekanntschaft zu rühmen hast, schönes Kind.«

Darauf winkte er ihr, daß sie ihren Weg fortsetzen könne.

Ginesta war schon weit hinweg.

Ihr Weg war ihr vorgezeichnet, denn sie ging wiederum in dem Bette des Wildbachs hin.

Sie gelangte so bis an die Stelle, wo das Wasser von oben herunterstürzte.

Hier scheute die Ziege, die vorauslief, und kam zurück. Ginesta ging weiter.

Ihre Augen, die an das Dunkel gewöhnt waren und in der Nacht fast so gut sahen wie am Tage, erkannten einen Leichnam.

Es war der des ersten Soldaten, der in den Abgrund hinabgestürzt war.

Sie ging um ihn herum und ihr Fuß stieß an einen zweiten.

Sie sprang vorwärts und mußte über einen dritten todten Körper schreiten.

Die Todten konnte sie nicht fragen, aber die Stille des Todes sagte ihr, daß ein Kampf, ein schrecklicher Kampf stattgefunden.

Was war in diesem Kampfe aus Fernand geworden?

Einen Augenblicke trat ein Ruf auf ihre Lippen, der zu dem Salteador hinaufsteigen sollte; aber Ginesta bedachte, daß ihre Stimme im Rauschen und Tosen des Wasserfalles nicht gehört werden könne.

Sie kletterte leicht und gewandt an dem steilen Felsen hinauf.

Nur eine Fee oder ein Engel konnte einen solchen Weg zu gehen unternehmen.

Als ihr Fuß oben auf dem Felsen stand, legte sie die Hand auf das Herz, denn dieses Herz klopfte, als wolle es die Brust zerschlagen.

Dann rief sie Fernand.

Der Angstschweiß trat ihr auf die Stirn.

Sie rief nochmals.

Das Echo selbst blieb stumm und ein kalter Zugwind wehte sie an.

Sie glaubte am Ende der Grotte eine ihr sonst unbekannte Oeffnung zu sehen.

Sie zündete die Lampe an.

Es war eine Oeffnung da und aus dieser Oeffnung drang das seltsame Rauschen, das aus jeder Tiefe steigt, das weder der Klang des Lebens, noch die Stille des Todes, sondern das Rauschen des Unbekannten ist.

Sie hielt die Lampe an die Oeffnung.

Der Zug verlöschte sie.

Ginesta zündete die Lampe von neuem an, hielt die Hand vor die Flamme und trat aus der ersten Grotte in die zweite.

Die Ziege wollte ihr nicht folgen und blieb zitternd stehen.

Da ein großer Haufen Erde in der zweiten Höhle lag, so schloß Ginesta, daß Fernand die Arbeit des Grabens wenn nicht begonnen, so doch vollendet habe.

Sie untersuchte die Wände der Höhle genauer.

Dabei glitt ihr Fuß auf feuchtem Boden aus.

Sie hielt die Lampe an diese Stelle des Bodens und sah, daß dieselbe mit Blut getränkt war.

Die Lampe entfiel fast ihrer Hand.

Sie nahm indeß alle ihre Kraft zusammen und hob die Lampe nach der Decke empor, um die ganze Höhle zu erleuchten.

In einer Ecke lag eine schwarze haarige Masse.

Gleichzeitig verbreitete sich der scharfe Geruch, den jedes wilde Thier von sich gibt.

Dieser Geruch hatte die Ziege erschreckt.

Ginesta trat zu der Masse; sie rührte sich nicht.

Als sie näher kam, erkannte sie den großen Bären vom Gebirge.

Sie beleuchtete ihn mit dem Lichte der Lampe.

Er war todt.

Aus einer tiefen Wunde an der Seite floß noch Blut.

Ginesta wagte das Thier zu berühren; es war noch warm.

Der Kampf konnte also erst vor kurzem stattgefunden haben.

Daß der Kampf zwischen dem Thiere und Fernand stattgefunden, war nicht zweifelhaft.

Ginesta erklärte sich Alles.

Man hatte Fernand angegriffen und Fernand hatte die Soldaten getödtet, deren Leichen sie gesehen.

Um in der Höhle nicht überwältigt zu werden, hatte er jenen Ausgang gegraben.

Dabei war er in die Höhle des Bären gelangt.

Der Bär hatte sich zur Wehr gesetzt und war getödtet worden.

Dann war Fernando durch den entgegengesetzten Ausgang entflohen, den man nicht kannte.

Die Höhle, welche ins Freie hinausführte, oder vielmehr der unterirdische Gang war hundert bis hundertundzwanzig Schritte lang.

Ginesta ging durch diesen Ausgang hinaus.

Oben auf dem Berge standen Soldaten, ein Beweis, daß man noch immer Fernand in der Höhle vermuthete.

Hier und da schlug noch immer die Flamme auf, da, wo das Feuer Gruppen harziger Bäume gefunden hatte.

An allen andern Orten stieg weißer Rauch auf.

Ginesta eilte durch denselben hindurch.

Am andern Tage, mit Tagesanbruche, erschien ein Mädchen, umhüllt von der Mantille, welche ihr Gesicht bedeckte, auf dem Vioarambla-Platz, klopfte an dem Hause des Don Ruiz an und verlangte zu Dona Flor geführt zu werden.

Dona Flor, deren Herz durch die guten Nachrichten vom vorigen Tage heiter gestimmt war, nahm das Mädchen auf, wie man selbst Unbekannte aufnimmt, wenn das Herz Feste feiert.

Feiert das Herz ein Fest, so gleicht das Gesicht den Fenstern eines erleuchteten Hauses. So fest und dicht die Vorhänge auch zugezogen seyn mögen, einige Strahlen von dem Lichterglanze drinnen finden den Weg nach außen doch. Die Vorübergehenden aber bleiben stehen und sagen:

»In dem Hause wohnen Glückliche.«

Bei dem Anblicke des heitern Gesichtes der Dona Flor, die so noch um Vieles schöner erschien, seufzte das Mädchen.

So leise aber auch der Seufzer war, Dona Flor hörte ihn.

Sie glaubte, die Fremde habe ihr eine Bitte vorzulegen.

»Ihr wolltet mit mir sprechen,« begann sie.

»Ja,« antwortete Ginesta leise.

»Tretet näher und sagt, was ich für Euch thun kann.

Ginesta schüttelte den Kopf.

Dann sagte sie:

»Ich komme um etwas für Euch zu thun.«

»Für mich?« fragte Dona Flor erstaunt.

»Ja,« sagte Ginesta. »Ihr fragt, was man für die Tochter des reichen und mächtigen Don Inigo thun könne, da sie ja jung ist und schön und von Don Fernand geliebt wird.«

Dona Flor erröthete, sagte aber nichts.

»Nun,« fuhr Ginesta fort, »man kann ihr ein unschätzbares Geschenk geben, ohne das alles Andere nichts ist, – man kann ihr die Begnadigung des Mannes bringen, den sie liebt.«

»Aber,« entgegnete Dona Flor, »ich glaubte, diese Begnadigung sey Don Fernand überbracht, der sich irgendwo im Gebirge verborgen hält.«

»Don Fernand,« antwortete Ginesta traurig, »ist nicht mehr, wo ich ihn verlassen habe und ich weiß nicht wo er ist.«

»Mein Gott!» sagte Dona Flor und alle ihre Glieder bebten.

»Ich weiß nur, daß er außer Gefahr ist,« setzte Ginesta hinzu.

»Ah!» flüsterte Dona Flor erfreut und mit der Röthe ihrer Wangen erschien das Lächeln wieder auf ihren Lippen.

»Ich bringe Euch die Begnadigung, damit Ihr sie ihm überreicht.»

»Aber ich weiß nicht wo Don Fernand ist,« stammelte Dona Flor; »wen soll ich nach ihm fragen? wo soll ich ihn finden?»

»Ihr liebt ihn und er liebt Euch,» sagte Ginesta.

»Ich weiß es nicht, ich glaube, ich hoffe es,« flüsterte Dona Flor.

»So werdet Ihr ihn finden, da er Euch gewiß sucht.«

Ginesta reichte Dona Flor das Papier, welches die Begnadigung enthielt.

Wie sorgsam sie aber auch bis dahin ihr Gesicht verborgen gehalten hatte, bei dieser Bewegung verschob sich die Mantille am Gesicht und Dona Flor konnte dasselbe sehen.

»Ach!« rief sie, »die Zigeunerin aus der Venta zum Maurenkönig!«

»Nein,» antwortete Ginesta mit einem Tone, in welchem unermeßlicher Schmerz lag, »nein – Schwester Filippa vom Annunciadenorden.«

Diesen Orden hatte Don Carlos der Zigeunerin bezeichnet, damit sie in einem Kloster desselben das Noviciat antrete und das Gelübde ablege.

Zweiter Teil

Erstes Capitel.
Der Schlüssel

Gegen Mitternacht verließ Dona Flor den Balcon des Zimmers, welches sie im Hause des Don Ruiz inne hatte.

Es war, wie man sich erinnert, das Zimmer der Dona Mercedes, denn die Gastfreundschaft hatte das Beste geboten.

Warum verließ aber Dame Flor den Balcon so spät? Warum schloß sie so spät und so nachlässig die Jalousie? Was hielt sie bis Mitternacht wach? Warum lauschte sie so aufmerksam?

Warteten ihre Augen auf den schönen Hesperus, der im Westen aufgeht?

Horchte ihr Ohr auf die Nachtigall, die im blühenden Oleander am Ufer des Darro ihre Hymne an die Nacht sang?

Oder sahen ihre Augen nicht, hörten ihre Ohren nicht, war ihre Seele in den lieblichen süßen Traum der sechzehn Jahre versunken, den man Liebe nennt?

Ginesta weinte und betete ohne Zweifel in ihrem Kloster.

 

Dona Flor lauschte und lächelte.

Vielleicht liebte Dona Flor auch nicht, aber ein unbekannter Duft deutete ihr das Nahen des Gottes an, den man Liebe nennt, wie ein Licht vom Himmel der Jungfrau Maria das Erscheinen des Engels Gabriel verkündete.

Das Seltsame bei dem jungen Mädchen war die Theilung der Zuneigung, die sie in ihrem Herzen für zwei junge Männer empfand.

Der, welchen sie fürchtete, den sie gestehen haben würde, wenn er erschienen wäre, bei dem sie instinctmäßig gefühlt hätte, daß ihre Züchtigkeit gefährdet sey, war der schöne Cavalier, der elegante Liebesbote, wie er sich selbst genannt hatte, der aus dem Wege von Malaga noch Granada ihr voraus geeilt, Don Ramiro.

Der, welchem ihre Schritte von selbst entgegen gingen, an dessen Achsel sie ohne Bangen geruht, den sie eine Stunde lang angesehen hätte, ohne daß es ihr in den Sinn gekommen wäre zu erröthen oder die Augen niederzuschlagen, war der Salteador von der Heerstraße, der Bandit aus der Venta del Rey Moro, Don Fernand.

In der Stimmung, in welcher die Seele begeistert, der Körper aber matt ist, trat Dona Flor an den Spiegel, den letzten Höfling am Abende, den ersten Schmeichler am Morgen, und winkte ihrer Zofe sie auszukleiden.

Diese erkannte wohl, daß sie bei der Stimmung und Zerstreutheit ihrer Herrin auf keine Frage eine Antwort erhalten werde, und so begann sie das schöne Mädchen zu entkleiden, ohne nur ein Wort zu sagen.

Niemals vielleicht hatten die Augen Dona Flors mit den langen Sammtlidern und die halbgeöffneten Lippen, zwischen denen die Emailreihe der weißen Zähne erschien, so deutlich zu der Nacht gesagt: »Ich bin sechzehn Jahre alt, und fühle das Bedürfniß zu lieben und geliebt zu werden.«

Die Zofe täuschte sich darüber nicht. Die Frauen besitzen einen wunderbaren Instinct, nach dem sie die Anwesenheit, ja selbst das Nahen der Liebe erkennen.

Sie benetzte ihre Gebieterin mit Wohlgerüchen nicht wie eine Jungfrau, die in Schlaf sinken will, sondern wie eine Braut, die den Bräutigam erwartet.

Schmachtend, matt, wankend, mit bebendem Herzen ging Dona Flor dann zu ihrem Bette, und legte das schöne Köpfchen auf den schönen weißen Arm.

Sie hatte lange gezögert, ehe sie so weit gekommen, und nun sehnte sie sich so bald als möglich allein zu seyn. Sie hatte sich eine Art Einsamkeit durch Schweigen geschaffen, aber diese genügte ihr nicht, sie wollte auch allein seyn.

Sie richtete sich auf, um der fortgehenden Zofe nachzusehen, welche nicht ahnte, daß sie damit den heißen Wunsch der Herrin erfülle, im Gegentheile sich anschickte, dafür sich zu entschuldigen, daß sie sich entferne.

Sie nahm die Lampe mit sich, und ließ das Gemach in jenem bleichen Lichte, welches ein Nachtlämpchen durch die Alabasterglocke hindurch verbreitet.

So schwach aber auch das Licht war, schien es doch den Augen des Mädchens zu hell zu seyn, denn sie richtete sich zum zweiten Male auf, und zog mit einem Seufzer den Bettvorhang gleich einer Schranke zwischen sich und der Lampe, so daß zwei Drittheile ihres Lagers von mondscheinartigem, bläulichen Lichte überströmt wurde, das obere Drittel aber ganz im Dunkel blieb.

Jedes Mädchen ist fünfzehn, jeder Jüngling achtzehn Jahre alt gewesen, jeder Mann und jede Frau hat in dem Winkel des Gedächtnisses, welches dem Herzen entspricht die Erinnerung an das bewahrt, was sie durch die Pforte der Jugend gesehen, die nach dem Paradiese führt. Wir wollen es also nicht versuchen die Träume Dona Flors zu beschreiben; die Rose besteht aus Weiß und Roth, der Traum eines Mädchens aus Hoffnung und Liebe.

Allmälig ging das schöne Kind vom Traum des Wachens zum Traum des Schlafens über. Die halb offenen Lider sanken zu; die geschlossenen Lippen öffneten sich; zwischen die Welt der Wirklichkeit und ihre Gedanken senkte sich etwas wie eine Wolke; es entschlüpften ihr zwei oder drei Seufzer, die schmachtend verklangen wie Liebesklagen; dann wurde ihr Athem ruhig und regelmäßig. Der Engel, der neben ihr wachte, sah zwischen den Bettvorhängen hindurch, neigte sich über sie und lauschte.

Sie schlief.

Zehn Minuten vergingen, ohne daß irgend ein Geräusch die feierliche Stille unterbrach, dann ließ sich plötzlich das Knirschen eines Schlüssels im Schlosse vernehmen, die Thür wurde leise geöffnet und wieder geschlossen; ein Mann in einem großen braunen Mantel erschien in dem halbdunkel, schob den Riegel an der Thür vor, wahrscheinlich um nicht gestört zu werden, ging leisen Trittes weiter, setzte sich auf das Bett, drückte einen Kuß auf die Stirn der Schlafenden und flüsterte: »Liebe Mutter!«

Die Schlafende zuckte zusammen, schlug die Augen auf und konnte einen leisen Schrei nicht unterdrücken; der Mann stand erstaunt auf, ließ den Mantel fallen und zeigte sich im Lichte der Lampe in elegantem Anzuge.

»Don Fernand!« sagte das Mädchen und zog die Bettvorhänge bis an ihre Lippen.

»Dona Flor!« flüsterte der junge Mann erstaunt.

»Was wollt Ihr zu dieser Stunde hier, Señor? Was verlangt Ihr, warum kommt Ihr?«

Ehe der Salteador antwortete, zog er die dichten äußeren Vorhänge des Bettes vollständig zusammen, so daß sie eine Art Zelt um Dona Flor bildeten, dann trat er einen Schritt zurück, ließ sich aus ein Knie nieder und sagte:

»Señora, so wahr Ihr schön seyd, so wahr ich Euch liebe, ich kam um meiner Mutter ein letztes Lebewohl zu sagen und Spanien für immer zu verlassen.«

»Und warum verlasset Ihr Spanien für immer. Don Fernand?« fragte das Mädchen in ihrem Zelt von Seide und Gold.

»Weil ich flüchtig, geächtet, verfolgt bin, weil ich nur nach einem Wunder noch lebe und weil ich meinen Eltern, meiner Mutter besonders, in deren Zimmer ich Euch unerklärlicherweise finde, die Schmach nicht anthun will, ihren Sohn auf das Blutgerüst steigen zu sehen.«

Es folgte eine Pause, in welcher man nur die raschen Schläge des Herzens des Mädchens hörte, dann bewegten sich die Vorhänge des Bettes und eine weiße Hand streckte sich mit einem Papier heraus.

»Leset dies,« sagte eine bewegte Stimme.

Fernando nahm das Papier, ohne zu wagen die Hand zu berühren, die es ihm reichte, schlug es auseinander, während die Hand sich wieder zurückzog, aber die Vorhänge ein wenig auseinander ließ.

Der junge Mann neigte sich über die Lampe, ohne seinen Platz zu verlassen, und las:

»Wir, Carl, von Gottes Gnaden König von Spanien, Neapel und Jerusalem, thun hiermit Allen zu wissen, daß wir dem Don Fernand de Torillas vollständige Verzeihung für die Verbrechen und Vergehen gewähren, die er begangen haben kann.«

»Ah! rief Don Fernand aus und er faßte diesmal zwischen den Vor-hängen hindurch die Hand Dona Flors, zog sie an sich und küßte sie; »ah, Dank! Don Inigo hat sein Versprechen gehalten und Ihr übernahmt es, gleich der Taube in der Arche, dem armen Gefangenen den Oelzweig zu bringen.«

Dona Flor erröthete, zog sanft ihre Hand zurück und sagte mit einem Seufzer:

»Leset weiter.«

Don Fernand blickte verwundert wieder auf das Papier und las weiter:

»Vorstehende Begnadigung – damit der Betreffende wisse, wem er zu danken habe – ist auf die Bitten der Zigeunerin Ginesta bewilligt worden, welche sich verpflichtet, morgen in das Kloster einzutreten und nach Beendigung ihres Noviziats das Gelübde abzulegen.

»Gegeben in unserem Palaste der Alhambra am 9. Juni im Jahre der Gnade 1519.«

»Ach, die liebe Ginesta,« flüsterte der Salteador, »hatte es mir wohl versprochen.«

»Ihr beklagt sie?« fragte Dona Flor.

»Ich beklage sie nicht nur, ich nehme auch ihr Opfer nicht an.«

»Würdet Ihr das Opfer von mir annehmen, Don Fernand?«

»Ach, noch viel weniger, denn wenn das Opfer nach dem gemessen wird, was man verliert, würdet Ihr, die Reiche, Adelige, Hochgeehrte, weit mehr verlieren als eine arme Zigeunerin ohne Rang, ohne Eltern und ohne Zukunft.«

»Darum schien sie auch vollkommen befriedigt in das Kloster zu gehen,« wagte Dona Flor zu bemerken.

»Befriedigt?« fragte Don Fernand kopfschüttelnd. »Ihr glaubt das?«

»Sie sagte es und für ein armes obdachloses Mädchen ohne Familie, die an der Straße um milde Gaben bitten muß, ist ein Kloster ein Palast.«

»Ihr irrt Euch, Dona Flor,« entgegnete der junge Mann, den der Schatten betrübte, welchen die Tochter Don Inigo’s, so rein sie auch selbst war, auf die Aufopferung derjenigen warf, die sie als Nebenbuhlerin ansehen konnte, – »Ihr irrt Euch; Ginesta ist nicht nur keine Bettlerin, sondern im Gegentheil vielleicht nach Euch eine der reichsten Erbinnen in Spanien. Ginesta ist auch nicht ohne Familie, denn sie ist die Tochter, die anerkannte Tochter Philipps des Schönen. Auch wäre für diese Tochter der Lust und der Sonne, für diese Fee des Gebirges, für diesen Engel der Heerstraße selbst ein Palast ein Kerker, bedenkt also, was ein Kloster für sie seyn muß. Ach, Dona Flor, Dona Flor, Ihr bliebet nicht minder schön und nicht minder geliebt, wenn Ihr ihr den lieblichen Duft ihrer Liebe und ihrer Aufopferung ließet.«

Dona Flor seufzte.

»So weiset Ihr eure Begnadigung um diesen Preis zurück?« fragte sie.

»Der Mann ist gar selbstsüchtig, wenn er eifrig wünscht,« antwortete Don Fernand, »und ich fürchte der Selbstsucht zu erliegen, um bei Euch bleiben zu können, Dona Flor.«

Der junge Mann hörte das Mädchen in raschen Zügen freudig athmen.

»So kann ich der Dona Mercedes eure Rückkunft melden, Don Fernand?«

»Ich wollte ihr meine Abreise melden, Dona Flor; sagt ihr, sie werde mich morgen oder vielmehr heute sehen . . . Ihr seyd der Engel günstiger Nachrichten.«

»Also heute,« wiederholte Dona Flor, indem sie zum zweiten Mal ihre weiße Hand zwischen den Vorhängen hindurch streckte.

»Heute,« antwortete der Salteador, indem er aufstand und mit seinen Lippen die Hand, die man ihm reichte, so ehrfurchtsvoll berührte, als sey es die Hand einer Königin.

Dann hob er seinen Mantel auf, hüllte sich in die langen Falten desselben, verbeugte sich vor dem Bette mit den geschlossenen Vorhängen wie vor einem Throne, nahm den Schlüssel aus der Tasche, öffnete die Thür, blieb noch einmal stehen, um einen letzten Blick auf Dona Flor zu werfen, die ihm zwischen den Vorhängen hindurch nachsah, schloß dann die Thür hinter sich zu und ging schweigend wie ein Schatten in dem finstern Corridor hin.

Zweites Capitel.
Der verlorne Sohn

Am Morgen nach jener Nacht hatte sich ein festliches Aussehen, ein Duft wie von Glück in dem Hause des Don Ruiz de Torillas verbreitet.

Dona Mercedes hatte den alten Dienern des Hauses, die so fest an den Trümmern des Vermögens hielten wie in den Tagen des Glücks, angekündigt, sie habe Nachrichten von Don Fernand erhalten und der junge Herr melde, er werde an diesem Tage von der langen Reise zurückkommen, die ihn fast drei Jahre lang von Spanien fern gehalten habe.

Es versieht sich von selbst, daß Dona Flor diese gute Nachricht überbracht hatte; darum behandelte auch Dona Mercedes die Tochter des Don Inigo ganz wie die eigene Tochter und gab ihr in voraus alle Küsse, die sie Don Fernand hätte geben mögen.

Gegen neun Uhr früh waren Don Ruiz, seine Gattin und Beatrix, die alte Zofe der Mercedes und Amme Fernands, in dem untern Zimmer des Hauses versammelt, das sich der Hausherr vorbehalten hatte.

Dona Flor war sehr früh hinuntergegangen, um, ohne zu sagen woher sie Nachricht habe, die Rückkunft Don Fernands zu melden und dann dort geblieben, als gehöre sie zu der Familie.

Dona Flor und Dona Mercedes saßen neben einander; Dona Flor hielt die Hand der Dona Mercedes und lehnte ihren Kopf an deren Schulter. Sie sprachen leise mit einander.

Gleichwohl lag etwas Gezwungenes in dem Wesen der Dona Mercedes, so oft das Mädchen in einem Tone, der wohl mehr als Theilnahme oder Freundschaft andeutete, den Namen Don Fernands aussprach.

Don Ruiz ging mit gesenktem Haupte umher; sein langer weißer Bart stach von dem goldgestickten schwarzen Sammtwamms ab und von Zeit zu Zeit, wenn auf dem Straßenpflaster draußen sich Hufschlag vernehmen ließ, richtete er den Kopf empor und horchte mit finsterem Blicke und gerunzelter Stirn. Sein Gesicht bildete einen auffallenden Gegensatz zu dem der Dona Mercedes, auf welchem die Mutterliebe in ihrem ganzen Glanze strahlte, und selbst mit dem der alten Beatrix, welche ihren Platz in einer Ecke des Gemachs genommen hatte und so den Wunsch, Don Fernand sobald als möglich zu sehen, mit der Ehrfurcht vereinigte, die sie von der Herrschaft fern hielt. Auf seinem Gesicht deutete nichts die Freude eines Vaters an, welcher den Sohn erwartet, den er so liebt, daß er ihm sein Vermögen opferte. Wie also erklärte sich der strenge Ausdruck in den Zügen des Don Ruiz? Durch die Vorwürfe, die er dem jungen Manne mit Recht machen konnte, die sich aber doch nicht wohl mit den dringenden Bitten vereinigen ließen, durch welche er die Begnadigung seines Sohnes zu erlangen gesucht hatte? Oder lag tief in seinem Herzen noch ein anderer Grund, den er bisher noch Niemanden verrathen hatte?

 

So oft Don Ruiz bei dem Schalle von Hufschlägen draußen den Kopf empor richtete, unterbrachen die beiden Frauen mit klopfendem Herzen ihr Gespräch, horchten und schauten unverwandt nach der Thür, während Beatrix an das Fenster lief, weil sie hoffte, ihrer Herrin zuerst zurufen zu können: »Da ist er!«

Der Reiter zog vorüber und die Hufschläge entfernten sich. Don Ruiz ließ den Kopf wieder auf die Brust sinken und setzte seinen Gang im Zimmer fort. Beatrix kehrte seufzend von dem Balcone zurück, schüttelte den Kopf, um zu sagen: »Er ist es nicht« und die beiden Frauen plauderten leise weiter.

So ritten fünf oder sechs Personen vorüber; fünf- oder sechsmal hatte sich das Geräusch erneuert, um zu erlöschen, nachdem es in dem Herzen derer, die es hörten, vergebliche Hoffnung erregt hatte, als man wiederum den Tritt eines Pferdes von dem Zacatin herkommen hörte.

Alles wiederholte sich in dem Zimmer wie bei den früheren Gelegenheiten, nur daß Beatrix diesmal laut aufjubelte.

»Er ist es!« rief sie und schlug die Hände zusammen. »Mein Fernand! Ich erkenne ihn!«

Mercedes stand rasch auf.

Don Ruiz aber sah sie in seltsamer Weise an und sie blieb stehen, ohne sich wieder zu setzen, aber auch ohne einen Schritt weiter zu gehen.

Dona Flor erröthete und erblaßte abwechselnd; sie war aufgestanden wie Dona Mercedes, da sie aber schwächer war, sank sie auf den Stuhl zurück.

Dann sah man einen Reiter an den Fenstern vorüberkommen, aber diesmal gingen die Hufschläge nicht weiter und der Klopfer an der Thür pochte.

Niemand aber von allen, die mit so verschiedenen Empfindungen die Ankunft dessen erwarteten, welcher geklopft hatte, änderte seine angenommene Stellung; nur die Gesichtszüge verriethen die Gedanken der drei Frauen und des Mannes, welcher mit dem spanischen Ernst und jener Etikette, die im sechzehnten Jahrhunderte nicht blos am Hofe, sondern auch in Familien galt, sie zurückhielt.

Man hörte wie die Hausthür geöffnet wurde, dann näherten sich Tritte, Don Fernand erschien, blieb aber auf der Schwelle stehen.

Er war in elegantem Reiseanzuge und sah aus, als habe er einen weiten Weg zurückgelegt.

Schnell überflog sein Blick das Zimmer und die Personen, die er da erwartete. Don Ruiz war der Erste, auf dem seine Augen hafteten, dann links von demselben auf den beiden Damen, seiner Mutter und Dona Flor, endlich im Hintergrunde auf der alten Beatrix, die in seiner Gegenwart so unbeweglich war, wie vor seiner Ankunft unruhig.

Ein Jedes bekam bei dieser flüchtigen Musterung seinen Antheil: Don Ruiz den kalten ehrfurchtsvollen Blick, Dona Mercedes den liebenden und beredten Blick, Dona Flor den erinnerungsreichen, zärtlichen, Beatrix den liebevollen.

Alle zusammengenommen währten kaum die Dauer eines Blitzes.

Dann verbeugte sich Don Fernand und redete seinen Vater an, als käme er wirklich von einer Reise zurück: »Señor, gesegnet sey der Tag, an welchem Ihr meiner kindlichen Liebe gestattet vor Euch niederzuknieen, denn dieser Tag ist der glücklichste von allen.«

Gleichzeitig, mit sichtbarem Widerwillen allerdings, aber als erfülle er ein unumgängliches Ceremoniell, ließ er sich auf ein Knie nieder.

Don Ruiz betrachtete ihn einen Augenblick in dieser demüthigen Stellung und sprach in einem Tone, welcher zu den Worten nicht wohl paßte, denn die Worte waren liebevoll, während der Ton rauh blieb:

»Stehe auf, Don Fernand, und sey willkommen in dem Hause, in welchem Dich lange und besorgt Vater und Mutter erwarten.«

»Señor,« antwortete der junge Mann, »etwas sagt mir, ich habe so lange aus meinen Knieen zu bleiben, bis mir mein Vater die Hand zum Kusse gereicht.«

Der Alte ging dem Sohne vier Schritte entgegen.

»Da ist meine Hand und Gott mache Dich so verständig, als ihn mein inständiges Gebet ans tiefstem Herzen ansieht.«

Don Fernand ergriff die Hand seines Vaters und berührte sie mit seinen Lippen.

»Nun,« sagte der alte Mann, »tritt ein in das Haus und küsse die Hand deiner Mutter.«

Der junge Mann stand auf, verbeugte sich vor Don Ruiz und trat zu seiner Mutter, der er sagte:

»Mit Furcht, das Herz von Scham erfüllt, trete ich vor Euch, Señora, deren Augen ich so viele Thränen erpreßt habe; Gott verzeihe mir und verzeiht Ihr mir.«

Diesmal sank er auf beide Knie nieder, streckte beide Arme nach Dona Mercedes aus und wartete.

Sie trat zu ihm und sprach mit dem mütterlichen Tone, der so sanft ist, daß er selbst in den Augenblicken des Vorwurfs noch wie Liebkosung klingt, während sie selbst ihre beiden Hände an die Lippen ihres Sohnes hielt:

»Fernand, außer den Thränen, von denen Du sprichst, verdanke ich Dir auch die, welche ich in diesem Augenblicke vergießt, und diese, mein lieber Sohn, sind gar süß, wie bitter auch jene waren.« Darauf blickte sie ihn mit dem lieblichsten Frauen- und Mutterlächeln an und setzte hinzu: »Sey willkommen, Herzenssohn!«

Dona Flor stand hinter Mercedes.

»Señora,« sagte Don Fernand, »ich weiß was euer berühmter Vater für mich zu thun beabsichtigte; die Absicht ist mir so viel werth als die That, empfangt deshalb in seinem Namen den ganzen Theil des Dankes, den ich Euch geweiht habe.«

Statt die Hand des jungen Mädchen küssen zu wollen, wie die des Don Ruiz und seiner Mutter, nahm der junge Mann aus seinem Busen eine verwelkte Blume und drückte dieselbe leidenschaftlich an seine Lippen.

Das Mädchen erröthete und trat einen Schritt zurück; sie hatte die Blume erkannt, welche sie dem Salteador in der Venta »zum Maurenkönige« gegeben.

Nun aber konnte die alte Amme ihre Ungeduld nicht länger zügeln, sie trat vor und sagte zu Mercedes:

»Ach, Señora, bin ich nicht auch etwas die Mutter dieses Kindes?«

»Señor,« fragte der junge Mann, indem er sich gegen Don Ruiz wendete, während er mit kindlichem Lächeln die beiden Arme nach der Alten ausstreckte, »erlaubt Ihr, daß ich in eurer Gegenwart die gute Frau umarme?«

Don Ruiz nickte zustimmend.

Beatrix sank in die Arme dessen, welchen sie ihr Kind nannte, drückte ihn zu wiederholtenmalen an ihre Brust »und gab ihm gleichzeitig auf die Wangen schmatzende Küsse, welche das Volk Ammenküsse nennt.

»Ach,« flüsterte Dona Mercedes, als sie in den Armen der Amme den Sohn sah, welcher im Beisein des Don Ruiz ihr selbst nur die Hand zu küssen gewagt hatte, »sie ist die Glücklichste von uns allen.«

Und zwei neidische Thränen flossen über ihre Mutterwangen, Don Ruiz seinerseits hatte nicht einmal den finstern Blick von dem Bilde abgewendet, das wir zu schildern versuchten.

Bei dem Anblicke der Thränen auf den Wangen der Dona Mercedes guckte es in seinem Gesicht und einige Augenblicke schlossen sich seine Augen, als ob eine Erinnerung gleich einer giftigen Schlange ihn ins Herz gebissen habe.

Er machte eine gewaltige Anstrengung; sein Mund öffnete sich und schloß sich wieder; seine Lippen bebten, aber man vernahm keinen Laut. Er glich einem Menschen, der sich bemüht das Gift von sich zu geben, das er genossen hat.

Wie aber nichts bei diesem Auftritte den Blicken des Don Ruiz entgangen war, so hatte auch Dona Mercedes alles gesehen.

»Don Fernand,« sagte sie, »ich glaube, dein Vater will mit Dir sprechen.«

Der junge Mann wendete sich zu dem Alten und wartete mit niedergeschlagenen Augen, aber trotz dieser anscheinenden Demuth konnte er seine Ungeduld nicht ganz verbergen, und wer in seinen Gedanken hätte lesen können, würde erkannt haben, daß ihm die Predigt, die er als verlorener Sohn anhören zu müssen glaubte, namentlich in Gegenwart der Dona Flor, sehr unangenehm war.

Diese bemerkte es wohl mit dem seinen Gefühle, welches eben nur den Frauen eigenthümlich ist.

»Verzeiht,« sagte sie, »es war mir als werde oben die Thür zugemacht; ohne Zweifel kommt mein Vater zurück; ich will ihm die Zurückkunft Don Fernands melden.«

Sie drückte die Hand der Dona Mercedes, verbeugte sich vor Don Ruiz und ging hinaus, ohne den jungen Mann anzusehen, der gesenkten Hauptes die väterliche Strafpredigt mit mehr Ergebung als Ehrfurcht erwartete.

Mit der Entfernung der Dona Flor fühlte sich indeß der Salteador erleichtert und er athmete freier.

Selbst Don Ruiz schien unbefangener zu werden, als er nur Personen seiner Familie um sich sah.

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