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»Alsdann, so wie man sie zeichnet, fesselt man sie zu zwei und zwei an einander, und man führt sie in den Fond des Schiffes, der ihnen für zwei Monate als Gefängniß und häufig als Grab dienen soll.

»Oft, während einer Ueberfahrt, – so gewaltig ist ihr Grauen vor der Sklaverei! – kommen zwei, vier, sechs von diesen Unglücklichen überein, sich ins Meer zu stürzen, führen ihr Vorhaben aus und finden, da sie gefesselt sind, den Tod in den Tiefen des Oceans.

»Bei dem letzten Ankaufe, den der Kapitän Philips in Guinea, beim König von Juida gemacht hat, hat er so zwölf Neger verloren, die sich freiwillig ertränkten.

»Da man sie indessen sehr scharf bewacht, so gelangen gewöhnlich die allermeisten Sklaven ins Schiff. Sogleich bringt man sie in den Raum; hier bleiben dann fünf bis sechshundert Unglückliche unter einander in einer nach der Länge ihres Leibes abgemessenen Reiche aufgehäuft, das Licht nur durch die Oeffnung der Luken erschauend, bei Tag und Nacht nur eine Luft einathmend, welche ungesund und verpestet wird durch den beständigen Aufenthalt der menschlichen Ausdünstungen und der Excremente, welche nicht entfernt werden; dann entspringt aus dem Gemische aller dieser faulen Ausdünstungen eine schmerzliche Infection, welche das Blut verdirbt und eine Menge von Entzündungskrankheiten erzeugt, die dem Viertel und manchmal dem Drittel von allen diesen Sklaven in der kurzen Zeit von zwei bis drittehalb Monaten, welche gewöhnlich die Ueberfahrt dauert, den Tod bringen.

»O Ihr, an die ich mich wende,« rief der Redner, indem er die Hand ausstreckte, als wollte er das ganze Weltall beschwören, »Engländer, Franzosen, Russen, Deutsche, Americaner, Spanier! mag Euch das Schicksal eine Krone auf das Haupt gesetzt oder einen Spaten in die Hand gegeben haben, werft einen Blick auf die Lage, in welche Euch die europäischen Rheder seit so langer Zeit versenken; bedenkt, daß in dem Momente, wo ich spreche, die Kapitäne der Negerschiffe alle die von mir geschilderten Gräuel üben, und daß im Namen Europas und unter dem Regime seiner Gesetze solche Verbuchen ohne Gewissensbisse begangen werden.

»Erleuchtete Europäer, glaubet auch nicht an die Fabeln, welche diese entarteten Menschen Euch kalt in Europa vorschwatzen, um ihre Missethaten zu verbergen; hütet Euch, ihren Verleumdungen Glauben zu schenken, wenn sie behaupten, die unglücklichen Neger seien des Gefühls und der Vernunft beraubte Thiere; erfahret im Gegentheil: es ist nicht Einer unter denjenigen, welche Ihr ihrer Heimath entreißt, der nicht eine zarte Neigung seines Innersten, die Ihr gebrochen, beklagt, – nicht ein Kind, das nicht schmerzlich den Verlust seiner Eltern oder seines Vaters fühlt, – nicht eine Frau, die nicht um einen Gatten, um eine Mutter, um eine Schwester, um eine Freundin weint, – nicht ein Mann, den nicht in der Tiefe seines geschworenen Herzens die Verzweiflung über die zarten Bande verzehrt, die Ihr durch eine gewaltthätige, grausame Trennung vernichtet habt. Ja, ich sage es Euch freimüthig, es ist nicht Einer von Euren Sklaven, der Euch nicht in der Wahrheit seines Herzens als die mörderischen Henker betrachtet, welche die süßesten Gefühle der Natur mit Füßen treten, erwürgen.

»Grausame, unversöhnliche Menschen! wüßtet Ihr im Grunde der Herzen zu lesen, würden ihre gerechten Klagen nicht auf das Strengste zum Stillschweigen gebracht oder mit den entsetzlichsten Strafen geahndet, so könntet Ihr hier einen verscheidenden Vater zu Euch sagen hören: »»Du hast mich von einer Schaar Kinder getrennt, welche meine Arbeit ernährte, und die nun vor Hunger und Elend sterben!«« Dort müßtet Ihr eine Mutter in der Verzweiflung finden, die Ihr aus den Armen eines Gatten oder einer geliebten Tochter gerissen, welche dem Augenblicke ihrer Verheirathung ganz nahe war; anderswo ihren Familien geraubte junge Kinder, welche weinend und schluchzend ausrufen: Pau, pau, bulla! (Vater, Vater, die Hand!) – neben ihnen ein bestürztes Mädchen, das um die Zärtlichkeit einer Mutter oder eines jungen Mannes weint, von dem es aufrichtig geliebt wurde; überall Geschöpfe, welche im tiefsten Jammer darüber, daß sie nicht den traurigen Trost gehabt, ihre Thränen mit denen ihres Vaters oder ihrer Verwandten, dieselben auf immer verlassend, zu vermischen; in allen Herzen würdet Ihr endlich die Schaam und die Entrüstung concentrirt finden, und darum diese Menschen auch fähig zu den Extremitäten, zu denen die Verzweiflung führen kann.«

Das Mitleid der Versammlung zu Gunsten der unglücklichen Neger hatte den höchsten Grad erreicht; nachdem sie den Redner durch ihr Beifallklatschen unterbrochen, brauchte sie auch eine Zeitlang, um sich wieder zu fassen: der Redner benützte diesen Waffenstillstand, um sich die Stirne mit einem Batistsacktuche abzuwischen und ein Glas Zuckerwasser zu trinken.

Während dieses ganzen Plaidoyer, dem wir geflissentlich die oratorische Form der Zeit gelassen haben, betrachtete Danton aufmerksam Marat, dessen Gesicht allmälig den Ausdruck einer mächtigen Ironie annahm.

Malouet fuhr fort:

»Sie haben gebebt, Sie haben geweint. Hören Sie, was mir noch zu sagen bleibt, empfindsame Herzen, liebende Seelen. Als der Kapitän Philips, dessen Namen ich schon ausgesprochen, seine Ladung beendigt hatte, da geschah es, abgesehen von den zwölf Negern, die sich ins Meer gestürzt, daß Viele sich weigerten, zu essen, in der Hoffnung, durch einen rascheren Tod ihren Qualen zu entgehen; nun machten einige Officiere des Schiffes den Vorschlag, den Halsstarrigsten die Füße und die Arme abzuschneiden, um die Andern zu erschrecken; doch menschlicher, als man hoffen durfte, weigerte sich der Commandant und sagte: »»Sie sind schon unglücklich genug, ohne daß man sie noch so grausame Strafen braucht erdulden zu lassen!«« Mit Freuden, meine Herren, lasse ich diesem Manne seinen Edelmuth veröffentlichend Gerechtigkeit widerfahren; doch gegen Einen, welcher so handelt, wie Viele verhalten sich anders! wie Viele brechen auf diese Weigerung, zu essen, mit eisernen Stangen, und zwar an mehreren Stellen, die Arme und die Beine der unglücklichen Widerspänstigen, die durch das entsetzliche Geschrei, das sie ausstoßen, den Schrecken unter ihren Gefährten verbreiten und sie nöthigen, aus Furcht vor derselben Behandlung zu thun, was sie mit eben so viel Stärke als Vernunft zu thun sich weigerten!

»Diese Strafe, meine Herren, kommt dem Rade in Europa gleich, nur mit dem Unterschiede, daß diejenigen, welche man in Europa rädert, Verbrecher sind, während diejenigen, welche man auf den Negerschiffen rädert, Unschuldige sind.

»Warten Sie noch, ich bin nicht zu Ende: ich habe hier einen geschriebenen, veröffentlichten, gedruckten Bericht von John Atkins, Wundarzt an Bord des Admiralschiffes der Ogles-Squadron, mit Negern von Guinea befrachtet; hören Sie, was er Ihnen sagt . . . John Harding, der dieses Schiff befehligte, bemerkte, daß mehrere Sklaven sich ins Ohr sprachen, daß mehrere Weiber das Ansehen hatten, als verbreiteten sie ein Geheimniß; er bildete sich ein, es conspiriren einige Schwarze, um ihre Freiheit wiederzuerlangen; wissen Sie, was sodann, ohne sich zu versichern, ob der Verdacht gegründet war, der Kapitän Harding that? Er verurtheilte auf der Stelle zwei von diesen Unglücklichen, einen Mann und eine Frau, zum Tode, und sprach dieses Urtheil, indem er die Hand gegen den Mann ausstreckte, der zuerst sterben solle: sogleich wurde der Unglückliche vor allen seinen Brüdern umgebracht, dann riß man ihm das Herz, die Leber und die Eingeweide aus, und streute Alles dies auf dem Boden umher, und da dreihundert Sklaven auf dem Schiffe waren, so schnitt man das Herz, die Leber und die Eingeweide in dreihundert Stücke und zwang die Gefährten des Todten, sie roh und blutig zu essen, wobei der Kapitän mit derselben Strafe Jeden bedrohte, der diese gräuliche Nahrung zu verzehren sich weigern würde!«

Ein Gemurmel des Entsetzens durchlief die Versammlung.

Doch die Stimme des Redners beherrschte dieses Gemurmel; er begriff, daß er, nach den Formen der Redekunst, einen zweiten Schlag nach dem ersten thun mußte.

»Hören Sie, hören Sie!« rief er. »Nicht befriedigt durch diese Execution, bezeichnete der grausame Kapitän seinen Henkern auch noch die Frau; die Befehle, wie man bei ihr zu Werke gehen sollte, waren zum Voraus gegeben worden. Die Arme wurde mit Stricken an beiden Daumen gebunden und an einem Maste aufgehängt, bis ihre Füße die Erde verloren hatten. Man zog ihr die Lumpen aus, die sie bedeckten, und peitschte sie zuerst, bis das Blut an ihrem ganzen Leibe herabrieselte; dann löste man ihr mit Rasirmessern die Haut ab, und man schnitt ihr, um auch von den Sklaven gegessen zu werden, dreihundert Stücke Fleisch vom Leibe, so daß alle ihre Knochen bloß gelegt waren, und sie unter den grausamsten Qualen verschied!«

Schreie der Entrüstung wurden hörbar; der Redner wischte sich aufs Neue die Stirne ab und trank vollends sein Glas Zuckerwasser.

»Das haben die unglücklichen Neger auf der Ueberfahrt zu erdulden,« fuhr Malouet fort; »sagen wir nun, was sie leiden müssen, wenn sie angekommen sind.

»Ein Drittel ungefähr ist auf der Ueberfahrt gestorben, wir haben es gesagt; beschränken wir uns aus das Viertel und Sie sollen sehen, wohin uns die Todtenrechnung führen wird.

»Der Scorbut, die Schwindsucht, die Faulfieber, und ein anderes acutes Fieber, das keinen wissenschaftlichen Namen hat, und das man das Fieber der Neger nennt, brechen auf sie ein in dem Augenblicke, wo ihre Füße die Erde berühren, und raffen abermals ein Viertel weg; das ist ein Tribut, den das Klima denjenigen auflegt, welche von Africa auf die americanischen Inseln übergehen. England führt aber allein hunderttausend Schwarze aus und Frankreich die Hälfte; hundert und fünfzigtausend Beide; es sind also fünfundsiebzig tausend Neger, welche zwei an der Spitze der Civilisation stehende Nationen alle Jahre sterben lassen, um fünfundsiebzig tausend andere den Colonien zu geben. Berechnen Sie, Sie, die Sie mich hören, berechnen Sie, welche ungeheure Anzahl von Opfern, ohne einen Nutzen daraus zu ziehen, diese zwei Nationen seit zweihundert Jahren, daß dieser Sklavenhandel dauert, haben sterben lassen; fünfundsiebzig tausend Neger jährlich, zweihundert Jahre hindurch, geben eine Zahl von fünfzehn Millionen von uns vernichteter Menschen; und fügen Sie dieser schmerzlichen Rechnung eine gleiche Zahl für alle Sklaven bei, deren Tod die anderen Königreiche Europas verursacht haben, so werden Sie dreißig Millionen Geschöpfe der Oberfläche der Erde durch die unersättliche Habgier der Weißen entrissen finden!«

 

Die Anwesenden schauten sich an. Es schien ihnen unmöglich, daß sie, und wäre es auch nur aus Gleichgültigkeit, ihren Theil an einer solchen Schlächterei genommen haben sollten.

Der Redner bedeutete durch einen Wink, er wolle fortfahren; die Stille trat wieder ein, und er sprach in folgenden Worten weiter:

»Wenn, nachdem das Meer seinen Zehenten genommen, wenn, nachdem das Fieber seinen Tribut genommen, einige Hoffnung auf Glück wenigstens den Ueberlebenden bliebe, wenn der Aufenthalt in der Verbannung leidlich wäre, wenn sie nur Herren fänden, die sie behandeln würden, wie man Thiere behandelt, so ließe sich das noch ertragen. Sind sie aber einmal angekommen, sind sie verkauft, so übersteigt die Arbeit, die man von ihnen fordert, die menschlichen Kräfte. Bei Tagesanbruch werden sie zu den Arbeiten gerufen, und bis zum Mittag müssen sie dieselben ohne Unterbrechung fortsetzen; um Mittag ist es ihnen endlich erlaubt, zu essen; doch um zwei Uhr müssen sie wieder unter der glühenden Sonne des Aequators zu ihrer Aufgabe schreiten, und sie haben diese bis zum Ende des Tages zu verfolgen; diese ganze Zeit werden sie auf das Strengste überwacht und bestraft von den Aufsehern, die mit mächtigen Peitschenhieben diejenigen schlagen, welche mit einiger Nachläßigkeit arbeiten. Ehe man sie in ihre traurigen Hütten zurückkehren läßt, nöthigt man sie noch die Geschäfte des Hauses zu verrichten, das heißt, Futter für das Vieh zu sammeln, Holz für die Herrschaft, Kohlen für die Küche, Hafer für die Pferde zu führen; so daß es oft Mitternacht oder ein Uhr ist, ehe sie in ihre Hütten kommen. Dann bleibt ihnen kaum Zeit, ein wenig Mais für ihre Nahrung zu zerstoßen und kochen zu lassen; während nun dieser Mais kocht, legen sie sich auf eine Matte nieder, wo sie sehr oft, gelähmt vor Müdigkeit, einschlafen, und wo sie die Arbeit des nächsten Tages wieder holt, ehe sie Zeit gehabt haben, den Hunger zu stillen, der sie verzehrt, oder den Schlaf zu befriedigen, der sie verfolgt.

»Und dennoch hat ein Schriftsteller unserer Tage, bekannt durch eine große Anzahl von Werken, welche vom Umfange und den Kenntnissen seines Geistes zeugen, behaupten wollen, die Sklaverei der Neger biete eine Existenz, welche viel glücklicher, als das Loos, dessen der Mehrzahl nach unsere Bauern und Tagelöhner in Europa theilhaftig seien.,

»In der That, beim ersten Anblicke scheint sein System verführerisch. »»Ein Arbeiter verdient in Frankreich,«« sagt er, »»zwanzig bis fünfundzwanzig Sous täglich. Wie kann man mit diesem mäßigen Lohne sich nähren, sein Weib und fünf bis sechs Kinder nähren und unterhalten, seine Hausmiethe bezahlen, Holz kaufen und alle Kosten für eine ganze Familie bestreiten? Sie leben dann in der Dürftigkeit, und es fehlt ihnen immer am Nothwendigen. Ein Leibeigener dagegen oder ein Sklave ist wie das Pferd seines Herrn: sein Herr ist dabei interessiert, daß er ihn gut nährt, gut unterhält, um seine Gesundheit zu bewahren und nützliche, anhaltende Dienste aus ihm zu ziehen; da er also Alles hat, was er nothwendig braucht, so ist er glücklicher, als die freien Tagelöhner, welche manchmal kein Brod haben!««

»Ach! die Vergleichung ist nicht richtig, und ich liefere den Beweis; er ist mir vor nicht langer Zeit auf folgende Art gegeben worden. Vor acht Tagen trat ich in ein Kaffeehaus ein; drei oder vier Americaner saßen um einen Tisch: der Eine von ihnen las die öffentlichen Blätter, die Andern sprachen vom Negerhandel; die Neugierde beweg mich in ihre Nähe zu sitzen, und ich horchte. Vernehmen Sie Wort für Wort die Berechnung, die ich Einen von ihnen machen hörte:

»»Meine Neger,«« sagte er, »»kommen mich Einer in den Andern gerechnet auf vierzig Guineen. Jeder von ihnen trägt mir ungefähr, nach Abzug aller Kosten, sieben Guineen Nutzen, wenn ich sie nähre, wie das sein soll; breche ich aber von ihrer Nahrung nur den Werth von zwei Pence täglich ab, so gibt mir diese Erparniß an jedem Neger drei Pfund Sterling Profit, also neunhundert Pfund Sterling an meinen dreihundert Negern, außer den sieben Pfund Sterling, die mir schon Jeder trug. Durch dieses Mittel gelingt es mir, jährlich auf Jedem von meinen Sklaven zehn Guineen Nutzen zu machen; was den Reinertrag meines Gutes auf dreitausend Pfund Sterling erhöht. Es ist wahr,«« fügte er bei, »»befolge ich den Plan dieser ökonomischen Verwaltung, so dauern meine Neger höchstens acht bis neun Jahre, doch was liegt daran, da am Ende von vier Jahren jeder Neger mir wiedergegeben hat, was er mich gekostet? Sollte er also nur noch vier bis fünf Jahre leben, so ist das seine Sache, da der Ueberschuß der vier Jahre ein reiner Nutzen ist. Der Mann stirbt, glückliche Reise! mit dem Profit allein, den ich in sieben bis acht Jahren an seiner Nahrung gemacht habe, besitze ich Mittel, um einen andern jungen, kräftigen Neger zu kaufen, statt eines erschöpften Menschen, der zu nichts mehr taugt, und Sie begreifen, bei dreihundert Sklaven ist die Ersparniß ungeheuer!««

»Das ist es, was dieser Mensch oder vielmehr dieser Tiger mit einem menschlichen Gesichte sagte! das ist es, was ich gehört habe, und ich schämte mich, daß derjenige, welcher dies sagte, ein Weißer war wie ich!

»O Europäer!« rief der Redner, indem er mit dem Willen, ihn zu unterbrechen, den Schauer unterbrach, den seine letzten Worte in der Versammlung erregt hatten, »werdet Ihr immer grausame Tyrannen sein, während Ihr wohlthätige Beschützer sein könnt? Die Wesen, die Ihr verfolgt, sind doch empfangen und geboren, wie Ihr, im Leibe einer Frau; sie hat sie neun Monate in ihrem Schooße getragen, wie Eure Mütter Euch getragen haben; sie hat sie zur Welt gebracht mit denselben Schmerzen und denselben Gefahren, mit denen Eure Frauen ihre Kinder zur Welt bringen! Sind sie nicht mit Milch gesäugt worden wie Ihr? mit derselben Zärtlichkeit wie Ihr aufgezogen worden? sind sie nicht Menschen wie Ihr? ist es nicht derselbe Schöpfer, der sie gebildet hat? ist es nicht dieselbe Erde, die uns getragen hat, und die uns nährt? ist es nicht dieselbe Sonne, die uns leuchtet? ist es nicht derselbe Vater des Weltalls, den wir Alle anbeten? haben sie nicht ein Herz, eine Seele, dieselben Neigungen der Zärtlichkeit und der Menschenliebe? Weil die Farbe ihrer Haut nicht der unsern gleicht, ist das ein gesetzlicher Titel, um sie umzubringen, um ihre Frauen zu entführen, ihre Kinder zu stehlen, ihre Väter in Fesseln zu schlagen, um sie auf dem Lande und auf dem Meere die abscheulichsten Grausamkeiten erdulden zu lassen?

»Leset die Geschichte aller Völker und aller Nationen der Erde, in keinem Reiche, in keinem Jahrhundert, selbst in den barbarischsten, werdet Ihr das Beispiel von einer so überlegten und so beharrlichen Grausamkeit finden. Warum müßt Ihr in einer Zeit, wo die gesunde Philosophie und die umfassendsten Kenntnisse Europa durch die erhabensten Entdeckungen erleuchten, noch der Schrecken der Africaner, der Abscheu von Eures Gleichen, die Verfolger des Menschengeschlechts sein? Laßt, es ist noch Zeit hierzu, so viele Grausamkeiten dadurch vergessen, daß Ihr der ganzen Erde das Beispiel der Humanität und der Wohlthätigkeit gebt: macht die Neger frei, zerbrecht ihre Ketten, schafft ihnen eine erträgliche Lage, und seid sicher, daß Ihr besser bedient werdet durch Freigelassene, welche Euch wie ihre Väter lieben werden, als durch Sklaven, die Euch hassen wie Henker!«

Dieser in einer Antithese endigende Redeschluß riß das Auditorium fort: Beifallklatschen, Bravos, stürmische Rufe erschollen von allen Seiten; die Männer stürzten nach der Tribune; die Frauen schwenkten ihre Taschentücher, und der Redner stieg unter dem enthusiastischen Geschrei: »Freiheit! Freiheit!« herab.

Danton wandte sich gegen Marat um; zwei- oder dreimal war er auf dem Punkte gewesen, sich der allgemeinen Hinreißung zu überlassen; doch er fühlte in seiner Nähe, in seinem Gefährten, etwas wie einen schlecht verhaltenen Spott, etwas wie eine Verachtung, welche loszubrechen im Begriffe, und das drängte ihn wieder zurück.

Als indessen der Redner geendigt hatte, wandte sich Danton, wie gesagt, gegen Marat um.

»Nun,« fragte er ihn, »was denken Sie hiervon?«

»Ich denke,« erwiederte Marat, »man müßte viele Sitzungen wie diese und viele Redner wie diesen brauchen, um zu machen, daß die Menschheit einen Schritt thun würde.«

»Die Sache, die er vertheidigt, ist jedoch schön!« versetzte Danton, der, an diese philosophische Phraseologie gewöhnt, wenigstens kämpfen wollte, ehe er sich ergab.

»Allerdings, aber es gibt eine Sache, deren Vertheidigung noch dringlicher ist, als die der Sklaven

Americas.«

»Welche?«

»Die der Leibeigenen Frankreichs.«

»Ich verstehe.«

»Sie haben versprochen, mir zu folgen?«

»Ja.«

»Kommen Sie.«

»Wohin gehen wir?«

»Nicht wahr, Sie haben mich unter die Aristokraten geführt, welche die Befreiung der Schwarzen verhandeln?«

»Allerdings.«

»Nun wohl, ich werde Sie unter die Demokraten führen, die sich mit der Befreiung der Weißen beschäftigen.«

Nach diesen Worten gingen Marat und Danton weg, ohne daß es Jemand bemerkte, – so merkwürdig sie waren, – dergestalt hatte sich die allgemeine Aufmerksamkeit beim Redner concentrirt, welcher unter den Glückwünschen der Versammlung von der Tribune herabstieg.

VII
Der Clubb der Menschenrechte

Nachdem sie ein paar Schritte gemacht, befanden sich Marat und Danton wieder im Palais-Royal, das schon etwas weniger zu dieser Stunde bevölkert war, als in der, wo sie angekommen, denn es fing an spät zu werden, und wenn die Beredtsamkeit von Malouet auch die Macht gehabt hatte, die Zeit vergessen zu machen, so hatte sie doch nicht die gehabt, dieselbe zu hemmen. Ueberdies, statt daß es Danton war, der Marat als Führer diente, war es Marat, der Danton führte, und den düstern Mann schien es zu drängen, das Ziel des Weges zu erreichen, als wäre er zu einem Rendez-vous gegangen.

Die zwei Gefährten gelangten in die Gallerie, welche längs der Rue de Valois hinläuft, und machten einige Schritte in dieser Gallerie; dann trat Marat rechts in eine kleine Passage, Danton folgte ihm, und Beide befanden sich bald außer dem Palais-Royal.

Die Rue de Valois war noch viel öder zu jener Zeit, als sie es heute ist; in der That, die Eigenthümer der Hotels, deren Aussicht durch die neuen Gebäude von Monseigneur dem Herzog von Orleans beschränkt worden war, hatten noch nicht Lust gehabt, Nutzen aus ihren Höfen und ihren Gärten dadurch zu ziehen, daß sie selbst bauen ließen; überdies war die ganze Facade des Palais-Royal, welche auf diese Seite ging, noch nicht vollendet und stellenweise der Durchgang, der den Wagen verboten, da Steine darin aufgehäuft lagen, kaum für die Fußgänger benutzbar.

Marat fand sich unter allen diesen Gerüsten, unter allen diesen zur Bearbeitung und Benützung bereit liegenden Steinen aus, als hätte er in seiner Hand den Faden dieses andern Labyrinths gehalten, und von Zeit zu Zeit sich umwendend, um zu sehen, ob sein Gefährte ihm folgte, führte er Danton an den Eingang von einer Art von Keller, in welchen man gelangte, nachdem man ein Dutzend Stufen hinabgestiegen war.

Alles schlief oder schien in der Straße zu schlafen, dieses Kellerloch ausgenommen, aus welchem bis zur äußeren Atmosphäre ein warmer Dampf und von Zeit zu Zeit Geräusche aufstiegen, welche die eines unterirdischen Vulcans zu sein schienen.

So gut ihn das Aeußere aus das Innere vorbereitet hatte, Danton blieb bei der Mündung dieses Schlundes stehen, in den Marat ohne Zögern getaucht war; endlich entschloß er sich, stieg die Treppe Stufe um Stufe hinab und machte auf der letzten Halt.

Man vernehme, was er von dieser letzten Stufe erblickte.

Einen ungeheuren gewölbten Saal, der ohne Zweifel einst, – das heißt vor der Erhöhung des Terrain, – als Orangerie für eines der großen Hotels gedient hatte, von denen ein Theil schon zu dieser Zeit verschwunden war, während der Rest alle Tage verschwand; diese Orangerie hatte seit fünfundzwanzig bis dreißig Jahren einer Taverne Platz gemacht, die sich ebenfalls, ohne ihre Bestimmung zu verändern, nichtsdestoweniger modificirte und ein Clubb werden sollte oder vielmehr geworden war.

 

Dieser, mit Ausnahme seiner Affiliirten, noch unbekannte Clubb, in welchen man, wie in den Freimaurerlogen, nur mit Hilfe gewisser Zeichen oder mittelst gewisser Worte aufgenommen wurde, dieser Clubb war der der Menschenrechte.

Die Tische, mochte das eine Klugheit sein, oder hatte man geglaubt, es finde keine zu stark ausgesprochene Disharmonie zwischen der alten und der neuen Bestimmung des Locals statt, die Tische waren an ihren Plätzen geblieben und fanden sich, in diesem Augenblicke beladen mit zinnernen, an Ketten festgehaltenen Bechern, umgeben von Trinkern, welche auf wurmstichigen Bänken und hinkenden Stühlen saßen.

Im Hintergrunde, in einer durch den Tabakrauch, durch den Dampf der Lampen, durch die verdichteten Aushauchungen der Consumenten unentschieden gewordenen Atmosphäre, sah man wie Schatten diejenigen sich bewegen, welchen ihre pecuniären Mittel nicht erlaubten, sich den Wein der Anstalt schmecken zu lassen, und die, bei leerem Magen, mit einer finstern, neidischen Miene diese Günstlinge des Glückes betrachteten, denen das Elend, minder grausam, noch ein paar Sous, um sie in dieser Kneipe auszugeben, ließ.

Hinter dieser compacten Masse, in einer fast verlorenen Ferne, erhob sich auf leeren Fässern eine Art von Theater, bekränzt mit einem alten Zähltische, der das Bureau des Präsidenten geworden war. Dieses Bureau trug ein angezündetes Licht, ohne welches es völlig im Schatten verborgen gewesen wäre, , und ein ausgelöschtes Licht; der Geist der Sparsamkeit, der über die Anstalt wachte, hatte als einen tadelnswerthen Luxus diese zwei zu gleicher Zeit angezündeten Lichter betrachtet und eines unterdrückt.

Es war ein großer Abstand von der eleganten, bisamduftenden Gesellschaft, von dem vergoldeten und mit Sammet tapezirten Saale, woher Danton und Marat kamen, zu dieser düstern, zerlumpten Versammlung, zu diesem schwarzen, rauchigen Gewölbe, unter das sie eindrangen; doch wir müssen hier sagen, sie waren durch die Ränder eines unsichtbaren Bürgerthums aus dem Paradiese der Aristokratie in die Hölle des Volkes getaucht.

Für den Augenblick schien die wichtige Person dieser unterirdischen Versammlung der Herr der Anstalt zu sein; es war wenigstens sein Name, der am öftesten, wenn nicht am harmonischsten, in der Versammlung ertönte, welche sicherlich zu dieser Stunde nicht ihres Gleichen aus der Welt hatte.

»Jourdan, Wein!« rief mit einer Stentorstimme ein colossaler Trinker mit zurückgeschlagenen Hemdärmeln, nervigen Armen und frischem Gesichte, – von jener Frische, welche den Fleischern und den Wurstmachern, das heißt den Menschen eigenthümlich, die den Dunst des Blutes einathmen.

»Man kommt schon, Herr Legendre,« sagte Jourdan, der die verlangte Flüssigkeit brachte; »doch ich muß Ihnen bemerken, daß dies die vierte Flasche ist.«

»Hast Du Angst, man bezahle Dich nicht, Thier?« versetzte der Fleischer, indem er aus seiner von Blut befleckten Schürze eine Handvoll Sous zog, unter welchen, wie jene Sterne, die uns viel größer scheinen, je näher sie der Erde sind, Thaler von drei und sechs Livres glänzten.

»Oh! das ist es nicht, Herr Legendre: man kennt Sie, und man weiß, daß Sie gut sind, um vier Flaschen zu bezahlen. Wenn Sie wollten, ich würde sogar mein Etablissement in der Rue de Valois gegen Ihre Fleischbank in der Rue des Boucheries-Saint-Germain tauschen; doch Sie sind ein Mann, der leicht aufbraust, und ich habe bemerkt, daß Ihnen von der fünften zur sechsten Flasche immer Unglück widerfuhr.«

»Mir?« sagte Legendre.

»Nein, ich irre mich,« erwiederte Jourdan, »Ihren Nachbarn.«

»So lasse ich es gelten!« rief Legendre mit seinem plumpen Gelächter, »doch da wir erst bei der vierten Flasche sind, so bediene kecklich, mein würdiger College! – denn Du hast alle Handwerke getrieben! Du bist Fleischer, Hufschmied, Schmuggler, Soldat im Regimente Auvergne, Stallknecht beim Marschall von Vaux gewesen . . . Nun bist Du in Deiner wahren Sphäre: Weinhändler! Du hast Alles vollauf . . . Zu trinken also, Meister Petit, wie man Dich jetzt nennt, oder Meister Jourdan, wie man Dich nannte, – zu trinken!«

»He! Jourdan!« rief man von einer andern Seite.

Jourdan stellte die Flasche vor Legendre und lief dem neuen Rufe zu, der an ihn von einem Menschen gerichtet wurde, welchen wir schon in dieser Geschichte erschaut haben.

»Was willst Du, mein alter Hébert?« fragte Jourdan vertraulich; »bleibt Dir noch eine kleine Contremarque, die man morgen benützen könnte?«

»Es bleibt mir nichts, nicht einmal mein Platz, weil man mich heute bei den Varietes vor die Thüre gesetzt hat, unter dem Vorwande . . . Doch es lohnt sich nicht der Mühe, den Vorwand zu nennen.«

»Und dann,« versetzte Jourdan lächelnd auf eine Weise, die nur ihm eigenthümlich, »und dann bin ich nicht neugierig.«

»Nein, Du bist aber gastfreundlich, besonders wenn man Dich bezahlt . . . Ich mache Dich also darauf aufmerksam, daß Du von morgen an uns auf Kosten der Masse zu speisen hast, – mich und diesen Herrn!«

Hierbei deutete Hébert auf einen Mann von sechsunddreißig bis achtunddreißig Jahren, mager, gelb, mit lebhaftem Auge, dessen Tracht eine seltsame Mischung von falschem Luxus und wirklichem Elend bot.

»Wer ist dieser Herr?« fragte Jourdan.

»Der Herr ist der Bürger Collot d'Herbois, der die ersten Trauerspielrollen in der Provinz spielt und in seinen verlorenen Stunden Komödien macht; da er aber in diesem Augenblicke weder die Rollen der Andern spielen, – weil er ohne Anstellung ist, – noch die seinigen spielen machen kann, – weil die Comedie-Francaise seine Stücke zurückweist, – so wendet er sich an den Clubb der Menschenrechte, und da jeder Mensch ein Recht auf Nahrung hat, so sagt er zu der Gesellschaft, zu der wir gehören: »Nähre mich!«

»Hierzu brauche ich ein Wort des Präsidenten.«

»Hier hast Du es, Dein Wort . . . Du siehst, es ist für zwei: von morgen an mußt Du uns speisen. Mittlerweile tränke uns: man ist noch nicht ganz entblößt, und man kann die Zeche von heute Abend bezahlen.«

Und lachend zog Hébert mit einem freundschaftlichen Lieblingsschwure aus seiner Hosentasche ein Dutzend Thaler, welche bewiesen, daß er, wenn man ihn von dem Platze, den er bei der Controle der Varistés einnahm, weggeschickt hatte, nicht ganz mit leeren Händen abgegangen war.

Jourdan holte den Wein, doch unter Weges wurde er aufgehalten von einer Person, die an einem von den das Gewölbe tragenden Pfeilern stand.

Es war dies ein wohl sechs Fuß hoher Mann, der einen fadenscheinigen, aber reinlichen, anständigen schwarzen Rock trug; er hatte ein durch sein feierliches Wesen fast trauriges Gesicht. »Einen Augenblick, Jourdan,« sagte er.

»Was wünschen Sie, Herr Maillard?« fragte der Wirth mit einer Art von Ehrfurcht; »nicht Wein, das weiß ich.«

»Nein, mein Freund; ich wünschte nur zu wissen, wer jener Mensch ist, der sich auf zwei Krücken stützt und mit unserem Vicepräsidenten, Fournier dem Americaner, spricht.«

Auf der andern Seite des Saales sprach in der That ein Mann von zweiunddreißig bis vierunddreißig Jahren, mit langen Haaren, mit leidendem, schwermüthigem Gesichte, mit zusammengebogenem Körper und gestützt durch zwei Krücken, mit einer Art von Bullenbeißer.

Es war der Letztere, der seitdem so berühmt geworden, – wie übrigens die Mehrzahl von denjenigen, welche wir in Scene bringen, – den der Huissier Maillard Jourdan unter dem Namen Fournier der Americaner bezeichnet hatte.

»Der, welcher mit unserem Vicepräsidenten spricht?« versetzte Jourdan; »warten Sie doch!«

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