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La San Felice

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Alle diese Abschweifungen suchte er dadurch zu rechtfertigen, daß er erklärte, er hege für Alles, was den Marquis beträfe, eine wenigstens eben so lebhafte Sympathie, wie der Marquis Vanni für ihn, und es müsse ihm folglich erlaubt sein, wenn auch nicht dieselben Fragen – so weit triebe er die Indiscretion nicht – doch wenigstens analoge an ihn zu stellen.

Die Folge hiervon war, daß am Schlusse eines jeden Verhörs der Marquis Vanni sich etwas weniger vorgeschritten fand als zu Anfange, und daß er nicht einmal wagte, alle Possen und Albernheiten, welche Nicolino ihm gesagt, von dem Sekretär zu Protokoll nehmen zu lassen.

Nachdem er endlich dem Gefangenen bei seinem letzten Besuche gedroht, ihn, wenn er fortführe, die ehrwürdige Göttin, welche man die Gerechtigkeit nennt, zu verhöhnen, der Tortur unterwerfen zu lassen, erschien er am Morgen des 9. November – das heißt einige Stunden nach der Ankunft des Königs in Caserta, eine Ankunft, welche in Neapel noch gar nicht und nur den wenigen Personen bekannt war, welche die Ehre gehabt hatten, den König zu sehen – in dem Castell San Elmo, diesmal fest entschlossen, wenn Nicolino fortführe, dasselbe Spiel mit ihm zu treiben, seine Drohungen in Ausführung zu bringen und jene famose Tortur sicut in cadaver in Anwendung zu bringen, welche ihm zu seinem großen Bedauern von der Majorität der Staatsjunta verweigert worden, von der er glücklicherweise diesmal nicht abhängig war.

Vanni, dessen Gesicht ohnehin nie ein sehr heiteres war, hatte daher an diesem Tage einen noch düsterern Ausdruck als gewöhnlich.

Ueberdies war er von Meister Donato, dem Henker von Neapel, begleitet, welcher wiederum zwei seiner Gehilfen mitgebracht, um den Gefangenen zu foltern, wenn derselbe, wir wollen nicht sagen, bei einem Läugnen, wohl aber bei den unzeitigen Scherzen beharrte, die in den Annalen der Justiz noch nie ihres Gleichen gehabt.

Wir sprechen nicht von dem Secretär oder Protokollanten, welcher Vanni auf allen seinen Gängen so unverbrüchlich begleitete und der in seiner Ehrfurcht vor dem Fiscalprocurator in dessen Gegenwart so unbedingtes Schweigen beobachtete, daß Nicolino behauptete, es sei nicht ein Mensch von Fleisch und Bein, sondern ganz einfach ein eigener Schatten, welchen Vanni als Protokollanten habe kostümieren lassen, nicht um, wie man hätte glauben können, dem Staat den Gehalt für diesen untergeordneten Beamten zu ersparen, sondern um immer einen Secretär bei der Hand zu haben, welcher bereit wäre, seine Verhöre niederzuschreiben.

Zu dieser großen Feierlichkeit der Tortur, welche in Neapel eben so wie in dem ganzen Königreich beider Sicilien, seitdem Don Carlos den Thron von Neapel bestiegen, das heißt seit fünfundsechzig Jahren, nicht mehr in Anwendung gekommen, und welche der Marquis Vanni die Ehre haben sollte wieder ins Leben zu rufen, und zwar nicht, indem er sie in anima vili, sondern an einem Mitgliede einer der ersten Familien von Neapel in Anwendung brachte, hatte Don Roberto Brandi, Gouverneur des Castells, Befehl erhalten, in der alten Folterkammer des Schlosses Alles neu herrichten zu lassen.

Der Gouverneur, ein eifriger Diener des Königs, hatte zwei Jahre früher den Verdruß gehabt, Ettore Caraffa aus seiner Festung entschlüpfen zu sehen und sich deshalb jetzt beeilt, seine Hingebung für den König dadurch zu beweisen, daß er den Befehlen des Fiscalprocurators pünktlich gehorchte, so daß, als dieser sich anmelden ließ, der Gouverneur ihm mit dem Lächeln des befriedigten Stolzes entgegenkam.

»Kommen Sie,« sagte er zu ihm, »und ich hoffe, daß Sie mit mir zufrieden sein werden.«

Mit diesen Worten führte er Vanni in das Gemach, welches er vollständig neu für Nicolino Caracciolo hatte in Stand setzen lassen, welcher nicht ahnte, daß der Staat um seinetwillen für Marterinstrumente die ungeheure Summe von siebenhundert Ducati ausgegeben, wovon nach dem in Neapel herrschenden Gebrauch und Herkommen der Gouverneur die Hälfte in eine Tasche gesteckt hatte.

Vanni stieg unter dem Vortritte Don Robertos und gefolgt von einem Secretär, dem Henker und dessen beiden Gehilfen in dieses Museum des Schmerzes hinab, und wie ein General vor dem Treffen das Feld besichtigt, auf welchem er die Schlacht liefern will, und Notiz von den Eigenschaften des Terrains nimmt, von welchem er Vortheil für den Sieg ziehen kann, studierte er eins nach dem andern diese Sammlung von Werkzeugen, welche größtentheils aus den Arsenalen der Kirche und den Archiven der Inquisition hervorgegangen sind, und beweisen, daß die ascetischen Gehirne am erfinderischesten sind in diesen Maschinen, welche den Zweck haben, die verborgensten Fasern des Menschenherzens vor Angst und Schmerz erzittern zu machen.

Jedes Werkzeug war an einem richtigen Ort und ganz besonders in gutem, wirksamen Zustand.

In diesem nur von Fackeln, welche durch an der Wand angebrachte eiserne Hände gehalten wurden, erleuchteten unheimlichen Raum Meister Donato und seine beiden Gehilfen zurücklassend, traten der Marquis Vanni und der Gouverneur in das anstoßende Gewölbe, welches von dem erstern durch ein eisernes Gitter getrennt war, an welchem ein Vorhang von schwarzem Stoffe herabfiel.

Das durch diesen Vorhang sichtbare Licht der Fackeln nahm sich auf diese Weise nur um so gespenstischer und unheimlicher aus.

Auch die Instandsetzung dieses Zimmers, des Sitzes des ehemaligen geheimen Tribunals, verdankte man der Sorgfalt des Gouverneurs Don Roberto.

Es hatte weiter nichts Eigenthümliches als den vollständigen Mangel an Zutritt für das Tageslicht. Das ganze Mobiliar bestand aus einem mit einem grünen Teppich bedeckten Tisch, der durch zwei Leuchter mit fünf Armen beleuchtet ward und worauf man Papier und Schreibzeuge sah.

Ein Armsessel bezeichnete die Mitte dieses Tisches. Auf der andern Seite, dem Sessel gegenüber, befand sich der Schemel des Angeklagten und neben dem großen Tische, welchen man die Ehrentafel nennen konnte und der augenscheinlich für den Richter reserviert war, stand ein kleiner für den Protokollanten bestimmter Tisch.

Ueber dem Sitze des Richters hing ein großes aus Eichenholz geschnitztes Crucifix, von welchem man nicht wußte, ob es hier angebracht war, um den Unschuldigen aufrecht zu erhalten und zu ermuthigen, oder um den Schuldigen zu schrecken.

Eine von der Decke herabhängende Lampe beleuchtete diesen furchtbaren Todeskampf, welcher nicht der des mit dem Wort der Versöhnung auf den Lippen sterbenden Erlösers, sondern der des bösen Schächers zu sein schien, welcher seinen letzten Seufzer mit einer letzten Lästerung aushauchte.

Der Fiscalprocurator hatte bis jetzt Alles schweigend besichtigt, und Don Roberto, der noch immer nicht die Lobsprüche vernahm, auf welche er ein Recht zu haben glaubte, erwartete mit Unruhe irgend einen Beweis von Zufriedenheit.

Dieser Beweis fiel, wenn er auch auf sich hatte warten lassen, dann um so schmeichelhafter aus. Vanni rühmte laut diese ganze unheimliche Inscenierung und versprach dem würdigen Commandanten, daß die Königin von dem Eifer, den er für ihren Dienst entwickelt, in Kenntniß gesetzt werden sollte.

Ermuthigt durch das Lob eines in dergleichen Dingen so erfahrenen Mannes, sprach Don Roberto den schüchternen Wunsch aus, daß die Königin einmal das Castell San Elmo besuchen und mit eigenen Augen diese prachtvolle Marterkammer sehen möchte, die nach seiner Meinung weit merkwürdiger war als das Museum von Capodimonte.

Eines wie hohen Ansehens sich aber Vanni auch bei der Königin erfreute, so wagte er doch nicht, diese hohe Gunst dem würdigen Gouverneur zu versprechen, welcher, indem er einen Seufzer des Bedauerns ausstieß, gezwungen war, sich mit der Gewißheit zu begnügen, daß der Königin ein genauer Bericht sowohl über die Mühe, die er sich gegeben, als über den Erfolg, den er erlangt, erstattet werden würde.

»Und nun, mein lieber Commandant,« sagte Vanni, »gehen Sie wieder hinauf und schicken Sie mir den Gefangenen ohne Fesseln aber unter guter Escorte. Ich hoffe, daß der Anblick dieser Räume ihn von selbst auf vernünftigere Gedanken bringen wird, als in welche er sich bis jetzt verirrt. Es versteht sich von selbst, setzte Vanni in verbindlichem Tone hinzu, »daß, wenn es Sie interessiert, die Tortur in Anwendung bringen zu sehen, Sie den Gefangenen hierher begleiten können. Es wird vielleicht für einen Mann von Intelligenz wie Sie interessant sein, die Art und Weise zu studieren, auf welche ich diese Operation dirigieren werde.«

Don Roberto gab dem Fiscalprocurator in den wärmsten Ausdrücken seine Dankbarkeit für die ihm ertheilte Erlaubniß zu erkennen und erklärte, daß er mit Freuden davon Gebrauch machen werde.

Nachdem er sich hierauf vor dem Marquis bis zur Erde verneigt, entfernte er sich, um den von demselben erhaltenen Befehl zu vollziehen.

Zwölftes Capitel.
Ulysses und Circe

Kaum hatte der König, wie wir gesehen, auf die Meldung des Lakaien den Speisesaal verlassen, um sich in sein Zimmer zu dem ihn erwartenden Cardinal Ruffo zu begeben, als, ob er das alleinige und einzige Band gewesen wäre, welches die von verschiedenen Gefühlen bewegten Gäste unter einander zusammenhielt, ein jeder sich beeilte, sich auf sein Zimmer zu begeben.

Der Capitän von Cesare geleitete die alten Prinzessinnen, welche außer sich waren, daß sie, nachdem sie genöthigt gewesen, vor der Revolution aus Paris und Rom zu fliehen, nun, abermals durch denselben Feind verfolgt, wahrscheinlich auch gezwungen sein würden, aus Neapel zu fliehen.

Die Königin theilte Sir William mit, daß sie nach den Nachrichten, welche ihr Gemahl gebracht, einer Freundin zu sehr bedürfe, um ihre theure Emma Lyonna nicht bei sich zu behalten.

Acton ließ seinen Secretär Richard rufen, um ihm die Aufgabe anzuvertrauen, zu entdecken, weswegen oder um wessen Willen der König in seine Gemächer zurückgekehrt sei.

 

Der in seine Functionen als Kammerherr wieder eingesetzte Herzog von Ascoli folgte dem König in seinem mit Ordenssternen und Ordensbändern bedeckten Rock, um ihn zu fragen, ob er seiner Dienste bedürfe.

Der Fürst von Castelcicala verlangte nach seinem Wagen, um schleunigst nach Neapel zu fahren, und hier seine Sicherheit und die seiner Freunde zu überwachen, welche durch den Triumph der französischen Jakobiner, worauf ganz natürlich der der neapolitanischen folgen mußte, in grausamer Weise gefährdet worden.

Sir William Hamilton ging in sein Zimmer hinauf, um eine Depesche an seine Regierung zu schreiben, und Nelson kehrte mit gesenktem Haupte und von düstern Gedanken erfülltem Herzen in sein Zimmer zurück, welches die Königin mit zartsinniger Aufmerksamkeit Sorge getragen, nicht allzu weit von dem zu wählen, welches sie ihrer Freundin Emma für die Nächte, wo sie dieselbe bei sich behielt, reservirte, dafern nämlich nicht während dieser Nächte ein und dasselbe Zimmer und ein und dasselbe Bett beide Freundinnen aufnahm.

Auch Nelson hatte eben so wie Sir William Hamilton zu schreiben, aber nicht eine Depesche, sondern einen Brief. Er war im mittelländischen Meere nicht Obercommandant, sondern stand hier unter den Befehlen des Admirals Lord St. Vincent, ein untergeordnetes Verhältniß, welches ihm nicht allzu fühlbar ward, denn der Admiral begegnete ihm mehr als Freund denn als Untergebenen, und der letzte Sieg Nelsons hatte diesen mit den größten Berühmtheiten der englischen Marine auf gleiche Stufe erhoben.

Dieses vertrauliche Verhältniß zwischen Nelson und seinem Obercommandanten wird durch die Correspondenz Nelsons mit dem Lord St. Vincent constatiert, welche sich im fünften Bande seiner in London herausgekommenen »Briefe und Depeschen« findet, und diejenigen unserer Leser, welche gern Originaldocumente zu Rathe ziehen, können die Briefe nachschlagen, welche der Sieger von Abukir vom 22. September an, der Zeit, mit welcher unsere Erzählung beginnt, bis zum 9. December, dem Tage, bei welchem wir jetzt angelangt sind, geschrieben hat.

Sie werden darin in allen Einzelheiten die unwiderstehlichen Fortschritte der wahnsinnigen Leidenschaft lesen, welche Lady Hamilton ihm einflößte, einer Leidenschaft, welche ihn die Sorge für seine Pflichten als Admiral und als Mensch, ja die noch wichtigere Sorge für seine Ehre vergessen machen sollte.

Diese Briefe, welche die Verwirrung seines Geistes und die Leidenschaft seines Herzens malen, wären vor der Nachwelt eine Entschuldigung, wenn die Nachwelt, die den Geliebten Kleopatras seit zweitausend Jahren verdammt hat, ihr Urtheil widerrufen könnte.

Sobald als Nelson, betroffen von einer Katastrophe, die nicht blos eine große Störung in den Angelegenheiten des Königreichs, sondern auch wahrscheinlich in den seines Herzens einen großen Umsturz herbeiführen mußte, weil die englische Admiralität dadurch genöthigt ward, in Bezug auf ihre Mittelmeer-Flotte neue Dispositionen zu treffen, in einem Zimmer angelangt war, ging er sofort an ein Bureau und begann unter dem Eindruck des Berichtes, welchen der König erstattet, wenn nämlich die dem Munde Ferdinands entfallenen Worte ein Bericht genannt werden können, den folgenden Brief:

»An den Admiral Lord St. Vincent.

»Mein lieber Lord!

»Die Dinge haben seit meinem letzten von Livorno datierten Briefe eine sehr veränderte Gestalt gewonnen und ich fürchte sehr, daß Seine Majestät der König beider Sicilien im Begriff stehe, eines seiner Königreiche, ja vielleicht alle beide zu verlieren. Der General Mack war, wie ich gleich argwohnte, und Ihnen, glaube ich, auch gesagt habe, weiter nichts als ein Prahler, der seinen Ruf als großer Feldherr ich weiß nicht wo, auf dem Schlachtfelde aber ganz gewiß nicht gewonnen hat. Allerdings war die Armee, die ihm zur Verfügung gestellt ward, eine sehr traurige, aber wer hätte geglaubt, daß sechzigtausend Mann sich von zehntausend schlagen lassen würden?

»Die neapolitanischen Officiere haben nicht viel Ehre verloren, denn Gott weiß, daß sie deren nur wenig zu verlieren hatten, dennoch aber haben sie nun auch dieses Minimum verloren.«

So weit war Nelson in einem Briefe gekommen und man sieht, daß der Sieger von Abukir sich über die Besiegten von Civita Castellana ziemlich hart aussprach. Viel- leicht hatte er in der That das Recht, in Bezug auf Muth etwas große Ansprüche zu machen, dieser rauhe Seemann, welcher als Kind schon fragte, was die Furcht sei und der sie niemals gekannt, obschon er bei jedem Kampf einen Fetzen von seinem Fleische zurückließ, so daß die Kugel, die ihm bei Trafalgar den Tod gab, nur noch die Hälfte von ihm selbst und die lebendigen Ueberreste eines Helden tödtete.

So weit, sagen wir, war Nelson in seinem Brief gekommen, als er hinter sich ein Geräusch hörte gleich dem, welches der Flügelschlag eines von Blume zur Blume flatternden Schmetterlings oder verspäteten Sylphs machen würde.

Er drehte sich um und erblickte Lady Hamilton.

Er stieß einen Freudenruf aus, Emma Lyonna aber legte mit reizendem Lächeln den Finger an den Mund und forderte lachend und anmuthig, wie die Statue des glücklichen Schweigens – es gibt, wie man weiß, mehrere Gattungen des Schweigens – ihn durch eine Geberde auf, sich ruhig zu verhalten.

Dann näherte sie sich bis zu seinem Sessel, neigte sich über die Lehne und sagte mit halber Stimme:

»Folgen Sie mir, Horaz! Unsere theure Königin erwartet Sie und will mit Ihnen sprechen, ehe sie ihren Gemahl wiedersieht.«

Nelson stieß einen Seufzer aus, als er bedachte, daß einige von London eintreffende, seine Bestimmung ändernde Worte ihn von dieser Zauberin entfernen könnten, welche durch jede Geberde, jedes Wort, jede Schmeichelei und jede Liebkosung der Kette, in welche sie ihn bereits geschlagen, ein neues Glied hinzufügte. Ein Raub jenes Taumels, den er allemal empfand, wenn er nach augenblicklicher Abwesenheit diese blendende Schönheit wiedersah, erhob er sich mühsam von einem Sitz.

»Führen Sie mich,« sagte er zu ihr. »Sie wissen, daß ich von dem Augenblicke an, wo ich Sie sehe, nichts mehr sehe.«

Emma band die Gazeschärpe los, welche sie um ihren Kopf gewunden und deren sie sich zugleich als Hauptschmuck und als Schleier bediente, wie man auf den Miniaturgemälden von Isabey sieht, und warf ihm eins der Enden zu, welches er im Fluge erhaschte und fieberhaft an seine Lippen drückte.

»Kommen Sie, mein lieber Theseus,« sagte sie zu ihm. »Hier ist der Faden des Labyrinths, sollten Sie mich auch verlassen wie eine zweite Ariadne. Nur sage ich Ihnen im voraus, daß, wenn dieses Unglück mir begegnet, ich mich von Niemand trösten lassen werde, selbst nicht von einem Gott.«

Sie ging voran und Nelson folgte ihr. Hätte sie ihn in die Hölle geführt, so wäre er auch in diese mit ihr hinabgestiegen.

»Hier, meine theure Königin,« sagte Emma, »bringe ich Ihnen den Mann, der gleichzeitig mein König und mein Sclave ist. Hier ist er.«

Die Königin saß auf einem Sopha in dem Boudoir, welches Emma Lyonnas Zimmer von dem ihrigen trennte. Eine noch nicht völlig erloschene Flamme leuchtete aus ihrem Auge. Diesmal war es die des Zornes.

»Kommen Sie her, Nelson, mein Vertheidiger, sagte sie, »setzen Sie sich neben mich. Ich bedarf des Anblicks und der Berührung eines Helden, um mich über unsere Erniedrigung zu trösten. Haben Sie ihn gesehen,« fuhr sie fort, indem sie verächtlich den Kopf zurückwarf, »haben Sie ihn gesehen, diesen gekrönten Possenreißer, der sich zum Boten seiner eigenen Schande macht? Haben Sie gehört, wie er über seine eigene Feigheit witzelte? Ach, Nelson, Nelson, es ist traurig, wenn man eine stolze Königin und einmuthiges Weib ist, einen König zum Gemahl zu haben, welcher weder das Scepter noch den Degen zu führen versteht.«

Sie zog Nelson neben sich nieder. Emma setzte sich auf einige auf dem Fußboden liegende Kiffen und betrachtete mit ihrem magnetischen Blick, während sie – wie Amy Robsart mit Leicesters Halskette – mit Nelsons Sternen und Ordensbändern spielte, den Mann, den sie beauftragt war zu bestricken.

»Der König ist ein großer Philosoph, Madame,« entgegnete Nelson.

Die Königin sah Nelson an und runzelte ihre schönen Augenbrauen.

»Legen Sie wirklich, sagte sie, »den Namen eines Philosophen einem Manne bei, welcher alle Würde vergißt? Daß er, da er als Lazzarone erzogen worden, nicht das Genie eines Königs besitzt, ist wohl begreiflich, denn Genie ist eine Gabe, mit welcher der Himmel sehr geizig umgeht; aber daß er auch nicht das Herz eines Mannes hat, das ist entsetzlich! In der That, Nelson, Ascoli war es, der diesen Abend nicht blos den Rock, sondern auch das Herz eines Königs besaß. Der König war weiter nichts als der Lakai Ascolis, und wenn man bedenkt, daß, wenn jene Jakobiner, vor welchen er sich so sehr fürchtet, ihn gefangen genommen hätten, er ihn hätte hängen lassen, ohne ein Wort zu jagen, um ihn zu retten! Die Tochter Maria, Theresia's und das Weib Ferdinands zu sein, dies ist, wie Sie selbst zugeben werden, eine jener Launen des Zufalls, welche Zweifel an der Vorsehung erwecken könnten.«

»Aber,« sagte Emma, »ist es nicht besser, daß dem so sei, und sehen Sie nicht, daß es ein Wunder der Vorsehung ist, aus Ihnen zugleich einen König und eine Königin gemacht zu haben? Besser ist es Semiramis zu sein, als Artemisia, besser Elisabeth als Maria von Medicis.«

»O,« rief die Königin, ohne auf Emma zu hören, »wenn ich ein Mann wäre, wenn ich einen Degen trüge!«

»Mehr als dieser würde er doch nicht leisten,« sagte Emma, indem sie mit Nelsons Degen spielte, »und von dem Augenblicke an, wo dieser Sie beschützt, bedarf es, Gott sei Dank, keines andern!«

Nelson legte seine Hand auf Emma's Haupt und betrachtete sie mit dem Ausdruck unendlicher Liebe.

»Ach, theure Emma,« sagte er zu ihr, »Gott weiß, daß die Worte, welche ich auszusprechen im Begriffe stehe, mir das Herz zerreißen, aber glauben Sie, daß ich, als ich Sie vorhin in einem Augenblick sah, wo ich es am wenigsten erwartete, geseufzt hätte, wenn ich nicht auch meine Befürchtungen hegte?«

»Sie?« fragte Emma.

»O, ich errathe, was er sagen will,« rief die Königin, indem sie sich das Tuch an die Augen drückte. »O, ich weine! Ja es ist wahr, aber es sind Thränen der Wuth.«

»Ja, ich aber errathe nicht,« sagte Emma, »und was ich nicht errathe, muß man mir erklären. Nelson, was verstehen Sie unter Ihren Befürchtungen? Sprechen Sie, ich will es.«

Und indem sie einen Arm um seinen Hals schlang, und sich mit Hilfe dieses Armes anmuthig erhob, küßte sie seine verstümmelte Stirn.

»Emma,« sagte Nelson, »glauben Sie mir, daß, wenn diese Stirn, welche unter Ihren Lippen vor Stolz strahlt, nicht gleichzeitig vor Freude strahlt, dann der Grund davon der ist, daß ich in naher Zukunft einen großen Schmerz voraussehe.«

»Ich, ich kenne nur einen Schmerz auf dieser Welt,« sagte Lady Hamilton; »es wäre der, von Ihnen getrennt zu sein.«

»Sie sehen, daß auch Sie zu errathen verstehen, Emma.«

»Wir sollten uns trennen!« rief Emma mit einem bewunderungswürdig gut gespielten Ausdruck des Schreckens. »Und wer könnte uns jetzt trennen?«

»Mein Gott, die Befehle der Admiralität, eine Laune von Monseigneur Pitt! Kann man mich nicht absenden, um Martinique und Trinité zu nehmen, ebenso wie man mich nach Calvi, nach Teneriffa, nach Abukir geschickt hat? Bei Calvi ließ ich ein Auge zurück, bei Teneriffa einen Arm, bei Abukir die Haut meiner Stirn. Wenn man mich nach Martinique oder nach Trinité schickt, so verlange ich nichts weiter, als daß ich dort den Kopf lasse und damit Alles aus sei.«

»Wenn Sie aber auch einen solchen Befehl erhielten, dann würden Sie, hoffe ich, demselben nicht gehorchen.«

»Was sollte ich sonst thun, Emma?«

»Sie würden dem Befehle, mich zu verlassen, wirklich gehorchen?«

»Emma, Emma, sehen Sie nicht, daß Sie sich zwischen meine Pflicht und meine Liebe stellen, das heißt, mich zum Verräther machen, oder zur Verzweiflung treiben?«

»Wohlan, entgegnete Emma, »ich gebe zu, daß Sie nicht zu dem König Georg dem Dritten sagen können: »Sire, ich will Neapel nicht verlassen, weil ich bis zum Wahnsinn die Frau Ihres Gesandten liebe, welche ihrerseits mich liebt bis in den Tod, aber wohl können Sie zu ihm sagen: »Mein König, ich will nicht eine Königin verlassen, deren einzige Stütze, deren einziger Vertheidiger ich bin. Gekrönte Häupter sind sich gegenseitig zum Schutz verpflichtet, und Sie werden eins für den andern Rechenschaft vor dem Gott geben müssen, der sie zu seinen Auserwählten gemacht hat; und wenn Sie ihm auch nicht gerade dies sagen, weil ein Unterthan nicht auf diese Weise zu seinem König spricht, so kann Sir William es ihm sagen, dem einem Milchbruder gegenüber Rechte zustehen, die Sie nicht besitzen.«

 

»Nelson,« sagte die Königin, »ich bin vielleicht eine große Egoistin, aber wenn Sie uns nicht beschützen, so sind wir verloren, und wenn man Ihnen die Frage so stellt, daß es einen Thron aufrecht zu erhalten, ein Königreich zu beschützen gibt, finden Sie dann nicht, daß sie eine so hohe Bedeutung gewinnt, daß ein Mann von Muth wie Sie schon etwas wagt, um uns zu retten?«

»Sie haben Recht, Madame, antwortete Nelson. »Ich hatte nur meine Liebe im Auge, und dies ist nicht zu verwundern, denn diese Liebe ist der Polarstern meines Herzens. Euer Majestät macht mich sehr glücklich, indem sie mir eine Hingebung zeigt, wo ich nur eine Leidenschaft sah. Noch heute Nacht werde ich an meinen Freund Lord St. Vincent schreiben, oder vielmehr den bereits angefangenem Brief an ihn beenden. Ich werde ihn inständig bitten, mich in Ihrem Dienste zu lassen, oder, noch besser, mich demselben zuzutheilen. Er wird das verstehen und an die Admiralität schreiben.«

»Und,« sagte Emma, »Sir William wird einerseits direkt an den König und an Mr. Pitt schreiben.«

»Begreifen Sie, Nelson, fuhr die Königin fort, wie sehr wir Ihrer bedürfen und welche unermeßlichen Dienste Sie uns leisten können? Aller Wahrscheinlichkeit nach werden wir uns genöthigt sehen, Neapel zu verlassen in die Verbannung zu gehen –«

»Glauben Sie, daß die Dinge wirklich schon so verzweifelt stehen, Madame?«

Die Königin schüttelte mit wehmüthigem Lächeln den Kopf.

»Ich sollte meinen,« fuhr Nelson fort, »wenn der König wollte –«

»Es wäre ein Unglück, wenn er wollte, Nelson, ein Unglück für mich, glauben Sie mir das. Die Neapolitaner verabscheuen mich. Die Neapolitaner sind ein Volk, welches eifersüchtig ist auf jedes Talent, auf jede Schönheit, auf jeden Muth. Von jeher unter das deutsche, französische oder spanische Joch gebeugt, nennen sie Alles, was nicht neapolitanisch ist, ausländisch, und hassen und verläumden es. Sie hassen Acton, weil er in Frankreich geboren ist; sie hassen Emma, weil diese in England geboren ist; sie hassen mich, weil ich in Oesterreich geboren bin. Nehmen Sie an, daß mit einem Aufgebot von Muth, dessen der König auch keineswegs fähig ist, man die Trümmer der Armee sammele und die Franzosen in dem Engpasse der Abruzzen aufhalte, so werden die sich selbst überlassenen Jakobiner von Neapel die Abwesenheit der Truppen benutzen und sich empören, um dann die Greuelscenen, welche Frankreich 1792 und 1793 erlebt, sich hier erneuern zu lassen. Wer sagt Ihnen, daß sie es mit mir nicht eben so machen werden wie mit Marie Antoinette, und mit Emma wie mit der Prinzessin von Lamballe? Der König wird sich mit Hilfe seiner Lazzaroni, die ihn anbeten, stets aus der Affaire ziehen. Er hat die Aegide der Nationalität für sich, Acton aber, Emma und ich, lieber Nelson, wir sind verloren. Ist es daher nicht eine große Rolle, die Ihnen von der Vorsehung zugetheilt worden, wenn es Ihnen gelingt, für mich das zu thun, was Mirabeau, was Herr von Bouillé, was der König von Schweden, was Barnave, was Herr von Lafayette, was meine beiden Brüder, mit einem Worte, zwei Kaiser für die Königin von Frankreich nicht zu thun vermocht haben?«

»Es wäre das ein zu hoher Ruhm, nach welchem ich nicht trachte, ein ewiger Ruhm, Madame,« sagte Nelson.

»Können Sie ferner nicht geltend machen, Nelson, daß wir uns eben durch unsere Anhänglichkeit an England in die Gefahr gestürzt haben? Wenn die Regierung beider Sicilien, den mit der Republik geschlossenen Verträgen treu, Ihnen nicht erlaubt hätte, in Syracus Wasser und Lebensmittel einzunehmen und Ihre Schiffe wieder in Stand zu setzen, so wären Sie gezwungen gewesen, sich in Gibraltar zu verproviantiren und Sie hätten dann die französische Flotte nicht mehr bei Abukir gefunden.«

»Das ist wahr, Madame, und ich wäre dann selbst verloren gewesen, weil für diesen Fall anstatt eines Triumphs ein entehrender Proceß meiner harrte. Wie hätte ich sagen können: Meine Augen waren auf Neapel gerichtet, da meine Pflicht war, nach Tunis zu schauen?«

Und endlich: sind die Feste, die wir in unserem Enthusiasmus für Sie Ihnen gegeben, nicht die nächste Ursache, daß dieser Krieg zum Ausbruch gekommen ist? Nein, Nelson, das Schicksal des Königreichs der beiden Sicilien ist an Sie gefesselt und Sie sind wiederum an das Schicksal seiner Souveräne gefesselt. Man wird in Zukunft sagen: Diese Souveräne waren von Allen verlassen, von allen Bundesgenossen, ihren Freunden, ihren Verwandten; sie hatten die Welt gegen sich, aber sie hatten Nelson für sich und Nelson rettete sie.«

Und bei der Geberde, welche die Königin machte, indem sie diese Worte aussprach, streckte sie die Hand gegen Nelson aus. Nelson ergriff diese Hand, ließ sich auf ein Knie nieder und küßte sie.

»Madame, sagte Nelson, indem er sich durch die Schmeichelei der Königin zum Enthusiasmus hinreißen ließ, »wollen Sie mir etwas versprechen?«

»Sie haben das Recht, Alles von Denen zu verlangen, die Ihnen Alles zu verdanken haben werden.«

»Wohlan, dann verlange ich Ihr königliches Wort, Madame, daß von dem Tage an, wo Sie Neapel verlassen werden, es das Schiff Nelsons und kein anderes sein wird, welches Ihre geheiligte Person nach Sicilien bringt.«

»O, das schwöre ich Ihnen, Nelson, und ich füge hinzu, daß da, wo ich bin, meine einzige, meine ewige Freundin, meine theure Emma Lyonna bei mir sein wird.«

Und mit einer vielleicht etwas leidenschaftlicheren Bewegung, als diese Freundschaft, wie groß sie auch war, gestattete, nahm die Königin Emma's Kopf zwischen ihre beiden Hände, näherte ihn rasch und lebhaft ihre Lippen und küßte sie auf beide Augen.

»Sie haben mein Wort, Madame,« sagte Nelson. »Von diesem Augenblicke an sind. Ihre Freunde meine Freunde und Ihre Feinde meine Feinde, und wäre es mein eigener Untergang, ich werde Sie rächen.«

»O,« rief Emma, »Du bist in der That der Ritter der Könige und der Vorkämpfer der Throne. Du bist ganz so, wie ich mir den Mann geträumt, dem ich meine ganze Liebe und mein ganzes Herz widmen sollte.«

Und diesmal drückte die moderne Circe ihre Lippen nicht auf die narbenbedeckte Stirne, sondern auf die bebenden Lippen des Helden.

In diesem Augenblicke ward leise an die Thür gepocht.

»Gehen Sie hier hinein, Freunde meines Herzens,« sagte die Königin, indem sie auf Emmas Zimmer zeigte. »Es ist Acton, welcher mir eine Antwort bringen will.«

Nelson zog berauscht von Schmeichelei, Liebe und Stolz Emma in dieses von wohlduftender Atmosphäre er füllte Zimmer, dessen Thür sich hinter ihnen von selbst zu schließen schien.

Binnen einer Secunde änderte sich der Ausdruck in dem Gesichte der Königin auf eine Weise, als ob sie eine Maske angelegt oder abgenommen hätte. Ihr Auge ward schroff und in kurzem Tone sprach sie das einzige Wort:

»Herein!«

Es war wirklich Acton.

»Nun, fragte sie, »wer erwartete den König?«

»Der Cardinal Ruffo,« antwortete Acton.

»Wissen Sie, was sie miteinander gesprochen haben?«

»Nein, Madame, aber ich weiß, was sie gemacht haben.«

»Und was haben sie gemacht?«

»Sie haben Ferrari rufen lassen.«

»Ich dachte mir es wohl. Ein Grund mehr, Action, zu dem, was Sie wissen.«

»Bei der ersten Gelegenheit wird es geschehen. Haben Euer Majestät mir noch sonst etwas zu befehlen?«

»Nein,« antwortete die Königin.

Acton verneigte sich und verließ das Zimmer.

Die Königin warf einen eifersüchtigen Blick auf das Zimmer Emmas und kehrte schweigend in das ihrige zurück.

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