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La San Felice Band 5

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Und der Chevalier machte eine Bewegung, um zu sehen, was die Blicke einer Gattin nach der Richtung des Gartens hinzog.

»Nichts, mein Freund, nichts, sagte Luisa, indem sie ihren Gatten bewog, seinen Schritt nach seinem Schlafzimmer zu lenken. »Du hast Recht; Du mußt Dich beeilen, sonst wirst Du nicht fertig.«

Das, was Luisas Blicke anzog und was sie ihren Gatten nicht sehen lassen wollte, war der Umstand, daß er wirklich vergessen hatte, die Gartenthür zu schließen, die sich eben langsam öffnete und die Wahrsagerin Nanno einließ, welche Niemand wieder gesehen, seit sie das Haus verlassen, nachdem sie dem Verwundeten die erste Hilfe angedeihen lassen und die Nacht bei ihm zugebracht hatte.

Sie näherte sich mit ihrem sibyllinischen Schritt. Sie ging die Stufen des Perron hinauf, erschien an der Thür des Speisezimmers, trat, als ob sie gewußt, daß sie hier nur Luisa finden würde, ohne Zögern ein, durchschritt das Zimmer langsam und ohne daß man das Geräusch ihrer Tritte hörte.

Dann, und ohne stehen zu bleiben, um mit Luisa zu sprechen, welche bleich und zitternd ihr zusah, als ob sie ein Gespenst erblickte, verschwand sie, zum Zeichen des Schweigens den Finger auf den Mund legend, in den Corridor, welcher zu Salvato führte.

Luisa trocknete sich mit ihrem Tuche den Schweiß, welcher ihr auf der Stirn perlte, und eilte, um dieser Erscheinung, welche sie als eine wirklich übernatürliche betrachtete, desto sicherer zu entrinnen, in das Zimmer ihres Gatten, worauf sie die Thür hinter sich zuzog.

Viertes Capitel.
Achilles bei Deidamea

Es war für Michele nicht schwer gewesen, dem Instructionen zu folgen, welche Luisa ihm ertheilt, denn mit Ausnahme eines freundschaftlichen Winkes, welchen ihm der junge Officier gegeben, hatte derselbe kein Wort an ihn gerichtet.

Michele und Giovannina hatten sich hierauf in die Brüstung eines Fensters zurückgezogen und hier eine lebhafte, aber in leisem Tone geführte Unterredung begonnen.

Der Lazzarone klärte Giovannina vollends über die Ereignisse auf, über welche er kaum Zeit gehabt, ihr einige Worte zu sagen und welche, wie sie instinktartig fühlte, auf Salvatos und Luisas Geschicke und folglich auch auf das ihrige bedeutenden Einfluß äußern mußten.

Was Salvato betraf, so ahnte er, obschon er diese Ereignisse nicht in ihren Einzelheiten kennen konnte, nach den Kundgebungen von Freude, welchen Neapel sich überließ, recht wohl, daß für die Neapolitaner etwas Glückliches und für die Franzosen etwas Unglückliches geschehen sein mußte.

Dennoch aber glaubte er, es sei, wenn Luisa ihm dieses Ereigniß verschweigen wolle, von seiner Seite ein Verstoß gegen das Zartgefühl, wenn er fremde und ganz besonders dienende, untergeordnete Personen deswegen befragen wollte.

Waltete hier ein Geheimniß ob, so wollte er sich lieber bemühen, es aus dem Munde der Person zu erfahren, die er liebte.

Mitten unter dem Gespräche Ninas mit Michele, mitten in der Träumerei des jungen Officiers knarrte die Thür.

Da Salvato aber nicht sogleich Luisas Tritt erkannte, so schlug er nicht einmal die Augen auf.

Der Lazzarone und die Zofe, welche nicht denselben Grund hatten, wie Salvato, sich in ihre eigenen Gedanken zu versenken, wendeten ihre Augen nach der Thür und stießen einen Ruf des Erstaunens aus.

Es war Nanno, welche die Schwelle überschritt.

Bei dem von Nina und Michele ausgestoßenen Rufe drehte Salvato sich ebenfalls herum, und obschon er die Wahrsagerin früher nur durch die Wolken einer halben Ohnmacht gesehen, so erkannte er sie doch sofort wieder und reichte ihr die Hand.

»Guten Tag, Mutter!« sagte er zu ihr, »ich danke Dir, daß Du deinen Kranken besuchst. Ich fürchtete schon Neapel verlassen zu müssen, ohne Dir danken zu können.«

Nanno schüttelte den Kopf.

»Mein Kranker ist es nicht, den ich zu besuchen komme,« sagte sie, »denn mein Kranker bedarf meiner Hilfe nicht mehr. Auch ist es nicht Dank, was ich hier suche, denn da ich weiter nichts gethan habe, als die Pflicht einer Frau des Gebirges, welche die Heilkräfte der Pflanzen kennt, so habe ich keinen Dank zu beanspruchen. Nein, ich komme, um dem Verwundeten, dessen Narbe sich geschlossen, zu sagen: Höre eine Erzählung aus unseren vergangenen Tagen, welche seit dreitausend Jahren die Mütter ihren Söhnen wieder erzählen, wenn sie fürchten, die in dem Augenblicke, wo das Vaterland in Gefahr ist, in feiger Ruhe einschlafen zu sehen.«

Das Auge des jungen Mannes funkelte, denn eine innere Stimme sagte ihm, daß diese Frau eine geheimen Gedanken kenne.

Die Wahrsagerin stützte ihre linke Hand auf die Lehne von Salvatos Sessel, bedeckte mit der rechten die Hälfte ihrer Stirn und ihrer Augen und schien einen Augenblick lang in der Tiefe ihrer Erinnerung eine seit langer Zeit vergessene Legende zu suchen.

Michele und Giovannina, welche nicht wußten, was sie zu hören bekommen würden, betrachteten Nanno mit Erstaunen, beinahe mit Schrecken.

Salvato verwendete kein Auge von ihr, denn – wir haben es bereits gesagt – er errieth, daß das Wort, welches ihrem Munde entfiele, wie ein Blitz das Dunkel erleuchten würde, das noch in den Ahnungen herrschte, welche die ersten Töne der Glocken und die ersten Salven der Geschütze in ihm erweckt.

Nanno schlug die Kapuze, welche ihren Kopf bedeckte, auf die Schultern herab und begann in langsam, schleppender Weise, welche weder gesprochen noch gesungen war, die folgende Legende:

»Dies ist es, was die Adler der Trojade den Geiern Albaniens erzählt haben.

»Zu der Zeit, wo das Leben der Götter sich mit dem der Menschen mischte, fand eine Vermählung zwischen einer Göttin des Meeres Namens Thetis und einem König von Thessalien Namens Peleus statt.

»Neptun und Jupiter hatten sich auch mit ihr vermählen wollen, als sie aber erfuhren, daß sie einen Sohn gebären würde, der größer werden würde, als sein Vater, verzichteten sie auf sie.

»Thetis hatte von ihrem Gatten mehrere Kinder, die sie eins nach dem andern ins Feuer warf, um zu erproben, ob sie sterblich wären. Alle kamen eins nach dem andern um.

»Endlich gebar sie einen Sohn, welchen man Achilles nannte. Seine Mutter wollte ihn eben so ins Feuer werfen wie die andern, aber Peleus entriß ihn ihren Händen und bewog sie, ihn, anstatt ihn umzubringen, in den Styx zu tauchen, wodurch er allerdings nicht unsterblich, wohl aber unverwundbar gemacht ward.

»Thetis erhielt von Pluto die Erlaubniß, einmal, aber nur ein einziges Mal, in die Unterwelt hinabzusteigen, um ihren Sohn in den Styx zu tauchen. Sie kniete am Rande des Flusses nieder, faßte den Knaben bei der Ferse und tauchte ihn wirklich ein.

»Auf diese Weise ward der Knabe an allen Theilen seines Körpers unverwundbar, ausgenommen an der Ferse, an welcher seine Mutter ihm festgehalten. Sie befragte deshalb das Orakel.

»Das Orakel antwortete ihr, ihr Sohn würde bei der Belagerung einer großen Sadt unsterblichen Ruhm erwerben, imitten seines Triumphes aber den Tod finden.

»Nun brachte seine Mutter ihn unter dem Namen Pyrrha an den Hof des Königs von Skyros und mischte ihn, als Mädchen gekleidet, unter die Töchter des Königs. So erreichte der Knabe das Alter von fünfzehn Jahren, ohne zu wissen, daß er ein Mann war.«

Als die Albaneserin in ihrer Erzählung so weit gekommen war, unterbrach sie der junge Officier, indem er sagte:

»Ich kenne deine Geschichte, Nanno. Du erzeigt mir die Ehre, mich mit Achill zu vergleichen und Du vergleicht Luisa mit Deidamea. Sei aber unbesorgt, Du wirst nicht nöthig haben, mir wie Ulysses ein Schwert zu zeigen, um mich zu erinnern, daß ich ein Mann bin. Man schlägt sich, nicht wahr?« fuhr Salvato mit funkelndem Blicke fort, »und jener Kanonendonner verkündet einen Sieg der Neapolitaner über die Franzosen? Wo schlägt man sich?«

»Dieses Glockengeläute und diese Kanonenschüsse, antwortete Nanno, »verkünden, daß der König Ferdinand in Rom eingezogen ist, und daß die Metzeleien begonnen haben.«

»Ich danke Dir,« sagte Salvato, indem er die Hand der Wahrsagerin ergriff. »Aber welches Interesse hast Du daran, mir diese Nachricht zu bringen, da Du doch Calabreserin und folglich Unterthanin des Königs Ferdinand bist?«

Nanno richtete sich zu ihrer ganzen Höhe empor.

»Ich bin keine Calabreserin,« sagte sie. »Ich bin eine Tochter Albaniens und die Albanesen sind aus ihrem Vaterlande entflohen, um Niemandes Unterthanen zu sein. Sie gehorchen nur den Nachkommen des großen Skanderbeg und werden niemals einem Andern gehorchen. Jedes Volk, welches sich im Namen der Freiheit erhebt, ist sein Bruder, und Nanno betet für die Franzosen, welche im Namen der Freiheit kommen.«

»Es ist gut,« sagte Salvato, dessen Entschluß gefaßt war.

Dann wendete er sich zu Michele und Nina, welche schweigend diesem Auftritt zusahen.

»Kannte Luisa diese Neuigkeit schon, als ich sie fragte, was das Getöse, welches wir hörten, zu bedeuten habe?« fragte er.

»Nein,« antwortete Giovannina.

»Ich habe es ihr erst mitgetheilt,« setzte Michele hinzu.

»Und was macht sie?« fragte der junge Mann, »warum ist sie nicht hier?«

»Der Chevalier ist in Folge aller dieser Ereignisse früher als gewöhnlich nach Hause gekommen,« sagte Michele, »und meine Schwester kann ohne Zweifel jetzt nicht von ihm fort.«

»Um so besser,« sagte Salvato. »Dann haben wir Zeit, um alle Vorbereitungen zu treffen.«

»Mein Gott, Signor Salvato, rief Giovannina, »Sie wollen uns doch nicht verlassen?«

»Allerdings. Heute Abend reise ich ab, Nina.«

»Und Ihre Wunde?«

»Hat Nanno Dir nicht gesagt, daß dieselbe geheilt ist?«

»Der Arzt sagte aber, daß noch zehn Tage dazu nöthig wären.«

»Dies sagte der Arzt gestern, heute würde er es nicht sagen.«

Dann wendete Salvato sich zu dem jungen Lazzarone und fuhr fort:

 

»Michele, mein Freund, nicht wahr, Du bist bereit mir einen Dienst zu leisten?«

»Ach, Signor Salvato, Sie wissen, daß ich Alles liebe, was Luisa liebt.«

Giovannina zuckte zusammen.

»Du glaubt also, sie liebe mich, mein wackerer Junge?« sagte Salvato rasch und aus seinem gewöhnlichen Hinbrüten erwachend.

»Fragen Sie Giovannina,« sagte der Lazzarone.

Salvato wendete sich nach der Zofe, diese aber ließ ihm nicht Zeit, sie zu fragen.

»Die Geheimnisse meiner Herrin sind nicht die meinigen,« sagte sie, indem sie sehr bleich ward, »und übrigens glaube ich, sie ruft mich jetzt.«

In der That ließ Ninas Name sich auf dem Corridor hören.

Nina eilte nach der Thür und verließ das Zimmer.

Salvato's Blicke folgten ihr mit einem Gemisch von Erstaunen und Unruhe. Dann und als ob dies nicht der geeignete Augenblick sei, um bei dem Argwohn zu verweilen, der in ihm erwachte, sagte er:

»Komm her, Michele. In dieser Börse sind hundert Louisdor. Bis heute Abend neun Uhr muß ich ein Pferd haben, aber verstehst Du wohl, eines jener kräftigen Thiere, welche zwanzig Lieues in einem Striche zurücklegen.«

»Sie sollen es haben, Signor Salvato.«

»Ferner ein vollständiges Bauernkostüm.«

»Auch dies sollen Sie haben.«

»Und, Michele, setzte der junge Mann lachend hinzu, »den schönsten Säbel, den Du findest. Wähle nach deinem Geschmacke und nach deiner Hand, denn es soll ja dein Obristensäbel sein.«

»Ach, Signor Salvato,« rief Michele mit strahlendem Antlitz, »wie, Sie erinnern sich noch Ihres Versprechens?«

»Es ist jetzt drei Uhr,« sagte der junge Officier. »Du hat daher keine Zeit zu verlieren, wenn Du deine Einkäufe machen willst. Schlag neun Uhr sei mit dem Pferde in dem Gäßchen hinter dem Hause.«

»Es soll geschehen,« sagte der Lazzarone.

Dann näherte er sich Nanno und fuhr fort:

»Sagt einmal, Nanno, da Ihr nun allein mit ihm bleibt, könnt Ihr nicht vielleicht Alles so ordnen, daß die Gefahr, welche meinem armen Schwesterchen droht, beschworen wird?«

»Deswegen komme ich eben,« antwortete Nanno.

»Nun dann bist Du eine brave Frau, auf mein Ehrenwort. Was mich betrifft,« fuhr der Lazzarone mit einer gewissen Schwermuth fort, »wenn Du, damit meine Schwester glücklich werde, durchaus die Rolle des Teufels spielen mußt, nun gut, dann lasse nur das Ende meines Stricks in den Händen des Meisters Donato und beschäftige Dich nur mit ihr. Es gibt vom Pausilippo bis zur Magdalenenbrücke so viele Micheles, daß man nicht weiß, was man damit soll, und so viel Narren, daß man damit handeln könnte, ohne die von Aversa zu zählen. Dagegen aber gibt es in der ganzen Welt nur eine einzige Luisa San Felice. Signor Salvato, Ihr Auftrag wird vollzogen werden und zwar gut, darauf können Sie sich verlassen.«

Mit diesen Worten verließ er das Zimmer.

Salvato war nun mit Nanno allein. Er hatte gehört, was Michele gesagt hatte.

»Nanno,« sagte er, »schon mehrmals habe ich von düsteren Prophezeiungen gehört, welche Du gegen Luisa ausgesprochen. Was ist Wahres daran?«

»Junger Mann, antwortete sie, »Du weißt es. Die Fügungen des Himmels sind niemals so klar ausgesprochen, daß man sich denselben entziehen könnte. Der durch die Linien der Hand bestätigte Ausspruch der Gestirne bedroht die, welche Du liebst, mit einem blutigen Tode, und es ist mir bestimmt offenbart, daß es ihre Liebe zu Dir ist, was ihren Tod herbeiführen wird.«

»Ihre Liebe zu mir, oder meine Liebe zu ihr?« fragte Salvato.

»Ihre Liebe zu Dir, und deshalb gebieten Dir als Franzosen die Gesetze der Ehre, und als Liebenden die Gesetze der Menschlichkeit, sie zu verlassen, um sie niemals wieder zu sehen. Trennt Euch, trennt Euch auf immer! Vielleicht wird diese Trennung das Schicksal beschwören. Ich habe gesprochen.«

Mit diesen Worten zog Nanno wieder ihre Kapuze über die Augen, und trat zurück, ohne weiter die Fragen des jungen Mannes zu beantworten, oder auf seine Bitten zu hören.

An der Thür begegnete die Luisa.

»Du gehst, Nanno?« fragte diese.

»Meine Mission ist vollbracht,« antwortete die Wahrsagerin. »Warum sollte ich noch bleiben?«

»Und kann ich nicht erfahren, was Du hier gewollt hast?« fragte Luisa.

»Dieser da wird es Dir sagen,« entgegnete Nanno, indem sie mit dem Finger auf den jungen Mann zeigte.

Und sie entfernte sich mit demselben geräuschlosen ernsten Tritt, womit sie eingetreten.

Luisa folgte, wie von einer phantastischen Erscheinung bestrickt, ihr mit den Augen. Sie sah sie den langen Corridor durchschreiten, das Speisezimmer passieren, den Perron hinabgehen, dann die Gartenthür öffnen und dieselbe wieder hinter sich zuschlagen.

Trotzdem aber, daß Nanno nun verschwunden war, blieb Luisa immer noch unbeweglich. Es war, als ob gleich der Nymphe Daphne ihr die Füße fest in den Boden gewurzelt wären.

»Luisa!« murmelte Salvato in seinem süßesten Tone. Die Gattin des Chevaliers zuckte zusammen. Der Zauber war gebrochen. Sie drehte sich nach dem Rufenden herum, und sah, daß seine Augen von einem ungewohnten Feuer glühten, welches weder das Feuer des Fiebers noch das der Liebe, sondern das der Begeisterung war.

»Ha,« rief sie, »wehe mir, Sie wissen Alles!«

»Ja, theure Luisa, ich weiß Alles,« antwortete Salvato.

»Dann war Nanno also deswegen gekommen?«

»Ja, deswegen.«

»Und,« hob Luisa mit Anstrengung wieder an, »wann werden Sie uns verlassen?«

»Ich hatte beschlossen, heute Abend um neun Uhr abzureisen, Luisa, aber ich hatte Sie noch nicht wiedergesehen.«

»Und jetzt, nachdem Sie mich wiedergesehen?«

»Werde ich abreisen, sobald Sie wollen.«

»Sie sind gut und sanft wie ein Kind, Salvato, Sie, der furchtbare Krieger! Sie werden heute Abend abreisen, mein Freund, zu der Stunde, zu welcher Sie selbst beschlossen hatten, es zu thun.«

Salvato sah sie erstaunt an.

»Glaubten Sie denn, fuhr Luisa fort, »ich liebte Sie so wenig und besäße so wenig Stolz auf mich selbst, daß ich Ihnen jemals rathen würde, etwas gegen Ihre Ehre zu thun? Ihre Abreise wird mir viel Thränen kosten, Salvato, und ich werde mich, wenn Sie fort sind, sehr unglücklich fühlen, denn jene unbekannte Seele, welche Sie mitgebracht und mir mitgetheilt, nehmen Sie nun auch wieder mit fort, und Gott allein kennt die Trauer und Einsamkeit, welcher nun mein armes Herz anheimfallen wird. O armes, verödetes Zimmer, fuhr sie fort, indem sie sich umschaute, während zwei große Thränen ihren Augen entrollten, ohne jedoch dem Wohlklange ihrer Stimme Eintrag zu thun, »wie oft werde ich des Nachts den Traum anstatt der Wirklichkeit suchen! Wie theuer und poetisch werden mir alle diese alltäglichen Gegenstände erscheinen! Dieses Bett, auf welchem Sie gelitten; dieser Sessel, in welchem ich bei Ihnen gewacht; dieses Glas, aus welchem Sie getrunken; dieser Tisch, auf den Sie sich gestützt; dieser Vorhang, den ich auf die Seite schlug, um einen Sonnenstrahl bis zu Ihnen dringen zu lassen, Alles wird mir von Ihnen erzählen, mein Freund, während Ihnen nichts von mir erzählen wird.«

»Ausgenommen mein Herz, Luisa, welches von Ihnen erfüllt ist.«

»Wenn dies ist, Salvato, dann sind Sie weniger unglücklich als ich, denn Sie werden fortfahren mich zu sehen, Sie kennen die Stunden, welche mir oder vielmehr, welche Ihnen gehörten. Ihre Abwesenheit wird darin keine Veränderung bewirken, mein Freund. Diese Stunden werden mich dieses Zimmer ebenso betreten und verlassen sehen, wie ich es betrat und verließ, während Sie da waren. Keiner der Tage, keiner der Augenblicke, welche wir in diesem Zimmer verlebten, wird vergessen werden, und wo werde ich Sie suchen? Auf dem Schlachtfelde, mitten unter Feuer und Rauch, unter Verwundeten und Todten. O schreiben Sie mir – schreiben Sie mir, Salvato!« setzte Luisa mit einem Ausrufe des Schmerzes hinzu.

»Aber kann ich das auch?«, fragte der junge Mann.

»Wer soll es Ihnen wehren?«

»Wenn einer meiner Briefe fehl ginge, wenn er gefunden würde?«

»Das wäre allerdings ein großes Unglück,« sagte Luisa; »nicht für mich, sondern für ihn.«

»Für ihn? für wen? Ich verstehe Sie nicht, Luisa.«

»Nein, Sie verstehen mich nicht. Nein, Sie können mich nicht verstehen, denn Sie wissen nicht, welch' einen Engel an Güte ich zum Gatten habe. Er würde sich sehr unglücklich fühlen, wenn er mich nicht glücklich wüßte. O, seien Sie unbesorgt, ich werde über seinem Glücke wachen.«

»Aber wenn ich nun an eine andere Adresse schriebe? an die Herzogin Fusco? an Nina?«

»Es ist nicht nöthig, mein Freund. Uebrigens wäre dies auch ein Betrug, und warum soll man einen solchen verüben, wenn nicht die unbedingte Nothwendigkeit dazu vorliegt, ja selbst, wenn sie vorliegt? Nein, Sie werden an mich unter der Adresse schreiben: »An Luisa San Felice, in Mergellina, Palmbaumhaus.«

»Wenn nun aber einer meiner Briefe in die Hände Ihres Gatten geräth?«

»Wem der Brief versiegelt ist, so wird er ihn mir geben, ohne ihn zu entsiegeln. Ist er offen, so gibt er ihn mir, ohne ihn zu lesen.«

»Aber wenn er ihn doch läse?«, sagte Salvato ganz erstaunt über dieses hartnäckige Vertrauen.

»Würden Sie mir in diesem Briefe wohl etwas Anderes sagen, als was ein zärtlicher Bruder einer geliebten Schwester sagen würde?«

»Ich werde Ihnen sagen, daß ich Sie liebe.«

»Wenn Sie mir nichts weiter sagen, als dies, Salvato, so wird er Sie und mich beklagen.«

»Wenn dieser Mann so ist, wie Sie sagen, so ist er mehr als ein Mensch.«

»Aber bedenken Sie doch, mein Freund, daß er mir weit mehr Vater ist, als Gatte. Von meinem fünften Jahre an bin ich unter seinen Augen aufgewachsen. An seinem Herzen erwärmt, finden Sie mich mitleidig, unterrichtet und gebildet. Denn alle diese Eigenschaften verdanke ich ihm. Sie sind gut, nicht wahr, Salvato? Sie sind großherzig und edelmüthig. Ich sehe und beurtheile Sie mit den Augen des Weibes, welches liebt. Wohlan, er ist größer, großherziger und edelmüthiger als Sie, und Gott gebe, daß er nicht Gelegenheit habe, es Ihnen einmal zu beweisen.«

»Aber Sie machen mich ja förmlich eifersüchtig auf diesen Mann, Luisa.«

»Ja, seien Sie eifersüchtig auf ihn, mein Freund, wenn nämlich ein Liebender auf die Zuneigung einer Tochter zu ihrem Vater eifersüchtig sein kann. Ich liebe Sie, Salvato, ich liebe Sie innig, da ich zu der Stunde, wo Sie mich verlassen wollen, es von selbst sage, und ohne daß Sie mich darum fragen. Wohlan, wenn ich Sie Beide in gleicher Gefahr schweben sähe, und mein Beistand nur einen von Ihnen retten könnte, so würde ich ihn retten, Salvato, und dann zurückkehren, um mit Ihnen zu sterben.«

»Ach, Luisa, wie glücklich ist der Chevalier, so geliebt zu werden«

»Und dennoch würden Sie diese Liebe nicht besitzen wollen, Salvato, denn es ist die, welche man für höherstehende, übernatürliche Wesen hegt. Diese Liebe hat nicht diejenige verhindern können, welche ich Ihnen gewidmet habe. Ich liebe ihn mehr als Sie und ich liebe Sie mehr als ihn – damit ist Alles gesagt.«

Indem Luisa dies sagte, ließ sie, als ob der Kampf dieser beiden Neigungen alle ihre Kräfte erschöpft hätte, sich auf einen Stuhl niedersinken. Ihr Kopf neigte sich rückwärts, sie faltete die Hände, und die Augen gegen Himmel kehrend, mit dem Lächeln der Glückseligen auf den Lippen, murmelte sie unverständliche Worte.

»Was machen Sie?« fragte Salvato.

»Ich bete,« antwortete Luisa.

»Zu wem?«

»Zu meinem Schutzengel. Knien Sie nieder, Salvato, und beten Sie mit mir.«

»Seltsam! seltsam!« murmelte der junge Mann, von einer höheren Kraft besiegt.

Und er kniete nieder.

Nach Verlauf von einigen Augenblicken senkte Luisa das Haupt. Salvato hob das seinige empor, und Beide sahen einander mit tiefer Traurigkeit, aber auch mit erhabener Ruhe des Herzens an.

Die Stunden vergingen.

Die traurigen Stunden verfließen mit derselben Schnelligkeit, ja zuweilen noch schneller als die glücklichen. Die beiden Liebenden versprachen sich nichts für die Zukunft, sie sprachen nur von der Vergangenheit.

Nina ging aus und ein, die achteten nicht auf sie. Sie lebten gewissermaßen in einer unbekannten Welt, zwischen Himmel und Erde schwebend. Bei jeder Stunde aber, welche die Uhr schlug, zuckten sie zusammen und seufzten.

Um acht Uhr trat Nina abermals ein.

»Michele schickt das hier,« sagte sie.

Und sie legte ein in eine Serviette gebundenes Packet zu den Füßen der beiden Liebenden nieder.

Sie öffneten das Packet. Es war das von Michel gekaufte Bauernkostüm.

Die beiden Frauen verließen das Zimmer.

Binnen wenigen Minuten hatte Salvato die Kleider angelegt, in welchen er fliehen wollte.

Er öffnete die Thür. Luisa stieß einen Ruf des Erstaunens aus. Er war in der Tracht des Gebirgsbewohners wo möglich noch schöner und anmuthiger als in der des Städters.

 

Die letzte Stunde verging, als ob die Minuten sich in Secunden verwandelt hätten.

Es schlug neun Uhr.

Luisa und Salvato zählten einen nach dem andern der neun dröhnenden Schläge, obschon sie recht wohl wußten, daß es neun Uhr schlug.

Salvato sah Luisa an. Sie erhob sich zuerst. Nina trat ein.

Sie war todtenbleich, ihre halbgeöffneten Lippen ließen ihre weißen, spitzigen Zähne sehen, und ihre Stimme schien kaum sich hindurchzwängen zu können.

»Michele wartet,« sagte sie.

»Vorwärts,« sagte Luisa, indem sie Salvato die Hand reichte.

»Sie sind edel und groß, Luisa,« sagte dieser.

Und er erhob sich. Dennoch aber und trotzdem er ein Mann war, taumelte er.

»Stützen Sie sich noch einmal auf mich, mein Freund, sagte Luisa, »ach, leider wird es das letzte Mal sein.«

Als sie in das Zimmer traten, welches auf das Gäßchen ging, hörten sie ein Pferd wiehern.

Michele war auf seinem Posten.

»Oeffne das Fenster, Giovannina,« sagte Luisa.

Die Zofe gehorchte.

Ein wenig unter dem Fenster unterschied man in der Dunkelheit eine Gruppe, die aus einem Mann und einem Pferd bestand. Das Fenster öffnete in gleicher Ebene mit dem Fußboden auf einen kleinen Balcon.

Die beiden jungen Leute näherten sich. Nina, welche das Fenster geöffnet, trat auf die Seite und hielt sich hinter ihnen wie ein Schatten. Beide weinten im Dunkel, aber schweigend, ohne zu schluchzen, um nicht eins das andere zu entmuthigen.

Nina weinte nicht. Ihre Augenlider waren trocken und heiß, ihr Athemzug keuchte in der Brust.

»Luisa,« sagte Salvato mit gebrochener Stimme, »ich habe eine goldene Kette für Nina in Papier gerollt. Geben Sie ihr dieselbe in meinem Namen.«

Luisa bejahte durch eine Bewegung des Kopfes und einen Händedruck, aber ohne zu sprechen.

Dann sagte Salvato zu dem jungen Lazzarone:

»Ich danke, Michele. So lange die Erinnerung an diesen Engel« – und hier schlang er seinen Arm um Luisa's Hals – »in meinem Herzen lebt, das heißt, so lange mein Herz schlägt, wird jeder dieser Schläge in mir die Erinnerung an die Freunde wachrufen, in deren Händen ich sie zurücklasse und welchen ich sie anvertraue.«

Mit einer krampfhaften, vielleicht von ihrem Willen unabhängigen Bewegung ergriff Giovannina die Hand des jungen Mannes und drückte ihre Lippen mit einer Heftigkeit darauf, welche dem jungen Mann fast Schmerz verursachte.

Salvato drehte erstaunt das Gesicht nach ihr herum.

Sie trat zurück.

»Signor Salvato,« sagte Michele, »ich habe Ihnen Rechnung abzulegen.«

»Du wirst sie deiner alten Mutter ablegen, Michele, und ihr sagen, daß sie für Luisa und mich zu Gott und der Madonna beten solle.«

»Ach, mein Gott,« sagte Michele, »jetzt fange ich gar an zu weinen.«

»Auf Wiedersehen, mein Freund,« sagte Luisa; »mögen der Allmächtige und alle Engel des Himmels. Sie geleiten!«

»Auf Wiedersehen?«, murmelte Salvato. »Wissen Sie nicht, daß wir in Todesgefahr kommen können, wenn wir einander wieder sehen?«

Luisa ließ ihn kaum ausreden.

»Still, still,« sagte sie, »stellen wir die unbekannten Dinge der Zukunft den Händen Gottes anheim. Was aber auch geschehen möge, so sage ich Ihnen nicht für ewig Lebewohl.«

»Wohlan, es sei!« sagte Salvato, indem er über den Balcon stieg und sich in den Sattel setzte, ohne die beiden Arme zu öffnen, die er um Luisa's Hals geschlungen, welche sich mit der Geschmeidigkeit eines Rohres nach ihm hinbeugen ließ. »Wohlan, es sei, Angebetete meines Herzens! Auf Wiedersehen!«

Und die letzte Sylbe des symbolischen Wortes der Hoffnung verlor sich in einem ersten Kusse zwischen ihren Lippen.

Salvato stieß einen Ruf der Freude und gleichzeitig des Schmerzes aus, gab seinem Pferde die Sporen, so daß es fortgaloppierend ihn aus Luisa's Armen riß und mit ihm in der Finsterniß verschwand.

»Ja, ja,« murmelte die Gattin des Chevaliers, »ja, ja, Dich wiedersehen und dann sterben!«

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