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Zwanzig Jahre nachher

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»Das ist es gerade,« sprach der Musketier.

»Aber verständigen wir uns,« versetzte Athos ernst.

»Wenn Ihr unter der Sache den Königin die Sache von Herrn von Mazarin versteht, so hören wir auf, uns zu begreifen.«

»Ich sage das nicht gerade,« antwortete der Gascogner verlegen.«

»Hört, d’Artagnan,« sprach Athos, »spielen wir nicht bis zu Ende. Euer Zögern, Eure Umwege sagen mir, von welcher Seite Ihr kommt. Diese Sache wagt man allerdings nicht laut zu gestehen, und wenn man für dieselbe wirbt, so thut man es mit gesenktem Ohre und mit verlegenem Tone.«

»Ah, mein lieber Athos!« rief d’Artagnan.«

»Ei, Ihr wißt wohl,« versetzte Athos, daß ich nicht von Euch spreche, der Ihr die Perle der braven, kühnen Männer seid. Ich spreche von dem schmutzigen, intriganten Italiener, von dem Pedanten, der eine Krone auf sein Haupt zu setzen versucht, die er unter einem Kopfkissen gestohlen hat, von dem Schurken, der seine Partei die Partei des Königs nennt und die Prinzen von Geblüt in das Gefängniß zu stecken trachtet, da er es nicht wagt, sie zu tödten, wie es unser Cardinal machte, der große Cardinal; ein Wucherer, der seine Goldthaler abwägt und die beschnittenen behält, aus Furcht, obgleich er betrügt, sie beim Spiele am nächsten Tage zu verlieren; ein Schuft, der die Königin mißhandelt, wie man versichert – übrigens desto schlimmer für sie! – und in drei Monaten einen Bürgerkrieg anfangen wird, um seine Pensionen zu behalten. Das ist der Herr, den Ihr mir vorschlagt, d’Artagnan? Großen Dank!

»Gott vergebe mir, Ihr seid lebhafter, als früher,« sprach d’Artagnan, »und die Jahre haben Euer Blut erhitzt, statt es abzukühlen. Wer sagt Euch, daß dies mein Herr ist, und daß ich Euch denselben aufbringen will?«

»Teufel!« hatte der Gascogner zu sich gesagt, »einem so schlecht gestimmten Manne wollen wir unsere Geheimnisse nicht anvertrauen.«

»Aber, mein lieber Freund,« versetzte Athos, »worin bestehen dann Eure Vorschläge?«

»Ei, mein Gott, nichts ist einfacher, Ihr lebt auf Euern Gütern und seid, wie es scheint, glücklich auf Eurer goldenen Mittelstraße. Porthos hat vielleicht 50 bis 60,999 Livres Renten; Aramis hat immer noch fünfzehn Herzoginnen, die sich um den Prälaten streiten; wie sie sich um den Musketier stritten; er ist immer noch ein verdorbenes Kind den Schicksals. Aber ich, was thue ich in der Welt? Ich trage meinen Küraß und mein Büffelleder seid zwanzig Jahren an den ungenügenden Grad angeklammert, ohne vorzurücken, ohne zurückzuweichen, ohne zu leben. Ich bin todt mit einem Worte. Wenn es sich für mich darum handelt, wieder ein wenig zu erwachen, so kommt Ihr alle und sagt mir: Er ist ein Schurke! es ist ein Schuft! es ist ein Wucherer! es ist ein schlechter; Herr! Ei, bei Gott! ich bin auch Eurer Meinung, aber; findet mir einen bessern oder macht mir Renten!«

Athos dachte drei Sekunden nach, und nach diesen drei Sekunden begriff er die List von d’Artagnan, der, weil er von Anfang zu weit gegangen war, nun abbrach, um sein Spiel zu verbergen. Er sah deutlich, daß die Vorschläge, die man ihm gemacht hatte, ernst gemeint; waren, und sich in ihrer ganzen Entwicklung erklärt haben würden, wenn er ihnen etwas länger sein Ohr geliehen hätte.

»Gut,« sagte er sich, »d’Artagnan ist Mazarin.«

Von diesem Augenblick an beobachtete er ihn mit außerordentlicher Klugheit.«

D’Artagnan seinerseits spielte verschlossenen als je.

»Aber Ihr habt einen Gedanken?« fuhr Athos fort.

»Allerdings, ich wollte von Euch Allen Rath einholen, um darauf bedacht zu sein, etwas zu thun, denn die Einen ohne die Andern sind wir immer unvollständig.«

»Allerdings. Ihr spracht mir von Porthos; habt Ihr ihn bestimmt, Vermögen zu suchen. Aber er besitzt Vermögen?«

»Ganz gewiß, er besitzt. Doch der Mensch ist einmal so, er wünscht immer etwas Anderes.«

»Und was wünscht Porthos«

»Baron zu sein.«

»Ah, das ist wahr; ich hatte es vergessen,« sprach Athos lachend.

»Es ist wahr?« dachte d’Artagnan, »und woher hat er es erfahren? Sollte er mit Aramis im Briefwechsel stehen? Ah! wenn ich das wüßte, so wüßte ich Alles.«

Hier endigte die Unterredung, denn gerade in diesem Augenblick erschien Raoul. Athos wollte ihn ohne Bitterkeit zanken, aber der junge Mensch sah so betrübt aus, daß er nicht den Muth hatte und sich unterbrach, um ihn zu fragen, was ihm wäre.

»Sollte es bei unserer jungen Nachbarin schlimmer gehen?« sprach d’Artagnan.

»Ach! Herr,« versetzte Raoul, beinahe unter dem Schmerze erstickend, »ihr Fall ist sehr ernst und der Arzt befürchtet, sie werde, wenn auch ohne scheinbare Mißstaltung, ihr ganzen Leben hinken.«

»Ah, das wäre furchtbar!« sprach Athos.

D’Artagnan hatte einen Scherz aus den Lippen, als er aber sah, welchen Antheil Athos an dem Unglück nahm, hielt er ihn zurück.

»O, Herr, was mich am meisten hierbei in Verzweiflung bringt,« versetzte Raoul, »ist der Umstand, daß ich die Ursache dieses Unglücks bin.«

»Wie Du, Raoul?« fragte Athos.

»Allerdings: ist sie nicht um zu mir zu laufen, von dem Holzstoße herabgesprungen?«

»Es bleibt Euch kein anderen Mittel, mein lieber Raoul, als sie zur Sühnung zu heirathen,« sagte d’Artagnan.

»Mein Herr,« entgegnete Raoul, »Ihr scherzt mit einem wahren Kummer: das ist schlimm!«

Und Raoul, der der Einsamkeit bedurfte, um nach Belieben weinen zu können, ging in sein Zimmer, das er erst zur Frühstücksstunde wieder verließ.

Das gute Einverständniß der zwei Freunde hatte sich nicht im Mindesten durch das Scharmützel um Morgen verändert: sie frühstückten mit dem besten Appetit und schauten von Zeit zu Zeit den armen Raoul an, der, die Augen feucht, das Herz schwer, kaum die Speisen berührte.

Am Ende des Frühstücks kamen zwei Briefe, welche Athos mit der größten Aufmerksamkeit las, ohne sich wiederholt eines Bebens enthalten zu können. D’Artagnan, der ihn diese Briefe von der Seite des Tisches an der andern lesen sah und dessen Gesicht äußerst scharf war schwor, er erkenne auf eine untrügliche Weise die kleine Handschrift von Aramis. Bei dem andern Brief nahm er eine lange, schwankende Frauenhandschrift wahr.

»Kommt,« sagte d’Artagnan zu Raoul, als er sah, daß Athos allein zu bleiben wünschte, entweder, um die Briefe zu beantworten oder um darüber nachzudenken; »kommt, wir wollen einen Gang in dem Fechtsaale machen, das wird Euch zerstreuen.«

Der junge Mensch schaute Athos an, welcher seinen Blick mit einem Zeichen der Beistimmung beantwortete.

D’Artagnan und Raoul gingen in einen Saal, in welchem Rappiere, Handschuhe, Bruststücke und ähnliche zum Fechten gehörige Gegenstände aufgehängt waren.

»Nun?« fragte Athos, als er nach einer Viertelstunde im Saale erschien.

»Eo ist bereite Euere Hand, mein lieber Athos,« antwortete d’Artagnan, »und wenn es auch Euer kalten Blut wird, so habe ich Euch nur mein Compliment zu machen.«

Der junge Mensch War etwas beschämt. Für die paar Male, die er d’Artagnan am Arm oder am Schenkel berührt hatte, hatte ihn dieser zwanzigmal auf den vollen Leib getroffen.

In diesem Augenblick trat Charlot ein und überbrachte, einen sehr eiligen Brief für d’Artagnan, den ein Bote so eben abgegeben hatte.«

Nun war die Reihe an Athos, aus einem Winkel des Auges zu beobachten.

D’Artagnan las den Brief ohne eine scheinbare Bewegung und sagte, nachdem er ihn gelesen hatte, mit einem leichten Schütteln des Kopfes:

»Seht, mein lieber Freund, was der Dienst ist, und Ihr habt meiner Treue Recht, nicht wieder eintreten zu wollen: Herr von Treville ist krank geworden, die Compagnie kann meiner nicht entbehren und mein Urlaub geht; somit verloren.«

»Ihr kehrt nach Paris zurück?« sprach Athos lebhaft.

»Ei, mein Gott! ja,« erwiderte d’Artagnan; »aber kommt Ihr nicht auch selbst dahin?«

Athos erröthete ein wenig und antwortete:

»Wenn ich dahin käme, würde ich mich sehr glücklich schätzen Euch zu sehen.«

»Holla! Planchet!« rief d’Artagnan aus der Thüre, »wir reisen in zehn Minuten: gib den Pferden Haber.«

Dann sich gegen Athos umwendend:«

»Es ist mir, als fesselte mich etwas hier und es thut mir in der That unendlich leid, Euch verlassen zu müssen, ohne den guten Grimaud gesehen zu haben.«

»Grimaud?« versetzte Athos. »Ach! es ist wahr, ich wunderte mich, daß Ihr Euch nicht nach ihm erkundigtet. Ich habe ihn einem von meinen Freunden geliehen.«

»Der sein Zeichen versteht?« sagte d’Artagnan.

»Ich hoffe es.«

Die zwei Freunde umarmten steh herzlich. d’Artagnan drückte Raoul die Hand, nahm Athos das Versprechen ab, ihn zu besuchen, wenn er nach Paris käme, und ihm zu schreiben, wenn er nicht käme. Planchet, pünktlich wie immer, saß bereite im Sattel.

»Komm Ihr nicht mit mir?« sprach d’Artagnan lachend zu Raoul; »ich reite durch Blois.«

Raoul wandte sich gegen Athos um, der ihn durch ein unmerkliches Zeichen zurückhielt.

»Mein Herr,« antwortete der Jüngling, »ich bleibe bei dem Herrn Grafen.«

»In diesem Falle lebt wohl, alle Beide,« sprach d’Artagnan und drückte ihnen zum letzten Male die Hand, »und Gott beschütze Euch, wie wir sagten, so oft wir uns zur Zeit den seligen Cardinals trennten.«

Athos machte ihm ein Zeichen mit der Hand, Raoul eine Verbeugung und d’Artagnan entfernte sich mit Planchet.

Der Graf folgte ihnen mit den Augen, die Hand auf die Schulter des jungen Menschen gestützt, dessen Höhe beinahe der seinigen gleichkam, aber sobald sie hinter der Mauer verschwunden waren, sagte Athos:

»Raoul, wir reisen diesen Abend nach Paris.«

»Wie!« rief der Jüngling erbleichend.

»Du kannst Dein Lebewohl und das meinige Frau von Saint-Remy vermelden. Ich erwarte Dich hier uni sieben Uhr.«

Der Jüngling verbeugte sich mit einem von Schmerz und Dankbarkeit gemischten Ausdrucke und ging weg, um sein Pferd zu satteln.

 

D’Artagnan war kaum aus dem Blicke, als er den Brief aus der Tasche zog, um ihn noch einmal zu lesen:

»Kommt auf der Stelle nach Paris zurück.

J. M.«

»Der Brief ist trocken,« murmelte d’Artagnan, »und wenn nicht eine Nachschrift dabei wäre, hätte ich ihn vielleicht nicht verstanden, aber zum Glücke findet sich eine Nachschrift.«

Und er las die herrliche Nachschrift, die ihn die Trockenheit des Briefes vergessen ließ.

N.S. Geht zu dein Schatzmeister des Königs in Blois, nennt ihm Euren Namen und zeigt ihm diesen Brief; Ihr werdet zweihundert Pistolen erhalten.«

»Diese Prosa liebe ich,« sprach d’Artagnan, »und der Cardinal schreibt besser, also ich glaubte. Vorwärts, Planchet, wir wollen dem Herrn Schatzmeister des Königs einen Besuch machen, und dann die Sporen eingesetzt!«

»Nach Paris, gnädiger Herr?«

»Nach Paris.«

Und Beide ritten in starkem Trabe die Straße entlang.

XVIII
Herr von Beaufort

Man vernehme, was sich ereignet hatte und was die Ursachen waren, welche die Rückkehr von d’Artagnan nach Paris nothwendig machten.

Als sich eines Abends Mazarin, seiner Gewohnheit gemäß, zu einer Stunde, wo sich alle Welt entfernt hatte, zu der Königin begab und an dem Saale der Wachen vorüber kam, dessen eine Thüre nach dem Vorzimmer ging, hörte er laut in diesem Saale sprechen; er wollte wissen, worüber die Soldaten sich unterhielten, näherte sich, ebenfalls seiner Gewohnheit gemäß, mit Wolfstritten, stieß die Thüre etwas auf und steckte durch die Oeffnung den Kopf hinein.

Es war ein Streit unter den Wachen.

»Und ich erwidere Euch,« sprach Einer von den Soldaten, »wenn Coysel dies vorhergesagt hat, so ist die Sache so gewiß, als ob sie bereits geschehen wäre. Ich kenne ihn nicht, aber ich habe gehört, er wäre nicht nur ein Astrolog, sondern auch ein Magier.«

»Pest! mein Lieber, wenn er zu Deinen Freunden gehört, so nimm Dich in Acht, Du leistest ihm einen schlechten Dienst.«

»Warum dies?«

»Weil man ihm leicht den Prozeß machen könnte.«

»Ah, bah! man verbrennt heut zu Tage die Zauberer nicht mehr.«

»Nicht? Es scheint mir jedoch, es ist noch nicht so, lange her, daß der verstorbene Cardinal Urbain Grandier verbrennen ließ. Ich weiß was davon zu erzählen, ich war Wache bei dem Scheiterhaufen und sah ihn rösten.«

»Mein Lieber, Urban Grandier war kein Zauberer, sondern ein Gelehrter, das ist ganz etwas Anderes. Urbain Grandier weissagte nicht die Zukunft, sondern er kannte die Vergangenheit, was zuweilen noch viel schlimmer ist.«

Mazarin schüttelte beipflichtend den Kopf. Da er aber wissen wollte, über welche Weissagung man stritt, so blieb er auf der Stelle.

»Ich sage Dir nicht,« versetzte der Soldat, »Coysel sei kein Zauberer, sondern ich sage Dir, das wenn er seine Weissagung zum Voraus bekannt macht, dies das Mittel ist, daß sie nicht in Erfüllung geht.«

»Warum?«

»Ganz gewiß, wenn wir nun mit einander schlagen, und ich sage Dir, ich will Dir eine Terze oder will Dir eine Sekunde beibringen, so parierst Du natürlich. Wenn nun Coysel so laut sagt, daß es der Cardinal hört, an dem und dem Tag wird sich der und der Gefangene flüchten, so wird der Cardinal offenbar seine Maßregeln so gut nehmen, daß sich der Gefangene nicht flüchten kann.

»Ei, mein Gott,« sprach ein Anderer, der, auf einer Bank gelagert, zu schlafen schien und trotz seines scheinbaren Schlafes kein Wort von dem Gespräche verlor, »glaubt Ihr, die Menschen können ihrem Geschicke entgehen? Wenn es da oben geschrieben steht, daß Herr den Beaufort sich flüchten soll, so wird er sich flüchten, und alle Vorsichtsmaßregeln des Cardinals können es nicht verhindern.«

Mazarin bebte. Er war Italiener, das heißt, abergläubisch. Rasch trat er mitten unter die Wachen, welche ihn gewahr werdend, ihr Gespräch unterbrachen.

»Was sagtet Ihr, meine Herren,« sprach er mit seinem schmeichelnden Lächeln. »Ich glaubte, Herr von Beaufort wäre entwichen.«

»Oh! nein, Monseigneur,« sprach der ungläubige Soldat, für den Augenblick ist noch keine Gefahr. Man sagte nur, er sollte entweichen.«

»Und wer sagt dies?«

»Wiederholt Eure Geschichte, Saint-Laurent,« sagte der Garde, sich gegen den Erzählen umwendend.

»Monseigneur,« sprach dieser, »ich erzählte ganz einfach diesen Herren, was ich von der Weissagung eines gewissen Coysel gehört habe, welcher behauptet, so gut auch Herr von Beaufort bewacht sei, so werde er doch vor Pfingsten entkommen.«

»Und dieser Coysel ist ein Träumer? ein Narr?« versetzte der Cardinal, beständig lächelnd.

»Nein,« antwortete der Garde, hartnäckig in seiner Einseitigkeit.« Er weissagte viele Dinge, welche geschehen sind, z. B. die Königin würde einen Sohn gebären, Coligny in einem Duell mit dem Herzog von Guise getödtet, der Coadjutor zum Cardinal ernannt werden. Die Königin gebar nicht nur einen ersten Sohn, sondern auch zwei Jahre später einen zweiten und Herr von Coligny wurde getödtet.«

»Ja.« sagte Mazarin, »aber der Herr Coadjutor ist noch nicht Cardinal.«

»Nein, Monseigneur,« erwiderte der Garde, »aber er wird es werden.«

Mazarin machte eine Grimasse, welche sagen wolltet er hat das Baret noch nicht. Dann fügte er bei:

»Es ist also Eure Meinung, mein Freund, Herr von Beaufort solle sich flüchten.«

»Daß ist so sehr meine Meinung, Monseigneur,« sprach der Soldat, »daß ich, wenn Eure Eminenz mir zu dieser Stunde die Stelle von Herrn von Chavigny, das heißt, die des Gouverneurs im Schlosse Vincennes anböte, ich dieselbe nicht annehmen würde. Ja, am Tage nach Pfingsten wäre es etwas Anderes.«

Es gibt nichts Ueberzeugenderes, als eine große Ueberzeugung. Sie übt sogar ihren Einfluß auf Ungläubige aus, und weit entfernt, ungläubig zu sein, war Mazarin, wie gesagt, vielmehr abergläubisch. Er entfernte sich also ganz in Gedanken versunken.

»Der Knauser!« sprach der Garde, welcher an der Wand lehnte. »Er stellte sich, als glaubte er nicht an Euren Magier, Saint-Laurent, damit er Euch nichts zu geben brauchte. Aber sobald er in seine Wohnung zurückgekehrt ist, wird er Eure Weissagung benützen.

Statt seinen Weg nach dem Zimmer der Königin fortzusetzen, lehrte Mazarin wirklich nach seinem Cabinet zurück, rief Bernouin und gab Befehl, man solle ihm am andern Morgen bei Tagesanbruch den Gefreiten holen, den er Herrn von Beaufort beigegeben habe, und ihn wecken, so bald er kommen würde.

Ohne es zu vermuthen, hatte der Garde die schmerzlichste Wunde den Cardinals mit dem Finger berührt. Seit den fünf Jahren, die Herr von Beaufort im Gefängnisse saß, verging kein Tag, an welchem Mazarin nicht dachte, Herr von Beaufort werde früher oder später entkommen. Man konnte einen Enkel von Heinrich IV. nicht sein ganzes Leben lang gefangen halten, besonders wenn dieser Enkel von Heinrich IV. kaum dreißig Jahre alt war. Aber wie er den Kerker verlassen mochte, welchen Haß mußte er nicht in feiner Gefangenschaft gegen denjenigen angehäuft haben, welchem er dieselbe zu danken hatte, … der ihn, reich, tapfer, berühmt, von den Frauen geliebt, von den Männern gefürchtet, gefaßt hatte, um von seinem Leben die schönsten Jahre abzuschneiden, denn im Gefängniß leben ist kein Dasein. Mittlerweile verdoppelte Mazarin seine Wachsamkeit gegen Herrn von Beaufort, nur war er dem Geizigen in der Fabel ähnlich, der neben seinem Schatze nicht schlafen konnte. Oft erwachte er plötzlich in der Nacht bei dem Traume, man habe ihm Herrn von Beaufort gestohlen. Dann erkundigte er sich nach ihm, und bei jeder Erkundigung, die er einzog, mußte er zu seinem Schmerze erfahren, der Gefangene spiele, trinke, singe und befinde sich ganz vortrefflich. Aber mitten im Spielen, Trinken und Singen unterbreche er sich immer wieder, um zu schwören, Mazarin soll ihm das Vergnügen, das er ihn in Vincennes zu genießen nöthige, theuer bezahlen.

Dieser Gedanke beschäftigte den Minister ganz gewaltig. Als Bernouin Morgens sieben Uhr in sein Zimmer trat, um ihn aufzuwecken, war auch sein ersten Worte:

»He, was gibt es? Ist Herr von Beaufort aus Vincennes entwichen?«

»Ich glaube nicht, Monseigneur,« antwortete Bernouin, dessen officielle Ruhe sich nie verleugnete. »Aber in jedem Fall bekommt Ihr Nachricht von ihm, denn der Gefreite La Ramée, den man diesen Morgen in Vincennes geholt hat, ist da und erwartet die Befehle Eurer Eminenz.«

»Öffnet und laßt ihn eintreten,« sprach Mazarin, und legte seine Kissen so zurecht, daß er ihn im Bette sitzend empfangen konnte.«

Der Offizier7 trat ein. Es war ein großer, dicker, pausbäckiger Mann von gutem Aussehen. Er hatte eine gewisse ruhige Miene, welche Mazarin beunruhigte.

»Dieser Bursche sieht ganz aus, wie ein Dummkopf,« murmelte er.

Der Gefreite blieb aufrecht und stillschweigend an der Thüre stehen.

»Nähert Euch, mein Herr,« sagte Mazarin.

Der Gefreite gehorchte.

»Wißt Ihr, was man hier sagt?« fuhr der Cardinal fort.«

»Nein, Monseigneur.«

»Nun wohl, man sagt, Herr von Beaufort werde aus Vincennes entweichen, wenn er es nicht bereite gethan hat.«

Das Gesicht des Officiers drückte das tiefste Erstaunen aus. Er öffnete zugleich seine kleinen Augen und seinen großen Mund, um den Scherz besser zu kosten, den seine Eminenz an ihn zu richten ihm die Ehre erwies. Da er bei einer solchen Voraussetzung den Ernst nicht länger behaupten konnte, so brach er in ein so mächtigen Gelächter aus, daß seine dicken Glieder wie von einem heftigen Fieber bei dieser Heiterkeit geschüttelt wurden.

Mazarin war entzückt über diesen nicht sehr respecktvollen Ausbruch; aber er behielt dessen ungeachtet seine ernste Miene bei. Als La Ramée genug gelacht und sich die Augen abgetrocknet hatte, dachte er, es wäre Zeit, zu sprechen, um die Unschicklichkeit seiner Lachens zu entschuldigen.

Entweichen,« sprach er, »entweichen? Eure Eminenz weiß also nicht, wo Herr von Beaufort ist?«

»Allerdings, mein Herr, ich weiß, daß er im Kerker von Vincennes ist.«

»Ja, Monseigneur, in einem Zimmer, dessen Mauern sieben Fuß tief sind, mit Fenstern mit gekreuzten Gittern, an denen jede Stange so dick ist, wie ein Arm.«

»Mein Herr,« sagte Mazarin, »mit Geduld dringt man durch alle Mauern, und mit einer Uhrfeile durchsägt man eine eiserne Stange.«

»Aber Monseigneur weiß nicht, daß er acht Wachen bei sich hat, vier in seinem Vorzimmer und vier in seinem Zimmer, und daß diese Wachen ihn nie verlassen.«

»Aber er verläßt sein Zimmer, treibt das Kolbenspiel oder das Ballspiel.«

»Monseigneur, solche Unterhaltungen sind den Gefangenen gestattet; wenn jedoch Seine Eminenz will, so wird man ihm dieselbe entziehen.«

»Nein, nein,« sagte Mazarin, welcher befürchtete, wenn man ihm diese Vergnügungen entzöge und sein Gefangener jemals Vincennes verließe, so würde er es noch mehr gegen ihn aufgebracht verlassen. »Ich frage nur, mit wem er spielt?«

»Monseigneur, er spielt mit dem Officier von der Wache, oder mit mir, oder auch mit den andern Gefangenen.«

»Aber nähert er sich beim Spiele nicht den Mauern?«

»Monseigneur, Euere Eminenz kennt die Mauern nicht? Die Mauern sind sechzig Fuß hoch, und ich zweifle, ob Herr von Beaufort so sehr den Lebens müde ist, daß er es wagen würde, von oben herabspringend den Hals zu brechen.«

»Hm,« sagte der Cardinal, der nun ruhiger zu werden anfing, »Ihr meint also, mein lieber La Ramée …«

»Wenn Herr von Beaufort nicht Mittel findet, sich in einen kleinen Vogel zu verwandeln, so stehe ich für ihn.«

»Nehmt Euch in Acht, Ihr behauptet zu viel,« versetzte Mazarin. »Herr von Beaufort sagte zu den Wachen, welche ihn nach Vincennes führten, er habe oft an den Fall, daß man ihn einkerkern würde, gedacht und habe für diesen Fall vierzigerlei Manieren gefunden, aus dem Gefängniß zu entkommen.«

»Monseigneur, wenn unter den vierzig Manieren eine gute wäre,« antwortete La Ramée, »glaubt mir, so wäre er längst heraus.«

»Er ist nicht so dumm, als ich wähnte,« murmelte Mazarin.

»Ueberdies vergißt Monseigneur, daß Herr von Chavigny Gouverneur von Vincennes ist,« fuhr La Ramée fort und daß Herr von Chavigny nicht zu den Freunden von Herrn von Beaufort gehört.«

 

»Aber Herr von Chavigny entfernt sich.«

»Wenn er sich entfernt, bin ich da.«

»Aber wenn Ihr Euch selbst entfernt.«

»Oh, wenn ich mich selbst entferne, so ist an meiner Stelle ein kluger Bursche da, der Gefreiter Seiner Majestät zu werden trachtet und gute Wache hält, dafür stehe ich. Seit ich ihn vor drei Wochen in meinen Dienst genommen habe, kann ich ihm nur Einen zum Vorwurf machen, daß er zu hart gegen den Prinzen ist.«

»Und wer ist dieser Cerberus?« fragte der Cardinal.«

»Ein gewisser Herr Grimaud, Monseigneur.«

Was machte er, ehe er zu Euch nach Vincennes kam?«

»Er war in der Provinz, wie mir derjenige sagte, welcher mir ihn empfohlen hat. Er hat sich dort wegen eines bösen Streites irgend eine schlimme Geschichte zugezogen und es wäre ihm vielleicht erwünscht, sich Straflosigkeit unter der Uniform des Königs zuzuziehen.«

»Und wer hat ihn Euch empfohlen?«

»Der Intendant des Herrn Herzogs von Grammont.«

»Man kann also Eurer Meinung nach auf ihn vertrauen?«

»Wie auf mich selbst, Monseigneur.«

»Er ist kein Schwätzer?«

»Jesus Christus, Monseigneur, ich glaubte lange, er wäre stumm. Er spricht und antwortet nur durch Zeichen. Es scheint, sein früherer Herr hat ihn so abgerichtet.«

»Nun wohl, sagt ihm, mein lieber Herr La Ramée,« versetzte der Cardinal, »wenn er gut und getreulich Wache halte, so werde man die Augen über seinen Provinzstreichen schließen, ihm eine Uniform auf den Rücken legen, um ihm Achtung zu verschaffen, und in die Taschen dieser Uniform einige Pistolen stecken, daß er auf die Gesundheit des Königs trinken könne.«

Mazarin ging sehr weit in Versprechungen. Er war gerade das Gegentheil von dem von La Ramée gerühmten guten Herrn Grimaud, welcher wenig sprach und viel handelte.

Der Cardinal machte noch eine Menge Fragen an La Ramée über den Gefangenen, über seine Nahrungsmittel, seine Wohnung, sein Bett, und La Ramée beantwortete diese Fragen so genügend, daß er ihn beinahe beruhigt entließ.

Da es neun Uhr Morgens war, so stand er auf, parfümierte, kleidete sich und ging zu der Königin, um ihr die Ursachen mitzutheilen, die ihn in seiner Wohnung zurückgehalten hatten. Die Königin, welche Herrn von Beaufort kaum weniger fürchtete, als den Cardinal selbst, und beinahe eben so abergläubisch war, wie er, ließ ihn Wort für Wort alle Versprechungen von La Ramée und alle Lobeserhebungen wiederholen, die dieser seinem Gehilfen gespendet hatte. Sobald der Cardinal damit zu Ende war, sagte sie mit halber Stimme zu ihm:

»Ach! Herr, daß wir nicht einen Grimaud bei jedem Prinzen haben.«

»Geduld,« sprach Mazarin, mit seinem italienischen Lächeln; »das wird vielleicht einen Tage kommen, aber mittlerweile …«

»Nun mittlerweile?«

»Werde ich immerhin meine Vorsichtsmaßregeln nehmen.«

Und hiernach hatte er d’Artagnan geschrieben, er möge seine Rückkehr beschleunigen.

7Gefreiter – Excempt – hatte in Frankreich einen viel weiteren Umfang. Der Gefreite bei den Garden zum Beispiel hatte Rittmeister oder Hauptmanns Rang.
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