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Zwanzig Jahre nachher

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XIX
Woran sich der Herzog von Beaufort im Kerker ergötzte

Der Gefangene, der dem Herrn Cardinal so bange machte, und dessen Entweichungsmittel die Ruhe des ganzen Hofes störten, hatte kaum eine Ahnung von der Angst, die man seinetwegen im Palais Royal empfand.

Er sah sich so bewunderungswürdig bewacht, daß er die Fruchtlosigkeit seiner Versuche erkannte; seine ganze Rache bestand darin, daß er zahllose Verwünschungen und Schmähworte gegen Mazarin ausstieß. Er versuchte es sogar, Verse zu machen, leistete aber sehr bald wieder darauf Verzicht. Herr von Beaufort hatte nicht nur von dem Himmel die Gabe der Dichtkunst nicht erhalten, sondern er drückte sich sogar oft in Prosa mit der größten Mühe aus.

Der Herzog von Beaufort war der Enkel von Heinrich IV. und Gabriele d’Esnées, eben so gut, eben so brav und besonders eben so Gascogner wie sein Großvater, aber bedeutend weniger in den Wissenschaften bewandert. Nachdem er eine Zeit lang nach dem Tode von König Ludwig XIII. der Günstling, der Mann des Vertrauens, kurz der Erste am Hofe gewesen,war, mußte er einen Tagen seinen Platz Mazarin abtreten und wurde der Zweite. Und am Tage nachher, da er so wahnsinnig war, sich über diese Versetzung zu ärgern, und so unklug, es zu sagen, ließ ihn die Königin verhaften und durch denselben Guitaut nach Vincennes führen, den wir am Anfange dieser Geschichte gesehen haben, und wieder zu finden Gelegenheit haben werden. Wohl verstanden, wer sagt: die Königin, sagte Mazarin. Man hatte sich seiner Person und seiner Ansprüche nicht nur entledigt, sondern man berücksichtigte ihn auch gar nicht mehr, ein so populärer Prinz er auch war, und seit fünf Jahren bewohnte er ein sehr wenig königlichen Zimmer in dem Thurme von Vincennes.«

Dieser Zeitraum, welcher die Ideen jedes Andern, als des Herrn von Beaufort, gereift hätte, ging über seinem Haupte hin, ohne irgend eine Veränderung zu bewerkstelligen. Ein Anderer würde in der That bedacht haben, daß er, wenn er nicht seinen Stolz darein gesetzt hätte, dem Cardinal zu trotzen, die Prinzen zu verachten und allein zu gehen, ohne andere Parteigänger, als, wie der Cardinal von Retz sagt, einige schwermüthige Träumer, seit fünf Jahren seine Freiheit oder Vertheidiger haben müßte. Diese Betrachtungen entstanden wahrscheinlich nicht in dem Geiste des Herzogs, den seine lange Gefangenschaft nur noch mehr in seiner Starrköpfigkeit befestigte. Und jeden Tag erhielt der Cardinal Nachrichten von ihm, die seiner Eminenz im höchsten Grade unangenehm waren.

Nachdem Herr von Beaufort in der Poesie gescheitert war, versuchte er es in der Malerei, und da seine ziemlich mittelmäßigen Talente in dieser Kunst es ihm nicht gestatteten, eine große Aehnlichkeit zu erreichen, so schrieb er, um keinen Zweifel über das Original des Porträts Raum zu geben, unter dasselbe, »Ritratto dell illustrissimo Facchino Mazarini.« Herr von Chavigny hiervon in Kenntniß gesetzt, machte dem Herzog einen Besuch und bat ihn, sich einen andern Zeitvertreib zu wählen oder wenigstens Porträte ohne Legenden zu machen. Am andern Tage war das Zimmer voll von liegenden und Porträten. Herr von Beaufort glich, wie übriges alle Gefangene, den Kindern, welche nur hartnäckig auf Dingen bestehen, die man ihnen verbietet.

Herr von Chavigny wurde von diesem Zuwachs von Profilen unterrichtet. Seiner nicht hinreichend sicher, um den Kopf de face zu wagen, hatte Herr von Baufort aus seinem Zimmer einen wahren Ausstellungssaal gemacht. Diesmal sagte der Gouverneur nichts; als aber eines Tages Herr von Beaufort Ball spielte, ließ er mit dem Schwamm über alle diese Zeichnungen fahren und das Zimmer mit Wasserfarbe bemalen.

Herr von Beaufort dankte Herrn von Chavigny, theilte diesmal sein Zimmer in Felder und widmete jeden von diesen Feldern einem Zuge aus dem Leben des berühmten Cardinals von Mazarin.«

Das erste Feld sollte den hochwürdigsten Schurken Mazarini darstellen, wie er eine Tracht Prügel von dem Cardinal Bentivoglio empfing, dessen Bedienter er gewesen war.

Das zweite den hochwürdigen Schurken Mazarini, die Rolle von Ignaz von Loyola in der Tragödie dieses Namens spielend.

Das dritte den hochwürdigsten Schurken Mazarini, das Portefeuille des ersten Ministers Herrn von Chavigny stehlend, der es bereits in den Händen zu haben glaubte.

Das vierte endlich den hochwürdigsten Schurken Mazarini, wie er La Porte, dem Kammerdiener von Ludwig XIII. Leintücher verweigert und behauptet, es sei für einen König von Frankreichs hinreichend, alle Vierteljahre die Leintücher zu wechseln.

Es waren dies großartige Compositionen, welche offenbar den Umfang des Talentes des Gefangenen überstiegen, und so begnügte er sich, die Rahmen zu zeichnen und die, Inschriften hinein zu setzten.

Aber diese Rahmen und die Inschriften genügten, um die Empfindlichkeit von Herrn von Chavigny zu erregen, welcher Herrn von Beaufort in Kenntniß setzen ließ, wenn er nicht auf die beabsichtigten Gemälde Verzicht leiste, so werde er ihm jedes Mittel zur Ausführung entziehen. Herr von Beaufort antwortete, da man ihn der Möglichkeit beraube, sich einen Ruf durch die Waffen zu erwerben, so wolle er sich einen solchen in der Malerei machen; da er kein Bayard oder Trivulce werden könne, so wolle er ein Michel Angelo oder Raphael werden. Als Herr von Beaufort eines Tages im Gefängnißgarten spazieren ging, nahm man ihm sein Feuer, mit seinem Feuer seine Kohle, mit seiner Kohle seine Asche weg, so daß er nicht den geringsten Gegenstand mehr fand, woraus er einen Zeichenstift hätte machen können.

Herr von Beaufort schwor, tobte, heulte und sagte, man wolle ihn vor Kälte und Feuchtigkeit sterben lassen, wie Puylaurens, der Marschall Ornano und der Großprior von Vendome gestorben seien, worauf Herr von Chavigny antwortete, er habe nur sein Wort zu geben, er wolle auf das Zeichnen Verzicht leisten, oder zu versprechen, er wolle keine historischen Gemälde mehr machen, und man werde ihm Holz und Alles zurückschaffen, was er brauche, um es anzuzünden. Herr von Beaufort wollte sein Wort nicht geben und blieb die übrige Zeit des Winters ohne Feuer.

Mehr noch, während der Gefangene einst ausging, kratzte man die Inschriften ab, und das Zimmer war wieder weiß und kahl und ohne irgend eine Spur von einer Freske.

Herr von Beaufort kaufte nun einem von seinen Wächtern einen Hund, Namens Pistache, ab; da nichts entgegenstand, daß die Gefangenen einen Hund hatten, so gab Herr von Chavigny die Erlaubniß, daß das vierfüßige Thier seinen Herrn wechsle. Herr von Beaufort blieb oft Stunden lang mit seinem Hunde eingeschlossen. Man vermuthete wohl, daß sich der Gesangene während dieser Stunden mit der Erziehung von Pistache beschäftigte, aber man wußte nicht, in welcher Richtung er dies that. Als Pistache hinreichend abgerichtet war, lud Herr von Beaufort einen Tages Herrn von Chavigny und die Offiziere von Vincennes zu einer großen Vorstellung ein, die er in seinem Zimmer gab. Die Eingeladenen erschienen, das Zimmer war mit so vielen Kerzen beleuchtet, als Herr von Beaufort sich hatte verschaffen können. Die Uebungen begannen.

Der Gefangene hatte mit einem von der Mauer abgelöstes Stücke Gyps mitten durch das Zimmer eine lange Linie, einen Strick darstellend, gezogen. Pistache setzte sich auf den ersten Befehl seinen Herrn auf diese Linie, stellte sich sodann auf seine Hinterpfoten und fing an, einen Kleiderausklopfstock zwischen seinen Vorderpfoten haltend, der Linie mit allen Windungen zu folgen, die ein Seiltänzer macht. Nachdem er die Länge der Linie zwei- oder dreimal vor- und rückwärts durchlaufen hatte, gab er den Stock Herrn von Beaufort zurück und machte dieselben Evolutionen ohne Balancierstange.

Das gescheite Thier wurde mit Beifallsbezeugungen überhäuft.

Das Schauspiel war in drei Abtheilungen getheilt. Sobald die erste beendigt war, ging man zu der zweiten über. Es handelte sich zuerst darum, anzugeben, wie viel Uhr es war.

Herr von Chavigny zeigte Pistache seine Uhr. Es war halb sieben Uhr.

Pistache hob und senkte die Pfote sechsmal und bei dem siebenten Male blieb dieselbe in der Luft. Man konnte unmöglich klarer sein. Eine Sonnenuhr hätte nicht besser geantwortet. Wie Jedermann weiß, hat die Sonnenuhr den Nachtheil, daß sie die Stunde nur angibt, wenn die Sonne scheint.

Dann handelte es sich darum zu erkennen, wer der beste Kerkermeister aller Gefängnisse von Frankreich wäre.

Der Hund machte dreimal die Runde und legte sich auf die ehrfurchtsvollste Weise Herrn von Chavigny zu Füßen.

Herr von Chavigny stellte sich, als fände er den Scherz vortrefflich und lachte aus vollem Halse. Als er genug gelacht hatte, biß er sich auf die Lippen und fing an die Stirne zu runzeln.

Endlich legte Herr von Beaufort Pistache die so schwer zu lösende Frage vor, wer der grüßte Dieb in der Welt wärt?

Pistache machte die Runde im Zimmer, hielt aber vor Niemand stille, sondern ging an die Thüre und fing an zu kratzen und zu winseln.

»Seht, meine Herren,« sprach der Prinz, »da dieses interessante Thier hier nicht findet, was ich wissen will, so beabsichtigt es außen zu suchen. Aber seid unbesorgt, seine Antwort soll Euch deshalb nicht entzogen sein. Pistache, mein Freund,« fuhr der Herzog fort, »komme hierher.« Der Hund gehorchte. »Ist der grüßte Dieb der bekannten Welt,« sprach der Prinz, »der Herr Secretär des Königs,« Le Camus, der mit zwanzig Livres nach Paris gekommen ist und jetzt sechs Millionen besitzt?«

Der Hund schüttelte den Kopf zum Zeichen der Verneinung.

»Ist es,« fuhr der Prinz fort, »Herr d’Emery, der seinem Sohne, Herrn Thore bei seiner Verheirathung 300,000 Livres Renten und ein Hotel gegeben hat, neben dem die Tuilerien eine Barake und der Louvre ein Rattennest sind?«

Der Hund schüttelte abermals den Kopf.

»Der ist es auch nicht,« sprach der Prinz. »Nun, wir wollen suchen. Sollte eo zufällig der hochwürdigste Facchino Mazarini di Piscina sein?«

 

Pistache machte die eifrigsten Zeichen der Bejahung, indem er den Kopf acht bis neun mal hob und senkte.

»Meine Herren, Ihr seht,« sprach Herr von Beaufort zu den Anwesenden, die diesmal nicht zu lachen wagten, »der hochwürdigste Facchino Mazarini di Piscina ist der größte Dieb der bekannten Welt. Pistache behauptet es wenigstens.«

»Gehen wir zu einer andern Uebung über.«

»Meine Herren,« fuhr Herr von Beaufort fort, ein großen Stillschweigen benützend und das Programm der dritten Abtheilung der Abendunterhaltung verkündigend, »Ihr wißt, daß der Herr Herzog von Guise alle Hunde von Paris für Fräulein de Pons, die er für die Schönste der Schönen erklärte, springen lehrte. Nun, meine Herren, das war nichts; denn diese Thiere gehorchten maschinenmäßig und wußten keinen Unterschied zwischen denjenigen zu machen, für welche sie nicht springen sollten. Pistache wird Euch, so wie dem Herrn Gouverneur zeigen, daß er hoch über seinen Genossen steht. Herr von Chavigny, habt die Güte, mir Euern Stock zu leihen.«

Herr von Chavigny reichte Herrn von Beaufort seinen Stock.

Herr von Beaufort hielt ihn waagerecht einen Fuß hoch.

»Pistache, mein Freund,« sagte er, »mache mir das Vergnügen und springe für Frau Montbazon.«

Jedermann lachte Man wußte, daß der Herzog von Beaufort im Augenblick seiner Verhaftung der erklärte Liebhaber von Frau von Montbazon gewesen war.

Pistache machte keine Schwierigkeit und sprang lustig über den Stock.

»Aber es scheint mir,« sagte Herr von Chavigny, »Pistache thut gerade das, was seine Genossen thaten, wenn sie für Fräulein de Pons sprangen.«

»Wartet,« sagte der Prinz.

»Pistache, mein Freund,« fuhr er fort, springe für die Königin,« und er hob den Stock sechs Zoll höher.

Der Hund sprang ehrfurchtsvoll über den Stock.«

»Pistache,t mein Freund,« sagte der Herzog und erhöhte den Stock abermals um sechs Zoll, »springe für den König.«

Der Hund nahm einen Ansatz und sprang trotz der Höhe leicht hinüber.

»Und nun, aufgemerkt,« sagte der Herzog und erniedrigte den Stock beinahe bin zum Niveau des Bodens. »Pistache, mein Freund, springe für den hochwürdigsten Facchino Mazarini di Piscina.«

Der Hund wandte dem Stock den Rücken zu.

»Nun, was ist das?« sagte Herr von Beaufort, indem er einen Halbkreis von dem Schweife zum Kopfe des Thieres beschrieb, und ihm abermals den Stock darreichte. »Springe doch, Herr Pistache!«

Aber Pistache machte abermals eine halbe Wendung und bot dem Stock den Rücken.

Herr von Beaufort wiederholte seine Bewegung und seine Worte. Doch diesmal war die Geduld des Thieres zu Ende. Er warf sich wüthend auf den Stock, riß ihn dem Prinzen aus den Händen und zerbrach ihn zwischen seinen Zähnen.

Herr von Beaufort nahm ihm die zwei Stücke aus der Schnauze, überreichte sie Herrn von Chavigny unter tausend Entschuldigungen und sagte, die Abendunterhaltung wäre nun geschlossen; wenn er aber in drei Monaten einer zweiten Vorstellung beiwohnen wollte, so würde Pistache neue Stücke gelernt haben.

Drei Tage nachher war Pistache vergiftet.

Man suchte den Schuldigen, der Schuldige aber blieb, wie sich wohl denken läßt, unbekannt.«

Herr von Beaufort ließ ihm ein Grabmahl mit folgender Inschrift errichten:

»Hier ruht Pistache, einer der gescheitesten Hunde, welche je gelebt haben.«

Es war nichts gegen dieses Lob einzuwenden und Herr von Chavigny konnte es nicht verhindern.

Der Herzog sagte nun ganz laut, man habe an seinem Hunde den Versuch mit der Drogue gemacht, der man sich gegen ihn bedienen wolle, und eines Tage legte er sich nach dem Mittagsbrod zu Bette und schrie, er habe Kolik und Herr von Mazarin habe ihn vergiften lassen.

Dieser neue Muthwille kam dem Cardinal zu Ohren und machte ihm große Angst. Der Kerker von Vincennes galt für sehr ungesund und Frau von Rambouillet sagte einst, das Zimmer, in welchem Puylaurens, der Marschall Ornano und der Großprior von Vendome gestorben, sei Arsenik werth, und dieses Witzwort machte Glück. Er befahl daher, daß der Gefangene nichts mehr genießen solle, ohne daß man zuvor den Wein und die Speisen versucht habe. Der Gefreite La Ramée wurde sofort unter dem Titel einen Vorkosters zu ihm gebracht.

Herr von Chavigny hatte indessen die Beleidigungen, welche dem unschuldigen Pistache das Leben kosteten, dem Herzog nicht vergeben. Herr von Chavigny war eine Creatur des verstorbenen Cardinals. Man sagte sogar, er sei sein Sohn. Er mußte sich also einigermaßen auf Tyrannei verstehen. Herr von Chavigny fing an, Herrn von Beaufort seine Kränkungen zurückzugeben. Er nahm ihm, was man ihm bin dahin gelassen hatte, die eisernen Messer und die silbernen Gabeln, und ließ ihm dafür silberne Messer und hölzerne Gabeln geben. Herr von Beaufort beklagte sich, aber Herr von Chavigny ließ ihm antworten, er sei benachrichtigt worden, der Cardinal habe Frau von Vendome gesagt, ihr Sohn müsse sein ganzen Leben im Kerker von Vincennes bleiben, und er habe befürchtet, bei dieser unglücklichen Kunde könnte sein Gefangener sich zu einem Selbstmordversuche verleiten lassen. Vierzehn Tage nachher fand Herr von Beaufort zwei Reihen Bäume, so dick wie ein kleiner Finger, an den Weg gepflanzt, der zum Ballspiele führte. Er fragte, was dies zu bedeuten hatte, und man antwortete ihm, es wäre, um ihm eines Tages Schatten zu geben. Einen Morgens endlich suchte ihn der Gärtner auf und meldete ihm unter dem Anschein, ihm gefallen zu wollen, man lege Spargelbeete für ihn an. Allgemeine aber ist es bekannt, daß diese Beete, um genießbare Pflanzen zu treiben, gegenwärtig vier Jahre brauchen, während sie damals, wo die Gärtnerei minder vollkommen war, fünf Jahre brauchten. Diese Höflichkeit setzte Herrn von Beaufort in Wuth.

Herr von Beaufort dachte nun zu einem von seinen vierzig Mitteln Zuflucht zu nehmen und versuchte es zuerst mit dem einfachsten, mit dem, La Ramée zu bestechen. Aber La Ramée, der seine Gefreitenstelle um 1500 Thaler gekauft hatte, hielt große Stücke auf sein Amt. Statt in die Absicht des Gefangenen einzugehen, eilte er stehenden Fußes zu Herrn von Chavigny und machte ihm Meldung. Sogleich stellte Herr von Chavigny acht Mann in das Zimmer des Prinzen, verdoppelte die Wachen und verdreifachte die Posten. Von diesem Augenblick an ging der Prinz nur noch wie ein Theaterkönig einher, nämlich mit vier Mann vor sich und vier Mann hinter sich, diejenigen nicht zu rechnen, welche in einem Hintergliede marschierten.

Herr von Beaufort lachte Anfangs viel über diese Strenge, welche ihm eine Zerstreuung bereitete. Er wiederholte so oft als möglich: »Das belustigt mich, das ergötzt mich!« Dann fügte er bei: »Wenn ich mich übrigens Euern Ehrenbezeigungen entziehen wollte, so hätte ich noch neununddreißig andere Mittel.«

Aber diese Zerstreuung wurde am Ende eine Langweile. Aus Prahlerei hielt es Herr von Beaufort sechs Monate aus. Als er aber nach Ablauf von sechs Monaten sah, daß die acht Mann sich setzten, wenn er sich setzte, aufstanden, wenn er aufstand, stehen blieben, wenn er stehen blieb, so fing er au, die Stirne zu runzeln und die Tage zu zählen.

Diese neue Verfolgung führte eine Verdoppelung des Hasses gegen Mazarin herbei. Der Prinz schwor vom Morgen bis zum Abend und sprach nur von Zerhacken und Einmachen Mazarinischer Ohren. Das war zum Schauern. Der Cardinal, welcher Alles erfuhr, was in Vincennes vorging, drückte unwillkürlich sein Baret bis zum Halse hinab.

Eines Tages versammelte Herr von Beaufort die Wächter und hielt, trotz der sprichwörtlichen Schwierigkeit, mit der er sich ausdrückte, folgende Rede, welche allerdings von ihm vorbereitet worden war:

»Meine Herren, werdet Ihr es dulden, daß ein Enkel des guten Heinrich IV. mit Beleidigungen und Schmach überhäuft wird.. Ventre-Saint-gris! wie mein Großvater sagte, ich habe in Paris beinahe geherrscht, wißt Ihr! Ich habe ein ganzes Jahr lang den König und Monsieur zur Bewachung gehabt. Die Königin schmeichelte mir damals und nannte mich den rechtschaffensten Mann des Reiches. Meine Herren Bürger, bringt mich jetzt hinaus, ich gehe geraden Wegs nach Louvre. Ich drehe dem Mazarin den Hals um, Ihr werdet meine Leibwache, ich mache Euch alle tu Offizieren, und zwar mit guten Pensionen. Ventre-Saint-gris! vorwärts, marsch!«

Aber so pathetisch auch die Beredtsamkeit des Enkels von Heinrich IV. war, so rührte sie doch diese Steinherzen nicht; nicht Einer bewegte sich von der Stelle. Als Herr von Beaufort dies sah, sagte er ihnen, sie wären insgesamt Lumpenkerle, und machte sich dadurch grausame Feinde aus ihnen.

Wenn ihn zuweilen Herr von Chavigny besuchte, was er unfehlbar zwei bis drei mal in der Woche that, so benützte der Herzog diese Gelegenheit, ihn zu bedrohen.

»Was werdet Ihr thun, mein Herr,» sprach er zu ihm, »wenn Ihr eines Tages ein Heer bis unter die Zähne bewaffneter Pariser erscheinen seht, welche kommen um mich zu befreien?»

»Monseigneur,« antwortete Herr von Chavigny, indem er sich tief vor dem Prinzen verbeugte, »ich habe auf meinen Wällen zwanzig Feldstücke und in meinen Casematten dreißigtausend Schüsse: ich werde sie nach Kräften mit meinen Kanonen bearbeiten.«

»Ja, aber wenn Ihr Eure dreißigtausend Schüsse abgefeuert habt, so werden sie den Thurm nehmen, und wenn sie den Thurm genommen haben, so bin ich genöthigt, Euch von ihnen hängen zu lassen, was mir allerdings sehr leid thun wird.«

Und der Prinz verbeugte sich ebenfalls mit der größten Höflichkeit vor Herrn von Chavigny.

»Ich aber, Monseigneur,« versetzte Herr von Chavigny, »wäre, sobald der erste Schlucker die Schwelle meiner Schlupfpforten betreten oder den Fuß auf meinen Wall setzen würde, zu meinem größten Bedauern genöthigt, Euch mit eigener Hand zu tödten, insofern Ihr mir ganz besonders anvertraut seid, und ich Euch todt oder lebendig zurückgeben muß.«

Und er verbeugte sich abermals vor seiner Hoheit.

»Ja,« fuhr der Herzog fort; »da aber diese braven Leute sicherlich nicht hierher kommen würden, ohne vorher Herrn Giulio Mazarini gehenkt zu haben, so würdet Ihr Euch wohl hüten, Hand an mich zu legen, und ließet mich wohl leben, aus Furcht, auf Befehl der Pariser von vier Pferden zerrissen zu werden, was noch viel unangenehmer ist, als das Heulen.«

Diese süßsauren Scherze gingen so zehn Minuten, eine Viertelstunde, zwanzig Minuten höchstens fort und endigten stets auf folgende Weise.

Herr von Chavigny wandte sich nach der Thüre um und rief:

»Holla, La Ramée!«

La Ramée trat ein.

»La Ramée!« fuhr Herr von Chavigny fort, »ich empfehle Euch ganz besonders Herrn von Beaufort. Behandelt ihn mit aller seinem Range und seinem Namen schuldigen Rücksicht und verliert ihn zu diesem Behufe nicht einen Augenblick aus dem Gesichte.«

Dann, entfernte er sich, Herrn von Beaufort mit einer ironischen Höflichkeit grüßend, die diesen so zornig machte, das er blau wurde.

La Ramée war also der obligate Tischgenosse des Prinzen, sein ewiger Wächter, der Schatten seines Leibes geworden. Man muß aber dabei gestehen, die Gesellschaft von La Ramée, einem heiteren Lebemann, einem offenherzigen Gaste, einem anerkannten Trinker, einem großen Ballspieler, einem guten Teufel im Grunde seines Herzens, der für Herrn von Beaufort keinen andern Fehler hatte, als daß er sich nicht bestechen ließ, war für den Prinzen mehr eine Zerstreuung, als eine Pein.

Leider war nicht dasselbe der Fall bei Meister La Ramée, und obgleich er die Ehre mit einem Gefangenen von so hoher Bedeutung eingeschlossen zu sein, bis auf einen gewissen Grad zu schätzen wußte, so glich doch das Vergnügen, im vertraulichen Umgange mit dem Enkel Heinrich IV. zu leben, nicht das aus, welches er gehabt haben würde, wenn er von Zeit zu Zeit hätte seiner Familie einen Besuch machen dürfen. Man kann zugleich ein vortrefflicher Gefreiter des Königs und ein guter Gatte und Vater sein. Meister La Ramée aber betete seine Frau und seine Kinder an, welche er nur von der Höhe der Mauer herab sah, wenn sie, um ihm diesen natürlichen und ehelichen Trost zu geben, auf der andern Seite des Grabens spazieren gingen. Das war entschieden zu wenig für ihn, und La Ramée fühlte, daß seine heitere Laune, die er als die Ursache seiner guten Gesundheit betrachtet hatte, ohne zu berechnen, daß es im Gegentheil ohne Zweifel nur das Resultat davon war, nicht lange eine solche Ordnung der Dinge aushalten würde. Diese Überzeugung nahm in ihm nur zu, als die Verhältnisse von Herrn von Beaufort und Herrn von Chavigny sich allmälig dergestalt zur Bitterkeit steigerten, daß sie am Ende ganz und gar sich zu sehen aufhörten. La Ramée fühlte die Verantwortlichkeit stärker auf seinem Haupte lasten, und da er gerade aus den von uns angegebenen Gründen Erleichterung suchte, so ergriff er mit allem Eifer das Anerbieten seines Freundes, des Intendanten des Herrn Marschall von Grammont, ihm einen Gehilfen zu verschaffen. Sogleich sprach er hierüber mit Herrn von Chavigny, welcher ihm erwiderte, daß er durchaus nichts dagegen einzuwenden habe, vorausgesetzt, das betreffende Subjekt sage ihm zu.

 

Wir halten es für durchaus überflüssig, unsern Lesern das physische und moralische Porträt von Grimaud zu entwerfen. Wenn sie, wie wir hoffen, den ersten Theil dieses Werkes nicht gänzlich vergessen haben, so muß ihnen in ihrem Gedächtniß ziemlich genau diese schätzenswerthe Person geblieben sein, bei der keine Veränderung vorgegangen war, als daß sie zwanzig Jahre mehr zählte; ein Zuwachs, der Grimaud nur stiller, schweigsamer gemacht hatte, obgleich ihm Athos seit der Umwandlung seiner eigenen Person volle Erlaubniß zu sprechen gegeben hatte.

Aber zu dieser Zeit schwieg Grimaud bereits zwölf bis fünfzehn Jahre und eine Gewohnheit von zwölf bis fünfzehn Jahren ist eine andere Natur geworden.

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