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Ich erinnerte mich zudem daran, wie mir mein leiblicher Vater Briefe geschrieben hatte, und nachdem ich sie gelesen hatte, dachte ich oft kopfschüttelnd: »Wie komisch er schreibt, fast so, als wäre ich seine Auserkorene und nicht seine Tochter!« Wie Schuppen fiel es mir von den Augen, alles fügte sich zusammen.
Mayas Sitzung für mich heilte meine offenen Wunden. Ich fühlte buchstäblich, wie die alten Schuldgefühle, auch meiner Mutter gegenüber, von meinen Schultern abfielen, so als wären zehn Kilo Ballast von ihnen genommen worden. Ich fühlte mich befreit. Meine Mutter aus dem Jenseits und ich hatten uns gegenseitig vergeben, und das Resultat war spürbarer Frieden in mir. Auch meinem Vater konnte ich vergeben. Und so bat ich auch ihn innerlich um Vergebung.
Unser nächstes Treffen zeigte eine deutliche Veränderung, und das, was uns als Menschen verband, nämlich die Liebe, konnte wieder frei fließen.
Tief in meinem Inneren fühlte ich, was Mayas Seele zu tun vermochte. Welche transformierende Wirkung und Heilung eine solche Sitzung auf einen Menschen haben kann. Mayas Seele zeigte den Seelen, die ›wissen‹ wollten, das Leben auf, das Missverständnisse, Unfrieden und Schmerzen verursacht hatte. Im Spiegel ihres Lichtes war es den betreffenden Seelen möglich, sich gegenseitig zu vergeben. Der daraus resultierende Frieden kam einer wohltuenden inneren Ruhe gleich. Maya verstand es, die Umstände, welche die Liebe in einem Menschen reduzierten, hinfortzuwehen, als wären sie nicht mehr als eine staubige Wolke, die das Herz verdunkelte. War die Wolke fort, brach das Licht automatisch wieder durch.
Noch hatte ich keine Ahnung, dass diese Sitzung die Initialzündung für meine mediale Tätigkeit werden sollte. Es hatte dank Mayas Hilfe ein innerer Durchbruch stattgefunden, und das eigene Erleben brachte mich zu der Erkenntnis, dass es doch viel mehr Menschen geben müsste, die aufgrund ihrer Fähigkeit, mit dem Jenseits zu kommunizieren, anderen Heilung schenken konnten.
Ich denke, es war auch Mayas Wunsch, dass ich zu diesen Menschen zählen sollte, denn von diesem Zeitpunkt an ›sah‹ ich plötzlich wieder Verstorbene. Es passierte einfach. Ich sah sie zwar nicht mit den Augen, wie ich sie als Kind auf eher materielle Weise wahrgenommen hatte, aber auf subtilere Art in der Aura der Menschen.
Das geschah am Anfang tatsächlich zu Heilzwecken, wenn mich Seelen aus dem Jenseits darum baten, für sie bei ihren Angehörigen um Vergebung zu bitten. Dann sah ich beispielsweise während einer Heilsession den verstorbenen Vater einer Teilnehmerin hinter ihr stehen, der sagte: »Sie hat ihr Magengeschwür wegen mir. Willst du sie bitte in meinem Namen um Vergebung fragen?«
So begannen meine Kontakte mit Aufträgen aus den anderen Welten, die ich wiederum meist während der Heilarbeit erhielt. Eine Pforte schien geöffnet, und wann immer es notwendig wurde, spazierten die Seelen einfach hindurch.
Kapitel 1 ‒ Das Jenseits
Nachdem das Tor zum Jenseits durch Mayas Hilfe wieder geöffnet war, stellte ich überwiegend Kontakte zu Verstorbenen her, um den Trauernden mit Hilfe der entsprechenden Durchsagen Trost zu spenden; um sie wissen zu lassen, dass es ihren Lieben auf der anderen Seite gut ging, was meistens der Fall war; und um den Angehörigen Frieden zu schenken. Unzählige Male hörte ich von einem Verstorbenen: »Bitte sage ihr oder ihm, es tut mir leid, dass ich nie gesagt habe, wie sehr ich sie oder ihn liebe. Willst du das bitte für mich tun?«
Es ist unglaublich, dass man diesen Satz so oft zu hören bekommt. So stellen diese Verbindungen auch immer die Möglichkeit dar, von der einen oder anderen Seite um Vergebung zu bitten, was oft ein wichtiger Aspekt dieser Gespräche darstellt ‒ ob nun ein Mensch auf dieser Ebene zurückbleibt oder auf die andere Seite hinübergegangen ist. Schuldgefühle können von beiden Seiten kommen, und so gibt es meist große Erleichterungen seitens der Seelen im Diesseits oder der Seelen im Jenseits. Manchmal kommt es während Lebzeiten nicht dazu, dass sich Menschen aussprechen oder etwas Wichtiges ausdrücken können. Das ist dann ihre Gelegenheit, Frieden zu schließen.
Mir kommt eine Witwe, die mich um einen Jenseitskontakt mit ihrem verstorbenen Mann bat, wieder in den Sinn. Ich begleitete sie in mein Sitzungszimmer. Als ich zum CD-Player ging, um eine schöne, ruhige Einstimmungsmusik abzuspielen, hörte ich bereits die Stimme ihres verstorbenen Mannes: »Sage ihr, dass sie endlich kein Schuldgefühl mehr haben soll!«
Obwohl ich noch nicht wirklich eingestimmt war, übermittelte ich der Frau diese Durchsage. Sie fing augenblicklich an zu weinen. »Genau deshalb bin ich zu dir gekommen! Ich habe furchtbare Schuldgefühle in mir, weil ich meinen Mann mit einem anderen betrogen habe, bevor er gestorben ist.«
»Er weiß davon, Herzchen«, sagte ich zu ihr, »und er versteht dich vollkommen. Er hat es dir nicht übel genommen. Er sagt, er war nicht immer der einfachste Mensch, und auch seine Art hätte dich in die Arme eines anderen getrieben. Er möchte, dass du dir endlich selbst vergibst. Er hat es schon lange getan.«
Ich durfte sehen, wie sich die Schatten auf der Seele der jungen Witwe verflüchtigten und die Sonne wieder hindurchbrach. Beim Abschied wirkte sie erleichtert.
Angst und Schuldgefühle versperren den Weg zur wahren Freiheit, doch den geliebten Seelen auf der anderen Seite ist es meist ein Bedürfnis, dass wir frei und glücklich leben. Sie tun ihr Möglichstes, um ihren Hinterbliebenen das Gefühl der Schuld zu nehmen.
Schuldgefühle haben viele unterschiedliche Ursachen. Oft kommt es vor, dass in Menschen ein Schuldgefühl sitzt, weil sie nicht zum Todeszeitpunkt anwesend waren, um den Heimkehrenden die Hand zu halten, aber sehr oft bekam ich von den Verstorbenen zu hören: »Sage ihr oder ihm, ich wollte nicht, dass sie oder er dabei ist. Sie hätten es als viel schlimmer empfunden als ich selbst. Mein Übergang war leicht, auch wenn es nicht so ausgesehen hat.«
Häufig kam es vor, dass die Angehörigen mehrere Tage am Bett ihres Mannes, Vaters oder ihrer Mutter verbrachten, um im Sterbeaugenblick für sie da zu sein, und just in dem Moment, als sie für kurze Zeit das Zimmer verließen, wählte die Seele des Heimkehrenden diesen für sie perfekten Moment.
Angst vor Verstorbenen?
Manche Menschen fürchten sich vor Verstorbenen. Das kommt meiner Meinung nach daher, weil sich die Gesellschaft nicht mit dem Thema Sterben beschäftigt, was ja schließlich unser aller Schicksal ist. Und dennoch ist es so, dass wir uns stets im gegenwärtigen Sein zwischen Leben und Sterben befinden.
Wie viele Atemzüge, die gleichzeitig Sterben und Neugeburt darstellen, liegen eigentlich zwischen dem Zeitpunkt, wenn wir in diesen Körper eintreten, und dem Moment, wenn wir ihn wieder verlassen? Jeder getane Atemzug erinnert uns an unsere Vergänglichkeit, und zugleich bietet uns jeder neue Atemzug ungeahnte Möglichkeiten. Eine Neugeburt sozusagen im Sekundentakt. Wie nehmen wir dieses Leben an? Bewusst, oder unbewusst?
Meine Erfahrung lehrt mich, dass Menschen, die niemals bewusst atmen, zu Geiseln ihrer Ängste werden. Im Gegenzug erkenne ich, dass Menschen, die sich ihres Atems bewusst sind, meist auch mehr Vertrauen in Gott haben. Ist unser Atem nicht das Wort, das in der Bibel beschrieben wird und das ER in uns hineingelegt hat? Lebendig im Atem zu sein heißt, seine Liebe und Allmacht zu fühlen, den Klang Gottes als eine wunderschöne Melodie in sich selbst zu erfahren.
Menschen jedoch, die ihre Sinnhaftigkeit in der Materie suchen, beschäftigen sich meist nicht mit der körperlichen Vergänglichkeit. Sie verdrängen die Gedanken und finden nicht die Tore zur Freiheit, weil sie sich mit Macht, Besitz und reiner Körperlichkeit identifizieren. In einer äußeren, materiellen Welt errichten sie Mauern der Undurchdringlichkeit gleich einem Gefängnis, mit dem traurigen Ergebnis, dass sie ihr Herz auch nicht mehr erreichen.
Gäbe es nicht die Sorge um die Zukunft und unser unbewusstes, begrenztes Sein, dann gäbe es auch weniger Angst auf diesem Planeten. Menschen könnten vertrauensvoller im Jetzt leben. Indem wir beginnen, bewusst zu leben, alles und jeden loszulassen, wie wir es auch mit dem Atem tun, lernen wir, den Tod als etwas Natürliches zu betrachten und können ihn bereits im Leben überwinden. Wir öffnen uns dadurch gleich einer Blume, die beginnt, den Duft der Allgegenwart zu verströmen.
Es kommt auch vor, dass Menschen mit Verstorbenen nichts zu tun haben wollen – und eben nur aus dem Grund – weil sie bereits tot sind! Dann stelle ich gerne die Frage: »Wie wäre es für dich, wenn dein Leben morgen beendet wäre? Stell dir einmal vor, dass du morgen aus dem Leben gerissen wirst: Wäre es dir dann nicht ein Herzenswunsch, Kontakt mit deinen Lieben aufzunehmen, um ihnen zu sagen, dass es dir gut geht, oder würdest du sie nicht gerne noch bestimmte Dinge wissen lassen, für die es keine Zeit oder Gelegenheit mehr gab? Und wenn ›Ja‹ die Antwort auf die Frage ist, müssten sich deine Hinterbliebenen dann vor dir fürchten?«
Das kuriert die meisten von dem Gedanken, es sei etwas Unheilvolles, ›tot‹ zu sein. Es gibt keinen Tod, nur das Hinübergleiten in eine andere Welt, die sich nur einen liebevollen Gedanken entfernt von uns befindet. Werden Menschen, nur weil sie ihr irdisches Kleid abstreifen, zu beängstigenden Wesen? Sicher nicht, aber weil wir uns nicht mit dem Tod beschäftigen, bleibt das Unbekannte das Beängstigende.
Wie Forscher herausgefunden haben, fürchten sich Menschen am meisten vor dem, was sie nicht kennen. Zum Glück gibt es immer mehr Menschen, die sich um Aufklärung bemühen. Allein die Ausbildungen zum Sterbebegleiter haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen, wodurch eine bessere Auseinandersetzung mit dem Thema Leben und Sterben einhergeht. Auch das steigende Interesse für Jenseitskontakte oder mediale Ausbildungen zeigt, dass sich Menschen bereits zu Lebzeiten um das Ergründen von Sinn und Sinnhaftigkeit des Lebens bemühen. Das ist eine schöne Entwicklung, denn alles, was wir in unserem Leben erfahren, dient uns auch auf der anderen Seite.
Eine Zeitlang half ich ehrenamtlich einer Freundin, die ein Kinderhospiz errichtet hatte, das mittlerweile eine ambulante und stationäre Einrichtung geworden ist, mit Öffentlichkeitsarbeit und der Organisation von Benefizveranstaltungen. Während dieser Zeit war ich unglaublich beeindruckt davon, wie leicht es die betroffenen Kinder mit dem Sterben nahmen. Sie sorgten sich nicht um sich selbst und hatten meist keine Angst vor dem Hinübertreten. Ihre Sorge war allein darauf begründet, dass ihre Eltern nicht mit ihrem Heimgang zurechtkommen könnten.
»Du musst sterben, um zu leben!« Wie wahr doch dieser Satz ist, denn Sterben bedeutet, alles loszulassen: Zorn, Hass, Bitterkeit, Ablehnung, Bedauern, Ängste, Materie, usw. Wenn dann die Dankbarkeit für das Leben wächst, für jeden einzelnen Atemzug, kannst du schon im Leben sagen: »Ich bin bereits ›gestorben‹, ich fürchte den Tod nicht mehr!«
Im Laufe der Zeit entwickelten sich mein inneres Gespür und das Sehen immer mehr, doch ich war zufrieden damit, Heilung mit Hilfe der geistigen Welt an andere zu schenken und mehr im Hintergrund zu wirken, als dass ich eine öffentliche Plattform gesucht hätte. Das sollte sich ändern, denn während der Seminare und Heilsessions, bei denen ich mitarbeitete, bekam ich deutlich mehr Anweisungen aus den Höheren Ebenen, Menschen auf die eine oder andere Art zu helfen.
So begann ich zusätzlich zu hören, manchmal Sätze wie: »Hilf ihr! Sie hat ihre ganze Familie verloren!«, oder »Hilf ihr … sie hat Schuldgefühle, weil …« Wenn ich den Mut und das Vertrauen aufbrachte, mit den entsprechenden Personen zu arbeiten, bekam ich stets das, was ich brauchte, um ihnen Trost und ihren inneren Frieden zu geben.
Das Sehen und Hören war ein langjähriger Prozess, der mich allmählich auf meine Arbeit als Medium vorbereiten sollte. Sehr oft kämpfte ich mit mir, ob ich das Gehörte weitergeben sollte oder lieber nicht. Ich war mir stets der großen Verantwortung bewusst. Auch hatte ich großen Respekt davor und war unsicher, ob ich richtig und gut gehört hatte.
Zum Glück hatten meine Freunde aus der geistigen Welt stets Geduld mit mir. Wenn ich zum Beispiel nicht sicher war, etwas richtig gehört zu haben, oder ich wollte aus Unsicherheit nicht tun, was mir im Inneren für andere aufgetragen wurde, gab es ein Hämmern in meinem Kopf … immer und immer wieder hörte ich das Gleiche, bis ich es selbst leid war und das Risiko einging, lächerlich gemacht zu werden oder auf Unverständnis zu treffen. Das ist jedoch nie passiert. Im Nachhinein war ich stets froh, denn das Gesagte bewirkte meist einen sofortigen Wandel bei den betreffenden Personen.
Meine erste Sitzung
Ich erinnere mich gut an meine erste Klientin. Ich lernte Katja auf einer Messe kennen. Sie wurde mir als Chefeinkäuferin einer unserer größten Kunden vorgestellt. Ich erfuhr ihre Leidensgeschichte während der gemeinsamen Pausen. Bereits im Vorfeld hatte ich eine große Traurigkeit in ihr verspürt. Katja erzählte mir, dass ihre Mutter vor einem Jahr gestorben sei. Der Umstand ihres Todes war mir sehr zu Herzen gegangen, und ich empfand die Geschichte von Mutter und Tochter als besonders tragisch.
Katjas Vater, ein Geschäftsmann durch und durch mit eigenem Unternehmen, hatte sich schon immer einen Sohn gewünscht. Stattdessen bekam er die einzige Tochter, Katja, die sich stets anstrengen musste, den Erwartungen ihres Vaters zu entsprechen.
Katja hatte ihren ersten Freund, alles schien normal. Bis zu dem Tag, als sie feststellte, dass sie sich mehr zu Frauen hingezogen fühlte. Als ihr Vater das entdeckte, warf er sie kurzerhand aus dem Haus. Katja zog daraufhin fünfhundert Kilometer entfernt in die Großstadt und fing dort ein neues Studium an. Zu ihrem Vater hatte sie keinen Kontakt mehr. Ihre Mutter war in einem Zwiespalt. Sie liebte ihre Tochter, hielt sich aber aus Angst an ihren Mann und brach ebenfalls die Verbindung ab.
Einige Jahre vergingen. Katja lernte Susanne kennen. Sie verliebten sich ineinander. Eines Tages erhielt Katja überraschend einen Anruf von ihrer Mutter, die sie beide nach Spanien auf ihre Finca einlud. Ich kann mir gut vorstellen, wie es Katja damals ergangen sein muss, nach all den Jahren. Sie war glücklich … endlich schien alles gut zu werden!
Die Mutter vermisste ihre Tochter sehr, und in Spanien sprachen sie sich aus. Sie verlebten einige schöne Tage miteinander, bis zu der Stunde, in der Katjas Mutter plötzlich und ohne Vorwarnung einen Herzinfarkt erlitt. Susanne als Kinderkrankenschwester erkannte die Situation sofort und eilte Katjas Mutter zu Hilfe. Doch es gab keine Rettung mehr, sie verstarb in Susannes Armen. Die beiden Freundinnen kümmerten sich trotz ihres Schocks um die Überführung, und für Katja brach eine Welt zusammen.
Als ich Katja kennenlernte, lag das Geschehen ein Jahr zurück, und es war, als hätte sie selbst ihre Lebensfreude verloren. Eine Wolke der Depression schien über ihrem Kopf zu hängen. Sie tat mir unendlich leid. Wenn ich sie ansah, stach mein Herz, und ich wünschte mir, jemand könnte ihr helfen. Im Kopf ging ich alle Therapiemaßnahmen und Therapeuten durch, die ich kannte. Ich sah und sprach Katja noch einige Male über den Kontakt unserer beiden Firmen, und jedes Mal dachte ich über die traurige Geschichte nach und kam immer wieder zu dem Schluss: »Jemand muss ihr helfen!«
Eines Tages rief mich Katja privat an und sagte direkt: »Ich hätte gerne eine Sitzung bei dir, Andrea!«
»Wie bitte?« Sie wiederholte ihr Anliegen, und ich antwortete ihr: »Ich gebe keine Sitzungen. Aber ich kenne jemanden, dem ich sehr vertraue und der dir sicher weiterhelfen kann.«
Sie ließ nicht locker: »Ich möchte aber bei dir eine Sitzung haben!«
Weil Katja stur blieb und ich nicht mehr wusste, was ich noch an Gegenargumenten auffahren sollte und sie sich partout nicht abwimmeln ließ, vereinbarten wir einen Termin. »Oh Himmel, was tue ich da?!« Ich war wütend auf mich und darauf, dass ich eingewilligt hatte, denn wie in Gottes Namen sollte ich ihr eine Sitzung geben, wo ich noch nicht einmal eine Ahnung hatte, wie eine solche vonstattenging?
Je näher der Termin rückte, desto nervöser wurde ich. »Worauf habe ich mich da nur eingelassen? Warum hat sie mich so bedrängt, dass ich letztendlich nicht anders konnte als Ja zu sagen?« Es kam der Tag … mir war ganz mulmig zumute, und je näher die Stunde vorrückte, desto aufgedrehter wurde ich. Ich versuchte mich zu beruhigen, indem ich mir sagte: »Es ist nicht deine Schuld, ich habe ihr gesagt, dass ich das nicht kann und wenn sie jetzt 500 km fährt, ist das ihre Verantwortung, jawohl!« Insgeheim wünschte ich mir sogar, dass etwas dazwischenkäme. Doch pünktlich zur vereinbarten Zeit stand Katja fröhlich vor meiner Tür.
Wir plauderten ein wenig, bis ich beschloss, anzufangen ... wie auch immer das aussehen sollte. Ich begann: »Nun, ich habe dir gesagt, dass ich das noch nie gemacht habe, und ich kann für nichts garantieren. Ich werde versuchen, mit deiner Mutter in Verbindung zu treten, aber ob es funktioniert, kann ich nicht versprechen.«
»Mach nur!«, erwiderte sie mit einem entwaffnenden Lächeln.
Von der Sitzung weiß ich nur noch wenig. Es ist mir in Erinnerung geblieben, dass ich die Präsenz ihrer Mutter stark gespürt habe und diese auch eine Leidenschaft fürs Malen hatte. Sie zeigte mir diverse Bilder. Mehr weiß ich nicht mehr. Als ich fertig war, schaute mich Katja groß an. »Weißt du, was du die ganze Zeit gemacht hast?«
»Nee!«
»Du hast mit deinem kleinen Finger ständig auf die Tischplatte geklopft! Du musst wissen, dass meiner Mama die Hälfte des kleinen Fingers fehlte und sie die Angewohnheit hatte, so wie du es eben getan hast, mit diesem verkürzten kleinen Finger immer auf die Tischplatte zu klopfen.«
Katja wusste durch das Erlebte und Gesagte, dass ihre Mutter mit ihr Kontakt aufgenommen hatte, und war erleichtert. Sie hatte Abschied nehmen können. Von diesem Zeitpunkt an wurde sie wieder ein lebensbejahender Mensch, der nicht mehr an der Vergangenheit hing und versuchte, das Beste aus dem Leben zu machen und positiv nach vorne zu schauen. Mit ihrem Vater konnte sie sich aussöhnen. Sie arbeitet jetzt sogar in seiner Firma, so wie er es sich immer gewünscht hatte. Katja kann zwar ihren Vater nicht ändern, aber sie hat gelernt, mit ihm umzugehen und ihm zu verzeihen.
Im Laufe der Zeit gab ich weitere Sitzungen für Susanne und Katja. Für Susanne war der Schock, Katjas Mutter in ihren Armen sterben zu sehen, groß und eine Rückerinnerung an das, was sie in einigen Vorleben an Verlusten bereits erfahren hatte.
Meist ist es so, dass wir die Schmerzen, die wir erlebt und noch nicht verdaut haben, durch ähnliche Situationen wiedererleben. Gefühle wie Trauer oder Angst vor Verlust halten uns davon ab, frei zu leben. Menschen versuchen dann, an allem und jedem festzuhalten und Kontrolle über alles zu bewahren, obgleich genau das Gegenteil hilfreich für sie wäre. Oft gehen sie über die eigenen Grenzen, um für die Menschen in ihrer Umgebung da zu sein und alles für sie zu tun. Dabei verlieren sie sich selbst aus den Augen.
Durchlebt der Mensch jedoch die Situation, in der die Seele den größten Schock davongetragen hat, noch einmal, ist er in der Lage, loszulassen. Das ist die erste Voraussetzung für eine positive Veränderung.
Zugleich ist mit der Klarheit über bestimmte Negativ-Gefühle die Basis der eigenen Wahrnehmung geschaffen worden. Gefühle dieser Art mögen wieder auftreten, aber nun kann bewusst gesagt werden: Das brauche ich nicht mehr, es ist nur eine Erinnerung an das, was ich bereits erlebt habe, und gehört zur Vergangenheit. Ich entscheide mich jetzt und hier für die Freude ‒ das Gegenteil von Trauer ‒, und übe mich im Vertrauen.
Für Katja war es ebenso wichtig, die Gefühle von Ablehnung, die ihr überwiegend in der Haltung ihres Vaters gespiegelt wurden, bei sich in Selbstannahme und Akzeptanz zu wandeln.
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