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Große und kleine Welt

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Der alte Edelmann erschien jetzt weniger oft, und Hippolyt, der nicht mehr eifersüchtig auf ihn war, ersetzte ihn beim Spiel, aber auch mit stets gleichem Unglück.

Inmitten seines Glücks dachte er jedoch an die unangenehme Lage der Frau von Rouville, denn er hatte mehr als einen Beweis ihrer Armut erlangt, und vermochte daher einen unangenehmen Gedanken nicht zu verbannen; schon öfter hatte er beim Gehen gedacht: "Wie! Alle Abend zwanzig Franken!?.." Er wagte indes nicht, sich einen so häßlichen Verdacht einzugestehen.

Hippolyt verwandte einen ganzen Monat auf die Vollendung des Bildes. Als es beendet, gefirnißt und eingerahmt war, betrachtete er es als eines seiner besten Werke. Die Baronin von Rouville hatte nicht wieder mit ihm darüber gesprochen. War es Sorglosigkeit oder Stolz? Der Maler wollte sich dieses Schweigen nicht erklären.

Er kam mit Adelaide dahin überein, daß er das Bild während der Abwesenheit der Frau von Rouville an seine Stelle hängen wolle. Es wurde dazu der achte Juli gewählt, und während eines Spazierganges, den die Mutter täglich nach den Tuilerien unternahm, begab sich Adelaide allein und zum ersten Male in Hippolyts Werkstatt, unter dem Vorwand, das Bild in der günstigen Beleuchtung zu sehen, in der es vollendet war. Sie blieb stumm und unbeweglich stehen und versank in eine wonnige Betrachtung, während der alle ihre weiblichen Gefühle in ein einziges verschmolzen, in die gerechte Bewunderung des geliebten Mannes. Als sich der Maler, beunruhigt durch dieses Schweigen, vorneigte, um dem jungen Mädchen ins Gesicht zu schauen, reichte sie ihm die Hand, ohne ein Wort sagen zu können; zwei Tränen rannen aus ihren Augen. Hippolyt ergriff ihre Hand und bedeckte sie mit Küssen. Einen Augenblick lang betrachteten sie sich schweigend, wollten sich ihre Liebe gestehen und wagten es dennoch nicht. Der Maler hatte Adelaidens Hand in der seinigen behalten und erkannte aus der Gleichheit der Wärme und des Pulsschlages, daß ihre beiden Herzen gleich stark für einander schlugen. Das junge Mädchen entfernte sich sanft von Hippolyt und sagte mit einem kindlichen Blick: "Sie werden meine Mutter sehr glücklich machen!.."

"Wie? Nur Ihre Mutter?" fragte er.

"Oh!.. Ich … ich bin es schon…"

Der Maler senkte seine Blicke und schwieg, erschreckt durch die Heftigkeit der Gefühle, die diese Worte in seinem Herzen erweckt hatten. Beide begriffen die Gefahr dieses Augenblicks und begaben sich daher hinunter, um das Bild an seinen Platz zu hängen.

Hippolyt speiste zum ersten Mal mit der Baronin und ihrer Tochter. Frau von Rouville war so gerührt, daß sie dem Maler hätte um den Hals fallen können. Abends erschien der alte Emigrierte, der ehemalige Kamerad des Barons von Rouville, der mit ihm auf brüderlichem Fuße gelebt hatte, und meldete seinen beiden Freundinnen, daß er zum Kontreadmiral ernannt sei, da man ihm seine Landfahrten durch Deutschland und Rußland als ebensoviele im Seedienst verlebte Jahre angerechnet habe. Als er das Bild sah, drückte er mit Herzlichkeit die Hand des Malers und sagte: "Meiner Treu! Obgleich mein alter Leichnam nicht der Mühe wert ist, für die Nachwelt aufbewahrt zu werden, so würde ich doch fünfhundert Louisdor geben, wenn ich mich ebenso getreu dargestellt sehen könnte, wie mein alter Rouville!"

Bei diesem Vorschlag blickte die Baronin ihren Freund an, lächelte und ließ auf ihrem Antlitz den Ausdruck eines Dankgefühls erscheinen. Hippolyt glaubte zu erraten, daß ihm der alte Admiral den Wert für beide Bilder geben wolle, indem er das seinige bezahlte, und antwortete, weil sich sein Künstlerstolz, sowie auch vielleicht seine Eifersucht bei diesem Gedanken empörte: "Mein Herr, wenn ich überhaupt Porträts malte, so würde ich dieses nicht gemacht haben…"

Der Admiral biß sich auf die Lippen und setzte sich an den Spieltisch. Hippolyt blieb der Adelaide, die ihm ebenfalls eine Partie vorschlug, was er auch annahm. Der Maler bemerkte bei Frau von Rouville einen Eifer für das Spiel, der ihn überraschte. Nie hatte sie so sehr den Wunsch gezeigt, zu gewinnen, und sie gewann. Während dieses Abends beunruhigte ein böser Verdacht den Maler, störte sein Glück und flößte ihm Mißtrauen ein. Frau von Rouville lebte also vom Spiel. Spielte sie nicht in diesem Augenblick, um irgend eine Schuld abzutragen oder durch irgend eine Notwendigkeit gedrängt? Vielleicht hatte sie ihre Miete noch nicht bezahlt? Der Greis schien übrigens schlau genug zu sein, um sich nicht um nichts und wieder nichts sein Geld abnehmen zu lassen! Welches Interesse konnte den reichen Mann in dieses arme Haus führen? Warum war er ehedem so vertraulich gegen Adelaide, und warum hatte er so plötzlich den Vertraulichkeiten entsagt, die man sich vielfach von ihm gefallen lassen mußte? – Diese Gedanken kamen ihm unwillkürlich in den Sinn und veranlaßten ihn, mit neuer Aufmerksamkeit den Greis und die Baronin zu beobachten. Ihre Blicke des Einverständnisses, die sie von der Seite auf Adelaide und ihn warfen, mißfielen ihm. "Sollte man mich hintergehen?" dachte Hippolyt, und es war das für ihn ein schrecklicher, ein verletzender Gedanke, den er trotzdem nicht verscheuchen konnte. Um vielleicht eine Gewißheit zu erlangen, blieb er bis zuletzt. Er hatte hundert Sous verloren und seine Börse gezogen, um Adelaide zu bezahlen. Doch von seinen peinigenden Gedanken überwältigt, legte er seine Börse auf den Tisch. Als er aus seinem Nachdenken wieder erwachte, schämte er sich über sein Schweigen, dachte aber nicht mehr an seine Börse, sondern erhob sich, antwortete auf eine gleichgültige Frage, die Frau von Rouville an ihn richtete, und trat ihr näher, um beim Sprechen ihre alten Züge besser prüfen zu können. Von einer peinigenden Ungewißheit ergriffen, entfernte er sich, doch war er kaum einige Stufen der Treppe hinabgeeilt, als er sich erinnerte, seine Börse auf dem Tisch liegen gelassen zu haben, und er kehrte zurück.

"Ich habe meine Börse bei Ihnen vergessen," sagte er zu Adelaide.

– "Nein …" anwortete sie errötend.

"Ich glaubte sie hier zu finden!" Er zeigte bei diesen Worten auf den Spieltisch, schämte sich aber im Herzen des jungen Mädchens und der Baronin, als er seine Börse nicht erblickte, und sah die beiden Frauen auf eine so verlegene Weise an, daß diese lachten. Dann erbleichte er und sagte: "Ach, nein, ich habe mich getäuscht!.. Ich habe die Börse." Er empfahl sich und ging. In einem Abteil der Börse befanden sich dreihundert Franken in Gold und in dem anderen einige kleine Münzen. Der Diebstahl war so klar, auf eine so kecke Weise geleugnet, daß Hippolyt keinen Zweifel über die Moralität seiner Nachbarinnen mehr hegen konnte. Er blieb auf der Treppe stehen, stieg mit Mühe hinab, seine Beine zitterten, Schwindel ergriff ihn, kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn, und er fühlte sich außerstande, zu gehen und die heftige Aufregung zu ertragen, die der Zusammenbruch aller seiner Hoffnungen in ihm hervorgerufen hatte.

Er erinnerte sich jetzt einer Menge von Beobachtungen, die anscheinend geringfügig waren, aber dennoch den schrecklichen Verdacht bestärkten, der ihn ergriffen hatte, und ihm die Augen inbezug auf den Charakter und das Leben der beiden Frauen öffnete. Sie hatten also gewartet, bis das Bild beendet und übergeben war, ehe sie ihm die Börse raubten!?..

Der Diebstahl erschien noch häßlicher, indem er sich als ein berechneter herausstellte. Der Maler erinnerte sich zu seinem Kummer, daß Adelaide schon seit zwei oder drei Abenden mit mädchenhafter Neugierde die kunstreiche Filetarbeit der abgenutzten seidenen Börse betrachtet habe; allein wahrscheinlich nur, um sich zu überzeugen, wieviel Geld in dem Beutel enthalten sei. Die anscheinend unschuldigen Scherze, die sie dabei machte, bezweckten wahrscheinlich nur, den Augenblick zu erspähen, wo die Summe groß genug sein würde, um eines Diebstahls wert zu sein. – "Der alte Admiral hat vielleicht seine guten Gründe, Adelaide nicht zu heiraten, und die Baronin wird daher versucht haben, mich…" Er wollte eine Vermutung aussprechen, unterbrach sich aber und vollendete seinen Gedanken nicht, da derselbe zudem durch eine ganz richtige Betrachtung widerlegt wurde. "Wenn die Baronin," dachte er nämlich, "mich mit ihrer Tochter hätte verheiraten wollen, so würde man mich nicht bestohlen haben…" Um nicht ganz aus seinen Illusionen gerissen zu werden, versuchte dann seine Liebe, die bereits so tief eingewurzelt war, in einem Zufall irgend eine Rechtfertigung zu finden. "Meine Börse kann auf die Erde gefallen sein," dachte er, "sie kann vielleicht auf meinem Stuhle liegen geblieben sein. Ich habe sie vielleicht in meiner Zerstreuung in die Tasche gestickt…" Und er durchsuchte hastig alle seine Taschen, fand aber nirgends die verwünschte Börse. Sein grausames Gedächtnis bestätigte ihm nur die betrübende Wahrheit. Er sah deutlich seine Börse auf dem Tische liegen, zweifelte nicht mehr an dem Diebstahl, entschuldigte aber dennoch Adelaide, indem er dachte, daß man Unglückliche nicht zu schnell richten dürfe, daß ohne Zweifel irgend ein Geheimnis dieser dem Anschein nach ehrlosen Handlung zugrunde liege. Es wollte ihm nicht in den Sinn, daß ein so edles und stolzes Antlitz Lüge sein könne. Dennoch erschien ihm jetzt die armselige Wohnung als vollkommen entblößt von der Poesie der Liebe, die alles verschönert; er sah sie jetzt schmutzig, verwohnt, und betrachtete sie als die Darstellung eines Lebens ohne Adel, ohne edle Handlungen, denn unsere Gefühle sind gewissermaßen den Dingen aufgeprägt, die uns umgeben.

Am folgenden Morgen erhob er sich, ohne geschlafen zu haben. Der Schmerz seines Herzens, diese schwere moralische Krankheit, hatte furchtbare Fortschritte bei ihm gemacht. Ein geträumtes Glück zu verlieren, einer ganzen Zukunft zu entsagen, dies ist ein Leiden, bitterer als jedes andere, das durch den Untergang eines genossenen Glücks veranlaßt wird, wie vollkommen dasselbe auch sein mochte. Die Gedanken, denen sich dann plötzlich unser Geist überläßt, gleichen einem Meer ohne Ufer, in dem unsere Liebe sich zwar einen Augenblick schwimmend erhalten kann, aber dennoch endlich untergehen und ertrinken muß. Das ist ein schrecklicher Tod: sind nicht die Gefühle der glänzendste Teil unseres Lebens? Aus diesem teilweisen Tode entspringen bei gewissen zarten oder starken Konstitutionen die großen Verheerungen, die durch die Entzauberung durch getäuschte Hoffnungen und Leidenschaften hervorgebracht werden.

 

So ging es Hippolyt. Am frühen Morgen ging er aus und wandelte in dem kühlen Schatten der Tuilerien, während er in seine Gedanken versank und alles in der Welt vergaß. Ein Zufall, der gar nichts Ungewöhnliches hatte, ließ ihn einen seiner vertrautesten Freunde treffen, der auf dem Kollegium und in der Malschule sein Kamerad gewesen war, mit dem er vertrauter gelebt hatte, als man mit einem Bruder zu leben pflegt. "Was fehlt Dir?" fragte Daniel Vallier, ein junger Bildhauer, der kürzlich den ersten Preis erlangt hatte und nächstens nach Italien reisen sollte. "Ich bin sehr unglücklich …" antwortete Hippolyt ernst.

"Nur eine Herzensangelegenheit kann Dich so sehr bekümmern, denn an Geld, Ruhm und Ansehen fehlt es Dir nicht." Allmählich entspann sich ein vertrautes Gespräch, und der Maler gestand seine Liebe. Als Hippolyt von der Rue de Surčsne und von einem jungen Mädchen erzählte, das in einem vierten Stock wohnte, da rief Daniel mit ungewöhnlicher Heiterkeit aus: "Halt! das ist das junge Mädchen, das ich jeden Morgen in der Assomption sehe und dem ich den Hof mache. Aber, mein Lieber, die kennen wir alle! Ihre Mutter ist eine Baronin! Glaubst Du denn an Baroninnen, die im vierten Stock wohnen?.. Brr!.. Du bist ein guter Junge, der noch im goldenen Zeitalter lebt!.. Wir sehen die alte Mutter alle Tage in dieser Allee; allein sie hat ein Antlitz und eine Haltung, die alles erraten lassen… Wie! hast Du an der Art, wie sie ihren Strickbeutel hält, nicht schon erkannt, was sie ist?"

Die beiden Freunde lustwandelten lange Zeit, und mehrere junge Männer, die entweder Daniel oder Hippolyt kannten, gesellten sich zu ihnen. Der Bildhauer erzählte ihnen das Abenteuer des Malers, weil er es für sehr unwichtig hielt. Nun wurden Bemerkungen vorgebracht, Spötteleien wurden unschuldig und mit der ganzen Heiterkeit, die Künstlern eigen ist, zum besten gegeben. Hippolyt litt furchtbar darunter. Er schämte sich, als er das Geheimnis seines Herzens so leichtsinnig behandelt, seine Liebe in Fetzen zerrissen sah, als er hörte, daß man ein junges unbekanntes Mädchen, dessen Leben ihm so bescheiden geschienen hatte, den rücksichtslosesten Beurteilungen unterwarf, mochten dieselben richtig sein oder falsch. Aus einem Gefühl des Widerspruchs verlangte er ernstlich von einem jeden Beweis für seine Behauptungen; doch gab dies nur Anlaß zu neuen Spöttereien.

"Aber, mein lieber, hast Du den Shawl der Baronin gesehen?" fragte einer.

"Hast Du die Kleine gesehen, wenn sie des Morgens nach der Assomption geht?" fragte ein anderer.

"Die Mutter besitzt unter anderen Tugenden auch ein gewisses graues Kleid, das ich als einen Typus betrachte."

"Höre, Hippolyt …" sagte ein Kupferstecher, "komm um vier Uhr hierher und beobachte ein wenig den Gang der Mutter und der Tochter… Wenn Du dann noch Zweifel hast … nun, dann wird im Leben nichts aus Dir… Du wärest fähig, die Tochter Deiner Türsteherin zu heiraten."

Hippolyt wurde von den widerstreitendsten Gefühlen ergriffen und verließ seine Freunde. Adelaide erschien ihm über alle Anklagen erhaben, und er empfand im Innersten seines Herzens eine gewisse Reue, daß er an der Reinheit eines so schönen und einfachen jungen Mädchens gezweifelt habe. Er kehrte nach seiner Werkstatt zurück, ging an der Tür vor Adelaides Wohnung vorüber und fühlte einen inneren Schmerz, hinsichtlich dessen sich kein Mann täuscht. Er liebte Fräulein von Rouville leidenschaftlich und betete sie selbst jetzt noch an, ungeachtet des Diebstahls seiner Börse. Seine Liebe war wie die des Chevaliers Desgrieux, der seine Geliebte selbst auf dem Karren, der die verlorenen Weiber in das Gefängnis fährt, noch bewunderte und für rein hielt. "Warum sollte sie nicht durch meine Liebe das reinste von allen weiblichen Wesen werden!.. Warum sollte ich sie dem Unglück und dem Laster überlassen, ohne ihr eine freundschaftliche Hand zu reichen!?.." Diese Aufgabe gefiel ihm, denn die Liebe weiß alles zu benutzen, und nichts lockt einen jungen Mann mehr, als die Aussicht, bei einem jungen Mädchen die Rolle eines guten Engels spielen zu können. Es liegt etwas Romantisches in diesem Unternehmen, das empfindsamen Seelen so sehr gefällt. Es ist Aufopferung in ihrer erhabensten und anmutigsten Form; es liegt soviel geistige Größe darin, sich bewußt zu sein, daß man hinreichend liebt, um selbst da noch zu lieben, wo bei anderen die Liebe erlischt und stirbt!

Hippolyt begab sich in seine Werkstätte und betrachtete seine Gemälde, ohne daran zu arbeiten; er erblickte die Gestalten nur durch die Tränen, die ihm in die Augen traten, hielt fortwährend seinen Pinsel in der Hand und näherte sich der Leinwand, berührte sie aber nicht. Die Nacht überraschte ihn in seinen Träumereien; er eilte die Treppe hinab, begegnete dem alten Admiral, warf ihm einen finsteren Blick zu, während er ihn begrüßte, und eilte hinweg. Es war seine Absicht gewesen, bei seinen Nachbarinnen einzutreten, aber der Anblick von Adelaides Gönner ließ ihm das Herz erstarren und ihn seinen Entschluß aufgeben. Er fragte sich zum hundertsten Male, was den alten reichen Mann, der fünfzigtausend Livres Renten hatte, so unwiderstehlich in jenen vierten Stock ziehe, wo er alle Abende zehn bis zwanzig Franken verlor, und er erriet seinen Zweck.

An den folgenden Tagen widmete sich Hippolyt mit allem Eifer seinen Arbeiten, um durch diese und durch die Ablenkung seiner Phantasie auf einen anderen Gegenstand seine Leidenschaft zu bekämpfen. Seine Absicht gelang ihm zur Hälfte; die Arbeiten trösteten ihn, vermochten aber die Erinnerung an so viele glückliche Stunden, die er neben Adelaide verlebt hatte, nicht zu verbannen. Als er an einem der nächsten Abende seine Werkstatt verließ, fand er die Tür zu der Wohnung der beiden Damen halb geöffnet.

Eine weibliche Gestalt stand in der Brüstung des Fensters, und er konnte nicht vorübergehen, ohne von Adelaide gesehen zu werden. Er begrüßte sie kalt und warf ihr einen gleichgültigen Blick zu, schloß dann aber von seinem Kummer auf den des jungen Mädchens und fühlte eine heftige Rührung, als er die ganze Bitterkeit erwog, die sein Blick und seine Kälte in einem liebenden Herzen hervorbringen mußten.

Eine Wonne, wie die beiden sie genossen, durch so tiefe Vernachlässigung, durch so tiefe Verachtung zu krönen, das war in der Tat ein schreckliches Ende!

Vielleicht hatten sie die Börse wiedergefunden, vielleicht hatte Adelaide an jenem Abend ihren Freund erwartet! Dieser Gedanke, der so einfach und natürlich war, erweckte bei Hippolyt eine neue Reue, und er fragte sich, ob die Beweise von Zartgefühl und Anhänglichkeit, die ihm das Mädchen gegeben hatte, ob die reizenden und liebevollen Plaudereien, die ihn entzückt hatten, nicht wenigstens eine Frage, eine Rechtfertigung verdienten. Er schämte sich, eine ganze Woche lang den Wünschen seines Herzens widerstanden zu haben, betrachtete sich fast als den schuldigen Teil und begab sich noch an demselben Abend zu Frau von Rouville. Sein ganzer Verdacht, alle seine bösen Gedanken entschwanden bei dem Anblick des jungen Mädchens, das bleich und abgehärmt erschien.

"Was fehlt Ihnen?" fragte er, nachdem er die Baronin begrüßt hatte. Adelaide antwortete ihm nicht, sondern richtete nur einen schwermutsvollen, traurigen und entmutigten Blick auf ihn, der ihm wehe tat.

"Sie haben ohne Zweifel viel gearbeitet?" fragte die alte Dame; "Sie haben sich sehr verändert, und wir sind gewiß die Ursache, weshalb Sie sich jetzt so beständig in Ihrer Werkstätte einschließen. Das für uns gemalte Bild hat wahrscheinlich einige Arbeiten verzögert, die für Ihren Ruf von Wichtigkeit sind."

Hippolyt freute sich, eine so schöne Entschuldigung seiner Unhöflichkeit zu finden. "Ja," antwortete er, "ich bin sehr fleißig gewesen, aber ich habe auch viel gelitten…" Bei diesen Worten erhob Adelaide den Kopf und blickte Hippolyt an; ihre Augen drückten nur noch Sorge aus, aber keinen Vorwurf mehr.

"Haben Sie denn gedacht, wir wären so gleichgültig gegen Ihr Glück oder Ihr Unglück?" fragte die alte Dame.

"Ich habe Unrecht gehabt!" versetzte Hippolyt; "aber dennoch gibt es Leiden, die man nicht mitzuteilen wagt, selbst dann nicht, wenn die Freundschaft bereits älter ist als die unsrige."

"Aufrichtigkeit und Stärke der Freundschaft dürfen nicht nach der Dauer der Zeit gemessen werden. Es gibt alte Freunde, von denen der eine nicht einmal eine Träne für das Unglück des andern hat," sagte die Baronin.

"Aber was fehlt Ihnen?" wandte sich Hippolyt an Adelaide.

"Oh, gar nichts," antwortete die Mutter. "Sie hat einige Nächte bei einer weiblichen Arbeit gesessen und nicht auf mich hören wollen, obgleich ich ihr sagte, daß es auf einen Tag mehr oder weniger nicht ankomme."

Hippolyt verlor sich abermals in wunderlichen Gedanken. Wenn er diese edlen und ruhigen Züge betrachtete, so mußte er über seinen Verdacht erröten und den Verlust seiner Börse irgend einem unbekannten Zufall zuschreiben.

Dieser Abend war ein köstlicher für ihn, und vielleicht auch für Adelaide. Es gibt Geheimnisse, die jugendliche Herzen so leicht erraten; das junge Mädchen erriet jedenfalls die Gedanken des Malers. Der Maler dagegen erriet die Gedanken des Mädchens, kehrte liebevoller und freundlicher zu seiner Geliebten zurück und suchte sich eine stillschweigende Verzeihung zu erwerben. Adelaide genoß dagegen so vollkommene, so süße Freuden, daß es ihr schien, als habe sie dieselben nicht zu teuer durch das Unglück erkauft, das ihre Liebe so grausam verletzt hatte. Dieser so aufrichtige Einklang ihrer Herzen, dieses zauberische gegenseitige Verständnis wurde dennoch durch eine Bemerkung der Baronin von Rouville gestört.

"Lassen Sie uns ein Spielchen machen," sagte sie zu Hippolyt.

Diese Worte erweckten alle Befürchtungen des jungen Mannes von neuem. Er errötete, während er Adelaidens Mutter anblickte, bemerkte aber auf ihrem Antlitz nur den Ausdruck einer untrügerischen Herzensgüte. Er setzte sich an den Spieltisch, und Adelaide wollte mit ihm in Gemeinschaft spielen, indem sie vorgab, daß er das Pikett nicht verstehe und daher eines Partners bedürfe. Frau von Rouville und ihre Tochter gaben sich während des Spieles Zeichen des Einverständnisses, die Hippolyt umsomehr beunruhigten, da er der gewinnende Teil war; zuletzt aber wurden die beiden Liebenden Schuldner der Baronin, und der Maler hob seine Hand empor, um Geld aus seiner Tasche zu nehmen. Da sah er plötzlich eine Börse vor sich, die Adelaide dort hingelegt hatte, ohne daß er es bemerkte; sie aber hielt seine alte Börse in der Hand und nahm Geld daraus, um ihre Mutter zu bezahlen. Hippolyt fühlte, wie ihm alles Blut zum Herzen strömte und er nahe daran war, das Bewußtsein zu verlieren. Die neue Börse, die ihm anstatt der alten gegeben war, enthielt sein Geld; sie war mit Goldperlen durchwirkt, und alles an derselben war ein Beweis von Adelaidens gutem Geschmack. Es war dies ein entzückender Dank des jungen Mädchens. Es war unmöglich, auf eine zartere Weise zu erkennen zu geben, daß das Geschenk des Malers nur durch ein Pfand der Zärtlichkeit belohnt werden könne. Als Hippolyt im Übermaß seines Glückes seine Augen auf Adelaide und die Baronin richtete, sah er beide vor Freude zittern und befriedigt, daß ihnen ihr Betrug so schön gelungen war. Nun fand er sich selbst kleinlich, verächtlich, albern und hätte sich strafen mögen; aber ein paar Tränen traten ihm in die Augen, unwiderstehlich zwang ihn sein Herz, sich zu erheben, Adelaide in seine Arme zu nehmen, an seine Brust zu drücken, ihr einen Kuß zu rauben und dann mit der Aufrichtigkeit eines Künstlers zu der Baronin zu sagen: "Ich erbitte sie mir zur Gattin".

Adelaide warf dem Maler einen halb zürnenden Blick zu, und Frau von Rouville suchte in ihrer Bestürzung nach einer Antwort, als diese Szene durch ein plötzliches Klingeln unterbrochen wurde. Der alte Admiral erschien, gefolgt von seinem Schatten und von Frau Schinner.

Hippolyts Mutter hatte den Grund des Kummers erraten, den ihr Sohn ihr vergebens zu verbergen suchte, und bei einigen ihrer Freunde Erkundigungen über das junge Mädchen, das er liebte, eingezogen. Als sie dann in gerechte Besorgnisse durch die Verleumdungen über Adelaide versetzt war, hatte sie dieselben auch dem alten Emigrierten mitgeteilt, der in seinem Zorne sagte, daß er "den Neidhammeln die Ohren abschneiden werde". In seinem Zorneseifer verriet er Frau Schinner dann auch noch, daß er absichtlich beim Spiel verliere, weil der Stolz der Baronin es ihm nicht erlaube, sie auf andere Weise zu unterstützen.

 

Als Frau Schinner Frau von Rouville begrüßt hatte, blickte diese den Kontreadmiral, Adelaide und Hippolyt an und sagte mit unaussprechlicher Herzensgüte: "Nun sind wir also heute abend im Familienkreise."

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