Eine Spur von Hoffnung

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Из серии: Keri Locke Mystery #5
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„Möglich, dass es niemanden in den Sinn gekommen ist, die DNA zu überprüfen“, fügte Ray hinzu. „Wenn sie das Mädchen mit durchtrennter Kehle gefunden haben, sah vielleicht niemand die Notwendigkeit, Weiteres zu veranlassen. Wenn wir rausbekommen, wer sie war, dann kann man vielleicht eilig weitere Tests durchführen lassen, und die Identität des Mannes feststellen, der mit ihr zusammen war.“

„Genau“, stimmte Keri zu. „Denk nur daran, diskret zu sein. Zieh so wenige Leute wie möglich ins Vertrauen.“

„Verstanden. Und was hast du vor, während ich alte Akten über ermordete Teenie Mädchen wälze?“

„Ich werde eine mögliche Zeugin vernehmen.“

„Wen denn?“, fragte Ray.

„Susans Prostituiertenfreundin, Lupita – die, die sagte, sie hat diese Typen über die Vista reden hören. Vielleicht erinnert sie sich mit ein bisschen Hilfe an noch an etwas mehr.“

„Okay, Keri, aber vergiss nicht, dich zu schonen. Diese Gegend von Venice ist rau und du bist noch nicht wieder bei vollen Kräften. Außerdem bist du nicht einmal mehr eine Polizistin, im Moment jedenfalls.“

„Danke für dein Mitgefühl, Ray. Aber du kennst mich inzwischen. Mich zu schonen ist nicht mein Stil.“

KAPITEL DREI

Als Keri vor der Adresse in Venice hielt, die Susan ihr getextet hatte, zwang sie sich, nicht auf die anhaltenden Schmerzen in ihrer Brust und ihrem Knie zu achten. Sie betrat jetzt potentiell gefährliches Terrain. Und da sie offiziell nicht im Dienst war, musste sie besonders wachsam sein. Niemand hier war im Zweifelsfall auf ihrer Seite.

Es war erst mitten am Vormittag und als sie die Pacific Avenue in dieser zwielichtigen Gegend von Venice überquerte, waren die einzig anderen auf der Straße die tätowierten Surfer, die der Kälte keine Beachtung schenkten und dem nur einen Block entfernten Meer zustrebten, sowie obdachlose Männer, die sich in den Eingangsbereichen von noch nicht geöffneten Läden herumdrückten.

Sie erreichte das verwahrloste Mietshaus, ging durch die offene Tür und stieg die drei Treppen hinauf zu dem Zimmer, in dem Lupita sie angeblich erwartete. In dieser Gegend kamen die Kunden erst nach dem Mittag, so dass dies eine gute Zeit war, bei ihr vorbeizuschauen.

Keri näherte sich der Tür und wollte gerade anklopfen, als sie von drinnen ein Geräusch vernahm. Sie untersuchte die Tür und fand sie unverschlossen, öffnete sie leise und steckte den Kopf hindurch.

Auf dem Bett in dem kargen Raum lag ein Mädchen, das aussah wie fünfzehn. Auf ihr war ein nackter, drahtiger Mann in den Dreißigern. Laken verdeckten, was genau vor sich ging, aber er schein aggressiv in sie hineinzustoßen. Alle paar Sekunden schlug er dem Mädchen ins Gesicht.

Keri widerstand dem starken Verlangen, den Kerl von ihr herunterzuziehen. Auch ohne Dienstmarke war dies ihre natürliche Reaktion. Sie hatte jedoch keine Ahnung, ob dies ein Freier war und ob das, was hier vor sich ging, die normale Vorgehensweise war.

Ihre traurige Erfahrung hatte sie gelehrt, dass es langfristig kontraproduktiv sein konnte, jemandem zu Hilfe zu eilen. Wenn dies hier ein Freier war und Keri dazwischen funkte, würde sich der Kerl womöglich bei Lupitas Zuhälter beschweren, der es dann an ihr ausließ. Wenn das Mädchen nicht bereit war, dieses Leben hinter sich zu lassen, so wie Susan Granger es getan hatte, könnte ein Einschreiten Keris, und sei es juristisch noch so legitim, ihr das Leben nur noch schwerer machen.

Keri trat etwas weiter in den Raum hinein und Lupita sah Keri an. Das zerbrechlich aussehende Mädchen mit dunklen Locken schaute sie mit einem ihr bekannten Blick an, einer Mischung aus Flehen, Angst und Überdruss. Keri wusste fast sofort, was dies bedeutete. Sie brauchte Hilfe, aber nicht zu viel.

Dies war ganz klar ein Freier, vielleicht ein neuer, auf die letzte Minute, denn er war hier, obwohl Lupita bereit gewesen war, Keri zu treffen. Aber ihr wurde befohlen, ihn trotzdem zu bedienen. Wahrscheinlich war das Schlagen nicht vereinbart. Aber sie war nicht in der Position sich zu wehren, falls ihr Zuhälter dem zugestimmt hatte.

Keri wusste, was sie zu tun hatte. Schnell tat sie einen Schritt nach vorne und zog leise ihren Gummiknüppel aus der Innentasche ihrer Jacke. Lupitas Augen weiteten sich und Keri konnte sehen, dass der Freier etwas bemerkt hatte. Er wollte sich gerade umgucken, als der Knüppel seinen Hinterkopf traf. Er fiel nach vorne auf das Mädchen drauf, bewusstlos.

Keri legte ihren Finger an die Lippen, damit Lupita leise blieb. Sie ging um das Bett, um sich zu vergewissern, dass der Freier wirklich bewusstlos war. Er war es.

„Lupita?“ fragte sie.

Das Mädchen nickte.

„Ich bin Detective Locke“, sagte sie, fügte allerdings nicht hinzu, dass sie genau genommen momentan gar kein Detective war. „Mach dir keine Sorgen. Wenn wir uns beeilen, muss dies nicht zum Problem werden. Wenn dein Zuhälter fragt, was hier passiert ist: ein kleiner Typ mit Kapuze kam herein, hat den Freier niedergeschlagen und sein Portemonnaie gestohlen. Du hast sein Gesicht nicht gesehen. Er drohte dir, dich umzubringen, wenn du auch nur einen Mucks von dir gibst. Wenn ich hier herausgehe, dann zählst du bis zwanzig und fängst dann an zu schreien. Auf keinen Fall wird man dir die Schuld geben. Verstanden?“

Lupita nickte wieder.

„Okay“, sagte Keri, während sie die Jeans des Mannes durchforstete und sein Portemonnaie herauszog. „Ich glaube nicht, dass er länger als eine Minute bewusstlos sein wird, also lass uns loslegen. Susan sagte, du hättest einige Typen über das Vista Event morgen Abend reden hören. War einer davon dein Zuhälter?“

„Nee“, flüsterte Lupita. „Ich habe ihre Stimmen nicht erkannt. Und als ich in den Flur geguckt habe, waren sie weg.“

„Das ist okay. Susan hat mir erzählt, was sie über meine Tochter gesagt haben. Ich will, dass du dich auf den Ort konzentrierst. Ich weiß, dass dieses Vista Event immer in den Hollywood Hills stattfindet. Aber haben sie genaueres gesagt? Haben sie einen Straßennamen genannt? Irgendwelche Anhaltspunkte?“

„Sie haben keine Straße genannt. Aber einer von ihnen meinte, es sei schwieriger als letztes Jahr, weil es ein Tor gibt. Er sagte ‚in einem eingezäunten Komplex‘. Deshalb nehme ich an, dass es sich um mehr als nur ein Haus handelt.“

„Das ist wirklich hilfreich, Lupita. Weißt du noch mehr?“

„Der eine sagte, er ist genervt, weil sie nicht nahe genug sein würden, um das Hollywood Schild zu sehen. Ich nehme an, letztes Jahr waren sie dicht dran. Aber dieses Jahr werden sie zu weit entfernt sein. Hilft Ihnen das?“

„Ja, das tut es. Das heißt, dass es wahrscheinlich dichter an West Hollywood dran ist. Das grenzt es ein. Das ist eine Hilfe. Noch etwas?“

Der Mann auf ihr stöhnte leise und rührte sich.

„Ich kann mich sonst an nichts erinnern“, murmelte Lupita kaum hörbar.

„Das ist okay. Das ist mehr, als ich vorher hatte. Du warst eine große Hilfe. Und wenn du dich jemals dafür entscheidest, dieses Leben hinter dir zu lassen, dann kannst du mich über Susan erreichen.“

Trotz ihrer misslichen Lage lächelte Lupita. Keri nahm ihre Kappe ab, zog eine Skimaske aus ihrer Tasche und zog sie über.

„Nicht vergessen“, sagte sie mit tiefer Stimme, die ihre eigene verschleierte, „warte zwanzig Sekunden, oder ich bringe dich um.“

Der Mann, der auf Lupita lag, kam zu sich, daher wandte sich Keri um und verließ den Raum. Sie war schon den halben Flur hinunter, als sie die Hilfeschreie hörte. Sie ignorierte sie und lief zur Eingangstür, wo sie ihre Maske auszog, sie in ihre Tasche stopfte und ihre Kappe aufsetzte.

Sie durchforstete das Portemonnaie des Kerls, und schmiss es in die Ecke neben der Tür, nachdem sie das Bargeld herausgenommen hatte – ganze dreiundzwanzig Dollar. So lässig wie möglich überquerte sie die Straße und ging zu ihrem Auto. Als sie einstieg, konnte sie Schreie von wütenden Männern hören, die zu Lupitas Zimmer stürzten.

Als sie die Gegend verlassen hatte, rief sie Ray an, um zu sehen, ob er weitergekommen war mit seiner Spur. Er ging nach dem ersten Klingeln ran und an seiner Stimme hörte sie, dass es nicht gut gelaufen war.

„Was ist los?“, fragte sie.

„Das war eine Sackgasse, Keri. Ich bin zehn Jahre zurück gegangen und kann nichts finden über einen ehemaligen Kinderstar, der mit durchtrennter Kehle gefunden wurde. Ich habe einen Eintrag einer ehemaligen Kinderschauspielerin namens Carly Rose gefunden, mit der es bergab gegangen war und die als Teenager verschwand. Sie müsste jetzt ungefähr zweiundzwanzig sein. Das könnte sie sein. Oder sie hat einfach in einem U-Bahnschacht eine Überdosis genommen und ist niemals gefunden worden. Schwer zu sagen. Ich habe auch Einträge über andere Mädchen zwischen elf und vierzehn gefunden, auf die die Beschreibung zutrifft. – durchtrennte Kehlen. Leichen, die im Müll abgeladen wurden oder einfach an Straßenecken. Das sind aber meist Mädchen, die eine Weile auf der Straße gelebt haben. Und die erstrecken sich über einen längeren Zeitraum.“

„Für mich macht das Sinn“, meinte Keri. „Diese Leute hatten wahrscheinlich keine Skrupel, die Leichen von Mädchen, die auf der Straße arbeiteten oder keine Familie hatten, loszuwerden. Aber sie würden keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen, indem sie die Leichen von bekannten Mädchen loswerden oder von denen, die aus gutem Hause kommen und die erst kürzlich entführt worden waren. Das würde richtige Ermittlungen nach sich ziehen. Ich wette, dass diese Mädchen verbrannt, verscharrt oder ins Meer geworfen wurden. Es sind die Mädchen, nach denen niemand sucht, die sie einfach irgendwo liegenlassen.“

 

Keri ignorierte, dass sie dies alles so sachlich hervorbrachte. Wenn sie darüber nachgedacht hätte, hätte sie sich daran gestört, wie abgehärtet sie geworden war hinsichtlich dieser Grausamkeit.

„Das haut hin“, stimmte Ray zu, genauso sachlich. „Es könnte auch die Jahre dazwischen erklären. Wenn sie das eine Jahr eine Prostituierte von der Straße genommen haben, und dann einige gekidnappte Vorortkids, dann wieder eine Teenager-Nutte, dann kann man schwerer ein Muster erkennen. Ich meine, wenn einmal pro Jahr eine Teenie-Nutte mit aufgeschlitzter Kehle gefunden wird, das würde doch auffallen.“

„Das stimmt“, sagte Keri. „Also hast du damit nichts anfangen können.“

„Nee. Sorry. Hattest du mehr Glück?“

„Ein bisschen“, meinte sie. „Nachdem, was Lupita gesagt hat, hört es sich so an, als sei der Ort der Vista vielleicht in West Hollywood, in einem dieser eingezäunten Komplexe.“

„Das hört sich vielversprechend an“, bemerkte Ray.

„Vielleicht. Davon gibt es aber Tausende dort oben in den Hills.“

„Wir können Edgerton bitten zu prüfen, ob die Eigentumstitel mit jemandem übereinstimmen, der uns bekannt ist. Mit Strohfirmen ist das sicherlich schwierig. Aber man weiß nie, was Edgerton so ausgräbt.“

Das stimmte. Detective Kevin Edgerton war ein Genie in Sachen Technologie. Wenn irgendjemand eine Verbindung ausgraben konnte, dann er.

„Okay, setzen wir ihn darauf an“, meinte Keri. „Aber er soll den Ball flach halten und diskret vorgehen. Und gib ihm nicht zu viele Einzelheiten. Je weniger Leute Bescheid wissen, desto geringer die Gefahr, dass jemand versehentlich etwas ausplaudert und dadurch die falschen Leute warnt.“

„Alles klar. Was machst du jetzt?“

Keri dachte einen Moment nach und erkannte, dass sie keine neuen Spuren hatte, denen sie nachgehen konnte. Das bedeutete, sie musste das tun, was sie immer tat, wenn sie nicht weiterkam – von vorne anfangen. Und es gab jemanden, mit dem sie definitiv einen neuen Anfang machen musste.

„Überhaupt“, meinte sie, „kannst du Castillo bitten mich anzurufen, aber nicht offiziell, sondern über ihr Handy?“

„Okay. Was denkst du?“, fragte Ray.

„Ich glaube, es wird Zeit, mit einem alten Freund mal wieder in Kontakt zu treten.“

KAPITEL VIER

Angespannt wartete Keri in ihrem Auto, die Uhr im Auge behaltend, während sie vor den Geschäftsräumen der Weekly L.A. saß. Dies war eine alternative Zeitung, wo sie sich mit Officer Jamie Castillo verabredet hatte. Und ihre Freundin, Margaret „Mags“ Merrywether, arbeitete hier als Kolumnistin.

Die Zeit wurde knapp. Es war schon 12:30 Uhr am Freitag, knappe sechsunddreißig Stunden, bevor ihre Tochter vergewaltigt und in einem Ritualmord geopfert werden sollte zum Vergnügen wohlhabender Männer mit kranken Seelen.

Keri sah Jamie die Straße hinunterkommen und schüttelte die dunklen Gedanken ab. Sie musste sich jetzt darauf konzentrieren, wie sie den Tod ihrer Tochter verhindern konnte, statt sich hineinzusteigern, auf welch furchtbare Weise es passieren konnte.

Wie sie es angewiesen hatte, trug Jamie einen Mantel über ihrer Polizeiuniform, um weniger Aufmerksamkeit zu erregen. Keri winkte ihr vom Fahrersitz aus zu. Jamie lächelte und kam auf das Auto zu. Ihre dunklen Haare wehten im schneidenden Wind, obwohl sie sie in einen Pferdeschwanz zusammen gebunden hatte. Sie war einige Zentimeter größer als Keri und hatte eine athletischere Figur. Sie war Parkour-Fan und Keri hatte schon gesehen, was sie unter Druck leisten konnte.

Officer Jamie Castillo war noch kein Detective. Doch Keri war sich sicher, wenn sie erst einer war, würde sie großartig sein. Zusätzlich zu ihren körperlichen Fähigkeiten war sie zäh, smart, unnachgiebig und loyal. Sie hatte schon ihre eigene Sicherheit und sogar ihren Job für Keri aufs Spiel gesetzt. Wenn nicht schon Ray ihr Partner wäre, dann wäre Keris Wahl auf sie gefallen.

Vorsichtig stieg Jamie ins Auto, unfreiwillig zusammenzuckend, und Keri erinnerte sich, warum. Im Zuge der Jagd auf den Verdächtigen, der Keri ihre Verletzungen zugefügt hatte, hatte sie sich in nächster Nähe der Bombe befunden, die in seinem Apartment hochgegangen war. Ein FBI Agent war durch die Bombe ums Leben gekommen, ein weiterer hatte sich schwere Verbrennungen zugezogen, und Ray hatte eine Glasscherbe ins Bein abbekommen, was er aber seitdem nicht erwähnt hatte. Jamie hatte eine Gehirnerschütterung und schlimme Blutergüsse davongetragen.

„Bist du nicht gerade heute aus dem Krankenhaus entlassen worden?“, fragte Keri ungläubig.

„Ja“, sagte sie, und Stolz schwang in ihrer Stimme mit. „Ich durfte heute Morgen gehen. Ich bin nach Hause, hab meine Uniform angezogen und war zehn Minuten zu spät bei der Arbeit. Lieutenant Hillman hat mir das allerdings nachgesehen.“

„Wie geht es deinen Ohren?“, fragte Keri, bezugnehmend auf den Verlust ihres Gehörs, den Jamie direkt nach der Bombenexplosion erlitten hat.

„Ich kann dich gut hören. Ich habe immer wieder ein Klingeln in den Ohren. Die Ärzte meinen, das geht in ein oder zwei Wochen wieder weg. Keine langfristigen Schäden.“

„Ich kann kaum glauben, dass du heute arbeitest“, meinte Keri kopfschüttelnd. „Und ich kann kaum glauben, dass ich dich bitte, am ersten Tag gleich so viel zu tun.“

„Kein Problem“, versicherte Jamie ihr. „Ich musste eh‘ mal raus. Alle haben mich mit Samthandschuhen angefasst. Aber ich muss gleich zurück, sonst halte ich das nicht durch. Ich habe aber bei mir, worum du mich gebeten hast.“

Sie zog eine Akte aus ihrer Tasche und gab sie Keri.

„Danke.“

„Kein Problem. Und bevor du fragst, ich habe die „allgemeine“ User ID benutzt, um die Datenbank zu durchforsten, damit man es nicht nachverfolgen kann. Ich gehe davon aus, dass du deine Gründe hast, weshalb du nicht willst, dass ich meine eigene User ID benutze. Und ferner gehe ich davon aus, dass du deine Gründe dafür hast, warum du nicht freiwillig erzählst, warum du diese Infos brauchst?“

„Da hast du recht“, sagte Keri und hoffte, dass Jamie es damit gut sein ließ.

„Und ich nehme an, dass du mir nicht sagst, worum es hier geht oder mich in irgendeiner Form helfen lässt?“

„So ist es am besten, Jamie. Je weniger du weißt, desto besser. Und je weniger Leute wissen, dass du mir geholfen hast, desto besser ist es für mich.“

„Okay. Ich vertraue dir. Aber wenn du irgendwann meinst Hilfe zu benötigen, du hast meine Nummer.“

„Die habe ich“, sagte Keri und drückte Castillos Hand.

Sie wartete, bis Officer Castillo wieder bei ihrem Wagen und damit weggefahren war, bevor sie aus ihrem eigenen ausstieg. Die Akte, die Castillo ihr gegeben hatte, fest in der Hand, stieg sie die Stufen hinauf zu den Geschäftsräumen der Weekly L.A., wo Mags, und mit ihr hoffentlich ein paar Antworten warteten.

*

Zwei Stunden später klopfte es an der Tür zum Konferenzraum, in dem Keri sich eingerichtet hatte und Akten sichtete. Der große Tisch in der Mitte des Raumes war komplett mit Papieren bedeckt.

„Wer ist da?“ fragte sie. Die Tür öffnete sich eine Handbreit. Es war Mags.

„Ich wollte mich nur mal melden“, sagte sie. „Ich wollte sehen, ob ich dir irgendwie behilflich sein kann, meine Liebe.“

„Ich könnte eigentlich eine kleine Pause gebrauchen. Komm rein.“

Mags kam herein, machte die Tür zu, schloss sie hinter sich ab und stellte sicher, dass die Jalousien geschlossen waren, damit niemand hereinschauen konnte. Einmal mehr staunte Keri, wie sie sich angefreundet hatte mit der Frau, die quasi die Live-Action Version von Jessica Rabbit war.

Margaret Merrywether war über 1,80 Meter groß, selbst ohne die Stöckelschuhe, die sie normalerweise trug. Von toller Statur, mit milchig weißer Haut, reichlich Kurven, flammend roten Haaren, die toll zu ihrem rubinroten Lippenstift passten, und strahlend grünen Augen, schien sie gerade einem Modemagazin für Amazonen entstiegen zu sein.

Und all das, bevor sie auch nur ihren Mund öffnete, mit einen Akzent wie Scarlett O`Hara, unterlegt mit einer scharfen Zunge wie Rosalind Russell in His Girl Friday. Nur der leicht bissige Ton gab Aufschluss auf Margarets (von ihren Freunden Mags genannt) Persönlichkeit. Wie sich herausgestellt hatte, war sie auch bekannt unter dem Pseudonym „Mary Brady“, die sensationsmachende Kolumnistin, die Lokalpolitiker zu Fall gebracht, Amtsvergehen großer Firmen aufgedeckt und bestechliche Polizisten bloß gestellt hatte.

Mags war auch glücklich geschiedene Mutter zweier Kinder, die durch die Trennung von ihrem Ex-Mann, einem Banker, noch wohlhabender geworden war. Keri hatte sie während einer Ermittlung kennengelernt, und nach ihrer anfänglichen Skepsis, dass sich hinter ihrer Person nur eine große Show verbarg, hatte sich eine Freundschaft entwickelt. Keri, die nicht viele Freunde außerhalb ihres Jobs hatte, war froh, dass sie einmal die Langweilige war.

Mags setzte sich in einen Sessel neben Keri und begutachtete die Collage aus Polizeidokumenten und Zeitungsausschnitten, die auf dem Tisch ausgebreitet lagen.

„So, meine Liebe, du hattest mich gebeten, alle Zeitungsartikel, in denen es jemals um Jackson Cave ging, zusammen zu sammeln. Und wie ich sehe, hast du jemand anderen in der Abteilung gebeten, das gleiche zu tun mit allem, was sie zu ihm haben. Dann hast du dich für zwei Stunden hier eingeschlossen. Bist du jetzt soweit mir zu sagen, was hier vor sich geht?“

„Bin ich“, sagte Keri. „Gib mir einen Moment.“

Sie stand auf, holte einen Wanzendetektor aus ihrer Tasche und fing an, den gesamten Konferenzraum nach Wanzen abzusuchen. Mags zog die Augenbrauen hoch, schien aber nicht weiter erstaunt.

„Weißt du, meine Liebe“, begann sie, „ich bin die letzte, die dir sagt, dass du übervorsichtig bist. Aber ich lasse so eine Suche zweimal pro Woche professionell durchführen.“

„Ohne Zweifel“, sagte Keri. „Aber danke, dass du mich machen lässt, wie ich möchte. Dies wurde mir von einem befreundeten Nerd gegeben, dem ich vertraue.“

„Jemand aus der Abteilung?“, fragte Mags.

„Nein, er ist ein Security-Mann aus dem Shopping Center. Es ist eine lange Geschichte, aber man kann sagen, dass der Typ sich wirklich auskennt, und er schuldete mir einen Gefallen. Als ich ihn nach einer Empfehlung für deinen guten Wanzendetektor fragte, hat er mir diesen geschenkt.“

„Das hört sich nach einer langen Geschichte an, die ich gern hören würde, wenn ich etwas mehr Zeit habe“, meinte Mags.

Gedankenversunken nickte Keri, während sie fortfuhr, den Raum zu abzusuchen. Mags lächelte und wartete geduldig. Als Keri fertig war und nichts gefunden hatte, setzte sie sich wieder.

„Also, es ist so“, sagte sie und erzählte, was sich zugetragen hatte mit Cave, wovon Mags schon vieles kannte.

Tatsächlich hatte ihre Freundin ihr erst kürzlich geholfen, Informationen von einem Auftragskiller zu bekommen, der eine Verbindung zu Cave hatte. Dieser Mann war nur bekannt unter dem Namen Schwarzer Witwer, eine mysteriöse Figur, der einen schwarzen Lincoln Continental ohne Nummernschilder fuhr.

Vor Monaten hatte Keri in Aufnahmen einer Überwachungskamera gesehen, wie er ganz locker den Mann umbrachte, der Evie festgehalten hatte, wie er Evie in seinen Kofferraum gedrängt und mit ihr in die Nacht verschwunden war, alles, wie Keri vermutete, auf Befehl von Cave.

Irgendwie hatte Mags es geschafft, anonym Kontakt zu dem Schwarzen Witwer aufzunehmen. Wie sich herausstellte, hatte er kein Problem damit, für einen gesalzenen Preis Informationen über Evies Aufenthaltsort preiszugeben. Er schien niemandem gegenüber loyal zu sein, was Keri gut passte, denn durch seine Informationen hatte Keri ultimativ von dem Vista-Event erfahren.

 

Obwohl einige Details, so wie die Verbindung zum Schwarzen Witwer, nichts Neues waren für Mags, sagte sie nichts. Sie unterbrach kein einziges Mal, zog aber einen Schreibblock heraus und machte sich gelegentlich Notizen. Sie hörte aufmerksam zu, vom Anfang bis zu dem Punkt, als Susan Granger an diesem Morgen angerufen hatte, um von Evie als Blutpreis bei der Vista zu berichten.

Als sie sicher war, dass Keri alles erzählt hatte, stellte sie eine Frage.

„Ich verstehe dein Dilemma, Keri. Und ich bin genauso entsetzt wie du. Aber ich verstehe trotzdem nicht, warum du über Hunderten von Papieren über Mr. Cave sitzt?“

„Weil ich nicht mehr weiter weiß, Mags. Ich habe keine Spuren mehr. Ich habe keine Anhaltspunkte mehr. Das einzige, was ich weiß, ist, dass Jackson Cave irgendwie in den Fall meiner Tochter verwickelt ist.“

„Und da bist du dir sicher?“, fragte Mags.

„Ja“, sagte Keri. „Nicht anfangs, glaube ich. Er hatte wahrscheinlich keine Ahnung, dass eins der Opfer seiner Entführer meine Tochter ist. Schließlich war ich zu der Zeit nicht einmal Detective. Ich war Professorin am College. Ihr Verschwinden ist der Grund, warum ich Polizistin geworden bin. Ich weiß nicht einmal, wann genau ich seine Aufmerksamkeit auf mich gezogen habe. Aber irgendwann muss er sich zusammengereimt haben, dass das Kind, nach dem die Polizistin sucht, von jemandem entführt worden war, den er selbst beauftragt hat.“

„Und du glaubst, er hat ihren Aufenthaltsort herausbekommen?“, fragte Mags. „Du glaubst, dass er weiß, wo sie jetzt ist?“

„Das sind zwei sehr unterschiedliche Fragen. Ich bin sicher, dass er irgendwann ihren Aufenthaltsort ermittelt hat. Es wäre ihm zugute gekommen, ihre Umstände zu kennen. Aber das muss gewesen sein, lange bevor ich anfing, bei ihm herumzuschnüffeln. Ich bin sicher, er hat sichergestellt, dass er nicht mit ihr in Verbindung gebracht werden kann, als er merkte, dass ich ihn näher unter die Lupe nehme. Er wusste, dass ich ihm Tag und Nacht folgen würde, wenn ich denke, er könnte mich zu Evie führen. Wahrscheinlich hat er Angst, dass ich ihn entführe und foltere, um an ihren Aufenthaltsort zu kommen.“

„Würdest du?“, fragte Mags, mehr neugierig als anklagend.

„Das würde ich. Millionenfach würde ich das tun.“

„Ich auch“, flüsterte Mags

„Deshalb glaube ich nicht, dass er weiß, wo meine Tochter ist oder wer sie festhält. Aber ich denke, dass er Leute kennt, die wiederum Leute kennen, die wissen, wo sie ist. Ich denke, er könnte ihren Aufenthaltsort herausbekommen, wenn er wollte. Und ich denke, er könnte sie zu einem bestimmten Zeitpunkt an einen bestimmten Ort bringen lassen, wenn er es wollte. Genau das läuft hier gerade, denke ich. Ich glaube, Evie ist deshalb der Blutpreis, weil er es so will. Und irgendwie ist sein Wunsch an die Leute übermittelt worden, die dies einrichten können.

„Also willst du der Spur folgen?“

„Nein. Das Labyrinth von ihm zu ihr ist zu kompliziert, als dass ich da durchsteige, auch wenn ich unbegrenzt Zeit hätte, die ich ja nicht habe. Darauf lasse ich mich nicht ein. Aber ich merke jetzt, dass ich Jackson Cave immer als Gegner gesehen habe, als den Drahtzieher, der mich von meiner Tochter fernhält, diese böse Kraft, die meine Familie zerstören will.“

„All dies ist er nicht?“, fragte Mags, und hörte sich dabei überrascht, ja, fast beleidigt an.

„Doch, das ist er. Aber so sieht er sich nicht selbst. Und er war auch nicht immer so. Ich habe gemerkt, dass ich meine Vorurteile vergessen muss, um diesen Typen besser kennenzulernen und herauszufinden, wie er tickt.“

„Warum interessiert es dich, wie er tickt?“

„Weil ich ihn nicht schlagen kann, solange ich nicht verstehe, wie er denkt, was seineMotive sind. Und wenn ich nicht verstehe, was ihm in tiefsten Inneren wichtig ist, werde ich nie eine Handhabe gegen ihn haben. Und das ist es, was ich wirklich brauche, Mags – eine Handhabe gegen ihn. Dieser Kerl wird mir nie freiwillig Informationen geben. Aber wenn ich herausfinde, was ihm am wichtigsten ist, kann ich das vielleicht benutzen, um meine Tochter wieder zu bekommen.“

„Wie?“

„Keine Ahnung… jedenfalls noch nicht.“

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