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Читает Alex Surer
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Und es würde zu nichts Gutem führen.

Kapitel fünf

Danielle saß auf ihrer Couch, lehnte sich gegen Martin, ihr Bein lag über seinem, und sie war sich sehr bewusst, dass sie keine Unterwäsche unter ihrer Pyjamahose trug. Nicht, dass es eine Rolle spielen würde; irgendwie hatte er sie gestern Abend abgewiesen, trotz des fehlenden BHs und des knappen Höschens. Es schien so, als würde Martin diese ganze Sache mit der es-langsam-angehen-Sache ernst nehmen.

Sie fing auch an zu glauben, dass er entweder nur ein Gentleman war oder sich nicht sexuell zu ihr hingezogen fühlte. Letzteres war schwer zu glauben, denn sie hatte buchstäblich gespürt, wie sein Schwanz bei den vielen Malen, bei denen sie rumgemacht hatten, an ihren Beinen und Hüften rieb.

Sie hatte versucht, sich davon nicht stören zu lassen. Während sie in der Tat sexuell frustriert war, war es doch durchaus wichtig, endlich einen Mann zu finden, der mehr als nur Sex wollte.

Der heutige Abend war ein gutes Beispiel. Sie hatten beschlossen, nichts zu unternehmen, sondern nur in ihrer Wohnung zu sitzen und sich einen Film anzusehen. Zuvor hatten sie über Martins Tag gesprochen. Doch von seiner momentanen Arbeit als ITler in einer Druckerei hatte er nur wenig Spannendes zu berichten. Es war, als würde man jemandem zuhören, der erklärt, wie Buchdruckfarbe trocknet. Und Danielle hasste es, über ihren Tag zu reden. Als Barkeeperin in einem lokalen Restaurant waren ihre Tage eher eintönig. Sie saß herum und las die meiste Zeit. Die Nächte waren gefüllt mit einer Menge Geschichten, aber wenn sie es schaffte, etwas Schlaf zu bekommen und irgendwann am Nachmittag aufwachte, wollte sie nicht auch noch darüber reden.

Als der Austausch von Alltäglichkeiten vorbei war, hatten sie sich ein wenig geküsst, aber es war alles sehr jugendfrei. Wieder einmal stellte Danielle fest, dass sie kein Problem damit hatte. Außerdem war sie seit Chloes Besuch deprimiert. Die Stimmungsstabilisatoren würden wahrscheinlich nicht einmal wirken, bis sie ihre zweite Pille vor dem Schlafengehen nahm.

Dank Chloes Besuch hatte Danielle an ihre Mutter, ihren Vater und die Kindheit gedacht, die wie ein verzerrtes Flimmern an ihr vorübergezogen war. Eigentlich wollte sie nur von Martin festgehalten werden – etwas, das sie sich selbst gegenüber eingestehen musste.

Sie hatten sich auf eine ihrer DVDs geeinigt, „Die Verurteilten“ eingelegt und sich wie ein paar nervöse und unerfahrene Teenager auf der Couch zusammengerollt. Bei einigen Gelegenheiten rutschte seine Hand etwas tiefer über ihre Schulter und sie fragte sich, ob er versuchte, etwas weiter zu gehen. Aber er blieb anständig, was sowohl erfrischend als auch ärgerlich war.

Sie bemerkte auch, dass sein Telefon ein paar Mal vibrierte. Es lag auf ihrem Couchtisch direkt vor ihnen, aber er wollte nicht nachsehen. Zuerst nahm sie an, er sei nur höflich und wollte ihre gemeinsame Zeit nicht stören. Aber nach einer Weile – Danielle glaubte, dass es wenigstens sieben oder achtmal vibriert hatte – fing es an, lästig zu werden.

Gerade als Tim Robbins sich im Büro des Direktors einsperrte und Opernmusik aus der Sprechanlage des Shawshank-Gefängnisses dröhnte, vibrierte es ein weiteres Mal. Danielle sah zum Telefon und dann zu Martin.

»Willst du nicht nachschauen?«, fragte sie. »Jemand scheint dich wirklich zu brauchen.«

»Nein, es ist alles gut«, sagte er. Er zog sie näher heran und streckte sich mit ihr auf der Couch aus. Sie lagen Seite an Seite. Wenn sie wollte, könnte sie leicht seinen Hals küssen. Sie betrachtete den exponierten Raum dort und dachte darüber nach. Sie fragte sich, wie er reagieren würde, wenn sie ihn dort küsste, vielleicht sogar sanft ihre Zunge an seinem Hals entlang wandern ließe.

Das Telefon vibrierte wieder. Danielle stieß ein kleines Lachen aus und beugte sich ohne jede Vorwarnung über Martin. Sie nahm das Telefon und zog es an ihre Brust. Ihren Blick auf sein gesperrtes Display gerichtet, fragte sie: »Was ist dein Passcode?«

Martin riss ihr gewaltsam das Telefon aus der Hand. Er sah mehr überrascht als wütend aus. »Was sollte das denn?«, fragte er.

»Nichts«, sagte sie. »Ich spiele nur herum. Du kannst an dein Handy gehen, während du bei mir bist. Es macht mir nichts aus. Wenn es allerdings eine andere Frau oder so etwas ist, muss ich vielleicht einen Zickenkrieg mit ihr austragen.«

»Du hast mir nicht zu sagen, wann ich an mein Handy gehen soll oder nicht«, schnappte er.

»Ähm, warte mal. Es gibt keinen Grund, sich deswegen aufzuregen. Ich habe nur Spaß gemacht.«

Er grinste sie an und schob das Telefon in seine Tasche. Er seufzte und setzte sich auf, anscheinend nicht mehr daran interessiert, mit ihr zu kuscheln.

»Ah, dann bist du einer dieser Typen«, sagte sie und versuchte immer noch, die Grenze zwischen Scherzen und Beharrlichkeit zu finden. Einer, der sein Handy hütet, als wäre es sein Schwanz oder so was.«

»Lass es gut sein«, sagte er. »Sei nicht albern.«

»Ich? Martin, ich dachte, du wolltest mir die Handgelenke brechen, als du es mir aus den Händen gerissen hast.«

»Nun, es nicht dein Handy, oder? Vertraust du mir nicht?«

»Ich weiß nicht«, sagte sie und erhob ihre Stimme. »Wir kennen uns noch nicht so lange. Gott, es gibt keinen Grund, so verdammt defensiv zu werden.«

Er rollte mit den Augen und sah in den Fernseher. Es war eine abweisende Geste, die sie sauer machte. Sie schüttelte den Kopf und tat ihr Bestes, um ihre fröhliche Fassade aufrechtzuerhalten und schlang schnell ihre Beine um ihn. Sie griff nach unten, als ob sie nach seinem Reißverschluss suchte, taste dann aber nach der Tasche, in die er das Telefon gesteckt hatte. Mit ihrer anderen Hand fing sie an, seine rechte Seite zu kitzeln.

Er war verdutzt, offensichtlich unsicher, wie er reagieren sollte. Doch als ihre Finger den Rand seines Telefons fanden, schien er irgendwo einen Schalter umzulegen. Er packte ihren Arm und zog ihn mit einem schraubstockartigen Griff hoch. Dann schob er sie auf die Couch und hielt ihren Arm immer noch fest. Es tat höllisch weh, aber sie wollte nicht, dass er sie vor Schmerzen schreien hörte. Die Schnelligkeit und Kraft, die er zeigte, erinnerte sie daran, dass er einmal zum Amateurboxer ausgebildet worden war.

»Whoa, lass meinen verdammten Arm los!«

Er ließ ihren Arm los, während er überrascht auf sie herabblickte. Sein Gesichtsausdruck machte sie glauben, dass er nicht beabsichtigt hatte, so hart mit ihr umzugehen. Er schien sogar von sich selbst überrascht zu sein. Aber er war auch wütend; die zerfurchte Stirn und die zitternden Schultern waren ein Beweis dafür.

»Ich werde gehen«, sagte er.

»Ja, das ist eine gute Idee«, sagte Danielle. »Und mach dir nicht mal die Mühe, noch mal anzurufen, es sei denn, du beginnst mit einer Entschuldigung.«

Er schüttelte den Kopf, ob über sich selbst und seine Reaktion oder über sie, Danielle war sich da nicht sicher. Sie sah zu, wie er schnell zur Tür ging und sie geräuschvoll hinter sich schloss. Danielle saß auf der Couch und schaute für einige Augenblicke zur Tür, während sie versuchte herauszufinden, was genau passiert war.

Er hatte kein Interesse daran, mich zu vögeln, und war unerwartet aufbrausend gewesen. Der Kerl könnte mehr Ärger machen, als er wert war.

Aber sie fühlte sich immer zu solchen Kerlen hingezogen.

Sie schaute auf ihren Arm und entdeckte rote Flecken, dort, wo er sie gepackt und nach unten gedrückt hatte. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie blaue Flecken bekommen würde. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Mann ihr blaue Flecken zugefügt hätte, aber sie hatte sowas wirklich nicht bei Martin erwartet.

Sie spielte mit der Idee, ihm nachzulaufen, um zu sehen, was in ihn gefahren war. Aber stattdessen blieb sie auf der Couch und sah sich den Film weiter an. Wenn ihre Vergangenheit sie etwas gelehrt hatte, dann, dass Männer es einfach nicht wert waren, ihnen hinterherzujagen. Nicht einmal die, die zu gut schienen, um wahr zu sein.

Sie schaute den Film alleine zu Ende an und ärgerte sich über den vergeudeten Abend. Als sie alle Lichter ausmachte, fühlte sie sich, als würde sie beobachtet, als wäre sie nicht allein. Sie wusste natürlich, dass das lächerlich war, aber sie konnte nicht anders, als zu ihrer Haustür zu schauen, wo gestern und mehrere Male zuvor wie aus dem Nichts ein Brief erschienen war.

Sie blieb im Dunkeln auf der Couch sitzen, beobachtete die Tür und erwartete beinahe, dass ein weiterer Brief durch die Tür glitt. Zwanzig Minuten später stand sie auf, machte sich bereit für die Arbeit und löschte alle Lichter in der Wohnung.

Langsam kam eine schleichende Paranoia in ihr auf. Es war ein vertrautes Gefühl, ein Gefühl, das im Laufe der Jahre so etwas wie ein enger Freund geworden war – ein sehr enger Freund, seit diese Briefe ankamen.

Sie dachte an die Pillen und fragte sich für einen Moment, ob sie sich das nur einbildete. Alles. Inklusive der Briefe.

War irgendwas davon echt?

Sie kam nicht umhin, in ihre Vergangenheit zurück zu schweifen und sich an die Dunkelheit zu erinnern, von der sie gedacht hatte, ihr entkommen zu sein.

War sie dabei, wieder ihren Verstand zu verlieren?

Kapitel sechs

Chloe saß im Wartezimmer und betrachtete die spärliche Auswahl an Lektüre auf dem Couchtisch. Sie hatte nach dem Tod ihrer Mutter zwei verschiedene Therapeuten besucht, aber den Zweck dieser Besuche nie wirklich verstanden. Aber jetzt, im Alter von 27 Jahren, wusste sie, warum sie hier war. Sie hatte den Rat von Greene befolgt und den zuständigen FBI-Therapeuten angerufen, um mit ihm über ihre Reaktion auf den gestrigen Tatort zu sprechen. Jetzt versuchte sie, sich an die Praxen zu erinnern, die sie als Kind besucht hatte.

»Ms. Fine?« Eine Frau rief sie von der anderen Seite des Raumes auf.

 

Chloe war so tief in ihren eigenen Gedanken versunken gewesen, dass sie die Tür zum Wartezimmer nicht gehört hatte. Eine sympathisch aussehende Frau winkte ihr zu. Chloe stand auf und versuchte ihr Bestes, sich nicht wie ein Versager zu fühlen, als sie der Frau den Flur hinunter und zu einem großen Sprechzimmer folgte.

Sie dachte an das, was Greene ihr gestern gesagt hatte, als sie zusammen einen Kaffee getrunken hatten. Sie hatte seine Worte immer noch im Kopf, denn es war der erste richtige Ratschlag, den ihr ein erfahrener Agent während ihrer sehr jungen Karriere gegeben hatte.

»In meinen ersten Jahren bin ich mehrfach zu diesem Therapeuten gegangen. Mein vierter Tatort war ein erweiterter Selbstmord. Insgesamt vier Leichen. Eine davon war ein dreijähriges Kind. Hat mich ganz schön durcheinandergebracht. Ich kann Ihnen also aus eigenem Erleben bestätigen, dass die Therapie funktioniert. Besonders, wenn man sie in dieser Phase seiner Karriere beginnt. Ich habe Agenten gesehen, die denken, sie seien große Macker und bräuchten keine Hilfe. Werden Sie nicht einer von denen, okay.«

Also nein … einen Therapeuten zu brauchen, würde sie nicht zum Versager machen. Wenn überhaupt, dann hoffte sie, dass es sie stärker machen würde.

Sie betrat das Büro und sah einen älteren Herrn von etwa sechzig Jahren hinter einem großen Schreibtisch sitzen. Ein Fenster hinter dem Schreibtisch offenbarte eine kunstvoll geschnittene Hecke, Schmetterlinge huschten hin und her. Sein Name war Donald Skinner und er machte das hier schon seit mehr als dreißig Jahren. Sie wusste das, weil sie ihn gegoogelt hatte, bevor sie sich entschied, den Termin zu machen. Skinner war sehr etepetete; er schien sich leicht aufzublähen und füllte den Raum noch ein wenig mehr, als er zur Begrüßung auf sie zukam.

Er deutete auf einen bequem aussehenden Sessel in der Mitte des Raumes. »Bitte«, sagte er. »Machen Sie es sich bequem.«

Sie setzte sich, deutlich nervös. Sie wusste, dass sie wahrscheinlich etwas zu sehr versuchte, es zu verbergen.

»Haben Sie so etwas schon mal gemacht?«, fragte Skinner.

»Als ich noch ein Kind war«, antwortete sie.

Er nickte, als er auf einem identischen Stuhl vor ihr Platz nahm. Als er saß, hievte er sein rechtes Bein über sein linkes und faltete seine Hände über seinen Knien.

»Ms. Fine, warum erzählen Sie mir nicht, warum Sie heute hier sind.«

»Soll ich ganz von vorn anfangen?«, fragte sie und meinte es als Witz.

»Im Moment konzentrieren wir uns nur auf den Tatort gestern«, antwortete Skinner.

Chloe nahm sich einen Moment Zeit zum Nachdenken und fing dann an. Sie hielt nichts zurück, auch wenn sie sich ein wenig in ihre Vergangenheit vertiefte, um auch dieses Kapitel für ihn darzustellen. Skinner hörte aufmerksam zu und überdachte das, was ihm gerade erzählt worden war.

»Sagen Sie«, sagte Skinner. »War das von den Tatorten, die Sie bisher gesehen haben, der grauenvollste?«

»Nein. Aber es war der grauenvollste, den ich mir je ansehen durfte.«

»Also sind Sie bereit zuzugeben, dass es dieses Ereignis aus Ihrer Vergangenheit war, dass Sie dazu gebracht hat, so zu reagieren, wie Sie es getan haben?«

»Ich nehme es an. Ich meine, das ist noch nie passiert. Und selbst wenn es mich beunruhigte, konnte ich dieses Gefühl stets leicht abschütteln.«

»Ich verstehe. Nun, gibt es noch andere Faktoren, die eine Rolle gespielt haben könnten? Es ist eine neue Stadt. Ein neuer Ausbilder, ein neues Haus. Es gibt eine Menge Veränderungen.«

»Meine Zwillingsschwester«, sagte Chloe. »Sie lebt hier in Pinecrest. Ich dachte mir, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, sie nach über einem Jahr wiederzusehen … vielleicht war es das, zusätzlich zu der ähnlichen Szenerie an diesem Tatort hier.«

»Das könnte sehr wohl der Fall sein«, sagte Skinner. »Bitte verzeihen Sie mir die simple Frage, aber hat der Mord an Ihrer Mutter Sie zu ihrer Karriere beim FBI geführt?«

»Ja. Seit ich zwölf war, wusste ich, dass ich das tun wollte.«

»Und was ist mit Ihrer Schwester? Was macht sie?«

»Sie arbeitet als Barkeeperin. Ich denke, sie genießt es, weil sie nur ein paar Stunden am Tag unter Leuten sein muss und dann nach Hause gehen und bis Mittag schlafen kann.«

»Und erinnert sie sich an diesen Tag genauso wie Sie? Haben Sie darüber gesprochen?«

»Haben wir, aber sie will nicht ins Detail gehen. Wenn ich es versuche, würgt sie mich sofort ab.«

»Also gehen wir jetzt ein bisschen ins Detail«, sagte Skinner. »Es ist klar, dass Sie das irgendwie besprechen müssen. Also warum nicht mit mir … einer unparteiischen Person?«

»Nun, wie ich schon sagte, es schien ein ziemlich einfacher, aber unglücklicher Unfall gewesen zu sein.«

»Trotzdem wurde Ihr Vater deshalb verhaftet«, betonte Skinner. »Als jemand, der mit dem Fall nicht vertraut ist, tendiere ich nicht zu der Unfall-Theorie. Es macht mich neugierig, wie Sie sich da so sicher sein können. Also, lassen Sie es uns durchgehen. Was ist an diesem Tag passiert? Woran erinnern Sie sich?«

»Nun, es war ein Unfall, den mein Vater verursacht hatte. Deshalb wurde er verhaftet. Er hatte nicht einmal gelogen. Er war betrunken, Mom machte ihn wütend und er schubste sie.«

»Ich habe Ihnen die Chance gegeben, ins Detail zu gehen und das ist alles, was ich bekomme?«, fragte Skinner in einem freundlichen Ton.

»Nun, einiges davon ist verschwommen«, gab Chloe zu. »Wissen Sie, so wie man die Erinnerungen aus der Kindheit durch eine rosarote Brille sieht?«

»In der Tat. Also, … ich möchte etwas mit Ihnen versuchen. Weil wir uns zum ersten Mal treffen, werde ich Sie nicht hypnotisieren. Ich werde jedoch eine andere bewährte Therapie ausprobieren. Es ist das, was manche als Zeitlinientherapie bezeichnen. Für heute hoffe ich, dass es helfen könnte, weitere Details von diesem Tag auszugraben, die in Ihrem Gehirn vorhanden sind, aber irgendwie versteckt wurden, weil Sie Angst haben, sie zu sehen. Wenn Sie auch weiterhin zu mir kommen, wird uns diese Art der Therapie helfen, die Sorgen und Ängste zu überwinden, die in Ihnen entstehen, wenn Sie mit diesem Tag konfrontiert werden. Hört sich das wie etwas an, das Sie heute ausprobieren würden?«

»Ja«, sagte sie ohne zu zögern.

»Okay. Gut. Also … fangen wir damit an, wo Sie gesessen haben. Ich möchte, dass Sie die Augen schließen und sich entspannen. Nehmen Sie sich ein oder zwei Minuten Zeit, um den Kopf frei zu bekommen und es sich bequem zu machen. Nicken Sie, wenn Sie bereit sind.«

Chloe tat, worum sie gebeten wurde. Sie ließ sich wieder in den Stuhl sinken. Es war ein sehr bequemer Kunstledersessel. Sie fühlte, dass sie immer noch ihre Schultern anspannte und es ihr peinlich war, vor jemandem so ungeschützt zu sein, den sie noch nie getroffen hatte. Sie seufzte tief und fühlte, wie ihre Schultern lockerer wurden. Sie schmiegte sich in den Stuhl und achtete auf das Geräusch der Klimaanlage, lauschte ihrem Brummen und nickte dann. Sie war bereit.

»Okay«, sagte Skinner. »Sie sitzen draußen auf der Treppe mit Ihrer Schwester. Nun, selbst wenn Sie sich nicht mehr an die Art von Schuhen erinnern können, die Sie an diesem Tag trugen, möchte ich, dass Sie sich vorstellen, dass Sie auf Ihre Füße schauen. Schauen Sie auf Ihre Schuhe. Ich möchte, dass Sie sich auf sie und nichts anderes konzentrieren – nur auf die Schuhe, die Sie an dem Tag trugen, als Sie zehn Jahre alt waren. Sie und Ihre Schwester auf der Treppe. Aber behalten Sie nur die Schuhe im Auge. Beschreiben Sie sie mir.«

»Chuck Taylors«, sagte Chloe. »Rot. Zerkratzt. Große schlaffe Schnürsenkel.«

»Perfekt. Jetzt studieren Sie die Schnürsenkel. Konzentrieren Sie sich ganz auf sie. Dann will ich, dass Ihr zehnjähriges Ich aufsteht, ohne von den Schnürsenkeln wegzusehen. Ich möchte, dass Sie aufstehen und dorthin zurückgehen, wo Sie waren, bevor Sie das Blut auf dem Teppich unten an der Treppe entdeckten. Sie müssen ein paar Stunden zurückgehen. Aber schauen Sie nicht weg von diesen Schnürsenkeln. Können Sie das?«

Chloe wusste, dass sie nicht hypnotisiert war, aber die Anweisungen schienen so einfach. So einfach und unkompliziert. In Ihren Gedanken stand sie auf und ging zurück in die Wohnung. Als sie dort war, sah sie das Blut, sah ihre Mutter.

»Mom liegt genau da unten an der Treppe«, sagte sie. »Viel Blut. Danielle ist irgendwo und weint. Papa geht auf und ab.«

»Okay. Aber schauen Sie nur auf Ihre Schnürsenkel«, wies Skinner sie an. »Und dann schauen Sie, ob Sie weiter zurückgehen können. Können Sie das?«

»Ja. Langsam. Ich bin mit Beth zusammen … einer Freundin von mir. Wir kommen gerade von einem Film zurück. Ihre Mutter hatte uns mitgenommen. Sie setzte mich ab und blieb dort am Bordstein stehen, bis ich hineingegangen war. Das hat sie immer getan, sie fuhr nicht weg, bis sie mich hineingehen sah.«

»Okay. Also achten Sie auf die Schnürsenkel, wenn Sie aus dem Auto steigen und die Treppe hochgehen. Dann führen Sie mich durch den Rest des Nachmittags.«

»Ich ging in das Gebäude und dann in den zweiten Stock, wo unsere Wohnung war. Als ich zur Tür kam und den Schlüssel herauszog, um sie zu öffnen, hörte ich Dad von drinnen. Also ging ich einfach rein. Ich schloss die Tür und ging ins Wohnzimmer, dann erblickte ich Moms Körper. Mom lag unten an der Treppe. Ihr rechter Arm war unter ihr festgeklemmt. Ihre Nase sah ganz zertrümmert aus und überall war Blut. Der größte Teil ihres Gesichts war damit bedeckt. Es war auf dem ganzen Teppich, genau da, unten an der Treppe. Ich denke, Dad könnte versucht haben, ihren Körper zu bewegen …«

Hier stockte Chloe. Es fiel ihr schwer, sich auf diese schäbigen alten Schnürsenkel zu konzentrieren. Sie kannte die Szene, die sie wiedergab, viel zu gut, um sie zu ignorieren.

»Danielle steht genau da, direkt über ihr. Sie hat etwas Blut an den Händen und der Kleidung. Papa spricht wirklich laut ins Telefon und sagt jemandem, er soll schnell kommen, es hätte einen Unfall gegeben. Als er auflegt, sieht er mich an und fängt an zu weinen. Er wirft das Telefon durch den Raum und es zerschellt beim Aufprall an der Wand. Er kam zu uns herüber und kauerte sich hin. Er sagte, es tue ihm leid … er sagte, es sei ein Krankenwagen unterwegs. Dann sah er Danielle an und wir konnten ihn durch die Tränen kaum verstehen. Er sagte, Danielle müsse nach oben gehen. Sie müsse sich umziehen.

Das tat sie und ich folgte ihr. Ich fragte sie, was passiert war, aber sie wollte nicht mit mir reden. Sie weinte nicht mal. Schließlich hörten wir Sirenen. Wir saßen da mit Papa und warteten darauf, dass er uns sagte, was als Nächstes passieren würde. Aber das tat er nicht. Der Krankenwagen kam, dann die Polizei. Ein freundlicher Polizist nahm uns mit auf die Treppe und blieb dort bei uns, bis Papa in Handschellen herausgebracht wurde. Bis sie Moms Leiche raus gebracht haben …«

Plötzlich war die Vision der ausgeleierten Schnürsenkel verschwunden. Sie wartete darauf, dass ihre Großmutter sie abholte. Der übergewichtige Polizist war bei ihr und obwohl sie ihn nicht kannte, gab er ihr ein Gefühl von Sicherheit.

»Sind Sie okay?«, fragte Skinner.

»Ja«, sagte sie mit einem nervösen Lächeln. »Ich hatte ganz vergessen, dass Dad das Telefon an die Wand geworfen hatte … das hatte ich total vergessen.«

»Wie fühlen Sie sich bei dem Anblick?«

Es war eine schwer zu beantwortende Frage. Ihr Vater war immer sehr schnell aufbrausend gewesen, aber ihn nach dem, was ihrer Mutter passiert war, zu sehen, ließ ihn fast schwach und verletzlich erscheinen.

»Es macht mich traurig für ihn.«

»Geben Sie ihm die Schuld am Tod Ihrer Mutter, seitdem es passiert ist?«, fragte Skinner.

»Es kommt auf den Tag an. Es kommt auf meine Laune an.«

Skinner nickte und brach seine statuenhafte Haltung. Er stand auf und sah sie mit einem beruhigenden Lächeln an.

»Ich denke, es ist genug für heute. Bitte rufen Sie mich an, wenn Sie diese Art von Reaktion auf einen Tatort noch einmal erleben. Und ich würde Sie gerne bald wiedersehen. Können wir einen Termin vereinbaren?«

Chloe dachte darüber nach und nickte. »Das können wir, aber ich heirate bald und wir haben all diese Treffen mit Floristen und Bäckern … es ist ein Albtraum. Kann ich Sie wegen eines Termins anrufen?«

»Natürlich. Und bis dahin … halten Sie sich an Agent Greene. Er ist ein guter Mann. Und er hatte recht damit, Sie zu mir zu schicken. Bitte seien Sie sich darüber im Klaren, dass es nichts bedeutet, so früh in Ihrer Karriere zu jemandem wie mir zu kommen, um sich mit Ihren Problemen zu beschäftigen. Es ist kein Spiegelbild Ihrer Fähigkeiten.«

Chloe nickte. Sie wusste das, aber es war trotzdem schön, Skinner das sagen zu hören. Sie stand auf und dankte ihm für seine Zeit. Als sie aus der Tür in das Wartezimmer ging, sah sie wieder ihren Vater das Telefon an die Wand werfen. Aber dann war da noch eine Bemerkung, die er gemacht hatte. Eine, die sie nicht vergessen hatte, die aber bis heute verschwommen gewesen war.

 

Er hatte Danielle angeschaut und mit etwas zu viel Dringlichkeit in seiner Stimme gesagt: »Danielle, Schatz … zieh dich um. Es ist nicht mehr viel Zeit, bis sie hier sind.«

Dieser Kommentar geisterte den größten Teil des Nachmittags durch Chloes Kopf und ließ sie frösteln, während sie an einer verschlossenen Tür herumstocherte, die sie in den letzten siebzehn Jahren ignoriert hatte.

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