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Из серии: Ein Adele Sharp Mystery #3
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KAPITEL DREI

Als sie das Büro von Agent Grant betrat, war Adele überrascht, Mrs. Jayne vor dem Schreibtisch sitzen zu sehen, ihre Hände in geduldiger Haltung über den Knien verschränkt. Adele zögerte und versuchte, nicht verwirrt die Stirn zu runzeln. Sie sondierte den Raum und wartete ab, dass sich auch Executive Foucault einschalten würde, aber diesmal gab es kein Zeichen des französischen Leiters der DGSI.

Mrs. Jayne hingegen arbeitete für Interpol. Sie war eine ältere Frau, mit hellen, intelligenten Augen hinter einer Hornbrille. Sie hatte graues Haar und war etwas kräftiger als die meisten Außendienstmitarbeiter. Adele erinnerte sich, dass Mrs. Jayne keinen Akzent hatte, was darauf hindeutete, dass sie die englische Sprache zwar sehr gut beherrschte, dennoch konnte man ausmachen, dass es nicht ihre Muttersprache war.

Als die Tür hinter Adele ins Schloss fiel, näherte sie sich Agent Grants Schreibtisch. Wenn Mrs. Jayne es für nötig befunden hatte, selbst zu kommen, war tatsächlich etwas vorgefallen.

Agent Grant räusperte sich hinter dem Schreibtisch. Adeles Vorgesetzter fuhr mit einer Hand durch ihr mittellanges Haar und presste ihre Lippen mit strenger Miene zusammen. Sie war nur ein paar Jahre älter als Adele, hatte aber jetzt bereits Falten um Mund und Augenwinkel. Lee Grant war nach den beiden Generälen aus dem Bürgerkrieg benannt worden und in der Außenstelle in San Francisco für ihre Streifzüge aus dem Gebäude und an Tatorte bekannt, da er jede Gelegenheit ergriff, sich die Beine zu vertreten. Insgeheim vermutete Adele, dass Agent Grant der Außeneinsatz fehlte. Und obwohl sie es nie zugeben würde, glaubte Adele, dass Grants Fähigkeiten hinter einem Schreibtisch verschwendet wurden.

„Sharp“, sagte Agent Grant und nickte ihr zu.

„Agent Sharp“, sagte Mrs. Jayne und nickte nur minimal, um ihre perfekt liegende Frisur nicht in Unordnung zu bringen.

„Mrs. Jayne“, sagte Adele und zögerte. Man hatte ihr sie nie mit Vornamen vorgestellt. Sie nickte auch Grant zu. „Was kann ich für Sie tun?”

Sie wartete und hielt einen Moment inne, während die befehlshabenden Agentinnen sich ansahen. Agent Grant brach das Schweigen. „Wir befinden uns in einer… heiklen Lage.”

Mrs. Jaynes Augen verengten sich fast unmerklich hinter ihrer Brille. Es war nur ein kurzer Moment, in dem sie ihre sonst makellose Fassade bröckeln ließ, aber Adele verstand sofort.

„Heikel?“, fragte Adele. „Naja, mir ist alles recht, was mich von diesem Papierkram abhält…“ Sie kicherte leise, aber als die beiden Frauen ihre Freude nicht erwiderten, wurde sie wieder ernst.

„Die Einheimischen“, begann Mrs. Jayne in ihrer normalen und bestimmten Tonlage, „glauben, dass es ein Braunbärenangriff war.”

Adele versuchte es mit einem weiteren Lächeln und gab den halbherzigen Versuch, die Atmosphäre aufzulockern, erneut auf. „Ich wusste nicht, dass es in San Francisco Braunbären gibt“, sagte sie.

Agent Grant schüttelte den Kopf. „In den Alpen.”

„Die… die Alpen?”

„Ein weitläufiges Gebirge, das sich über acht Länder in Europa erstreckt“, erklärte Agent Grant.

"Oh, äh, nun, nein – ja, meine ich. Ich weiß, was die Alpen sind. Wir haben also einen Fall in den Alpen?”

Adele dachte über die Nachricht von Angus nach. Sie dachte über ihren Wunsch nach, sesshaft zu werden. Aber gleichzeitig überkam sie ein leichtes, prickelndes Frösteln der Vorfreude. Dieses Mal versuchte sie krampfhaft, ein Lächeln zu unterdrücken.

„Ja“, sagte Agent Grant. „Wie ich bereits erwähnte, glauben die Einheimischen, dass es ein Bärenangriff war. Ein handelt sich um ein wohlhabendes italienisches Ehepaar, das in einem Skigebiet Urlaub machte. Beide waren gute Skitourengeher. Beide wurden tot und zerfleischt aufgefunden.”

Adele nickte. „Aber kein Bär?”

Grant warf der dritten Frau im Raum einen Blick zu. Mrs. Jayne hielt ihre Hände über dem Knie gefaltet und blickte ernst hinter ihrer Brille hervor. „Der örtliche Such- und Rettungstrupp erwähnte gegenüber den Medien, dass es ein Braunbär gewesen sein könnte. Sie haben es ihnen abgekauft.”

Adele nickte. Mrs. Jayne hatte sich wie immer im Englischen perfekt ausgedrückt, auch wenn es wenig emotional, sondern eher sachlich wirkte. Die Interpolkorrespondentin fuhr fort. „Wir haben zugestimmt, die Geschichte so weiter laufen zu lassen. Vorerst.”

„Aber Sie wissen, dass es kein Bär war?“, Adele zögerte. „Warum die Geheimniskrämerei?”

„Es ist nicht die Unwahrheit“, sagte Mrs. Jayne. Wieder verengten sich ihre Augen, für den Bruchteil einer Sekunde, hinter ihrer Brille und wieder war der Ausdruck verschwunden, bevor ein durchschnittlicher Beobachter sie hätte erkennen können. Adele hingegen verbrachte viel Zeit damit, auf Details zu achten. Mrs. Jaynes Unsicherheit war ihr nicht entgangen. Aber sie blieb ruhig und ließ die ältere Frau fortfahren. „Eine heikle Situation“, sagte sie und wiederholte die Worte, die Grant benutzt hatte. „Ein wohlhabendes italienisches Ehepaar stirbt in Deutschland. Und angesichts der politischen Verbindungen des Ehepaares in Italien, nun… Sie können verstehen, wenn Interpol dies mit Sorgfalt und zur Zufriedenheit aller Beteiligten handhaben möchte.”

„Ich bin… ich bin verwirrt“, sagte Adele, während sie langsam ihren Finger an Grants Schreibtischkante entlanggleiten ließ. Sie hielt ihre Augen nach unten gerichtet und folgte der dünnen Staubschicht, die sich von der Unterseite des Tisches zu lösen begann, trotzdem hörte sie noch zu. „Sie sagten, es ginge um die Alpen. Nicht nur um einen Ferienort, oder einen Berg. Aber die Bergkette… Habe ich Recht?”

Mrs. Jayne nickte. „Ja, sehr gut erkannt. Die Italiener waren nicht der einzige Vorfall dort. Ein weiteres Ehepaar aus der Schweiz ist ebenfalls verschwunden. Ein paar hundert Kilometer entfernt. Seit einer Woche – wir haben sie immer noch nicht gefunden.”

„Lassen Sie mich raten, auch in den Alpen?”

„Korrekt. Die französischen Alpen, um genau zu sein.”

Adele widersetzte sich dem Drang zu seufzen und tat ihr Bestes, um sich weder im Gesicht noch mit ihrer Atmung etwas anmerken zu lassen.

„Ich verstehe… Und Sie beehren uns hier mit Ihrer Anwesenheit, weil…?”

Mrs. Jayne schlug die Beine auf und stellte vorsichtig beide Füße auf den Boden, bevor sie sich nach vorne beugte und zu Adele hinaufblickte. „Es gibt keinerlei Verbindungen zwischen den beiden Ehepaaren, abgesehen von der Tatsache, wo sie vermisst gemeldet wurden – und selbst dann waren sie fast zweihundert Meilen voneinander entfernt. Und dann…“

„Lassen Sie mich raten: Die Schweizer Familie ist auch wohlhabend und gut gestellt in der Gesellschaft?“, sagte Adele.

Mrs. Jayne nickte mit dem Kopf. „Es ist wichtig, dass wir sorgfältig vorgehen. Es sind bereits zu viele Menschen involviert. Zu viele Köche verderben bekanntlich den Brei. Wir können nicht riskieren, dass die Sache schief geht.”

„Ich vermute aber, dass Sie nicht hier sind, um mit mir Rezepte auszutauschen.”

Agent Grant schnaubte leise und Adele schaute auf und traf den Blick ihrer Vorgesetzten.

„Sie suchen nach einer anderen Köchin“, sagte Grant mit einem Nicken in Richtung Mrs. Jayne.

Diesmal seufzte Adele, obwohl sie versuchte, es als Gähnen zu tarnen, aber auf halbem Wege entschied sie, dass dies vielleicht noch unangebrachter erschien. Sie versuchte mit einer schnellen Frage von sich abzulenken: „Sie wollen also, dass ich in den Alpen einen Fall von vermissten Personen untersuche, bei dem es keinerlei Verbindungen gibt, bei dem der Täter vielleicht nur ein ausgehungerter Grizzly oder die Kälte gewesen sein könnte?”

Mrs. Jayne kam langsam auf die Beine und richtete ihr maßgeschneidertes Kostüm. „Braunbären. Und wir haben guten Grund zu der Annahme, dass die Morde nichts mit wilden Tieren zu tun hatten. Ich wäre nicht gekommen, wenn das nicht wichtig wäre. Nun, Ms. Sharp – können wir auf Ihre Hilfe zählen?”

Adele zog eine Augenbraue hoch und sah zu Agent Grant hinüber, die schnaubte und nickte. „Ich bin nicht der ausschlaggebende Faktor. Unsere Vorgesetzten haben bereits zugestimmt. Es ist Ihre Entscheidung, Adele.”

Der Blick der Agentin hatte etwas Bedeutsames, als sie wartete und die jüngere Frau beobachtete. Adele fokussierte sie kurz, blickte dann aber weg. Ein neuer Fall, mehr Reisen. Es wäre ihr gutes Recht, abzulehnen…

Aber was war die Konsequenz?

Sich wieder dem Papierkram zuzuwenden? Zu Angus? Sicherheit wählen.

War das wirklich so schlimm?

„Bitte“, sagte Mrs. Jayne. Und zum ersten Mal bemerkte Adele einen unbehaglichen Unterton in der Stimme der Frau. Ging es bei diesem Fall für die Interpol-Korrespondentin um etwas Persönliches? Warum war sie so emotional involviert?

Sie zögerte, schaute dann aber direkt Agent Grant an. „Solange Sie jemand anderen den Papierkram erledigen lassen, bin ich dabei.”

Grants Augen verengten sich und im Gegensatz zu Mrs. Jayne bemühte sie sich nicht, ihren Ärger zu verbergen. Aber schließlich war sie an der Reihe, zu seufzen und sie winkte mit einer leichten Geste zur Tür. „Ihr Wunsch ist mir Befehl. Außerdem ist Ihr Flug bereits gebucht.”

KAPITEL VIER

Adele näherte sich der dritten Parkebene mit einem leichten Wippen im Schritt. Es war mehr als zwei Monate her, dass sie das letzte Mal im Ausland gewesen war. Sie kannte ihr Ziel genau und, obwohl das Parkhaus dicke Mauern hatte, fühlte es sich so an, als würde ihr der Wind durchs Haar streichen. Roots konnte warten – jetzt, wo sich die Gelegenheit aufgetan hatte, war sie plötzlich erleichtert darüber, dass sie wieder reisen konnte. Eine Ablenkung von dem Gedanken an ihre derzeitige Lebensphase und ihre Ziele im Leben? Vielleicht – oder aber, vielleicht waren manche Menschen einfach nicht dazu bestimmt, zu lange an Ort und Stelle zu bleiben.

 

Sie räusperte sich und rückte ihren Ärmel zurecht, als ein paar Kollegen an ihr vorbei, durch die Sicherheitsschiebetür aus Glas in Richtung der Metalldetektoren und der postierten Wachen, gingen. Adele nickte zur Begrüßung, setze ihren Weg dann wieder zum hinteren Teil des Parkhauses fort, wo sie ihre Limousine geparkt hatte.

Sie war für einen Moment unaufmerksam gewesen.

Plötzlich stand jemand an ihrem Auto.

Ihre Hand näherte sich ihrer Dienstwaffe an der Hüfte, aber ihre Finger froren ein, als sie die Silhouette mit lockigem Haar erkannte. Er hatte trainiert; seine Arme waren mindestens einen Zentimeter breiter, als beim letzten Mal, als sie ihn gesehen hatte, seine Taille war einen Zentimeter schmaler. Sie musterte ihn einmal von oben nach unten und genoss die Aussicht einen Moment lang, bevor sie sich bemerkbar machte.

„Angus?“, rief sie.

Ihr Ex-Freund drehte sich plötzlich um und blinzelte sie an. Er trug keine Brille mehr. Kontaktlinsen? Gelasert? Sein Haar war länger, als sie sich erinnerte und er hatte eine neue, kaum sichtbare Narbe auf der Oberlippe.

„Oh, hey… Adele“, sagte er und räusperte sich. Früher nannte er sie oft beim Kosenamen, aber jetzt sprach er ihren Namen aus, als hätte er ihn aus Angst vergessen.

„Was machst du hier?“, fragte sie, ohne den Gruß zu erwidern.

Angus trat unsicher auf der Stelle und lehnte sich schließlich gegen die Motorhaube ihres Autos. Adele sah mit einem strengen Gesichtsausdruck dorthin, wo er saß und hustete. Als Angus ihren Blick bemerkte stieß er sich schnell vom Auto ab, wobei er entschuldigend die Hände hob. „Oh, Entschuldigung, Entschuldigung“, sagte er schnell. „Ich war gerade… war gerade in der Gegend und wollte sichergehen, dass…"

„Ich habe deine Nachrichten erhalten.”

„Oh…“, sagte er leiser. „Oh“, wiederholte nochmal mit verletzlicher Stimme.

Adele atmete durch die Nase ein und versuchte, ihre Gedanken an Morde in den Alpen wegzulenken und sich auf ihren unbeholfenen Ex-Freund zu konzentrieren.

„Hör zu, Angus, ich wollte dich nicht ignorieren – ich war einfach ziemlich beschäftigt. Du würdest nicht glauben, wie viel Papierkram sich auf meinem Schreibtisch angesammelt hat.”

Angus nickte und hatte immer noch einen verletzten Blick in seinen Augen. „Ich verstehe schon“, sagte er langsam. Er blickte über die dritte Ebene des Parkplatzes hinaus in den Nachmittagshimmel. Dann hielt er ihr eine braune Papiertüte entgegen.

„Ich habe dir etwas mitgebracht – sie hatten es im Laden neben der Arbeit. Naja, eigentlich waren es ein paar Blocks. Ich musste ein paar Läden abklappern, um es zu finden… Aber, ja, hier ist es.”

Er lächelte und wedelte mit der Papiertüte herum.

Widerwillig nahm Adele das Geschenk an, um ihm nicht noch ein schlechteres Gefühl zu geben. Sie warf einen Blick in die Tüte und ein Teil ihres vorher gezwungenen Lächelns wurde zu einem echten. „Oh, Angus“, sagte sie mit leiser, trauriger Stimme.

„Das hättest du nicht tun sollen.”

„Ich erinnere mich daran, dass es dein Lieblingsessen ist. Du hast sie jeden Morgen zum Frühstück gegessen. Ich mag auch Schoko-Cerealien, aber, haha, nicht so sehr wie du.“

Er nickte in Richtung der Packung Chocapic-Cornflakes.

„Die ist aus Deutschland, oder?”

Angus wusste natürlich von ihrer dreifachen Staatsbürgerschaft – amerikanisch väterlicherseits, französisch mütterlicherseits und die deutsche Staatsbürgerschaft hatte sie aufgrund des Umzugs ihrer Familie nach Deutschland erhalten. Aber obwohl er es wusste, fiel ihr manchmal auf, wie aufmerksam Angus war. Manchmal zu aufmerksam und dass manchmal, ihrer Meinung nach, zu vielen Menschen gegenüber. Sie wusste, dass sie dadurch egoistisch wirkte, aber es gab etwas, das Adele daran gefiel, die Einzige zu sein, der diese weiche Seite ihres Partners zu Teil wurde. Angus hingegen war wie ein Golden Retriever – er würde seinen Bauch jedem zeigen. Als Kind hatte Adele immer Pitbulls bevorzugt. Zuverlässig, intelligent und einer einzigen Person gegenüber äußerst loyal.

„Frankreich“, sagte sie.

„Wie bitte?“

„Die Cornflakes, sie kommen aus Frankreich. Unwichtig. Angus, du bist nicht den ganzen Weg hierhergekommen, um mir eine Schachtel von meinem Lieblingsfrühstück zu bringen.”

Er kratzte sich am Hinterkopf und zerzauste sein lockiges Haar. Sie konnte noch die Abdrücke entlang seiner Wangen sehen, wo er früher seine Brille getragen hatte, unscheinbar, ganz leicht – vielleicht war es aber einfach nur ein Sonnenabdruck. Er symbolisierte etwas Vergangenes – eine Erinnerung.

„Ich wollte reden“, sagte er vorsichtig. „Ich habe viel nachgedacht… und mir dafür wirklich etwas Zeit genommen…“ Er begann, schneller und lauter zu sprechen und Mut zu fassen, als hätte er diese Worte schon einmal geprobt.

Adele beobachtete ihn geduldig und ruhig, ließ ihn sprechen, hatte aber Angst davor, auf was er hinauswollte. Wollte er wieder mit ihr zusammen sein? Worum ging es? Wollte sie es überhaupt wissen?

Sesshaft werden, Wurzeln schlagen, darüber hatte sie immer wieder nachgedacht. Wurzeln waren sicher. Die Wurzeln waren zuverlässig. Wurzeln waren ein Zuhause – ein Ort, an den man zurückkehren konnte.

Adele schaute an der Parkhausdecke vorbei, studierte den Horizont und warf einen Blick in den weit entfernten Himmel. Eine leise Stimme – ein Teil von ihr, von dem sie behauptete, er sei nicht da – meldete sich zu Wort. Wurzeln waren restriktiv. Wurzeln waren wie Ketten. Wurzeln hielten einen gefangen.

„Hör zu, Angus“, sagte sie und unterbrach ihn mitten im Satz. „Wir können reden. Ich verspreche, wir werden reden. Aber jetzt ist kein guter Zeitpunkt.”

Angus sah ihr bedrückt nach, als sie sich an ihm vorbei zum Auto bewegte. Sie öffnete die Tür ihres Wagens und warf die Papiertüte mit dem Chocapic auf den Rücksitz. Sie drehte sich um, lächelte entschuldigend und zuckte mit den Schultern. „Ich verspreche es“, wiederholte sie, „Bald“.

„Ich habe einen Fall außerhalb der Stadt. Wenn ich zurück bin, reden wir. Okay?”

Angus hielt inne, den Mund halb geöffnet. Er war wirklich immer nett zu ihr gewesen. Der verletzte Gesichtsausdruck gab ihr das Gefühl, gerade einen Welpen mit Füßen getreten zu haben. In ihr stieg ein so starkes Schuldgefühl in der Brust auf, dass sie verzweifelt versuchte, die Emotion zu unterdrücken. Sie wusste, wenn sie ihn ansah und noch länger bliebe, würde sie ihre Meinung ändern. Sie würde ihn anhören. Und dann… Seine Worte hatten die Macht, die Menschen zu überzeugen. Und Adele war sich nicht sicher, ob sie überzeugt werden wollte. Außerdem war er derjenige, der mit ihr Schluss gemacht hatte. Nur weil er seinen Scheiß jetzt geregelt hatte, hieß das nicht, dass es ihr gleich erging.

Schnell stieg sie in ihr Auto, lächelte ihren Ex noch einmal entschuldigend an und schloss die Tür. Das unüberwindbare Gefühl der Einsamkeit, der Schuldgefühle und der Verwirrung trieben sie dazu sich schnell auf den Fahrersitz zu setzen und nur noch zu sagen: „Später. Das verspreche ich. Es tut mir leid, Angus. Wirklich, ich möchte auf jeden Fall reden. Nur nicht jetzt gleich. Ist das okay?”

Er nickte traurig. „Es tut mir leid, Adele. Ich hätte nicht herkommen sollen, du hast Recht. Wie sieht es bei dir nächstes Wochenende aus?”

Sie dachte kurz nach und zuckte dann mit den Schultern. „Die Lösung des Falls wird eine Weile dauern. Ich muss nach Europa. Ich gebe dir Bescheid, wenn ich zurück bin. Ja, wirklich. Das werde ich.”

Und damit zündete sie den Motor und fuhr Angus zuwinkend, an den anderen geparkten Autos vorbei aus der Parklücke. Als sie den Parkkomplex hinter sich ließ, weigerte sie sich, über ihre Schulter zu schauen und verweigerte sich jeglichen Versuch in den Rückspiegel zu sehen. Stattdessen richtete sie ihre Augen auf die vor ihr liegende Fahrbahn.

Es gab einen Mörder in den Alpen. Vielleicht ein Serienmörder. Zwei Paare, die zweihundert Meilen voneinander entfernt vermisst wurden. Sie musste Prioritäten setzen und sich konzentrieren. Adele umschloss fest das Lenkrad, verdrängte die Gedanken an Angus aus ihrem Kopf und katalogisierte jeden Gegenstand, den sie für die Reise einpacken musste. Während sie sich immer weiter vom Parkhaus entfernte, stieg ihr Adrenalinspiegel und ihre Wangen glühten.

Die Jagd ging weiter.

***

Erste Klasse, keine Zwischenlandungen. Das war ein Leben. Zumindest wäre es das gewesen, wenn da nicht die blutigen Bilder eines Gemetzels über dem heruntergeklappten Flugzeugtisch verteilt gewesen wären. Adele studierte die Fotos vom Tatort, hörte dem Summen der Düsentriebwerke zu und – wie so oft – schaute sie auf, um sicherzugehen, dass keine Flugbegleiter vorbeikamen. Vor einigen Jahren hatte sie auf die harte Tour erfahren, welche Auswirkungen einige dieser Fotos auf die breite Öffentlichkeit hatten.

Einen Ohnmachtsanfall einer weiteren Flugbegleiterin über dem Atlantik verursachen? Das wäre nicht ideal.

Adele verlagerte sich etwas in Richtung des Fensters und glitt an der gepolsterten Rückenlehne entlang nach unten, um einige der Fotos vor neugierigen Blicken zu schützen. Mr. und Mrs. Beneveti waren vor zwei Tagen gefunden worden, in Stücken verstreut um eine Ansammlung von Bäumen herum. Mr. und Mrs. Hanes, das Schweizer Ehepaar, waren fast eine Woche zuvor verschwunden und bisher noch nicht wieder aufgetaucht.

Hunderte von Kilometern trennten die beiden vermissten Paare. Ihre einzige Verbindung: Reichtum, Einfluss und die Alpen.

Adeles runzelte die Stirn und streckte die Hand aus, um einen Schluck von ihrem Eiswasser zu nehmen und stellte den Becher dann in die Halterung zurück. Sie stieß einen langen Atemzug aus, ein Geräusch, das sich im Surren der Düse der Klimaanlage verlor. Sie klopfte mit den Fingern auf den Rand ihres Klapptisches herum und glättete eines der Fotos, das sich weigerte, flach auf dem Tisch liegen zu bleiben.

„Ein Bärenangriff?“, murmelte sie vor sich hin und ließ die Frage unbeantwortet.

Es machte nicht den Eindruck. Nicht laut dem vorläufigen Bericht – obwohl sie immer noch auf die Bestätigung des Gerichtsmediziners warteten. Und doch machte eine schnelle Online-Suche überdeutlich, dass die Öffentlichkeit immer noch davon überzeugt war, dass die Braunbären mit aller Kraft in die Alpen zurückgekehrt waren. Aber es gab keine Bissspuren und einige wenige Stellen, die aussahen, als seien sie durch Krallen verursacht worden, könnten auch leicht durch ein Beil oder eine Axt herbeigeführt worden sein. Einige der Schnitte waren gezackt – vielleicht von einer verrosteten Axt. Einer stumpfen Machete?

Adele zuckte zusammen bei dem Gedanken an das Paar, das sich im kalten Wald zusammenkauerte, um tagsüber einen Skiausflug zu machen, nur um dann von…

Wodurch? Von wem?

Adele sah sich die Fotos erneut an und ordnete die Informationen. Es gab FBI-Agenten, die viel klüger waren als sie, andere, die mehr Verbindungen hatten und wieder andere mit einem größeren Talent. Aber es gab nur sehr wenige, die härter arbeiteten als sie, die auf die Details achteten.

Der Teufel steckte im Detail. Und, wie es aussah, auch in den Alpen.

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