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KAPITEL SIEBEN

Riley wurde es so schwindelig, dass sie dachte, sie würde ohnmächtig werden.

Sie schaffte es, auf den Beinen zu bleiben, aber dann machte sie sich Sorgen, dass sie sich übergeben würde, wie sie es heute Morgen in ihrer Wohnung getan hatte.

Das kann nicht echt sein, dachte sie.

Das muss ein Alptraum sein.

Die Polizisten und andere Leute standen um eine Leiche herum, die mit einem kompletten Clown-Kostüm bekleidet war. Der Anzug war bauschig und farbenfroh mit riesigen Pompons als Knöpfe. Ein Paar überdimensionale Schuhe rundeten das Kostüm ab.

Das grellweiße Gesicht hatte ein bizarr aufgemaltes Lächeln, eine leuchtend rote Nase und übertriebene Augen und Augenbrauen. Eine riesige rote Perücke umrahmte das Gesicht. Eine Segeltuchplane bündelte sich neben der Leiche.

Es dämmerte Riley, dass es sich bei der Leiche um den Körper einer Frau handelte.

Nun, da sich ihr Kopf klärte, bemerkte sie einen deutlichen und unangenehmen Geruch in der Luft. Als sie sich in der Gegend umsah, bezweifelte sie, dass der Geruch von der Leiche stammte − oder zumindest nicht viel davon. Überall war Müll verstreut. Die Morgensonne brachte den Geruch verschiedener Arten von menschlichen Rückständen hervor.

Ein Mann in einer weißen Jacke kniete neben dem Körper nieder und studierte ihn sorgfältig. Crivaro stellte ihn als Victor Dahl, den Gerichtsmediziner des D.C., vor.

Crivaro schüttelte den Kopf und sagte zu Dahl: »Das ist noch unheimlicher, als ich erwartet hatte.«

Dahl stand auf und sagte: »Ja, unheimlich. Und es ist genauso wie bei dem letzten Opfer.«

Riley dachte ...

Dem letzten Opfer?

Wurde vor diesem hier noch ein weiterer Clown getötet?

»Ich wurde auch erst vor kurzem darüber informiert«, sagte Crivaro zu Dahl und den Polizisten. »Vielleicht könnt ihr meiner Praktikantin erklären, worum es hier geht. Ich bin vielleicht selbst nicht ganz auf dem Laufenden über diesen Fall.«

Dahl sah Riley an und zögerte einen Moment lang. Riley fragte sich, ob sie so krank aussah, wie sie sich fühlte. Aber dann begann der Gerichtsmediziner zu erklären.

»Samstagmorgen wurde eine Leiche in der Gasse hinter einem Kino gefunden. Das Opfer war eine junge Frau namens Margo Birch − und sie war angezogen und geschminkt wie dieses Opfer. Die Polizei hielt es für einen seltsamen Mord, aber für einen Einzelfall. Dann tauchte letzte Nacht diese Leiche auf. Eine andere junge Frau, genauso angemalt und gekleidet.«

Da realisierte Riley, dass das hier kein echter Clown war. Es war eine junge Frau, die als Clown angezogen worden war. Zwei Frauen waren auf diese Art und Weise bizarr gekleidet, geschminkt und ermordet worden.

Crivaro fügte hinzu: »Und dadurch wurde es ein FBI-Fall und wir wurden gerufen.«

»Das ist richtig«, sagte Dahl und schaute sich auf dem von Unrat übersäten Feld um. »Hier fand vor ein paar Tagen ein Jahrmarkt statt. Er ist am Samstag weitergezogen. Von dort stammt dieser ganze Müll − das Gelände wurde noch nicht aufgeräumt. Gestern Abend kam ein Typ aus der Nachbarschaft mit einem Metalldetektor hierher und suchte nach Münzen, die die Leute während des Rummels möglicherweise verloren hatten. Er fand die Leiche, die zu diesem Zeitpunkt mit der Plane bedeckt war.«

Riley drehte sich um und sah, dass Crivaro sie genau beobachtete.

Vergewisserte er sich nur, dass sie sich an seine Anweisungen hielt?

Oder beobachtete er ihre Reaktionen?

Sie fragte: »Wurde diese Frau bereits identifiziert?«

Einer der Polizisten sagte: »Noch nicht.«

Crivaro fügte hinzu: »Wir konzentrieren uns auf die Vermisstenanzeige einer bestimmten Person. Gestern Morgen wurde eine professionelle Fotografin namens Janet Davis als vermisst gemeldet. Sie hatte am Vorabend im Lady-Bird-Johnson-Park Fotos gemacht. Die Polizei geht der Frage nach, ob sie das sein könnte. Agent McCune stattet ihrem Mann gerade einen Besuch ab. Vielleicht kann er uns helfen, sie zu identifizieren.«

Riley hörte Geräusche von Fahrzeugen, die in der Nähe auf der Straße hielten. Sie schaute auf und sah, dass ein paar Nachrichtenwagen von Fernsehsendern vorgefahren waren.

»Verdammt«, sagte eine der Polizisten. »Wir hatten es bisher geschafft, die Sache mit der Clown-Verkleidung bei dem anderen Mord geheim zu halten. Sollen wir sie wieder bedecken?«

Crivaro gab ein verärgertes Brummen von sich, als eine Nachrichtencrew mit einer Kamera und einem Galgenmikrofon aus einem der Vans strömte. Die Crew eilte auf das Feld hinaus.

»Dafür ist es zu spät«, sagte er. »Sie haben das Opfer bereits gesehen.«

Als sich andere Medienfahrzeuge näherten, mobilisierten Crivaro und der Gerichtsmediziner die Polizisten, um zu versuchen, die Reporter so weit wie möglich von dem Absperrband der Polizei fernzuhalten.

In der Zwischenzeit sah sich Riley das Opfer an und fragte sich ...

Wie ist sie gestorben?

Im Moment gab es niemanden, den sie hätte fragen können. Alle waren damit beschäftigt, sich um die Reporter zu kümmern, die lautstark Fragen stellten.

Riley beugte sich vorsichtig über den Körper und erinnerte sich selbst ...

Fass nichts an.

Riley sah, dass die Augen und der Mund des Opfers offen waren. Sie hatte den gleichen verängstigten Ausdruck schon einmal gesehen.

Sie erinnerte sich nur allzu gut daran, wie ihre zwei Freundinnen damals in Lanton ausgesehen hatten, nachdem man ihnen die Kehlen aufgeschlitzt hatte. Vor allem erinnerte sie sich an die erstaunlichen Mengen an Blut auf den Böden der Wohnheimzimmer, als sie ihre Körper gefunden hatte.

Aber hier war kein Blut.

Sie sah einige kleine Schnitte im Gesicht und Hals der Frau, die sich durch das weiße Make-up zeigten.

Was bedeuteten diese Einschnitte? Sie waren sicherlich nicht groß genug, um tödlich zu sein.

Sie bemerkte auch, dass das Make-up wenig sorgfältig und linkisch aufgemalt worden war.

Sie hat es sich nicht selbst aufgelegt, dachte sie.

Nein, jemand anderes hatte das getan, vielleicht gegen den Willen des Opfers.

Dann spürte Riley eine seltsame Veränderung in ihrem Bewusstsein − etwas, das sie seit diesen schrecklichen Tagen in Lanton nicht mehr gespürt hatte.

Ihre Haut kribbelte, als sie erkannte, was für ein Gefühl das war.

Sie begann, sich in den Kopf des Mörders zu versetzen.

Er hatte sie so gekleidet, dachte sie.

Er hatte ihr wahrscheinlich das Kostüm angezogen, als sie schon tot war, aber sie war noch bei Bewusstsein gewesen, als er ihr Gesicht mit der Schminke beschmiert hatte. Nach ihren toten, offenen Augen zu urteilen, war sie sich nur allzu bewusst gewesen, was mit ihr geschah.

Und er hatte es genossen, dachte sie. Hatte sich an ihrer Angst erfreut, während er sie anmalte?

Riley verstand jetzt auch die kleinen Schnitte.

Er hatte sie mit einem Messer geneckt.

Sie verspottet und sich fragen lassen, wie er sie töten würde.

Riley keuchte und stand auf. Sie fühlte eine weitere Welle von Übelkeit und Schwindel und wäre fast wieder hingefallen, aber jemand fing sie am Arm ab.

Sie drehte sich um und sah, dass Jake Crivaro sie vor einem Sturz bewahrt hatte.

Er schaute ihr direkt in die Augen. Riley wusste, dass er genau verstand, was sie gerade erlebt hatte.

Mit einer heiseren, entsetzten Stimme sagte sie ihm ...

»Er hat sie zu Tode erschreckt. Sie starb an ihrer Angst.«

Riley hörte, dass Dahl einen überraschten Schrei ausstieß.

»Wer hat Ihnen das gesagt?«, fragte Dahl und ging auf Riley zu.

Crivaro sagte zu ihm: »Niemand hat es ihr gesagt. Ist dem denn so?«

Dahl zuckte ein wenig mit den Schultern.

»Vielleicht. Oder so etwas in der Art, wenn es so wie bei dem anderen Opfer ist. Margo Birchs Blutkreislauf wurde mit Amphetaminen vollgepumpt, einer tödlichen Dosis, die ihr Herz zum Stehen brachte. Diese arme Frau muss bis zum Augenblick ihres Todes eine entsetzliche Angst gehabt haben. Wir müssen toxikologische Untersuchungen bei diesem neuen Opfer durchführen, aber ...«

Seine Stimme brach ab und dann fragte er Riley: »Woher wussten Sie das?«

Riley hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte.

Crivaro sagte: »Es ist das, was sie tut. Deshalb ist sie hier.«

Riley erschauderte zutiefst bei diesen Worten.

Ist es wirklich etwas, worin ich gut sein will? fragte sie sich selbst.

Sie fragte sich, ob sie vielleicht doch dieses Kündigungsschreiben hätte einreichen sollen.

Vielleicht sollte sie nicht hier sein.

Vielleicht sollte sie damit nichts zu tun haben.

Sie war sich einer Sache sicher − Ryan würde entsetzt sein, wenn er wüsste, wo sie gerade war und was sie tat.

Crivaro fragte Dahl: »Wie schwer wäre es für den Mörder, an dieses spezielle Amphetamin zu gelangen?«

»Leider«, antwortete der Gerichtsmediziner, »kann man es leicht auf der Straße kaufen.«

Crivaros Telefon klingelte. Er blickte auf das Display. »Es ist Agent McCune. Ich muss da rangehen.«

Crivaro trat zurück und sprach in sein Handy. Dahl starrte Riley weiterhin an, als wäre sie eine Art Freak.

Vielleicht hat er ja recht, dachte sie.

In der Zwischenzeit konnte sie einige der Fragen hören, die die Reporter stellten.

»Ist es wahr, dass Margo Birch auf die gleiche Weise ermordet wurde?«

»War Margo Birch genauso gekleidet und geschminkt?«

»Warum zieht dieser Mörder seine Opfer wie Clowns an?«

 

»Ist das das Werk eines Serienmörders?«

»Wird es noch mehr Clown-Morde geben?«

Riley erinnerte sich an das, was eine der Polizisten gerade gesagt hatte ...

»Wir hatten es bisher geschafft, die Sache mit der Clown-Verkleidung bei dem anderen Mord geheim zu halten.«

Offensichtlich hatten sich bereits Gerüchte verbreitet. Und jetzt gab es keine Möglichkeit mehr, die Wahrheit geheim zu halten.

Die Polizei versuchte, so wenig wie möglich auf die Fragen zu antworten. Aber Riley erinnerte sich daran, wie aggressiv die Reporter in Lanton gewesen waren. Sie verstand nur allzu gut, warum Jake und die Polizisten nicht glücklich darüber waren, dass diese Reporter aufgetaucht sind. Die Presse würde ihre Arbeit nicht einfacher machen.

Crivaro kam zurück zu Riley und Dahl und steckte sein Handy in die Tasche.

»McCune hat gerade mit dem Mann der vermissten Frau gesprochen. Der arme Kerl ist krank vor Sorge, aber er hat McCune etwas gesagt, das hilfreich sein könnte. Er sagte, sie hat einen Leberfleck direkt hinter ihrem rechten Ohr.«

Dahl beugte sich nach unten und schaute hinter das Ohr des Opfers.

»Sie ist es«, sagte er. »Wie war noch mal ihr Name?«

»Janet Davis«, sagte Crivaro.

Dahl schüttelte den Kopf. »Nun, zumindest haben wir das Opfer identifiziert. Wir können sie genauso gut hier wegschaffen. Ich wünschte, wir müssten uns nicht mit der Leichenstarre herumschlagen.«

Riley beobachtete, wie Dahls Team die Leiche auf eine Trage lud. Es war ein unbeholfenes Unterfangen. Der Körper war steif wie eine Statue und die geschwollenen, bekleideten Gliedmaßen erstreckten sich in alle Richtungen und ragten unter dem weißen Laken, das ihn bedeckte, hervor.

Nunmehr sprachlos glotzten die Reporter mit starrem Blick, als die Trage über das Feld rüttelte und mit seiner grotesken Last auf den Transporter des Gerichtsmediziners zusteuerte.

Als die Leiche in dem Transporter verschwunden war, drängten Riley und Crivaro an den Reportern vorbei und machten sich auf den Weg zurück zu ihrem eigenen Fahrzeug.

Als Crivaro sie davonfuhr, fragte Riley, wohin sie als Nächstes fahren würden.

»Zum Hauptquartier«, sagte Crivaro. »McCune hat mir erzählt, dass einige Polizisten nach Janet Davis im Lady-Bird-Johnson-Park gesucht haben, wo man sie nach ihrem Verschwinden vermutete. Sie haben ihre Kamera gefunden. Sie muss sie fallen gelassen haben, als sie entführt wurde. Die Kamera ist jetzt im FBI-Hauptquartier. Lass uns sehen, was die Techniker darüber herausfinden konnten. Vielleicht haben wir Glück und es gibt uns einige Hinweise.«

Dieses Wort erschütterte Riley ...

»Glück.«

Es schien ein seltsames Wort zu sein, im Zusammenhang mit etwas, das so unglaublich unglücklich war wie der Mord an einer Frau.

Aber Crivaro hatte offensichtlich gemeint, was er sagte. Sie fragte sich, wie hartgesotten man sein musste, wenn man diese Arbeit so viele Jahre lang gemacht hatte, wie er.

War er völlig immun gegen diesen Horror?

Sie konnte das nicht an seinem Tonfall erkennen, als er weitersprach ...

»Außerdem ließ Janet Davis‘ Mann McCune Fotos durchsehen, die sie in den letzten Monaten gemacht hatte. McCune fand ein paar Fotos, die in einem Kostümverleih gemacht wurden.«

Riley spürte einen Hauch von Interesse.

Sie fragte: »Sie meinen die Art von Laden, in dem Clown-Kostüme verkauft werden?«

Crivaro nickte. »Klingt interessant, nicht wahr?«

»Aber was bedeutet das?«, fragte Riley.

Crivaro sagte: »Das ist schwer zu sagen − außer, dass Janet Davis sich genug für Kostüme interessierte, um sie zu fotografieren. Ihr Mann hat sich daran erinnert, dass sie darüber gesprochen hat, aber sie hat ihm nicht gesagt, wo sie die Aufnahmen gemacht hat. McCune versucht jetzt herauszufinden, in welchem Laden die Bilder entstanden sind. Dann wird er mich anrufen. Es sollte nicht lange dauern.«

Crivaro schwieg für einen Moment.

Dann blickte er zu Riley hinüber und fragte: »Wie geht es dir?«

»Gut«, sagte Riley.

»Bist du sicher?«, fragte Crivaro. »Du siehst etwas blass aus, so, als ob es dir nicht gut geht.«

Es stimmte natürlich. Die Morgenübelkeit und der Schock dessen, was sie gerade gesehen hatte, setzten ihr definitiv zu. Aber das Letzte auf der Welt, was sie Crivaro sagen wollte, war, dass sie schwanger war.

»Mir geht es gut«, beharrte Riley.

Crivaro sagte: »Ich nehme an, du hast ein Bauchgefühl in Bezug auf den Mörder.«

Riley nickte schweigend.

»Noch etwas, das ich wissen sollte − abgesehen von der Möglichkeit, dass er das Opfer zu Tode erschreckt hat?«

»Nicht viel«, sagte Riley. »Nur, dass er ein ...«

Sie zögerte und fand dann das Wort, nach dem sie suchte. »Sadist ist.«

Als sie schweigend weiterfuhren, erinnerte sich Riley an den Anblick der Leiche, die sich auf der Trage spreizte. Sie spürte ein Wiederaufleben des Entsetzens, dass das Opfer auch noch im Tod eine solche Demütigung und Erniedrigung erleiden musste.

Sie fragte sich, welche Art von Monster sich das bei irgendjemandem wünschen würde.

So nah sie sich dem Mörder für einen Moment gefühlt hatte, wusste sie, dass sie nicht anfangen konnte, die kranken Funktionen seines Geistes zu verstehen.

Und sie war sich auch ganz sicher, dass sie das nicht wollte.

Aber war es das, was auf sie zukam, bevor dieser Fall abgeschlossen war?

Und was passierte danach?

Wird so mein Leben aussehen?

KAPITEL ACHT

Als Riley und Crivaro in das saubere, klimatisierte J. Edgar Hoover Building gingen, fühlte sie immer noch die Abscheulichkeit des Tatortes an sich haften. Es war, als wäre der Schrecken in ihre Poren eingedrungen. Wie würde sie das jemals abschütteln können − vor allem den Geruch?

Während der Fahrt hatte Crivaro Riley versichert, dass der Geruch, den sie auf dem Gelände bemerkt hatte, nicht von der Leiche kam. Wie Riley vermutet hatte, war es nur der Müll, der vom Rummel liegen geblieben war. Janet Davis‘ Körper war nicht lange genug tot gewesen, um solch einen Geruch zu produzieren, so wie auch die Leichen von Rileys ermordeten Freundinnen seinerzeit in Lanton.

Riley hatte den Gestank einer verwesenden Leiche noch nicht erfahren müssen.

Crivaro hatte gesagt, als sie fuhren ...

»Du wirst es erkennen, wenn du es riechst.«

Es war nichts, worauf sich Riley freute.

Wieder fragte sie sich ...

Was denke ich, was ich hier mache?

Sie und Crivaro nahmen einen Aufzug zu einem Stockwerk, das Dutzende von forensischen Labors beherbergte. Sie folgte Crivaro einen Gang hinunter, bis sie in einen Raum mit einem Schild mit der Aufschrift ›DUNKELKAMMER‹ kamen. Ein schlaksiger, langhaariger junger Mann stand neben der Tür.

Crivaro stellte sich und Riley dem Mann vor, der nickte und sagte: »Ich bin Charlie Barrett, forensischer Techniker. Sie sind gerade noch rechtzeitig gekommen. Ich mache eine Pause, nachdem ich die Negative aus der Kamera verarbeitet habe, die im Lady-Bird-Johnson-Park gefunden wurde. Ich wollte gerade wieder hineingehen, um ein paar Abzüge zu machen. Kommen Sie herein.«

Charlie führte Riley und Crivaro einen kurzen Flur entlang, der in bernsteinfarbenes Licht getaucht war. Dann gingen sie durch eine zweite Tür in einen Raum, der mit dem gleichen seltsamen Licht überflutet war.

Das erste, was Riley auffiel, war der scharfe, beißende Geruch von Chemikalien.

Merkwürdigerweise fand sie den Geruch überhaupt nicht unangenehm.

Stattdessen schien er fast ...

Reinigend, erkannte Riley.

Zum ersten Mal seit sie den Tatort verlassen hatte, war dieser anhaftende, saure Gestank von Müll verschwunden.

Sogar der Schrecken nahm etwas ab und Rileys Übelkeit verschwand.

Es war eine echte Erleichterung.

Riley blickte durch das schwache, fremdartige Licht und war fasziniert von der aufwändigen Ausstattung.

Charlie hielt einen Karton mit Bildreihen hoch und untersuchte diese im schwachen Licht.

»Hier sind die Abzüge«, sagte er. »Es sieht so aus, als wäre sie eine verdammt gute Fotografin gewesen. Eine Schande, was mit ihr passiert ist.«

Als Charlie die Filmstreifen auf einem Tisch auslegte, erkannte Riley, dass sie noch nie zuvor in einer Dunkelkammer gewesen war. Ihre eigenen Filmrollen hatte sie immer in eine Drogerie gebracht, um sie zu entwickeln zu lassen. Ryan und einige ihrer Freunde hatten sich kürzlich Digitalkameras gekauft, die überhaupt keinen Film benötigten.

Janet Davis‘ Mann hatte McCune erzählt, dass seine Frau beide Arten von Kameras zum Fotografieren benutzt hatte. Sie hatte es bevorzugt, für ihre professionelle Arbeit eine Digitalkamera zu verwenden. Aber sie betrachtete die Aufnahmen, die sie in dem Park machte als Kunst und hatte dafür ihre Lieblingskamera dabeigehabt.

Riley dachte, dass Charlie auch ein Künstler zu sein schien, ein wahrer Meister dessen, was er tat. Sie fragte sich ...

Ist das eine aussterbende Kunst?

Würde all diese fachkundige Arbeit mit Folien, Papier, Instrumenten, Thermometern, Zeitschaltuhren, Ventilen und Chemikalien eines Tages genauso aussterben wie die Schmiedekunst?

Wenn ja, dann war das ziemlich traurig.

Charlie begann, einzelne Fotoabzüge zu machen, indem er das Negativ auf ein Stück Fotopapier aufweitete, dann das Papier langsam in einem Becken mit sich entwickelnder Flüssigkeit einweichen ließ, gefolgt von weiterem Einweichen in einem, wie Charlie es nannte, ›Unterbrecherbad‹ und einem ›Fixierbad‹. Dann erfolgte eine lange Spülung unter Leitungswasser in einem Stahlbecken. Schließlich hängte Charlie die Bilder mit Clips an einen drehbaren Ständer.

Es war ein langsamer Prozess − und ein stiller. Die Stille wurde nur durch die tröpfelnden Geräusche der Flüssigkeit, das Schlurfen der Füße und ein paar Worte unterbrochen, die von Zeit zu Zeit in einem fast respektvollen Flüstern gesprochen wurden. Es fühlte sich einfach nicht richtig an, hier laut zu reden.

Riley fand die Stille und die Langsamkeit fast unheimlich beruhigend nach der lärmenden Unordnung am Tatort, als die Polizisten darum gekämpft hatten, die Reporter in Schach zu halten.

Riley beobachtete verzückt, wie sich die Bilder über mehrere lange Minuten hinweg offenbarten − zunächst gespenstisch und undeutlich, dann schließlich mit scharfer Klarheit und Kontrast, während sie tropfend am Ständer hingen.

Die Schwarz-Weiß-Fotografien dokumentierten einen ruhigen, friedlichen Abend im Park. Eine zeigte einen Holzsteg, der sich über einen schmalen Wasserweg erstreckte. Eine andere schien anfangs eine Schar von Möwen zu zeigen, die auf dem Weg dorthin waren, aber als das Bild deutlicher in den Fokus rückte, erkannte Riley, dass die Vögel Teil einer großen Statue waren.

Ein weiteres Foto zeigte einen grob gehauenen Steinobelisken mit dem Washington Monument, das weit in der Ferne aufragte. Andere Bilder zeigten Rad- und Wanderwege, die durch Waldgebiete führten.

Die Bilder waren bei Sonnenuntergang aufgenommen worden und erzeugten weiche graue Schatten, flimmernde Lichthöfe und Silhouetten. Riley konnte sehen, dass Charlie mit seiner Meinung, dass Janet Davis ›eine verdammt gute Fotografin‹ gewesen sei, recht hatte.

Riley spürte auch, dass Janet den Park gut gekannt und ihre Standorte lange im Voraus ausgewählt hatte − und auch die Tageszeit, zu der nur wenige Besucher kamen. Riley sah auf keinem der Fotos eine einzige Person. Es war, als hätte Janet den Park ganz für sich allein gehabt.

Schließlich kamen einige Aufnahmen eines Yachthafens, seiner Docks und Boote und vom Wasser, das im Sonnenuntergang schimmerte. Die sanfte Ruhe der Szene war tatsächlich greifbar. Riley konnte fast das sanfte Klatschen des Wassers und die Schreie der Vögel hören, konnte fast die Berührung der kühlen Luft auf ihrer Wange spüren.

Dann folgte ein viel weniger harmonischeres Bild.

Auch das zeigte den Yachthafen − oder zumindest dachte Riley, sie könne die Formen von Booten und den Docks erkennen. Aber alles war verschwommen und chaotisch und durcheinander.

Riley erkannte, was in dem Moment passiert sein musste, als dieses Bild aufgenommen worden war ...

Die Kamera wurde ihr aus den Händen gerissen.

Rileys Herz sprang ihr in den Hals.

 

Sie wusste, dass das Bild in dem Moment aufgenommen worden war, als sich die Welt von Janet Davis für immer veränderte.

In Sekundenbruchteilen hatten sich Ruhe und Schönheit in Hässlichkeit und Schrecken verwandelt.

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