Читать книгу: «Seewölfe Paket 12», страница 26

Шрифт:

3.

Wenn die grimmig blickenden Gesichter der wilden Gestalten an Bord der Karacke es noch nicht getan hatten, so verriet ihnen der Name des Schiffes, den der Kutscher am Heckspiegel entzifferte, deutlich, was sie erwartete.

„L’Exécuteur“, stand dort in großen, verschnörkelten Buchstaben.

„Das heißt ‚Der Henker‘“, sagte Hasard zu seinem Bruder.

„Woher weißt du das?“ fragte Philip zurück.

„Hast du die Galionsfigur nicht gesehen?“ flüsterte Hasard. Seine Augen funkelten vor Abenteuerlust. „Ein Mann mit einer roten Kapuze über dem Kopf und einem Henkersbeil in der Hand.“

Philip nickte. Ihm war die ganze Geschichte so unangenehm wie den anderen Männern. Er konnte Hasards Begeisterung nicht teilen. Ihm wäre es lieber gewesen, Dad hätte es geschafft, die Karacke zu versenken.

Kräftige Arme streckten sich ihnen entgegen, als sie über das Schanzkleid kletterten. Der Kutscher betrat als erster das Deck, dann folgten die Zwillinge und die anderen Männer.

Der Blick des Kutschers glitt sofort zum Achterdeck hinauf. Der Riese mit dem mächtigen Brustkasten, über den das messerbestückte Bandelier lief, lehnte lässig an der Balustrade, die das Quarterdeck zur Kuhl hin abgrenzte.

Hasard stellte sich neben den Kutscher und ließ seinen Blick über das ziemlich verwüstete Deck der Karacke gleiten. Die Großstenge war voll in die Kuhl geschlagen und hatte ein Boot, das auf der Gräting festgezurrt gewesen war, in Kleinholz verwandelt.

Hasard zuckte zusammen, als ein Mann auf ihn und den Kutscher zutrat. Der Kerl war untersetzt und muskulös, wie Hasard noch keinen Mann gesehen hatte. Auf seinen Schultern saß fast ohne Hals ein kahler Kopf. Das Gesicht und auch die Glatze waren mit Pockennarben übersät. Die Haut hatte eine undefinierbare Farbe so zwischen Gelbrot und Graugrün. So ungefähr hatte Hasard sich immer die von den Toten auferstandenen Geister vorgestellt, von denen ihnen Batuti des öfteren berichtet hatte.

Der Unheimliche redete mit gequetschter Stimme auf den Schotten ein, der sich in aller Ruhe anhörte, was der Mann zu sagen hatte. Ehe er antworten konnte, ertönte eine dröhnende Stimme vom Quarterdeck.

„Ecossais!“

Der Schotte wandte den Kopf und starrte den Riesen mit dem roten Kopftuch an.

„Euer Kapitän?“ fragte der Kutscher flüsternd.

Fast ebenso leise gab der Schotte zurück: „Unser Bootsmann. Aber er führt das Schiff.“ Es schien, als ob er noch mehr sagen wollte, doch der Glatzkopf gab ihm einen Stoß in den Rücken, der ihn aufs Quarterdeck zutrieb.

Wütend wandte der Schotte den Kopf und zischte ein paar Worte auf französisch. Der Glatzkopf trat einen Schritt zurück. Seine Hand legte sich auf den Griff eines Entermessers, das in einer Schärpe steckte, die er sich um seinen Wanst geschlungen hatte.

Der Schotte winkte dem Kutscher und den anderen, ihm zum Quarterdeck zu folgen. Der Riese war von der Balustrade verschwunden. Sie sahen ihn erst wieder, nachdem sie den schmalen Niedergang hinaufgestiegen waren. Er stand unterhalb der Poop vor einem großen hölzernen Bottich, den ein paar Männer mit heißem Wasser füllten, das sie von der Kuhl heraufschleppten.

Der Riese streifte sein Bandelier ab und reichte es einem Mann. Dann entkleidete er sich ganz und stieg in den Bottich. Sein braungebrannter Körper war mit Narben übersät.

Hasard riß die Augen auf. So etwas hatte er noch nicht gesehen. Ein Mann, der so viele Narben hatte und immer noch lebte, mußte die sieben Leben einer Katze haben.

Der Schotte wandte sich an die Männer von der „Isabella“ und wies auf den Riesen im Bottich, der sich von einem Mulatten den Rücken einseifen ließ.

„Das ist Le Requin, unser Bootsmann“, sagte er. „Er ist der Herrscher auf diesem Schiff, wenn unser Kapitän nicht mehr geradestehen kann – was meistens der Fall ist“, fügte er leicht grinsend hinzu.

Der Riese grinste ebenfalls.

Der Schotte begann zu erzählen, wo er die Männer aufgelesen hatte. Als er mit seinem Bericht zu Ende war, schwieg der Riese eine Weile. Erst als er sich aus dem Bottich erhob und der Mulatte ihm ein großes Tuch um die Schultern legte, begann er zu sprechen.

„Willkommen an Bord der ‚L’Exécuteur‘“, sagte er in einem akzentfreien Englisch. „Ich kann gute, kräftige Männer gebrauchen. Wenn ihr den Tod nicht scheut, einen heißen Kampf liebt und eine Menge Geld gebrauchen könnt, seid ihr bei mir an der richtigen Adresse. Ecossais wird euch zeigen, wo ihr schlafen könnt.“ Er nickte zu den Zwillingen hin. „Die beiden werden dem Koch helfen.“

Hasard lief rot an.

„Ich geh nicht in die Kombüse!“ stieß er hervor. „Ich kann mit einer Kanone …“

„Wer auf diesem Schiff Widerreden hat, wird ausgepeitscht, gehängt, geköpft und den Fischen zum Fraß vorgeworfen“, sagte der Riese. Er stieg in seine gestreifte Tuchhose und kümmerte sich nicht mehr um die Männer.

Hasard hätte sich fast verschluckt. Sein Gesicht war rot angelaufen. Philip sah, daß sein Bruder fast vor Wut platzte. Er zog ihn schnell hinter den Kutscher zurück.

Sie folgten dem Schotten hinunter in die Kuhl. Die anderen Piraten musterten sie mißtrauisch. Wahrscheinlich hatten sie erwartet, daß Le Requin die Männer töten lassen würde, nachdem er aus ihnen herausgequetscht hatte, was das für ein Schiff gewesen war, das ihnen die Masten zerfetzt hatte.

Der Kutscher konnte ihr Mißtrauen verstehen. Er selbst hatte keine Antwort auf die vielen Fragen, die ihn bestürmten, und er wollte sie auch nicht dem Schotten stellen, auch wenn er das Gefühl hatte, diesem Mann trauen zu können.

Die Karacke war mit den über hundert Mann hoffnungslos überbelegt. Die Männer hatten kaum Platz, sich irgendwo einmal lang auszustrecken. Dennoch hatte der Bootsmann sie aufgenommen. Aus Menschlichkeit? Der Kutscher schüttelte den Kopf. Unter den Flibustiern gab es alles, nur keine Menschlichkeit. Hier galt es, seinen eigenen Vorteil zu wahren und ihn mit allen Mitteln zu verteidigen.

Der Schotte wies ihnen einen Platz im Vorschiff auf dem Hauptdeck an. Überall lag Zeug herum, das irgendeinem der Piraten gehörte. Der Platz war knapp, aber sie begnügten sich damit, weil sie wußten, daß sie Ärger mit der Mannschaft kriegen würden, wenn sie sich ausbreiteten.

Mit zusammengepreßten Lippen starrten sie dem Schotten nach, der die Zwillinge zurück zum Quarterdeck führte, unter dem sich offensichtlich die Kombüse befand.

„Verdammte Scheiße!“ murmelte Matt Davies.

„Das kannst du laut sagen.“ Blacky donnerte seine Faust auf die Planken. „Wir hätten uns doch lieber auf der Insel verstecken sollen. Hasard hätte uns schon wieder herausgehauen.“

„Sie hätten uns erwischt“, erwiderte der Kutscher böse. „Und du kannst sicher sein, daß sie unsere Hälse in die Länge gestreckt hätten.“

„Hört auf“, sagte Stenmark. „Es hilft nichts, wenn wir darüber reden, was gewesen wäre, wenn. Wir müssen das Beste aus der Situation herausholen. Dazu müssen wir zuerst wissen, was auf diesem Kahn eigentlich los ist. Der Bootsmann spielt den Kapitän, und dieser kann nie gerade auf den Beinen stehen. Ich frage mich, warum sich der Bootsmann noch nicht zum Kapitän aufgeschwungen hat. Die Piraten sind doch sonst nicht so zimperlich.“

„Wir müssen vor allem sehen, daß wir die Kleinen im Auge behalten“, warf Matt Davies ein. „Wenn ihnen was passiert, können wir uns auf der ‚Isabella‘ nicht wieder blicken lassen.“

Sie nickten alle. Die Tatsache, daß man die Zwillinge von ihnen getrennt hatte, war das schlimmste für sie. Wer konnte wissen, wie die Piraten auf Hasards Streiche reagierten? Und daß der Knabe die Puppen tanzen lassen würde, nachdem er nicht mehr unter Aufsicht war, davon waren sie alle überzeugt.

„Dieser Schotte hat irgend etwas mit uns vor“, murmelte Stenmark. „Ich hab von Anfang an das Gefühl gehabt, daß wir in sein Spiel passen. Warum sonst hat er den kleinen Giftzwerg mit der Riesennase davon abgehalten, den Kutscher zu massakrieren?“

„Was soll das heißen?“ fuhr der Kutscher auf.

„Reg dich ab“, sagte Blacky. „Stenmark hat recht. Dieser Schotte hat nicht aus Menschlichkeit so gehandelt. Der will was von uns. Ecossais hat der Riese ihn genannt.“

„Ecossais heißt nichts anderes als Schotte“, sagte der Kutscher beleidigt. „Ihr hättet ruhig zuhören können, als Ribault euch ein bißchen Französisch beibringen wollte.“

Matt Davies winkte ab.

„Blackys Vermutung stimmt“, sagte er. „Und ich glaube, daß wir nicht lange zu warten brauchen, dann erzählt der Schotte uns von selbst, was er von uns will.“

„Dein Wort in Gottes Ohr“, murmelte der Kutscher. „Hoffentlich beeilt er sich und spricht mit uns, bevor Hasard die Karacke in die Luft gejagt hat.“

Hasard spürte zum erstenmal, seit er sich an Bord der Karacke befand, so etwas wie Bedenken in sich aufsteigen. Die Gestalt des Koches, zu dem der Schotte sie in die Kombüse geschoben hatte, weckte in ihm und Philip die Erinnerung an Trolle und Gnomen, von denen ihnen Stenmark erzählt hatte.

Der Koch war nur wenig größer als die Zwillinge. Durch den Höcker, der auf seinen Schultern saß, sah es aus, als rage der Hals von vorn aus dem Oberkörper. Der fleckige Kopf war mit spärlichem, brandrotem Haar bewachsen, das schiefe Gesicht war eine Kraterlandschaft von Falten, Narben und Warzen.

„Sein Name ist Ratatouille“, hatte der Schotte zu ihnen gesagt, bevor er das Schott hinter ihnen zugeschlagen hatte. Der zwergenhafte Koch hatte hastige Worte hervorgestoßen, und Hasard hatte begriffen, obwohl er kein Wort Französisch verstand, daß es Flüche gewesen waren.

Der verunstaltete Zwerg hatte sich jetzt vor den Zwillingen aufgebaut und betrachtete sie mißtrauisch. Er sagte etwas und zeigte dabei, daß er sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer keine Schneidezähne mehr hatte.

Hasard schüttelte den Kopf.

„Nix wuhlewuh“, erwiderte er. „Wir sprechen nur Englisch.“

Der Koch legte den Kopf schief. Philip hatte den Eindruck, als würde er von einem hungrigen Geier angestarrt, und verkroch sich hinter seinem Bruder.

„Keine Angst haben“, sagte der Koch, wobei er das h nicht mitsprach. „Wenn ihr immer fleißig und gehorchen, ich gut zu euch.“

Hasard nickte. Er wußte auch nicht, warum er es tat, aber auf einmal hatte er die Hand ausgestreckt und reichte sie dem häßlichen Gnomen.

„Ich heiße Hasard und mein Zwillingsbruder Philip“, sagte er.

Der Gnom starrte einen Moment auf die ihm dargebotene Hand, dann griff er danach, schüttelte sie kräftig und zeigte so etwas wie ein Grinsen.

„Mein Name Jean-Luc“, sagte er.

„Aber der Schotte sagte doch, daß du Ratatü heißt“, sagte Hasard.

„Ratatouille heißen Fraß“, stieß der Koch wütend hervor. „Verdammte Verbrecher an Bord nix mögen mein Essen. Sie sagen, ich nix können kochen.“

Hasard dachte sich seinen Teil. Wenn er sich in der Kombüse umsah, konnte er sich denken, daß der Zwerg tatsächlich nichts anderes als Fraß zusammenbraute. Der kleine Verschlag, der ihm zur Verfügung stand, strotzte vor Dreck. Er begann in Gedanken, dem Kutscher Abbitte zu leisten. Gegen den Schweinestall hier sah es bei ihm wie im Boudoir einer Prinzessin aus.

Der Zwerg hatte eine Schachtel von einem Bord genommen und streckte sie Hasard entgegen.

„Das sein Gift“, sagte er grinsend. „Wenn Scheißkerle mich noch lange ärgern, werden sie Fraß hiermit kriegen. Dann sie schlafen drei Tage, und wenn aufwachen, ist Jean-Luc für immer verschwunden, und sie können sich Fraß selber kochen.“ Er drehte sich um und stellte die Schachtel aufs Bord zurück.

Hasard war seiner Bewegung mit den Augen gefolgt. Er konnte den Blick nicht von der Schachtel wenden und zuckte regelrecht zusammen, als der Gnom zu ihm sagte: „Los, an Arbeit. Mannschaft warten auf Fraß.“

Philip mußte sich ums Feuer kümmern, während Hasard die Töpfe heranschleppen mußte, die sicher mehr als zehn Liter faßten. Hasard wunderte sich, daß Jean-Luc keine Hilfe hatte. Immerhin war es nicht einfach, über hundert Kerle mit Essen zu versorgen. Als Hasard den Zwerg fragte, ob dem Kapitän denn sein Essen schmecke, schüttelte Ratatouille den Kopf.

„Kapitän und Männer von Pont supérieur haben eigenes Koch“, sagte er und schüttelte sich vor Zorn. „Er kriegen bestes Fleisch und alle guten Sachen.“

Hasard erwiderte nichts. Ihm wurde fast schlecht, als er den Dreck in den Töpfen sah, die nur oberflächlich gereinigt worden waren.

Als Ratatouille für einen Moment aus der Kombüse verschwand, hatten die Zwillinge zum erstenmal Gelegenheit, miteinander zu sprechen.

„Wir müssen uns mit dem Kerl gut stellen“, flüsterte Hasard.

„Warum?“ fragte Philip. „Wenn ich mir das alles hier anschaue, dann glaube ich, daß die Mannschaft recht hat, wenn sie ihn ‚Fraß‘ nennt.“

„Klar hat die Mannschaft recht“, erwiderte Hasard ungeduldig, weil sein Bruder nicht merkte, auf was er hinauswollte. „Aber solche Typen, die von niemandem ein gutes Wort hören, fressen dir aus der Hand, wenn du nett zu ihnen bist.“

„Woher weißt du denn das?“ fragte Philip.

„Das hat Carberry mir erzählt“, sagte Hasard. „Und ich glaube, er hat recht. Dieser Ratatü ist bestimmt kein schlechter Kerl, wenn er auch aussieht wie die Ausgeburt der Hölle. Wahrscheinlich kann er mit dem Zeug, das er erhält, gar nichts anderes kochen als Fraß.“

„Und was erhoffst du dir von ihm?“ fragte Philip.

„Informationen“, erwiderte Hasard wichtig. Er drehte den Kopf und nickte zum Bord hoch. „Hast du gehört, was er gesagt hat? Gift, nach dem die Mannschaft drei Tage schlafen würde. Wenn wir es schaffen, das Zeug unter das Essen zu mischen, können wir die Karacke im Handstreich nehmen, ohne zu kämpfen!“

„Du vergißt, daß die Männer auf dem Quarterdeck und auf der Poop sein Zeug nicht essen müssen“, warf Philip ein.

„Das stimmt“, sagte Hasard. „Aber da wird uns schon noch was einfallen. Vor allem müssen wir Verbindung mit den anderen aufnehmen, damit die über unsere Pläne Bescheid wissen.“

„Sie würden ganz schön wütend sein, wenn sie wüßten, was du hier schon wieder ausheckst.“

„Pah“, sagte Hasard, „wenn die Lust haben, ein paar Monate auf diesem vergammelten Kahn zu verbringen, ist das ihre Sache. Ich will zurück auf die ‚Isabella‘. Sobald ich nur den Flaggentopp von Dads Galeone sehe, werde ich entweder die Piraten ausschalten oder die Karacke in die Luft sprengen.“

Philip schüttelte den Kopf. Sein Bruder war ihm in solchen Augenblicken immer ein bißchen unheimlich. Aber er hatte recht. Auch er, Philip, wollte so schnell wie möglich auf die „Isabella“ zurück.

4.

Stenmark und Matt Davies hatten sich nicht getäuscht. Sie hatten nicht lange warten müssen. Gleich am nächsten Morgen war der Schotte bei ihnen aufgetaucht und hatte sie aufgefordert, mit ihm an Land zu gehen, um – wie er sagte – die nähere Umgebung des Ankerplatzes der Karacke zu erforschen.

Sie hatten sofort gewußt, daß der Schotte alles andere vorhatte, nur nicht die Erforschung der Insel. Zu ihrer Überraschung hatte der Schotte verlangt, daß der Kutscher an Bordder „L’Exécuteur“ bleiben solle.

Der Kutscher hatte protestiert, aber der Griff eines riesigen, dunkelhäutigen Mannes mit einem martialischen Schnurrbart nach dem Krummdolch hatte ihn verstummen lassen.

Sie hatten verstanden, daß der Kutscher und die Zwillinge praktisch Geiseln der Piraten waren, und die Spannung in ihnen wuchs, was der Schotte mit ihnen vorhatte.

Der Schotte ging nicht allein mit ihnen an Land. Sechs Kerle begleiteten ihn, und jeder von ihnen war ein Baum von einem Mann. Es schien, als hätte sich der Schotte für sein Unternehmen die stärksten Männer ausgesucht.

Nun lagen sie schon seit einer Stunde in der Deckung einer Felswand und starrten hinunter in die kleine Mulde, in der ein Dutzend Piraten ein Bergschaf an einem Spieß über einem offenen Feuer briet. Wahrscheinlich hatten die Männer den Fraß ihres Koches satt und die Gelegenheit wahrgenommen, endlich mal etwas Handfestes zwischen die Zähne zu kriegen.

Stenmark, Matt Davies, Batuti und Blacky wußten, was ihnen bevorstand. Der Schotte hatte es ihnen gesagt, als sie diese Deckung hier bezogen hatten.

Die zwölf Piraten, die dort unten das Bergschaf brieten, sollten nicht lebend zum Piratenschiff zurückkehren. Den Grund dafür kannten die Männer von der „Isabella“ nicht. Der Schotte hatte keine Antwort auf eine dementsprechende Frage von Matt Davies gegeben. Es schien, als wäre heimlich eine Meuterei des Riesen mit dem roten Kopftuch gegen den Kapitän im Gange, und es sah so aus, als hätten dieser und sein Vertrauter, der Schotte, nicht genügend Männer zur Verfügung, die Meuterei auch durchzuführen.

Der Schotte hatte jeden Widerspruch der nach seiner Meinung „Ausgesetzten“ im Keim erstickt. Er hatte unmißverständlich erklärt, daß der Kutscher und die Zwillinge nicht mehr lange am Leben bleiben würden, wenn sie sich weigerten, an dem Überfall teilzunehmen.

„Wir werden uns trennen und von zwei Seiten angreifen“, sagte der Schotte in diesem Augenblick grinsend. „Es sieht so aus, als sei das Bergschaf bald soweit. Wir sollten uns beeilen, damit das Fleisch nicht verkohlt.“

Die Piraten nickten, und eine Gruppe, der sich Matt Davies und Blacky anschließen mußten, verschwand hinter dornigen Büschen.

„Los jetzt“, sagte der Schotte. Wütend schlug er einem seiner Männer auf die Hand, als dieser seine Pistole aus dem Gürtel zog. „Bist du verrückt?“ zischte er. „Willst du, daß die Männer auf der ‚L’Exécuteur‘ uns hören? Dann schieß dir lieber gleich selbst eine Kugel in den Kopf, du Idiot!“

Der Mann zog den Kopf zwischen die Schultern und steckte die Pistole wieder weg.

Stenmark und Batuti hielten sich dicht nebeneinander. Ihnen gefiel nicht, was hier geschah, aber wie es aussah, hatten sie keine Möglichkeit, den Plan des Schotten zu durchkreuzen. Und warum sollten sie auch? Es konnte nur gut für den Seewolf und die anderen Männer auf der „Isabella“ sein, wenn sich die Piraten gegenseitig bekämpften.

Die Piraten in der Mulde fühlten sich sicher. Bisher hatten sie kein Anzeichen von menschlichem Leben auf der Insel entdeckt, also brauchten sie auch nicht zu befürchten, überfallen zu werden. Sie lachten und unterhielten sich laut, so daß der Schotte und seine Männer bis fast auf wenige Schritte an sie heranschleichen konnten, bis der erste merkte, daß sie nicht mehr allein waren.

Es war ein hagerer Mann mit einer schiefen Nase, der sich umdrehte und den Schotten als erster entdeckte.

„Holà, Ecossais!“ rief er grinsend, aber Stenmark, der schräg hinter einem der anderen Piraten stand, sah, daß dieses Grinsen alles andere als herzlich war.

Die anderen Piraten, die um das Feuer saßen, das fast rauchlos brannte, zuckten herum und erhoben sich. Sie schienen alle zu wissen, daß das Auftauchen des Schotten für sie nichts Gutes bedeuten konnte. Wahrscheinlich sahen sie es auch an den Gesichtern der weiteren Piraten, die jetzt neben den Schotten traten.

Ihre Hände tasteten nach den Waffen, die sie in Gürteln oder Bandelieren stecken hatten.

Der Schotte sagte etwas auf französisch, was Stenmark nicht verstehen konnte. Die anderen Piraten zögerten für einen Moment, aber als sich einer von ihnen kurz umdrehte, die heranschleichenden Männer entdeckte, die ihnen in den Rücken fallen sollten, und laut seine Warnung herausschrie, war von einem Augenblick zum anderen die Hölle los.

Der Schotte und seine Leute stürzten sich wie die Berserker auf ihre Kumpane. Messer blitzten in der Sonne, und Entermesser und Beile zischten durch die Luft.

Die kleine Mulde war vom Keuchen der Kämpfenden und dem Klirren der Waffen erfüllt.

Stenmark, der sah, wie einer der Piraten am Feuer seine Pistole zog und auf den Schotten anlegte, warf sich mit einem Hechtsprung vor und riß den Mann mit sich zu Boden. Eine Faust traf ihn im Gesicht. Er spürte, wie ihm Blut aus der Nase lief, aber er kümmerte sich nicht darum. Er wußte, daß es jetzt auch um sein und das Leben seiner Kameraden ging. Schlug dieser Überfall fehl, dann würden er, Batuti, Matt Davies und Blacky genauso an einer Rahnock hängen wie der Schotte.

Stenmark mußte noch ein paar Schläge hinnehmen, bevor es ihm endlich gelang, sich auf den Piraten zu wälzen und ihn mit dem Knauf seines Messers zu betäuben. Hastig sprang er auf und schaute wild um sich. Aus den Augenwinkeln sah er eine Bewegung bei den Büschen, von denen aus sie den Piraten am Feuer entgegengetreten waren.

„Batuti!“ brüllte er.

Der Gambia-Neger drehte den Kopf und starrte zu Stenmark herüber. Die rechte Hand des Schweden wies auf die Büsche, hinter denen einer der angegriffenen Piraten verschwunden war.

„Einer will abhauen!“ schrie er.

Batuti begann sofort zu laufen. Auch er begriff offensichtlich, daß niemand an Bord der „L’Exécuteur“ erfahren durfte, was hier geschah.

Mit langen Sätzen hetzte er hinter dem Mann her, der sich von den anderen hatte absetzen können. Hinter den Büschen verharrte er einen Moment. Von dem Geflüchteten war nichts zu sehen.

Batuti senkte den Blick, um nach Spuren zu suchen. Er sah Abdrücke von Sandalen, die auf die Felswand zuführten, unter denen sie mit dem Schotten gelegen und die Piraten am Feuer beobachtet hatten.

Batuti lief los und folgte den Spuren. Sie kreuzten die breite Fährte, die der Schotte und seine Männer hinterlassen hatten. Dicht unterhalb der Felswand, wo der Boden fest und steinig wurde, waren die Spuren plötzlich wie vom Erdboden verschluckt.

Batuti blieb stehen und schaute sich um. Er befand sich hier in einer weiträumigen Kaverne, die von Felsen begrenzt wurde. Es war eine Art Sackgasse. Der Pirat war in die Falle gelaufen.

Batuti zögerte. Wenn er nicht vorsichtig zu Werke ging, konnte die Kaverne für ihn selbst zur Falle werden. Er überlegte, ob er vielleicht auf die anderen warten solle, als er für den Bruchteil einer Sekunde auf der Felswand über sich einen Schatten sah.

Er wirbelte herum und warf sich gleichzeitig zur Seite.

Ein Messer zischte haarscharf an ihm vorbei und prallte mit einem hellen Klirren gegen die Felswand.

Batuti hielt sein eigenes Messer in der Hand, als sich der Pirat von dem Felsvorsprung schwang, auf dem er sich verborgen hatte. Der Mann, ein sehniger, breitschultriger Pirat mit schweißglänzendem bloßen Oberkörper, konnte sich gerade noch im letzten Moment im Sprung herumwerfen, so daß er Batutis Klinge entging.

Batuti warf sich sofort wieder herum und versuchte, auf die Beine zu gelangen, aber der Pirat war schneller. Mit einer wischenden Bewegung seines linken Beines brachte er den Neger zu Fall.

Batuti stöhnte vor Schmerzen laut auf. Er war mit der Seite auf einen spitzen Stein geprallt. Er kriegte für einen Augenblick keine Luft mehr. Sterne wirbelten vor seinen Augen., Instinktiv riß er seinen rechten Arm zur Abwehr hoch.

Der Pirat hatte im Gefühl des sicheren Sieges nicht damit gerechnet. Er brüllte, als er sah, daß er dem Messer des Schwarzen nicht mehr ausweichen konnte. Verzweifelt versuchte er seinerseits, den Gegner mit dem Messer zu treffen, aber seine Klinge ratschte nur über den felsigen Boden. Noch einmal hob er die Hand, doch die Finger hatten nicht mehr die Kraft, den Knauf fest zu umschließen. Das Messer fiel klirrend auf den Felsboden, und der tödlich verwundete Mann sackte über seinem Bezwinger zusammen.

Batuti schob den regungslos auf ihm liegenden Körper des Piraten schnaufend von sich weg und erhob sich. An den gebrochenen Augen des Mannes sah er, daß die Klinge seines Messers tödlich getroffen hatte.

Batuti wollte sich den Toten auf die Schultern packen, als zwei der Piraten, die beim Schotten gewesen waren, auftauchten. Sie grinsten, und einer von ihnen schlug ihm auf die Schulter.

Der Schweiß auf dem Gesicht des Negers und sein keuchender Atem ließen sie glauben, daß Batuti am Ende seiner Kraft sei. Batuti ließ sie in dem Glauben, denn sonst hätten sie sicher von ihm erwartet, daß er selbst den Toten zu den anderen geschleppt hätte.

Am Feuer war alles entschieden. Batuti ging zu Stenmark, Matt Davies und Blacky hinüber, die ein paar Schritte von den anderen entfernt im Sand hockten.

Blacky hatte eine stark blutende Wunde am linken Unterarm, die von der Schneide eines Enterbeiles herrührte. Stenmark versuchte, die Blutung mit einem Stück Stoff aufzuhalten, aber er schaffte es nicht.

Batuti schob den Schweden zur Seite und kümmerte sich um Blackys Arm, während er unauffällig in die Runde blickte und zwischen den Zähnen hindurch fragte: „Was Schotte nun vorhaben?“

Matt Davies zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung“, gab er leise zurück. „Sie haben gekämpft wie die Wilden, und sie haben alle getötet, obwohl es gar nicht notwendig gewesen wäre.“

„Halt die Klappe!“ zischte Stenmark.

Matt schwieg. Auch er sah jetzt, daß der Schotte auf sie zutrat. Die anderen waren dabei, die Toten wegzuschleppen. Wahrscheinlich würden sie ihre Kumpane in irgendeinen Felsspalt werfen, wo niemand sie wiederfinden konnte.

Der Schotte grinste sie an.

„Ihr habt gut gekämpft“, sagte er. „Ohne den Neger wäre Trugeot wahrscheinlich entwischt und hätte die anderen warnen können. Damit habt ihr unser, aber auch euer Leben gerettet.“

„Es wäre langsam an der Zeit, daß du uns erklärst, was du vorhast“, sagte Matt Davies und erhob sich.

Der Schotte hob die Hand, als er sah, daß Matt noch mehr sagen wollte.

„Deshalb will ich mit euch sprechen“, erklärte er. „Es geht um die Führung der ‚L’Exécuteur‘. Wir haben einen Kapitän, der nicht in der Lage ist, ein Schiff zu führen, aber ein Viertel der Beute, die wir uns mit unserem Blut erkämpfen, für sich beansprucht.“

„Warum jagt ihr ihn nicht einfach zum Teufel?“ fragte Stenmark grollend. „Warum schlachtet ihr eure Kameraden ab?“

„Die meisten Männer auf der ‚L’Exécuteur‘ glauben, daß sie ihn brauchen“, erwiderte der Schotte. „Er soll einen Freund bei den Spaniern haben, der seine Hand schützend über ihn und seine kleine Festung im Süden von Espanola hält. Tatsächlich sind die anderen bekannten Piratenstützpunkte auf Espanola schon häufiger von den Spaniern angegriffen worden, die von Comte de Fauvenoir aber bisher noch nie.“

„Das ist auch was wert“, sagte Blacky.

„Bisher haben wir das auch gedacht“, erwiderte der Schotte.

„Wer ist eigentlich wir?“ fragte Matt Davies lauernd.

Der Schotte starrte ihn mißtrauisch an. Aber dann sagte er sich wohl, daß sie mit dem Überfall auf die Leute des Comte zu Kumpanen geworden waren, die entweder zusammen siegten oder untergingen.

„Unser Anführer ist Le Requin – das heißt auf englisch der Hai“, sagte er. „Le Requin ist der Mann, der die ‚L’Exécuteur‘ führt. Seine Leistungen entscheiden über den Erfolg oder Mißerfolg der Mannschaft. Bisher hat Le Requin aus dem gleichen Grund wie die anderen immer zum Comte gehalten, aber in letzter Zeit hat er herausgefunden, warum seine Festung von den Spaniern nie angegriffen wird.“

„Arbeitet der Comte mit den Spaniern zusammen?“ fragte Stenmark.

Der Schotte nickte. „Genau. Wir haben von allen Seiten Gerüchte gehört, und Le Requin hat herausgefunden, daß diese Gerüchte stimmen. Die große Beute haben immer die anderen erworben. Der Comte hat jedesmal, wenn uns ein dicker Fisch vor die Kanonen lief, zum Rückzug geblasen. Er behauptete dann immer, wir würden uns die Spanier auf den Hals hetzen, wenn wir ihnen zu große Brocken wegnähmen.“

„Und warum schlagt ihr gerade jetzt zu?“ fragte Stenmark wieder.

Der Schotte beugte sich vor. Er sprach leise, als hätte er Angst, irgend jemand könnte sie belauschen.

„Diesmal will sich Le Requin an einen ganz großen Brocken wagen“, sagte er. „Wir sind nicht allein hier zwischen den Inseln der Heiligen Ursula und ihrer zehntausend Jungfrauen. Mehr als ein Dutzend Schiffe wollen sich hier treffen und gemeinsam einen Konvoi der Silberflotte abfangen.“

Matt Davies pfiff durch die Zähne. Er wußte, was es bedeutete, die Silberflotte der Spanier anzugreifen. Die Schiffe, die das Silber, das Gold und die sonstigen Schätze Amerikas nach Spanien brachten, wurden von schwerbestückten Kriegsgaleonen begleitet. Bisher waren die Angriffe auf diesen Konvoi fast ausnahmslos gescheitert. Nur wenn der Sturm das eine oder andere Schiff aus diesem Konvoi gesprengt hatte, war es mal einem Piraten in die Hände gefallen.

„Und ihr erwartet, daß die Flotte den Kurs nördlich der Jungferninseln nimmt?“ fragte er skeptisch.

Der Schotte schüttelte den Kopf.

„Sie wird die Passage südlich der Muchoir-carré-Untiefen nehmen“, erwiderte er. „Dort läßt sich aber zur Zeit kein Pirat sehen, um die Spanier nicht zu warnen.“

„Ich nehme an, dieser Le Requin vermutet, daß euer Kapitän das Unternehmen an die Spanier verraten wird“, sagte Stenmark.

Der Schotte begann zu grinsen. Er schaute die anderen an und sagte: „Euer blonder Freund ist ein ganz schlaues Bürschchen, wie?“

„Wir sind alle schlau – bis auf den da“, Matt Davies wies auf Blacky, „aber dafür kann er besser hauen als wir.“

Blacky wollte Aufbrausen, doch der Schotte winkte lachend ab.

„Euer Freund hat recht“, sagte er. „Der Comte wird die Spanier warnen, wenn wir nicht etwas dagegen unternehmen. Vielleicht hat er schon etwas in die Wege geleitet. Deshalb auch das Treffen hier unten bei den Jungferninseln. Der Comte glaubt, daß wir die Silberflotte hier erwarten. Die Kapitäne der anderen Schiffe haben Le Requin ein Ultimatum gestellt. Wenn er nicht Kapitän der ‚L’Exécuteur‘ ist, wenn sie eintreffen, werden sie unser Schiff in Fetzen schießen und uns alle töten, um einen Verrat zu verhindern.“

„Verdammt, warum stellt sich dein Hai nicht vor die Mannschaft und erzählt ihr das, was du uns jetzt erzählst?“ fragte Matt. „Sie würden den Comte sicher in Stücke reißen, wenn sie hören, daß er ein Verräter ist.“

Der Schotte wiegte den Kopf.

„Das Risiko ist Le Requin zu groß“, erwiderte er. „Der Comte hat die wichtigsten Postenan Bordder ‚L’Exécuteur‘ mit seinen Vertrauensleuten besetzt. Le Requin hat er bisher nicht angetastet, weil keiner das Schiff so führen kann wie er, aber er traut ihm nicht über den Weg. Er läßt ihn immer überwachen. Habt ihr an Bord den Glatzkopf gesehen?“

3 669,08 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
2052 стр. 21 иллюстрация
ISBN:
9783954395019
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
Аудио
Средний рейтинг 4,2 на основе 377 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,7 на основе 616 оценок
Черновик, доступен аудиоформат
Средний рейтинг 4,6 на основе 215 оценок
Черновик
Средний рейтинг 5 на основе 17 оценок
Текст, доступен аудиоформат
Средний рейтинг 4,2 на основе 988 оценок
Текст, доступен аудиоформат
Средний рейтинг 5 на основе 441 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,6 на основе 689 оценок
Текст, доступен аудиоформат
Средний рейтинг 4,3 на основе 490 оценок
По подписке
Аудио
Средний рейтинг 5 на основе 435 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок