Читать книгу: «Seewölfe Paket 15», страница 10

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Dieses Mal brüllte Thomas Lionel wie ein wilder Stier, dann packte er blitzschnell mit der anderen Hand zu und riß die Fangleine mit einem wahnsinnigen Ruck zu sich heran, sprang aber gleichzeitig zurück.

Der Ruck genügte, um den Klotz von Bootsmann umzuwerfen. Mit der schweren Masse seines Körpers krachte er vierkant auf die Planken und begrub die Pütz unter sich. Die Fangleine lag wie eine Würgemanschette um seinen Hals.

Thomas Lionel geriet außer sich vor Triumph, den Kerl umgelegt zu haben. Mit einem Satz sprang er auf den Rücken des Bootsmanns und trampelte wie ein Irrer auf ihm herum, als wolle er ihn durch das Deck stampfen.

Der dicke Burton und der hagere, krummrückige Bromley flüchteten schreiend vor den Ruderstand. Die anderen Kerls an Bord standen wie erstarrt. Das hatte noch keiner geschafft, den Bootsmann O’Leary von den Füßen zu holen.

Simon Llewellyn wieherte über den Spaß wie ein liebeshungriger Hengst, und dann nahm er die seltene Gelegenheit wahr, sich ebenfalls an dem Bootsmann für die bisher empfangenen Prügel, Fußtritte und Beschimpfungen zu rächen. Er tobte aufs Achterdeck, stieß seinen Bruder weg und bearbeitete den Bootsmann mit Fußtritten.

Thomas Lionels Tätigkeitsdrang war noch längst nicht erloschen. Grölend packte er den Haarschopf des Bootsmanns und donnerte dessen Kopf auf die Planken.

„Aufhören!“ brüllte der Alte, hochrot im Gesicht vor Wut. „Seid ihr verrückt geworden?“

Seine Söhne waren taub. Wer Rache nimmt, hört nichts mehr. Sie warfen sich über den Bootsmann und prügelten mit den Fäusten auf ihn ein. Sie rissen ihm Haare aus, kniffen und zwackten ihn, und wenn sie Wölfe gewesen wären, hätten sie ihn auch aufgefressen. Kurz, sie tobten wie die Wilden auf ihm herum.

Der Alte beging den Fehler, seine tobsüchtig gewordenen Söhne in der alten Manier bändigen zu wollen, das heißt, zu versuchen, ihnen Maulschellen zu verpassen. Das mißlang gründlich.

Entweder waren sie allmählich immun geworden, oder sie empfanden zur Zeit nichts mehr, weil sie außer sich vor Lust waren, es dem gefürchteten und gehaßten Bootsmann endlich einmal heimzahlen zu können – letzteres traf wohl zu. Das heißt, die Bestien waren los und total entfesselt.

Der Alte wurde von einem wilden Schwinger Simon Llewellyns erwischt und geriet gleichzeitig mit dem Kinn unter den hochruckenden Kopf Thomas Lionels. Dem machte das überhaupt nichts aus, weil er sowieso nur Stroh im Kopf hatte. Aber das Kinn des Alten war empfindlich, ganz abgesehen von dem Schwinger, der auf sein rechtes Ohr krachte.

Die Nacht war für Sir John schon mies genug gewesen, die Prügel von Lady Anne gegen Mittag hatte er auch noch nicht verdaut, also nippelte er ab wie eine verlöschende Kerze. Er rollte – dieses Mal jenseits von Gut und Böse – über die Planken nach Lee, und da war zum Glück das Steuerbordschanzkleid, das ihn davor bewahrte, außenbords ein kühlendes Bad zu nehmen.

Genau das wäre der Moment für seine beiden Ferkelsöhne gewesen, das Kommando über die Karavelle an sich zu reißen – nicht nur über die Karavelle, sondern im weiteren Sinne auch über die Feste Arwenack. Eine bessere Gelegenheit würden sie aller Wahrscheinlichkeit nie mehr erhalten – der Alte total aus dem Gefecht und der Bootsmann ebenso.

Aber sie waren zu bescheuert, um die Gunst der Stunde zu begreifen. Der dämliche Thomas Lionel nämlich verließ seinen Standort auf dem Rücken des Bootsmanns und stolperte zum Steuerbordschanzkleid, um seinen Alten weiter in die Mangel zu nehmen.

Da war also plötzlich einer weniger auf dem Rücken des Bootsmanns, der gerade in diesem Augenblick mit dem Ersticken kämpfte und sich in einem letzten Reflex aufbäumte. Das geschah so jäh, daß Simon Llewellyn von seinem Rücken geschleudert wurde. Fast automatisch griff O’Leary nach der Fangleine um seinen Hals und löste sich aus der Erdrosselung. Die Pütz flog sonstwohin.

Mit einem mächtigen Atemzug holte der Bootsmann Luft in seine Lungen, mit dem nächsten Atemzug war er auf den Beinen, wirbelte herum, griff sich Simon Llewellyn, der sich noch nicht aufgerappelt hatte, und damit war die Schlacht auf dem Achterdeck der Karavelle auch schon entschieden.

Simon Llewellyn sank mit glaisgen Augen nach einer Explosion an seinem Kinn auf die Planken, und Thomas Lionel landete Sekunden später neben ihm, gleichfalls im Zustand totaler Passivität. Da war nichts mehr drin. Die alte Ordnung war wiederhergestellt, alles blieb so, wie es gewesen war.

Der Zorn des Alten, als er ins Bewußtsein zurückkehrte, war fürchterlich. Seine beiden Söhne, die ein einziges Mal über ihn triumphiert hatten, fanden sich in der Vorpiek wieder, gefesselt an Händen und Füßen, grün und blau geschlagen.

Aber irgendwann würden sie wieder den Zustand von „cornered rats“ erreicht haben und die Bestie in sich loslassen. Ob der Alte das überleben würde, war jetzt schon fraglich.

Es ging auf eine Stunde vor Mitternacht zu, als die Karavelle Rame Head passierte, dann Penlee Point rundete und mit nunmehr halbem Wind in die Cawsand Bay steuerte. Das Feuer von Breakwater, dem schmalen langen Wellenbrecher im Plymouth Sound, blieb an Steuerbord.

Der Wind aus Westen wehte nicht mehr so stark, eher mäßig. Und die Sicht war alles andere als klar. Nebelschwaden hatten sich gebildet und waberten über dem Wasser. Ab und zu rissen sie auf und gaben die Sicht frei.

Wären der dicke Burton und sein hagerer Kumpan beim Passieren von Rame Head in den Großmars geentert, dann hätten sie an dem Kai zur Werft des Hesekiel Ramsgate die Zweimast-Sambuke und die irische Galeone gesehen.

Aber keine hundert Pferde hätten sie auf den Mars gebracht – Gott bewahre! Und das auch noch bei Dunkelheit! Und dann in ihrem leidenden Zustand! Ihre Mägen waren zwar so leer wie die Geldkatze eines bankrotten Kaufmanns, aber ihnen war nach wie vor hundsmiserabel zumute. Das Würgen hatten sie immer noch in den Kehlen. Sie fühlten sich schlapp und wie ausgewrungen.

Die Karavelle war gefechtsklar.

Natürlich brauchte Sir John jetzt jede Hand. Und darum hatte er auch seine Ferkelsöhne aus der Vorpiek holen lassen. Ihr einmalig aufgeflammter Widerstand war gebrochen. Sie standen ziemlich lahm und krumm auf der Kuhl, Thomas Lionel an einer Backbord-Culverine, Simon Llewellyn an einer auf der Steuerbordseite. O’Leary, der Bootsmann, belauerte sie mit einem Auge. Er traute dem Frieden noch nicht, obwohl er diese beiden Killigrews verachtete und für miese Schlappschwänze hielt. Beim geringsten Aufmucken würde er ihnen den Marsch blasen, handfest mit den Fäusten, versteht sich.

Wie ein Geisterschiff glitt die Karavelle durch die Nebelfetzen. Graue Schwaden in den bizarrsten Formen tanzten wie Gespenster über die Decks, mal da, mal dort. Schemenhaft flatterten sie vorbei, lautlos, kalt und feucht. Nässe schlug sich überall nieder.

Natürlich waren alle Lichter gelöscht. Nur in den Kohlebecken brannte die Glut zum Zünden der Lunten – dunkelrote Höllenaugen längs der beiden Schanzkleider.

Sie lauschten und spähten alle in die diesig-neblige Nacht. Andere Schiffe waren noch nicht gesehen worden, und darauf spekulierte Sir John auch. Er wollte unbemerkt bleiben. In einer Nacht wie dieser hatte er dafür auch die besten Voraussetzungen. Was ihm allerdings passieren konnte, das war das mögliche Pech, einen Ankerlieger zu rammen.

Das war eben das Unwägbare. Auf der weiten See konnte es ein Kapitän riskieren, in Fahrt zu bleiben. Das mußte schon mit dem Teufel zugehen, in der Weite des Atlantik ein anderes Schiff im Nebel über den Haufen zu rennen.

Eins war sicher: bei dieser verhangenen Sicht lief kein Kapitän mit seinem Schiff aus Plymouth aus. Von daher war also nichts zu befürchten. Aber Schiffe, die den Hafen von Plymouth anlaufen wollten und in den Nebel geraten waren, die würden vor Anker gegangen sein, um bessere Sicht abzuwarten. Und mit diesen Schiffen mußte Sie John rechnen, ganz abgesehen von diesen oder jenen Seglern, die vor dem Hafen aus irgendwelchen Gründen auf Reede lagen.

Es war also keineswegs ungefährlich, sich bei diesen Sichtverhältnissen in den Hafen zu wagen. Allerdings war der alte Schnapphahn kaltschnäuzig genug, es eben doch zu riskieren. Er gehörte ja auch zu der rauhbeinigen Sorte. Wenn er zu seinen Raubfahrten auslief, mußte er ganz andere Risiken auf sich nehmen. Vom Nebel hatte sich der Alte noch nie ins Bockshorn jagen lassen. Die Witterungsverhältnisse an den Küsten von Cornwall waren ihm viel zu vertraut. Der Nebel gehörte dazu.

Der Alte war oft in Plymouth gewesen. Er kannte sich mit den Gegebenheiten aus und war sich selbst der beste Lotse. In etwa einer halben Stunde mußte Steuerbord voraus die Felseninsel St. Nicholas gesichtet werden – wenn der Nebel nicht noch dicker wurde. Dann allerdings würde auch Sir John gezwungen sein, den Anker zu werfen und darauf zu warten, daß die Sicht besser wurde.

Die St.-Nicholas-Insel, von der man sich an der kornischen Küste erzählte, daß sie in Drake-Insel umgetauft werden sollte, zu Ehren des Admirals, lag direkt vor der Mill Bay, etwa eine Meile von ihr getrennt. Und auf der Ostseite der Mill Bay, so hatten Burton und Bromley jedenfalls behauptet und darüber auch eine Zeichnung angefertigt, sollten an der Pier die „Pride of Galway“ und der fremdländische Zweimaster vertäut sein.

Bei dem Wind aus Westen war das alles sehr günstig. Sir John würde sich an dem Fort Eastern King, vorbeimogeln, in die Mill Bay vorstoßen, dicht an der Ost-Pier vorbeisegeln und die volle Steuerbordbreitseite in die irische Galeone feuern. Vor der Mill Bay Road würde er anluven, durch den Wind gehen und auf Gegenkurs nun die Backbordbreitseite zum Einsatz bringen.

Bei einer Distanz von etwa fünfzig Yards mußte jede Kugel voll treffen. Da konnte selbst ein schielender Schwachsinniger nicht danebenballern. Wenn doch, würde er dem Kerl etwas zu kosten geben, nämlich die Neunschwänzige. Schließlich ging es nicht an, daß Sir Johns Pulver und Kugeln sinnlos vergeudet wurden, nur um schöne Fontänen aus dem Wasser zu zaubern. Das Schießzeug war eh teuer genug, damit konnte man nicht herumaasen.

O’Leary erschien auf dem Achterdeck und näherte sich dem Alten, der beim Rudergänger stand.

„Sir“, sagte er, „gestatten Sie, daß ein Mann als Ausguck am Bug geht? Wir finden dann die Einfahrt in die Mill Bay leichter.“

Der Alte winkte ab. „Nicht nötig, O’Leary. Die finde ich im Schlaf.“

„Ich meine nur wegen des Nebels, Sir. Der wird dicker.“

Da hatte der Bootsmann allerdings recht. Sir John spähte voraus. Da war im Moment noch nicht einmal der Bug der Karavelle zu sehen, sondern nur eine grau-weiße Wand, die Sekunden später auch den Großmast erreichte und im Nu einhüllte, als würde er in Watte verpackt. Kurz darauf legten sich die milchigen Schleier auch über das Achterdeck.

Sir John fluchte verbittert. Das hatte ihm gerade noch gefehlt!

„Raus mit dem Anker!“ knurrte er seinen Bootsmann an. „Fiert weg die Segel! Beeilung, sonst brummen wir auf die verdammte St.-Nicholas-Insel!“

„Aye, aye, Sir.“ Der Bootsmann verschwand wie ein Geist in der Nebelsuppe.

„Anluven!“ blaffte der Alte dem Rudergänger zu.

Der wiederholte den Befehl und @egte Ruder. Jetzt war nur zu ahnen, wie der Bug der Karavelle in den Wind schwenkte. Undeutliche Stimmen drangen durch die Watte. Tauwerk knarrte, irgendwo quietschte ein verdammter Block. Dann klatschte etwas ins Wasser – der Buganker. Wenn er nicht faßte, würden Wind und die Versetzung durch den Strom, der ostwärts driftete, die Karavelle drüben zwischen der Batten Bay und Stadden Point an Land setzen, oder sie würden sich dort irgendwo in den Modder wühlen.

Mahlzeit!

Und der Alte fluchte wieder. Zu allem Überfluß tauchte eine Gestalt in der Milchsuppe vor ihm auf und befummelte ihn tastend.

„Pfoten weg!“ knurrte Sir John.

„Ah, Sie sind es, Sir, Verzeihung …“ Der dicke Burton war es. Er schnaufte erregt und roch sauer. „Ist – ist was passiert, Sir?“

Sir John stöhnte. Was für eine dämliche Frage!

„Ja, es ist was passiert!“ fauchte er.

„Oh! Was denn?“

„Nichts!“ brüllte Sir John. „Wir sind nur ein bißchen eingenebelt, Sie Holzkopf!“

Plötzlich ruckte die Karavelle, und der dicke Burton fiel dem Alten um den Hals.

„Hilfe!“ röchelte er. „Ich – ich ertrinke …“

„Quatsch! Der Anker ist eingeruckt!“ Der Alte stieß den Dicken von sich. „Mann, bleiben Sie mir bloß vom Leib! Sie stinken wie eine vergammelte Wildsau!“

Der Bootsmann tauchte auf.

„Anker hat gefaßt, Sir“, meldete er.

Sir John nickte. Dann sagte er barsch: „Bringen Sie Mister Burton unter Deck, O’Leary. Den anderen auch, falls Sie ihn finden.“

„Ich will aber nicht unter Deck!“ jammerte der Dicke. „Mir ist so schlecht …“

O’Leary packte ihn einfach am Genick und schob mit ihm ab.

Sir John tastete sich hinüber zum Backbordschanzkleid und lehnte sich dagegen.

„Saunebel“, murmelte er.

5.

Etwa zwei Stunden nach Mitternacht riß der Nebel wieder auf, und die Sicht wurde klarer, abgesehen von den Schwaden da und dort.

O’Leary ließ den Alten wecken, der sich in seine Kammer verzogen hatte.

Fünf Minuten später wurde der Anker gehievt, und unter dem Großsegel nahm die Karavelle wieder Kurs auf die Mill Bay. Tatsächlich passierten sie knappe Zeit später die St.-Nicholas-Insel, die an Steuerbord blieb. Jetzt war es nicht mehr weit bis zur Mill Bay.

Sir John befahl dem Rudergänger, etwas abzufallen. Die Karavelle war wieder gefechtsklar. Der Wind wehte immer noch aus westlicher Richtung, nicht allzu stark, so daß auch die See im Plymouth Sound keineswegs kabbelig oder grob war.

Der Alte hatte eine Whiskyflasche mit an Deck genommen und gluckerte einen – im Vorgenuß dessen, was in der nächsten Viertelstunde passieren würde.

Auch Burton und Bromley waren wieder an Deck. Sie sollten ja die irische Galeone identifizieren. Sie sahen beide nicht sehr gut aus, nein, beschissen sahen sie aus, so richtig ausgekotzt.

Der Alte war wieder bei guter Laune und amüsierte sich. Er winkte mit der Flasche.

„Wollen die Gentlemen auch einen Schluck?“

Die Gentlemen wollten nicht. Sie schüttelten stumm die Köpfe und waren am Schlucken. Da stieg ihnen wohl wieder etwas hoch, obwohl nichts mehr drin war, allenfalls Galle.

Sir John drohte mit dem Finger, der Schelm. Und ganz ruppig sagte er: „Jetzt wird nicht mehr gekotzt, verstanden? Wer es dennoch tut, fliegt außenbords. Außerdem ist überhaupt kein Seegang, Gentlemen. Wir steuern jetzt die Mill Bay an, da bitte ich mir konzentrierte Aufmerksamkeit aus, damit Sie die Galeone auch erkennen. Vielleicht erinnern Sie sich bei dieser Gelegenheit an das, was wir wegen einer bestimmten Teilung vereinbarten. Ich könnte mich unter Umständen genötigt sehen, von einer Teilung Abstand zu nehmen, wenn Sie hier versagen. Sie verstehen?“

Sie nickten wieder stumm, wenn auch jetzt etwas erbitterter. Das fehlte noch, daß dieser verdammte alte Gauner die Beute allein kassierte – bei all den Nöten, die sie auf sich geladen hatten, nachdem sie an Bord dieses schaukelnden Monstrums gegangen waren.

„Die Ost-Pier in der Mill Bay wird auf der Seite sein, auf der Sie jetzt stehen“, sagte Sir John süffisant. „Sie brauchen Ihr Augenmerk also nur dorthin zu richten.“

Erneutes stummes Nicken.

Sir John spähte voraus und entdeckte die Einfahrt zur Mill Bay. Drüben beim Fort Eastern King tat sich nichts. Kein Licht brannte dort. Sir John grinste vor sich hin. Er hatte eine gute Nachtzeit erwischt – die Stunde der Diebe. Da mußte er sogar dem Nebel noch dankbar sein, der ihn aufgehalten hatte.

Er wies den Rudergänger ein. „Etwas mehr Steuerbord – recht so. Kurs halten!“

„Recht so. Kurs halten“, wiederholte der Rudergänger. Und dann: „Kurs liegt an, Sir.“

Sir John trat an die Balustrade zur Kuhl. „O’Leary! Aufpassen, welches Ziel ich nenne. Sonst bleibt alles wie besprochen. Zuerst feuert die Steuerbordseite, dann wenden wir, und die Backbordseite ist dran, klar?“

„Aye, aye, Sir, alles klar.“

Nur unter dem Großsegel schob sich die Karavelle fast majestätisch langsam in die Einfahrt zur Mill Bay. Drüben auf der Steuerbordseite tauchten die ersten Schiffe auf, die an der Pier lagen. Burton und Bromley standen am Schanzkleid und starrten hinüber.

Sir John baute sich neben ihnen auf.

„Na?“ fragte er.

Der hagere Bromley hob plötzlich den rechten Arm.

„Da!“ sagte er erregt und deutete. „Da!“

„Wo?“ knurrte Sir John. „Haben Sie als Hauptmann keine Zielansprache gelernt, Mann?“ Er fuhr zum Rudergänger herum. „Noch etwas nach Steuerbord, ja, noch ein bißchen – recht so!“

„Recht so“, murmelte der Rudergänger.

„Die – die Galeone liegt direkt vor dem dritten Schuppen links vom Anfang der Pier!“ stieß Bromley hervor.

„Jawohl, das ist sie!“ Der dicke Burton keuchte. „Genau. Vor dem dritten Schuppen.“

Sir John trat grinsend an die Balustrade und gab die Zielansprache weiter. Er meinte, ebenfalls die „Pride of Galway“ erkannt zu haben, mit der er vor ein paar Jahren schon mal aneinandergeraten war. Jetzt würde er zurückzahlen – dafür, daß er damals den Schwanz hatte einziehen müssen. Zwar waren nicht die irischen Lümmel an Bord, aber das kratzte ihn überhaupt nicht, nicht im geringsten. Ha! Die Kerle von der Seewölfe-Bande würde er in die Hölle blasen, allen voran den verdammten Bastard, diesen Hurensohn, der es gewagt hatte, wider den Stachel zu löcken und ihm eine Schlappe nach der anderen zuzufügen.

Ja, das war die Nacht der Rache!

Jetzt geriet auch Sir John in Erregung, und der Haß auf Philip Hasard Killigrew flammte in ihm hoch, genau wie bei Burton und Bromley, vor allem bei Bromley, der am ganzen Körper zitterte und die Fäuste aufs Schanzkleid schlug, als wolle er es ertrümmern. Dabei stieß er unverständliche Worte hervor, Haßtiraden wohl, gemünzt auf den Mann, der ihn als Dieb entlarvt hatte.

Burton und Bromley – plötzlich war ihnen nicht mehr übel. Ihr hervorbrechender Haß hatte die Seekrankheit hinweggewischt, als hätten sie nie darunter gelitten. Es war schon erstaunlich, wie schnell sich Menschen wandeln konnten.

Langsam glitt die Karavelle näher und näher an die Galeone, die vor dem dritten Schuppen an der Pier lag. Sir John gab mit heiserer Stimme dem Rudergänger den Befehl, wieder etwas anzuluven, um die Ka@avelle auf einen Kurs zu bringen, der parallel an der Ost-Pier entlang führte.

Die Richtschützen lauerten an den Culverinen auf der Steuerbordseite und peilten über die Rohre das Ziel an, das langsam in die Visierlinie einzuwandern begann. Die Lunten brannten bereits. Ja, etwa fünfzig Yards würde der Querabstand zu der Galeone betragen, vielleicht sogar noch weniger. Das bedeutete Kernschußweite. In direkter Linie, ohne Parabel, würden die sechs Kugeln in den Rumpf der Galeone rasen, noch heiß von der Treibladung, mit der sie aus den Rohren gejagt wurden, glühend heiß.

Allmählich dachte Sir John in diesem Moment an das zweite Schiff, den Doppelmaster aus dem Mittelmeer. Wo lag der denn? Er wollte den dicken Burton fragen.

Aber da brüllte eine Stimme von der Galeone herüber: „He! Was ist denn mit euch los? Wollt ihr Krieg spielen?“

Alle an Bord der Karavelle zuckten zusammen.

„Feuererlaubnis!“ schrie Sir John mit überschlagender Stimme. „Gebt’s dem Hundesohn!“

Nur Sekunden verstrichen, bange Sekunden, die wie Ewigkeiten erschienen. War das Pulver zu feucht geworden?

Nein!

Berstende Detonationen erschütterten die sich aufbäumende Karavelle, orangefarbene Flammen blühten für die Länge eines Lidschlags an den Rohrmündungen auf wie Blumen, die eine glühende Sonne ins Leben gerissen und auch schon wieder verdorrt hat. Ein Rauschen erfüllte die Luft. Pulverqualm waberte über die Kuhl.

Dann schlugen die Kugeln krachend in die Bordwand der Galeone – fünfmal.

Fünfmal?

Sir John fuhr herum und stierte zur Kuhl hinunter. Ein röhrender Wutschrei brach aus ihm hervor wie der Feuerstoß aus einem brodelnden Vulkan.

Simon Llewellyn hatte seine Culverine noch nicht abgefeuert, dieser Vollidiot, dieser hirnrissige Schafskopf, dieser …

Jetzt senkte er die Lunte, wartete – und sprang zur Seite. Die Culverine brüllte auf, ruckte in den Brooktauen zurück, vor einer Flammenzunge raste die Kugel hinüber zu der Galeone.

Gerade hatte O’Leary dem Ferkelsohn mit dem Stiefel in den Hintern treten wollen, aber noch gestoppt, als Simon Llewellyn die Lunte auf das Zündloch senkte. Der Stiefel des Bootsmanns hing noch in der Luft, als es passierte.

Die Kugel aus der sechsten Culverine nahm einen seltsamen Weg: sie durchfetzte eine angebrochene Planke zwischen zwei anderen Treffern in der Bordwand und raste in den Bauch der Galeone, und zwar in die Pulverkammer.

Bruchteile von Sekunden später schoß eine riesige Stichflamme in den Nachthimmel – im Kern von weißglühender Farbe, an den Rändern orange bis dunkelrot. Die Galeone barst auseinander wie ein unter Überdruck stehender Wasserkessel. Da zerrissen Wanten und Stagen wie die Fäden eines Spinnennetzes, die Decks über der Pulverkammer existierten nicht mehr, der Großmast, irgendwo zerbrosten, flog wirbelnd in den Himmel, senkte sich wieder und bohrte sich mit Teilen seiner Rahen wie eine Lanze in das Dach eines Bürgerhauses.

Die Galeone, die sich mit dem Vorschiff und dem Achterschiff wie ein Kartenhaus aufgestellt hatte – die Explosion hatte ihr das Kreuz gebrochen, nämlich den Kiel –, knickte wieder zusammen, und die beiden Schiffsteile krümmten sich nach innen. Bug und Heck ragten nach oben, ihre Decks schief nach unten und tief ins Wasser, das gurgelnd und schäumend in die Räume eindrang, deren Schotten zersplittert oder geborsten waren.

Die Hölle war los.

Simon Llewellyn, der Meisterkanonier, tanzte johlend und grölend auf der Kuhl herum. Thomas Lionel gesellte sich zu ihm und tobte mit. Ha! Was waren sie doch für Kerle! Fünf andere Kanoniere schossen auf die Galeone – mit müden Treffern. Aber Simon Llewellyn wartete kühl auf seine Chance – rumms! Und Volltreffer!

Der Alte war so verblüfft, daß er fast vergessen hätte, den Befehl zum Wenden zu geben. Die Karavelle segelte auf die Mill Bay Road zu, als würde sie wie magisch von Plymsons „Bloody Mary“ angezogen, um dort an der Theke vor Anker zu gehen.

Außerdem hagelte es jetzt Holztrümmer vom Himmel, und die Kerls hielten schützend die Arme über die Köpfe, Sir John natürlich auch, und es war der Rudergänger, der die Mill Bay Road auf die Karavelle zurükken sah.

Er brüllte: „Wir müssen wenden, Sir!“

Da ermannte sich der Alte und donnerte sein „Klar zum Wenden!“ über die Kuhl.

Der Rudergänger luvte an, und der Bug der Karavelle drehte nach Backbord. Das Großsegel begann zu flappen und zu killen, die lange Gaffelrute wurde geschirtet, dann lag die Karavelle auf dem neuen Bug und segelte durch die Mill Bay zurück zur Ausfahrt. Nur knapp zehn Yards war ihr Heck bei der Wende von der Pier der Mill Bay Road entfernt gewesen.

Die Culverinen auf der Backbordseite brauchten nicht mehr zum Einsatz gebracht zu werden. Der eine Schuß des Simon Llewellyn hatte genügt, die Galeone in die Luft zu blasen. Der Schuppen, vor dem sie an der Pier gelegen hatte, brannte lichterloh. Die Flammen warfen zuckende Lichter über die schaurige Szenerie.

Auf den benachbarten Schiffen an der Pier stürzten Männer an Deck, fluchten, brüllten und schüttelten drohend die Fäuste hinter der Karavelle her. Verletzte schrien im Wasser um Hilfe. Irgendwo begann eine Sturmglocke zu läuten.

Da hatte der ungeheure Luftdruck der Explosion bei den Häusern der West Hoe Road, die parallel zur Ost-Pier verlief, Türen und Fensterläden eingedrückt sowie Scheiben zerplatzen lassen. Die Anwohner stürmten auf die Straße, halb angezogen und in Panik, weil sie dachten, die Welt ginge unter. Kinder weinten, Frauen kreischten, Männer brüllten.

Zu allem Überfluß lösten sich Dachplatten aus Schiefer von dem Haus, aus dem der Großmast wie eine riesige Flaggenstange in den Himmel ragte. Die Platten zerplatzten auf den Katzenköpfen der West Hoe Road, und es klang, als würden Musketenschüsse abgefeuert.

Das steigerte die Panik.

„Die Spanier!“ wurde gebrüllt. „Sie greifen Plymouth an!“

Sir John, der alte Halunke, tanzte auf dem Achterdeck herum und hielt sich den Bauch vor Lachen. Jetzt führte er sich genauso auf wie seine beiden Ferkelsöhne.

„Der Bastard ist in der Hölle!“ grölte er, schwenkte die Whiskyflasche, soff, schlug dem dicken Burton krachend die Hand auf die Schulter, begoß ihn mit Whisky, boxte dem hageren Bromley die Faust zwischen die Rippen und wieherte wie ein altes Schlachtroß.

Es kümmerte dieses wüste Ungeheuer von Mann einen Dreck, ob Menschen bei diesem Überfall verletzt, verkrüppelt oder gar getötet wurden. Der Bastard war zur Hölle gefahren, nur das zählte bei dem Alten – und genauso bei seinen Ferkelsöhnen, bei Burton und Bromley.

„Und jetzt“, röhrte der Alte, „schießen wir auch noch die Werft des verdammten Ramsgate in Klump, die Werft und das Schiff, das die Hunde dort bauen lassen!“

„Jawohl!“ schrie Bromley mit überschnappender Stimme, und in seinen Augen war wieder das irre Flackern. „In Klump schießen! Ausrotten! Vergiften das ganze Pack …“ Er riß dem Alten die Whiskyflasche aus der Hand und kippte das Zeug hinunter wie Wasser.

„He-he!“ rief der Alte. „Nicht so stürmisch, Freund Bromley. Lassen Sie mir noch was drin!“

„Ich will auch!“ meldete sich Burton. Sein feistes Gesicht, das so teigig geworden war, glühte jetzt.

„Ah, die Gentlemen sind munter geworden!“ rief der Alte dröhnend und sah zu, wie auch Burton den Whisky in sich hineinschüttete, als sei er am Verdursten. Er spreizte sich grinsend: „Na, wie hat das der alte John Killigrew mal wieder hingekriegt? Ja – so muß man vorgehen, immer ran und drauf! Wie auf die Weiber! Das ist die richtige Taktik, Gentlemen!“

„Genial!“ rief der dicke Burton entzückt. „Wirklich genial, Sir. Da hüpft einem das Herz in der Brust vor lauter Freude. Und wie laut das gedonnert hat – als stürze die Welt zusammen.“

„Ja, das war ein lustiger Streich!“ grölte der Alte.

Auf dem Achterdeck tauchte der Bootsmann auf.

„Sir“, sagte er besorgt, „bei Fort Eastern King gibt man Lichtsignale.“

„Die können mich mal“, erklärte der Alte und befahl dem Rudergänger, abzufallen und die St.-Nicholas-Insel an Steuerbord zu lassen. Mit diesem Kurs entfernte er sich vom Fort, das sich offenbar im Alarmzustand befand.

Außerdem hatte der alte Gauner mal wieder Glück. Neue Nebelbänke hatten sich gebildet, in die er mitten hineinsegelte. Es war keine dicke Suppe wie um Mitternacht, als sie hatten ankern müssen, nein, nur strichweise waberten diese Bänke über dem Wasser – wie Büsche auf dem Land, hinter denen sich ein flüchtender Dieb von Sprung zu Sprung verbergen kann.

Da wurden zwar an Steuerbord, wo das Fort lag, Kanonenschüsse gelöst, aber die Kugeln klatschten irgendwo wirkungslos ins Wasser. Den Alten juckte das nicht weiter, während Burton und Bromley schon wieder die Hosen flatterten.

Burton, der ehemalige Friedensrichter, war nie ein Draufgänger gewesen. Der Ex-Hauptmann Bromley mochte vielleicht früher etwas Kampfgeist gehabt haben, aber nur in der Deckung einer überlegenen, schlagkräftigen Truppe. Im Kerker allerdings hatten sich seine wenigen soldatischen Tugenden sehr schnell verflüchtigt. Er war nicht an sich selbst gewachsen und hart geworden, sondern hatte sich zum Jammerlappen entwickelt. Allerdings hielt ihn sein Haß auf Philip Hasard Killigrew aufrecht – was bei ihm so aufrecht hieß mit seiner krummen Haltung.

Während der Alte herumtönte, was sie doch für einen feinen Spaß gehabt hätten und wie prächtig er es dem Bastard gegeben hätte, erschien noch eine Figur auf dem Achterdeck – Simon Llewellyn.

Seine verfettete Brust war so breit wie ein Rahsegel geworden, sein Grinsen dumm, dreist und aufgeblasen. Da war ihm wohl nach dem gelungenen Schuß der Kamm geschwollen. Er stelzte auch heran wie ein Gockel, der gerade zum erstenmal „Kikeriki“ geschrien hat.

„Was willst du denn hier?“ fuhr ihn der Alte an.

„Ich habe ihn hingemacht!“ erklärte Simon Llewellyn patzig. Er klopfte sich an die Brust. „Ich ganz allein. Ich bin der beste Kanonier von ganz Cornwall. Ich bin der Größte, jawohl. Und jetzt will ich einen Whisky!“

Der Alte schnappte nach Luf. Dann explodierte er.

„Was bist du? Der Größte?“ brüllte er. „Ein Arschloch bist du, ein Eselsfurz, nichts weiter! Pack dich auf die Kuhl, du Rotznase von einem Lümmel! Die Geschütze müssen gereinigt werden, verstanden?“

„Ich bin …“

Man erfuhr nicht mehr, was der Ferkelsohn Simon Llewellyn war. Der Alte wurde wieder mal gewalttätig, wie das so seine Art war, und in seiner Faust steckten immer noch Saft und Kraft. So segelte der beste Kanonier von ganz Cornwall zurück auf die Kuhl, und er hatte dabei noch das Glück, sich nicht das Genick zu brechen. Er überschlug sich nur ein paar Male, als er den Niedergang hinunterflog. Es bumste auch ordentlich.

Auf der Kuhl beschäftigte sich dann der Bootsmann weiter mit ihm, und zwar in etwa dergestalt, daß er mit ihm die Planken aufwischte. Und weil Ferkelbruder Thomas Lionel tückische Augen kriegte und eine Schweineschnute zog, empfing er auch gleich seine Bimse. Der Klotz von Bootsmann war da nicht weiter zimperlich. Außerdem war er es gewohnt, wenn schon, dann beiden die Jacke durchzuklopfen. Da war er ein entschiedener Anhänger der ausgleichenden Gerechtigkeit, von seiner Gründlichkeit ganz abgesehen.

Der Alte stand oben an der Balustrade des Achterdecks und spornte seinen Bootsmann mächtig an, obwohl das gar nicht nötig war, denn O’Leary war ein fleißiger Klopfer.

So verlief alles in seinem gewohnten Gang. Verwunderlich war nur, daß diese beiden Killigrew-Pflanzen bei all den ruppigen Behandlungen im Laufe der Jahre noch nicht eingegangen waren. Aber da bewahrheitete sich wohl der Spruch von dem Unkraut, das nicht vergeht. Sie waren sozusagen ein prächtiges Unkraut.

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