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7.
Ben Brighton, Bootsmann und Erster Offizier in der Crew der Seewölfe, war ein sehr ruhiger und besonnener Mann. Daß er außerdem die ranke Sambuke quer durchs Mittelmeer und den Atlantik hoch nach England gesegelt hatte, bewies seine hervorragenden seemännischen Eigenschaften. Auch Vorsicht war ein Teil seines Charakters – nicht die Vorsicht des Zögernden oder Ängstlichen, nein, die Vorsicht, immer bereit und gewappnet zu sein, das zeichnete ihn aus.
Daher hatte er, als Hasard mit seiner kleinen Gruppe abgesegelt war, nicht die Hände in den Schoß gelegt, sondern vier Männer an Land geschickt mit dem Auftrag, die Werft zum Binnenland hin abzusichern. Mac Pellews Aussage hatte ihn mißtrauisch werden lassen. Außerdem hatte er angeordnet, die Culverinen und Drehbassen auf der Backbordseite der Galeone auszurennen beziehungsweise gefechtsbereit zu halten. Musketen lagen ebenfalls bereit.
Diese Maßnahmen bedeuteten mithin, daß keiner der Seewölfe wieder in die Koje gegangen war. Dazu waren sie jetzt auch viel zu aufgedreht, was natürlich mit den rätselhaften Explosionen in Plymouth zusammenhing. In den vielen Jahren unter Philip Hasard Killigrew hatten sie zudem einen Instinkt für Gefahren entwickelt, so daß Ben Brightons Maßnahmen für sie völlig selbstverständlich waren.
Irgend etwas war im Busch, und es war gegen sie gerichtet: Ferris Tukker, ihr Schiffszimmermann, hatte einen Knüppel über den Schädel gekriegt, die entstehende neue „Isabella“ war angezündet und Hesekiel Ramsgate entführt worden, und dann hatte man mit einer kleinen gestohlenen Galeone einen Feuerüberfall von See her auf die Werft unternommen. Da war allerdings nicht die neue „Isabella“ getroffen worden, sondern eine andere Galeone, die ebenfalls auf der Werft lag und Feuer gefangen hatte. Das alles reichte wohl aus, um auf weitere Schandtaten gefaßt zu sein, zumal sie inzwischen wußten, wer hinter den Anschlägen steckte – Samuel Taylor Burton und Mark Bromley.
Sie waren ganz schön sauer, die Seewölfe, und entschlossen, sich ihrer Haut zu wehren. Niemand hatte ihnen auf die Zehen zu treten, solche Dreckskerle wie Burton und Bromley schon gar nicht.
Und Carberry, das alte Rauhbein, erklärte zum soundsovielten Male, was er alles tun würde, wenn er die beiden Strolche zwischen die Fäuste kriegte.
Er zeigte Smoky und Pete Ballie, die selber ziemliche Pranken hatten, vor allem Pete, seine Fäuste, obwohl sie alle diese Pratzen weiß Gott zur Genüge kannten. Richtig verhornt waren diese Dinger, rissig vom Salzwasser, zernarbt und eisenhart.
„Hiermit“, erklärte er grollend, „kriegen die Lumpenkerle Zunder, daß es nur so raucht.“
„Hm-hm“, sagte Smoky und beäugte mit schiefem Kopf die dargebotenen Fäuste.
„Was, heißt hier ‚hm-hm‘? Du glaubst mir wohl nicht?“
„Nun ja“, sagte Smoky vorsichtig, „damit du es rauchen lassen kannst, mußt du sie ja erst mal haben, nicht wahr?“
„Ha!“ sagte der Profos verächtlich. „Die schnapp ich mir schon.“
Der Kutscher tauchte mit einem dampfenden Kessel und mehreren Mucks auf. In dem Kessel steckte eine Schöpfkelle.
„Möchten die Gentlemen eine kräftige Brühe?“ fragte er und setzte den Kessel auf die Planken.
Carberry beugte sich darüber und schnüffelte mißtrauisch.
„Was ist geschehen?“ fragte er.
„Heiße Hühnerbrühe“, sagte der Kutscher.
Carberry nieste.
„Kannst du deinen verdammten Rüssel nicht wegnehmen, Mister Carberry?“ sagte der Kutscher empört.
Carberry richtete sich auf und fixierte den Kutscher. „Wie nennst du meine Nase?“
„Einen Rüssel“, erklärte der Kutscher unverblümt. „Und es ist eine Sauerei, in eine Suppe zu niesen, die anderen schmecken soll. Du hättest deinen Rüssel ja wegdrehen können, nicht wahr?“
„Ich habe eine Nase, Mister Kutscher“, sagte Carberry, „keinen Rüssel, und zwar eine empfindsame Nase. Da ist Pfeffer drin in der Suppe. Und dieser Pfeffer ist mir in die Nase gestiegen, nicht in den Rüssel.“
Der Kutscher knirschte mit den Zähnen. „Ich hab dich nicht aufgefordert, deinen Rüssel so dicht über die Suppe zu halten. Wenn das jeder täte! Und auch noch hineinnieste!“
„Man wird ja wohl mal an der Suppe riechen dürfen“, sagte Carberry tükkisch, „nachher ist was drin, wo’s einem den Magen umdreht.“
„Wär ein Wunder, bei deinem Kuhmagen“, sagte der Kutscher spitz. „Aber bitte sehr, ich dränge niemandem meine Suppe auf. Smoky, Pete, möchtet ihr eine Muck?“
„Klar“, sagte Smoky begeistert.
„Und ob.“ Pete Ballie grinste. „Mit Nieseinlagen à la Carberry.“
Der Kutscher kicherte in sich hinein und füllte zwei Mucks. Der Profos runzelte die Stirn.
„Was hast du da eben gesagt, Mister Ballie?“ fragte er.
„Das war was Französisches“, erwiderte Pete.
„Sicher wieder irgendein Schweinkram“, brummte der Profos.
„Genau“, sagte Pete, „ich sprach von einer Suppe mit Nieseinlage nach Art von Carberry.“
Carberrys Miene wurde düster. Diese Rübenschweine schienen sich mal wieder auf seine Kosten amüsieren zu wollen – „nach Art von Carberry“, so ein Quatsch.
Er holte schon Luft, um Pete Bally einen Marsch zu geigen, da rief Smoky: „Leute, hier gibt’s ein feines Süppchen, das ich nur empfehlen kann! Genau das Richtige als Morgenwächter und gegen kalte Füße!“
Die Männer drängten heran, und das „feine Süppchen“ fand reißenden Absatz – ohne Carberry. Denn der Kessel war im Nu leer. Die Männer schlürften und zeigten Wohlbehagen. Da stand der Profos ganz schön dumm da.
Es war Big Old Shane, der ihn anstieß.
„He, Ed“, sagte er, „magst du keine Suppe?“
„Heute nicht“, brummte Carberry.
„Er hat heute seinen empfindlichen Magen“, erklärte Smoky und kaute behaglich ein Stück Hühnerfleisch, mit dem die Suppe üppig angereichert war. „Weil er nämlich hineingeniest hat – wegen seiner empfindlichen Nase.“
Big Old Shane ließ seine Muck sinken. „Hineingeniest?“ Sein Blick wechselte von Smoky zu Ed Carberry, der voller Andacht seine rechte Faust betrachtete. „Stimmt das, Ed?“
Der Profos hob den Blick. „Stimmt. Da war Pfeffer in der Suppe.“
„Und da niest du hinein?“
„Ja.“ Carberry grinste. „Wenn die Suppe gut war, dann hat sie das der Nieseinlage lala Carberry zu verdanken.“
„Nicht lala, sondern à la“, verbesserte Pete Ballie.
„Mir doch egal“, sagte Carberry. Er blickte sich suchend um.
„Kann mir mal einer verraten, wo unsere beiden Bürschchen stecken, die sonst immer die ersten an der Futterkrippe sind?“
Die Männer schauten sich auch um. Ja, das war doch sehr verwunderlich.
Old O’Flynn räusperte sich. „Die sind im Boot bei ihrem Vater.“
Carberry schob den massigen Schädel vor. „Wieso das denn? Die waren doch gar nicht eingeteilt?“
„Na und?“ Old O’Flynn trank seine Muck aus und wischte sich genüßlich über die Lippen.
„Da hört sich doch alles auf!“ empörte sich Carberry.
„So? Und warum?“
„Wie sind die denn ins Boot gekommen? Das hat doch keiner gesehen.“
„Doch, ich“, sagte Old O’Flynn, „sonst wüßte ich es ja nicht, mein guter Ed.“
„Also sind sie heimlich abgeentert?“
Old O’Flynn grinste. „Du hast es erkannt. Ei, ei! Was bist du doch für ein Schlauer!“
„Das ist gegen die Borddisziplin!“ brüllte Carberry. „Und du hast dabei mitgemischt, Mister O’Flynn …“
Ben Brighton, der bisher auf dem Achterdeck hin und her marschiert war, erschien an der Querbalustrade und sagte ruhig: „Nicht so laut, Ed. Wenn Old Donegal sie nicht zurückgehalten hat, wird er seine Gründe gehabt haben.“ Er schaute zu Old O’Flynn. „Ist es so?“
Der Alte nickte. „Richtig. Hasard pflegt sie meist zurückzustellen, wenn er zu Unternehmungen außerhalb des Schiffes aufbricht. Sie melden sich freiwillig, werden von ihm aber nicht berücksichtigt. Das halte ich für falsch. Also muß Hasard mal begreifen lernen, daß er nicht richtig handelt. Darum habe ich sie nicht zurückgehalten, als sie heimlich abenterten.“ Er blickte zu Carberry hinüber mit seinen hellen, immer noch scharfen Augen. „Was heißt hier Borddisziplin, Mister Carberry? Vielleicht darf ich dich daran erinnern, daß ich der Großvater der beiden Jungen bin. Als solcher fühle ich mich berechtigt, sie mitzuerziehen. Dazu gehört, den Tätigkeitsdrang der beiden Bürschchen nicht verkümmern zu lassen, sondern zu fördern. In einem solchen Fall darf ich alter Mann ja wohl mal gegen die Borddisziplin verstoßen, nicht wahr?“
„Verdammt, und wenn ihnen was dabei passiert?“
Old O’Flynn lächelte. „Vater Hasard ist ja dabei. Hast du das vergessen? Und Onkelchen Dan ebenfalls. Und Stenmark, Blacky und der alte Mac.“
„Na ja“, sagte der grimmige Profos ein bißchen lahm. „So kann man’s natürlich auch sehen. Aber wenn ihnen was passiert, würde ich meines Lebens nicht mehr froh werden …“
Er rechnete wohl mit einem langen Leben, der Profos, dabei war genau in diesem Moment sein Leben keinen Pfifferling wert, denn da blitzte es in den Nebelschwaden auf der See plötzlich auf, und sechs Eisenkugeln orgelten heran.
Und eine raste über Carberry weg, der bei seinem letzten Wort den Kopf eingezogen hatte. Da waren gerade die Blitze in den Nebelschwaden aufgezuckt, was er bemerkt hatte. Ein sengender Hauch strich über seine Haare.
Sekunden später lagen sie alle platt auf dem Bauch, auch der Profos.
In den Donner der Abschüsse mischte sich das Krachen der Einschläge, aber nicht auf der Galeone, sondern hinter ihnen auf der Werft. Da flogen Bauhölzer davon, ein aufgepallter Kahn legte sich ächzend auf die Seite, das alte Kontor von Hesekiel Ramsgate brach auseinander wie eine morsche Kiste.
Mit einem Satz war Carberry wieder hoch, schnappte sich eine Lunte, hielt sie in die Glut eines der Holzkohlebecken, sprang zu einer Culverine auf der Backbordseite und zündete sie. Da war es völlig egal, ob er ein Ziel hatte. Hauptsache, die Kerle da auf der See merkten, das es „rauchte“.
Und gleich ihm handelten die anderen Männer. Innerhalb der nächsten Sekunden zündeten sie Drehbassen und die weiteren Culverinen. Und die Musketen krachten.
Da riß für einen Moment der Nebel auf, und sie sahen eine Karavelle, die nach Westen segelte.
Noch eine Drehbasse war nicht abgefeuert. An der stand Al Conroy, der Stückmeister der alten „Isabella“. Er duckte sich, visierte das Ziel an und zündete, Die Kugel jaulte davon und hieb berstend achtern in das Steuerbordschanzkleid der Karavelle. Wutgebrüll dröhnte herüber. Dann schob sich eine Nebelbank vor das flüchtende Schiff.
„Scheiße!“ tobte Carberry los und hämmerte die Faust auf die Culverine, die er abgefeuert hatte. „Diese Hunde, diese Mist …“
„Ruhe!“ schnitt Ben Brightons Stimme dazwischen. „Ist jemand verletzt?“
Nein, niemanden hatte es erwischt. Nur Carberry Haare waren angesengt und auf diese Weise etwas kürzer geworden. Die Kugel hatte ihm einen sehr breiten Scheitel gezogen. Smoky, der es zuerst sah, verbiß sich das Lachen. Der Profos sah noch fürchterlicher aus als sonst. Aber da war keine Zeit, den Profos zu bestaunen und seine neue Frisur zu bewitzeln – wie man es tut, wenn einen der Tod im wahrsten Sinne des Wortes um Haaresbreite verfehlt hat.
Ben Brightons Befehle hagelten dazwischen.
Jawohl, er ließ die Sambuke seeklar machen, um die Karavelle zu verfolgen. Das mußte mit der Sambuke zu schaffen sein. Er würde an ihr Fühlung halten und warten, bis Hasard mit der „Pride of Galway“ folgte und aufschloß. Jetzt wollten sie es genau wissen. Irgendwohin mußte die Karavelle gehören, und da würde man sie nageln.
Big Old Shane und Ferris Tucker sowie Carberry würden auf der Galeone zurückbleiben und mit den entsprechenden Männern dafür sorgen, daß die „Pride of Galway“ seeklar war, so daß man sofort auslaufen konnte, sobald Hasard zurück war.
Ben Brighton nahm seine bewährte Crew auf die Sambuke mit hinüber. Sie kannten ihr Schiffchen, und diese Entscheidung war richtig. Also setzten Old O’Flynn, Pete Ballie, Al Conroy, Smoky, Sam Roskill, Bob Grey, Will Thorne und Roger Brighton, Bens Bruder, über, bepackt mit Handwaffen und Flaschenbomben, denn die Sambuke war sonst nicht armiert.
Eine Viertelstunde später hatten sie die Leinen gelöst, den Anker gehievt und verließen Rame Head mit Westkurs.
Das Krachen und Bersten auf der Werft des alten Ramsgate war Musik in den Ohren Sir Johns. Er war etwas angetrunken, genau wie Burton und Bromley, denn es war nicht bei der einen Whiskyflasche geblieben. Schließlich mußten sie ja die Höllenfahrt des Bastards und seiner Bande gebührend begießen. Diese drei Dunkelmänner hüpften also auf dem Achterdeck herum, als sie das Krachen und Bersten drüben auf der Werft hörten, nachdem die Steuerbordbreitseite abgefeuert worden war. Es war doch zu schön, irgend etwas zusammenschießen zu können, vor allem, wenn man selbst dabei nichts riskierte – der „Feind“ war ja bereits eliminiert, nicht wahr?
Sir John hatte angeordnet, daß die Karavelle nach der Breitseite wenden solle, um auch noch die Kanonen an Backbord zum Einsatz zu bringen, wenn schon, denn schon, immer feste drauf, das war Sir Johns Devise.
Aber daraus wurde nichts.
Kaum hatte es auf der Werft gescheppert, da stachen Feuerblitze drüben aus den Nebelschwaden, verbunden mit dem bösartigen Krachen abgefeuerter Kanonen. Um die Karavelle stiegen Wassersäulen hoch, eine nur etwa einen Yard mittschiffs von der Kuhl entfernt, so daß die Kerle dort mit einem ordentlichen Schwall Wasser überschüttet wurden. Ein Kohlebecken kippte um, und die Glut verlöschte zischend und qualmend.
„Wa-was …“ stotterte Sir John fassungslos und stierte zum Land.
Burton und Bromley standen wie Ölgötzen und sahen aus, als seien sie mit dem Kopf gegen eine Mauer gerannt.
Aber es kam noch schlimmer.
Plötzlich war die Sicht völlig klar und gab den Blick frei. Und dieser Blick erfaßte ein kleineres Schiff mit einem eleganten Rumpf und spitz hochgezogenem Steven sowie zwei Pfahlmasten und hinter ihm liegend eine Galeone, von deren Decks Pulverqualm hochwaberte und Musketenschüsse krachten.
Sir John quollen die Augen buchstäblich aus dem Kopf.
„Die – die ‚Pride of Galway‘“, stammelte er ächzend.
Er hatte kaum ausgesprochen, da blitzte es auf der Back der Galeone noch einmal auf, etwas jaulte auf die Karavelle zu und hieb mit einem häßlichsplitternden Laut in das Schanzkleid achtern auf der Steuerbordseite. Eine Kugel rollte über die Planken, zwischen den Beinen des dicken Burton hindurch und in den Wassergang auf der Backbordseite. Dort blieb sie rauchend liegen.
Burton stierte zwischen seine beiden Füße, als sei dort ein Kürbis mit Ohren durchgerollt, jedenfalls etwas, das es nicht gab und auch nie geben würde.
Natürlich hatte er im Unterbewußtsein Sekunden vorher ebenfalls die „Pride of Galway“ erkannt, genauso wie sein mieser Kumpan Mark Bromley. Aber sie faßten es noch nicht, sie begriffen es nicht. Der Whisky schwappte in ihren Gehirnen.
Sir John, Burton und Bromley glichen in diesen Sekunden totalen Idioten mit ihren zu merkwürdigen Grimassen verzerrten Visagen, stieren Augen und aufgerissenen Mündern.
Dann war es Sir John, der als erster losbrüllte, um seiner Wut freien Lauf zu lassen. Er warf den Kopf ins Genick und röhrte den Nachthimmel an wie ein Hirsch zur Brunftzeit.
Der dicke Burton und Bromley lösten sich aus ihrer Erstarrung und brüllten zur Gesellschaft mit.
Ja, da war es vorbei mit der Siegesfeier. Der Bastard und seine Höllenhunde lebten noch, und sie hatten auch gleich gezeigt, daß sie zuschnappen konnten, gefährlich zuschnappen, das gezackte, häßliche Loch im Schanzkleid und die rauchende Kugel im Wassergang an Backbord bewiesen es.
Nichts an dem Überfall auf der Galeone in der Mill Bay war genial gewesen, nie hätte die Kugel des Simon Llewellyn die Pulverkammer erreichen dürfen – der Überfall war ein gigantischer Fehlschlag, ein Fiasko sondergleichen, ein totaler Mißgriff. Die Folgen waren nicht abzusehen. Vorbei war es mit dem „immer feste drauf“ und den prahlenden Sprüchen über „die richtige Taktik“. Und „der beste Kanonier von ganz Cornwall“ war nichts weiter als ein schwadronierender Trottel, der ihnen die ganze Suppe eingebrockt hatte mit seinem dämlichen Schuß.
Aber natürlich lag die Schuld bei Burton und Bromley, die Sir John die falsche Galeone gezeigt hatten. Jawohl, sie waren die Schuldigen, ihnen war es zu verdanken, daß ein fremdes Schiff explodiert war.
Bei diesen letzten Erkenntnissen wirbelte Sir John herum, tückische Wut in den Augen, deren Weißes jetzt fast rötlich verfärbt war.
„Ihr blöden Hunde!“ brach es aus ihm heraus. „Ihr verdammten Stümper! Zu dämlich, um ein Schiff vom anderen zu unterscheiden! Ihr Kanaillen …“
„Ich verbitte mir Ihre vulgären Beschimpfungen!“ schnarrte der Ex-Hauptmann Bromley beleidigt. „Ich lasse mir meine Ehre von Ihnen nicht abschneiden …“
„Ich schneid Ihnen gleich ganz was anderes ab!“ brüllte Sir John dazwischen und hob drohend die Fäuste. „Und dann häng ich Sie an der Rah zum Trocknen auf!“ Plötzlich wechselte er die Stimmlage und zischte: „Sie und der andere Holzkopf haben mir diese Sache eingebrockt, aber ich werde schon dafür sorgen, daß es Ihnen an den Kragen geht, nicht mir. Jeder hier an Bord kann bezeugen, daß Sie mich irregeführt haben, bewußt irregeführt, jawohl! Jeder hier hat gehört, wie Sie mich auf ein Schiff hinwiesen, das gar nicht die ‚Pride of Galway‘ war.“ Sir John fuhr zur Kuhl herum. „Stimmt das, O’Leary?“
„Jawohl, das stimmt, Sir! Gott ist mein Zeuge!“
Sir John wandte sich wieder um und funkelte den Ex-Hauptmann an. „Wenn die Sache untersucht wird, sitzen Sie und Burton ganz schön in der Tinte.“
Das war nun alles ziemlich infam, was sich der alte Schurke da zusammenbastelte, um selbst eine reine Weste zu haben. Aber er schien den schlitzohrigen Burton vergessen zu haben, der einmal Friedensrichter gewesen war und schon von Berufs wegen gelernt hatte, Recht zu Unrecht und Unrecht zu Recht zu verdrehen, je nachdem, was einem selbst zu Nutz und Frommen diente.
„Wer ist denn der Kapitän dieser Karavelle, Sir?“ fragte er tückisch.
„Ich natürlich.“ Sir John klopfte sich auf die Brust.
„Ah! Und wer gab in der Mill Bay die Feuererlaubnis?“
„Ich natür …“ Sir John zuckte zusammen. Und dann schrie er: „Kommen Sie mir nicht mit solchen Roßtäuschermanieren, Burton! Nicht mit mir! Mich legen Sie nicht aufs Kreuz!“
Der dicke Burton grinste höhnisch. „Aber es ist so, mein lieber Killigrew. In ganz Cornwall ist bekannt, daß Sie der Kapitän dieser Karavelle sind. Und der Kapitän gibt die Befehle an Bord seines Schiffes, nicht die Gäste. Mister Bromley und ich haben nur zufällig hier auf dem Achterdeck gestanden, als Ihnen Ihr Mißgeschick passierte …“
„Sie haben mir das verkehrte Schiff gezeigt!“ brüllte der alte Grobian.
„Sie hätten ja nicht zu schießen brauchen“, erklärte Burton kühl. „Weder Mister Bromley noch ich haben Sie aufgefordert, über ein wildfremdes Schiff herzufallen. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß Ihnen die ‚Pride of Galway‘ ja auch bekannt war. Wenn also jemand in der Tinte sitzt, dann Sie, John Killigrew. Was mittels dieser Karavelle geschieht, haben weder Mister Bromley noch ich zu verantworten. Genau das werde ich – falls es so sein sollte – vor Gericht aussagen, und ich möchte den Richter sehen, der sich meiner Beweisführung nicht anschließt. Sie sind der Schuldige, nicht wir.“
Sir John war nahezu am Ersticken und schnappte röchelnd nach Luft. Sicherlich begriff er nicht, daß ein Schurke den anderen Schurken wert war nach dem Prinzip: wie du mir, so ich dir. Und er stellte wohl auch nicht in Rechnung, daß er damit angefangen hatte, den anderen die Schuld zuzuschieben. Aber eins war ihm nach Burtons Darlegungen aufgegangen: daß tatsächlich derjenige zu belangen war, der den Schießbefehl gegeben hatte. Und da konnte er sich nicht herausreden. Er war der Kapitän, also war er verantwortlich. Er konnte es drehen und wenden, wie er wollte, da gab es keinen Durchschlupf.
Also: die ehrenwerten Gentlemen Burton und Bromley hatten ihn aufs Kreuz gelegt. Und darum schnappte Sir John nach Luft.
Als er sie endlich wieder hatte, handelte er, wie es seiner Art entsprach.
„O’Leary!“ brüllte er.
Der Bootsmann war sofort zur Stelle. „Sir?“
Sir John deutete auf Burton und Bromley. „Diese beiden Gentlemen sind in die Achterkammer zu verbringen. Die Kammer ist abzuschließen, und ein Posten hat aufzuziehen. Beide sind der Meuterei verdächtig und werden eine Weile Gelegenheit haben, über ihre Schandtaten nachzudenken …“
„Ich protestiere!“ schrie Burton. „Das ist Freiheitsberaubung!“
„Ich bitte Sie, Sir“, sagte der Alte ölig und zelebrierte einen Kratzfuß. „Halten Sie es nicht auch für besser, über diese dumme Geschichte erst einmal Gras wachsen zu lassen? Und damit Sie nicht auf dumme Gedanken verfallen, bin ich so großzügig und gewähre Ihnen auf Arwenack eine Weile Obdach. Sie werden sich bestimmt dort sehr wohlfühlen. Über das Kostgeld werden wir später eine gesonderte Vereinbarung treffen. Es soll Ihnen natürlich an nichts fehlen.“ Er winkte den beiden jovial zu und deutete dem Bootsmann mit einer herrischen Kopfbewegung an, sich die beiden Kerle zu schnappen und sie achtern unter Deck zu bringen.
Der Klotz von Bootsmann fackelte nicht lange. Er packte Burton mit der linken und Bromley mit der rechten Hand am Kragen, lüftete sie etwas an und schob die Zappelnden vor sich her zum Schott des Achterdecks.
„Das werden Sie noch bereuen!“ kreischte der dicke Burton über die Schulter, bevor O’Leary ihn und Bromley durch das Schott schubste.
Im Moment bereute Sir John gar nichts. Da er alles, was er selbst tat, für ausgezeichnet hielt, fand er auch diese Sache zur Zeit bestens geregelt. Falls diese beiden Burschen weiterhin obstinat blieben, gab es auch noch andere Wege, um sich aus der Affäre zu ziehen. Ein sehr todsicherer Weg war, sich der Mitwisser zu entledigen. Wer als Leiche im Atlantik schwamm, konnte nicht mehr reden. Oder?
Sir John gestattete sich ein glucksendes Kichern.