Читать книгу: «Seewölfe Paket 29», страница 13

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Bald darauf bewegten sich die Pferde im Schrittempo durch die Nebenschlucht. Der Tag neigte sich seinem Ende entgegen. Das Licht wurde diffus, blaß. Mit jedem Schritt, den die Reiter zurücklegten, rückten die Schatten der Nacht von Osten näher, während die Sonne im Westen als milchigroter Ball hinter den Bergen wegtauchte.

„Jetzt ist es nur noch eine Frage von Augenblicken, dann wird es ganz dunkel“, sagte der Seewolf zu seinen Männern.

„Für uns ist das nur von Vorteil“, erwiderte Don. Juan. „Wir haben zwar größere Schwierigkeiten, uns zurechtzufinden. Aber wichtiger ist, daß uns die Sarden nicht entdecken.“

„Im übrigen haben wir Plymmie“, sagte der Seewolf.

„Ich frage mich, wo die Späher der Banditen sitzen“, murmelte Batuti. „Sind die etwa so unvorsichtig, die Burg von außen völlig unbewacht zu lassen?“

„Möglich wäre auch das“, sagte Hasard. „Sie fühlen sich hier völlig sicher. Trotzdem müssen wir höllisch aufpassen. Wir dürfen jetzt nicht den winzigsten Fehler begehen.“

Von der Nebenschlucht gelangten sie in die große Schlucht. Im Büchsenlicht ritten sie zwischen Kiefern, Pinien und struppigem Gebüsch dahin. Nach wie vor ließ sich kein Gegner blicken. In der Burg des Scheitans flammten Lichter auf, Fackeln und Öllampen. Sie wiesen den Seewölfen den Weg.

8.

Ein ganzer Tag war vergangen, seit die Brüder Porceddu mit ihren Kumpanen aus Üsküdar in die Burg des Scheitans zurückgekehrt waren. In der letzten Nacht hatten sie eine gewaltige Orgie gefeiert, von der sie sich bis in den Nachmittag hinein hatten erholen müssen. Jetzt hockten Dario und Silvestro bei einem Humpen Bier zusammen und beratschlagten, wie der Plan im Hinblick auf den Kampf gegen die Haydar-Familie und deren Verbündete aussehen sollte.

„Wir warten noch bis morgen früh“, sagte Silvestro. „Es hat wenig Sinn, im Dunkeln loszureiten und zu riskieren, daß sich die Gäule die Knochen brechen.“

„Einverstanden“, erwiderte Dario.

„Wir sind uns also einig?“

„Wie immer.“

„Ich will dir was sagen“, erwiderte Silvestro. „Ich hatte in Üsküdar schon das Gefühl, du wolltest mich ausbooten. Das hat mir schwer zugesetzt.“

„So was!“ Dario lachte und hieb seinem Bruder auf die Schulter. „Das hättest du mir zugetraut? Mann, dazu wäre ich nie in der Lage!“

„Dann ist ja alles in Ordnung“, brummte Silvestro. „Laß uns heute abend noch ein wenig feiern. Mir steht der Sinn danach.“

„Ja, von mir aus. Aber vor morgen mittag wird aus dem Aufbruch nichts, wenn wir uns heute nacht wieder sinnlos vollaufen lassen.“

Silvestro grinste. „Dann lassen wir uns eben sinnvoll vollaufen.“

„Gut gesprochen“, sagte Dario lachend.

Er verließ den Saal und ging in seine Kammer. Er wusch sich das Gesicht und überlegte dabei. Er würde in Zukunft sehr vorsichtig sein müssen. Silvestro hatte Verdacht geschöpft.

Natürlich war es Darios Plan, den Bruder auszubooten und allein den Befehl über die Bande zu übernehmen. Silvestro wurde alt, und manchmal schien er nicht mehr ganz richtig im Kopf zu sein. Brodzu hatte das auch bereits gemerkt. Die anderen Kerle noch nicht.

Wenn alle spitzkriegten, daß Silvestro am Rande des Wahnsinns stand, würde sie sich sehr schnell von den Porceddu-Brüdern abwenden. Das mußte verhindert werden. Dario wußte, was er zu tun hatte, aber er mußte aufpassen, daß Silvestro ihm nicht in die Quere geriet.

Dario verließ die Kammer und stieg in das Kellergewölbe hinunter. Heute nacht bist du dran, Salome, dachte er, endgültig.

In der vergangenen Nacht hatte Dario das Mädchen eigentlich holen wollen, doch er hatte so viel Spaß mit einer dickbusigen Rothaarigen gehabt, daß er Salome darüber vergessen hatte. Die Rothaarige war eine von denen, die lieber bei den Sarden als Hure diente, als im Harem zu leben. Noch zwei, drei andere Weiber hatten die gleichen Ansichten.

Der Rest – sieben Frauenzimmer – mußte immer wieder ausgepeitscht und traktiert werden, damit sie nicht wie Salome auf dumme Gedanken verfielen. Sie waren Sklavinnen der Liebe und wurden wie solche gehalten.

Dario öffnete die Tür zum Kerker. Eine Fackel spendete Licht.

„Salome“, sagte er. „Sei ein braves Mädchen.“

Salome wich vor ihm zurück. „Ich will sterben!“

„Nein, sei doch nicht so dumm.“ Dario lächelte und streckte die Hand aus. Er hatte sich überlegt, wie er das Mädchen am besten überrumpeln konnte. „Hör zu, ich habe nur eine Bitte an dich. Tanze heute abend für uns. Du sollst nur tanzen, verstehst du?“

„Nur – tanzen?“ Salome glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Aber vielleicht hatte es sich der Kerl wirklich anders überlegt. Sie nickte. „Gut. Ich komme. Freiwillig.“

„Sehr vernünftig.“ Dario führte sie nach oben.

Aus dem Saal tönten ihnen die Stimmen der Männer und Frauen entgegen. Es roch nach gebratenem Fleisch, Wein und Bier. Eine der Frauen spielte auf einer Leier, eine andere blies auf einer Flöte. Die Kerle grölten und klatschten in die Hände. Das Fest hatte begonnen.

Als Dario und Salome den Raum betraten, richteten sich alle Blicke auf sie. Brodzu kicherte.

„Oh, unser Jungfräulein!“ stieß er hervor. „Was für eine Überraschung!“

„Komm her, Türkin“, sagte Silvestro. „Zeig uns, wie hübsch du bist.“

„Keiner rührt sie an“, sagte Dario.

Er führte Salome zu den Frauen. Die Rothaarige musterte das Mädchen eifersüchtig. Aber ein Blick von Dario genügte, und sie wurde katzenfreundlich.

„Tanze“, sagte Dario – und Salome begann sich zu der Musik zu bewegen. Sie war jetzt völlig nackt. Die Kerle verschlangen sie mit ihren Blicken.

Der Aufstieg zur Burg des Scheitans hatte begonnen. Hasard und seine Mannen folgten dem Verlauf des Pfades, der direkt zu dem Gemäuer hinaufführte. Es war riskant. Aber bisher hatten sie noch keine andere Möglichkeit gefunden, sich dem Bau zu nähern. Doch sie hatten auch noch keinen Wachtposten entdeckt.

Plymmie verharrte plötzlich, duckte sich und fletschte die Zähne. Dan, der neben Batuti ritt, wies nach oben. Da legte der Gambiamann mit Pfeil und Bogen an und schoß. Der Pfeil surrte durch die Dunkelheit. Ein gurgelnder Laut ertönte, und vor dem Trupp stürzte ein Kerl aus den Ästen einer Krüppelkiefer.

„Hol’s der Henker“, brummte der Profos. „Da war also doch einer.“

Hasard, Dan und Batuti saßen ab und huschten zu dem Wächter. Der Pfeil ragte aus der Brust des Mannes. Er war tot. Ein Dunst von Wein umgab ihn.

„Betrunken auf Wache“, flüsterte der Seewolf. „Wahrscheinlich hat er sogar gedöst. Sonst hätte er uns gesehen und Alarm geschlagen.“

„Ja, sicher.“ Dan kroch zu dem Baum und schaute sich aufmerksam um. „He!“ zischte er. „Hier ist ein Fußpfad!“

Eine neue Entdeckung – der Pfad führte vom Hauptweg weg und schlängelte sich an dem Hang nach oben. Von ihm aus konnte man die Rückseite der Burg erreichen – jene, die direkt in den Felsenhang überging.

„Ausgezeichnet“, raunte der Seewolf. „Wir trennen uns und bilden zwei Gruppen. Ed, Ferris, Batuti und Roger begleiten mich. Wir packen den Gegner von hinten. Die anderen marschieren auf das Tor zu. Don Juan übernimmt das Kommando. Seht zu, wie ihr reinkommt. Entweder mit einem Trick durchs Tor oder mit Hilfe der Enterhaken über die Mauer.“

„Aye, Sir.“ Dan schlich davon und überbrachte den anderen den Befehl.

Die Pferde wurden bei der Krüppelkiefer zurückgelassen. Zu Fuß bewegten sich die Mannen weiter voran – auf die Burg des Scheitans zu, die drohend aus der Nacht aufragte. Plymmie blieb bei der Hauptgruppe.

Hasard und seine vier Mannen schlichen geduckt auf dem schmalen Fußpfad nach oben. Bald hatten sie das Gemäuer unter sich. Wie die Katzen bewegten sie sich auf die rückwärtige Mauer zu. Sie schob sich bis an den Felsen. Ein Sprung genügte, und man stand auf dem Wehrgang.

Der Seewolf bedeutete seinen Begleitern, in Deckung zu gehen. Er wies nach unten. Auf dem Wehrgang marschierte ein Wächter. Er trug eine Muskete am Riemen über der Schulter. Der Kerl blieb stehen, gähnte und schlurfte mürrisch weiter. Jetzt konnten die Männer auch die Hunde sehen, die auf dem Hof auf und ab liefen.

„Mit dem Kerl werden wir keine großen Schwierigkeiten haben“, murmelte Hasard. „Aber die Hunde …“

„Soll ich sie abschießen?“ fragte Batuti.

„Warte. Vielleicht gibt es einen anderen Weg.“

Kurz darauf pirschte sich Hasard dicht an den Wehrgang heran. Mit einem mächtigen Satz sprang er hinüber. Der Profos, Ferris, Roger und der Gambiamann kauerten mit gezückten Waffen in ihrer Deckung.

Der Seewolf schlich lautlos von hinten auf den Posten zu. Der Kerl merkte immer noch nichts. Plötzlich knurrte unten einer der Hunde. Da wandte der Wächter den Kopf.

Aber Hasard rammte ihm die Faust in den Nacken. Der Jagdhieb fällt den Kerl. Hasard fesselte ihm die Hände auf den Rücken und stopfte ihm einen Knebel in den Mund. Dann huschte er weiter.

Carberry und die drei anderen landeten ebenfalls auf dem Wehrgang. Sie schlichen an dem Bewußtlosen vorbei – zu Hasard. Der Seewolf wies nach drüben, wo auf dem gegenüberliegenden Wehrgang ein Posten stand und nach unten starrte.

„Den putzen wir weg“, brummte Carberry. Schon glitt er weiter. Batuti, Ferris und Roger folgten ihm.

Hasard stieg vorsichtig eine der Treppen hinunter, die auf den Hof führten. Auf dem Kopfsteinpflaster verharrte er. Die Hunde liefen auf und ab und schienen ihn noch nicht richtig gewittert zu haben.

Hasard hörte das Lachen und Grölen, das Kichern und die Musik, die aus dem Hauptgebäude herüberdrangen. Die Halunken scheinen sich prächtig zu amüsieren, dachte er. Dann bewegte er sich auf das Tor zu.

Der zweite Posten hatte draußen, nicht weit vom Tor entfernt, eine Bewegung registriert. Er kniff die Augen zusammen und versuchte, etwas zu erkennen. Was war das? Ein Tier?

Carberry saß dem Kerl plötzlich im Nacken. Ein einziger Hieb genügte, und der Kerl brach besinnungslos zusammen. Hasard sah es von unten und beschleunigte seine Schritte.

Einer der Hunde – ein großes Tier mit spitzen Ohren – wurde unversehens auf den fremden Mann aufmerksam. Er knurrte. Dann lief er auf den Seewolf zu. Aber Batuti war auf der Hut. Ein Pfeil huschte auf den Hof. Der Hund war getroffen. Er überschlug sich und blieb reglos liegen.

Hasard ging weiter. Hinter ihm knurrten und bellten die Hunde. Hasard packte den Riegel des Tores und schob ihn zur Seite. Mit leisem Quietschen öffneten sich die Flügel. Der Seewolf winkte seinen Kameraden, die draußen schon mit den Enterhaken in der Hand bereitstanden, zu.

Dann schoß Plymmie an Hasard vorbei und raste auf die Hunde zu. Es waren vier. Sie duckten sich und fletschten die Zähne. Plymmie schob sich halbwegs an ihnen vorbei, immer in Angriffsstellung. Sie bewegte sich auf einen kleinen Anbau zu. Was hatte sie vor?

Jetzt begriff Hasard. Der kleine Bau war der Hundezwinger. Die Tür stand offen. Vorsichtig schlich Hasard den Hunden nach. Die vier großen Burschen folgten der Hündin. Würden sie Plymmie angreifen – oder waren sie lediglich neugierig?

Das Vorhaben gelang. Plymmie lockte die Hunde in den Zwinger. Ehe sie richtig ahnten, wie ihnen geschah, war Plymmie wieder draußen – und der Seewolf schloß die Tür. Er schob den Riegel vor. Die Hunde bellten und geiferten – doch das spielte jetzt keine große Rolle mehr.

Hasard und seine Mannen liefen über den Hof auf das Hauptgebäude zu. Jack Finnegan, Paddy Rogers und Higgy blieben als Wachtposten zurück. Sie hatten Musketen, Pistolen, Höllenflaschen und zwei Brandsätze, für den Fall des Falles.

Der Seewolf und sein Trupp drangen in das Hauptgebäude ein. Kein Wächter stellte sich ihnen mehr entgegen. Sie brauchten nur den Lauten zu folgen, um ihr Ziel zu finden. Im großen Saal des Gemäuers nahm die Orgie der Banditen ihren Verlauf.

Silvestro Porceddu war bereits sturzbetrunken. Er stieß seinen Bruder mit dem Ellenbogen an, lachte dröhnend und deutete auf das nackte Mädchen, das zu der Musik tanzte. „He, kriegst du da keinen Appetit, Dario? Wie kannst du so ruhig dasitzen?“

„Ich genieße meinen Wein“, erwiderte Dario.

Gelassen leerte er seinen Becher. Dann erhob er sich vom Tisch und schritt auf Salome zu. Er setzte ein hämisches Grinsen auf. Jetzt bist du dran, dachte er.

Als Strafe dafür, daß sie sich gewehrt und geziert hatte, daß sie weggelaufen war, wollte er sie vor der versammelten Mannschaft nehmen. Es würde eine doppelte Schmach für sie sein.

Dario war voll auf Salome konzentriert. Und die Kerle glotzten gierig das Mädchen an. Silvestro vergaß sogar die Dicke, die neben ihm kicherte und ihm den Becher füllte.

So nahmen die Sarden zunächst gar nicht wahr, daß sich die beiden Türen des Saales öffneten. Wer sollte auch hereinkommen? Die Wachtposten hatten die strikte Anweisung, anzuklopfen, wenn es irgend etwas zu melden gab. Und so geschah es: plötzlich standen die Arwenacks mitten unter den Banditen.

Und eine Donnerstimme – die von Carberry – brüllte auf spanisch: „Ihr verdammten Schweine!“

Spanisch verstanden die Porceddus und ihre Spießgesellen. Aber was sich hier abspielte, ging über ihr Begriffsvermögen. Eindringlinge! Kerle mit Waffen! Die Hunde von der Dubas! Wie hatten sie hierhergefunden? Was war mit den Posten?

Fragen, auf die die Banditen keine Antwort erhielten.

Heulend fuhr Silvestro hoch und stürzte sich auf den Gegner, der ihm am nächsten stand – Carberry. Die Stimme des Profos dröhnte noch in Silvestros Ohren. Der Schädel drohte ihm zu platzen. Er riß seinen Säbel aus dem Gurt und wollte ihn dem Profos in den Leib stoßen.

Aber der Profos war schneller. Blitzschnell hieb er mit beiden Fäusten zu. Silvestro konnte nur noch die Augen verdrehen und zusammenbrechen. Er fiel unter den Tisch.

Jetzt war der Teufel los. Brodzu und die anderen Sarden zückten ihre Waffen. Ein Schuß knallte – Brodzu hatte auf Hasard abgedrückt. Aber die Kugel sirrte an Hasard vorbei. Shane war neben Brodzu und knallte ihm die Faust in die Seite. Brodzu krümmte sich. Shane hieb noch einmal zu, und auch Brodzu war außer Gefecht gesetzt.

Nur noch ein Schuß donnerte gegen die Decke. Der Rest wurde mit Blankwaffen ausgetragen. Die Arwenacks kreuzten mit den Sarden die Klingen. Es schepperte, klirrte und rasselte, und ein wilder Kampf tobte durch den Saal.

Dario Porceddu stieß Salome von sich weg. Wimmernd landete das Mädchen auf dem Boden. Die anderen Frauen krochen kreischend unter die Tische. Über ihnen brodelte und kochte das Inferno.

Die Sarden waren den Seewölfen zahlenmäßig überlegen. Doch die Arwenacks hatten das Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Im Handumdrehen hatten sie über ein Dutzend Gegner zu Boden geschickt. Weitere zwei kippten in diesem Moment um – Ferris und Batuti hatten sie erledigt.

Dario stürzte sich mit blankem Säbel Hasard entgegen. Der Seewolf blockte den Ausfall des Sarden mit dem Degen ab. Dann fochten sie verbissen miteinander. Dario gewann einen Vorteil und trieb Hasard zurück gegen den Tisch. Der Tisch geriet ins Schwanken. Die Frauen kreischten und heulten.

Hasard wich aus – Darios Klinge knallte auf den Tisch.

„Du Hund!“ brüllte der Sarde.

Hasard sprang zur Seite. Dario fuhr zu ihm herum. Wieder kreuzten sich die Klingen. Hin und her ging das Duell. Aber Dario verausgabte sich sehr schnell. Der Haß verblendete ihn. Er ermüdete. Hasard brach seine Deckung auf. Der Säbel wirbelte plötzlich durch die Luft. Der Seewolf schnellte vor – und Dario brach getroffen zusammen. Er kippte auf die rechte Körperseite und blieb reglos liegen. Tot.

Silvestro war wieder bei Bewußtsein. Er riß eine Pistole an sich, richtete sich hinter dem Tisch auf und legte auf Hasard an. Aber ein Pfeil huschte auf ihn zu. Batuti hatte wieder geschossen. Silvestro heulte auf. Der Pfeil steckte mitten in seiner Brust. Mit einem dumpfen Laut fiel der Kerl auf den Rücken.

Panik ergriff den Rest der Bande. Sie sahen sich ihrer Anführer beraubt und wichen zurück. Brodzu hatte sich wieder aufgerappelt. Er torkelte noch, aber er konnte schon wieder denken.

„Weg!“ brüllte er seinen Kumpanen auf sardisch zu. „Auf den Hof!“

Neben dem Hundezwinger und den Stallungen befand sich das Arsenal der Bande. Dort hatten sie ein leichtes Geschütz auf Rädern untergebracht. Brodzu wollte es gegen die Feinde zum Einsatz bringen, wenn sie ihnen nachstürmten.

So jagten die Banditen ins Freie. Doch hier erwartete sie eine neue Überraschung. Plötzlich krachte und donnerte es. Buntes Feuer heulte kreuz und quer über den Hof. Einer der Kerle versengte sich den Hosenboden. Brüllend stürmte er fort – zum Tor.

Wieder krachte und blitzte es. Jack, Paddy und Higgy hatten den zweiten Brandsatz gezündet. Und dann schleuderte Higgy den Banditen noch eine Höllenflasche zwischen die Beine. Donnernd platzte die Flasche auseinander. Ein Kerl brach stöhnend zusammen.

Das reichte. Brodzu war von Splittern schwer verletzt. Er wankte zum Tor.

„Fort, fort!“ keuchte er.

Der Rest der Bande suchte das Weite. Die Frauen, die den Sarden hörig waren und zu ihnen hielten, ergriffen ebenfalls die Flucht. Im Freien versuchte die Rothaarige, Brodzu zu erreichen. Wenn Dario und Silvestro schon tot waren, mußte sie sich an den stärksten Mann halten, der nach ihnen das Ruder der Bande übernehmen würde.

Doch Brodzu lag am Rande des Weges. Die Rothaarige beugte sich über ihn. Seine blicklosen Augen starrten in den Nachthimmel. Sie stöhnte auf. Dann taumelte sie wimmernd davon.

Ruhe war im den großen Saal eingekehrt. Hasard hörte sich Carberrys Bericht an. Sechzehn Sarden hatte es erwischt. Von den Arwenacks hatten nur Al Conroy, Luke Morgan und Stenmark ein paar leichte Verletzungen davongetragen. Der Kutscher war bereits dabei, sie zu verarzten.

Der Seewolf trat mit seinen Söhnen zu den Frauen. Salome hatte vom Kutscher eine Jacke erhalten. Sie hüllte sich darin ein und sah die Männer aus angstgeweiteten Augen an.

„Ihr seid frei“, sagte der Seewolf. „Der Spuk ist vorbei. Wir begleiten euch nach Hause.“

„Wer schickt euch?“ fragte eine der Frauen.

„Niemand“, erwiderte der Seewolf. „Aber der Kaufmann Kemil Haydar und sein Sohn Balat aus Üsküdar haben uns den Anstoß gegeben, hier nach dem Rechten zu schauen.“ Er sah das Mädchen an. „Du bist Salome, nicht wahr?“ Die Zwillinge übersetzten jedes seiner Worte ins Türkische.

„Ja. Woher kennt ihr meinen Namen?“

„Wir haben ihn von den Haydars erfahren.“

„O ja, sie sind gute Freunde meines Vaters.“

„Wir bringen dich zu deinem Vater, Salome“, sagte der Seewolf.

Salome schlug die Hände vors Gesicht und weinte. Sie konnte es kaum fassen, daß doch noch alles ein gutes Ende gefunden hatte. Die Frauen verneigten sich tief vor ihren Rettern. Keine hatte mit der Befreiung gerechnet.

Hasard kehrte zu seiner Crew zurück.

„Wie sieht es unten aus?“ erkundigte er sich.

„Die Rübenschweine sind in die Flucht geschlagen“, erwiderte Carberry grinsend. „Natürlich haben unsere Kerle sie noch ein Stück verfolgt. Aber die Banditen sind spurlos verschwunden. Einer liegt tot am Wegrand, dieser Schwarzbart.“

„Die Sarden haben die Schnauze voll“, sagte Shane. „Sie werden sich hier nicht mehr blicken lassen. Ich schätze, sie werden ganz aus der Gegend verschwinden.“

„Das denke ich auch“, sagte Hasard. „Trotzdem wollen wir verhindern, daß sie jemals wieder ihren Schlupfwinkel in diesem Gemäuer einrichten.“

Als der Trupp einige Zeit darauf mit den befreiten Frauen davonritt, blieb ein loderndes Fanal hinter ihnen zurück. Hasard hatte die Burg des Scheitans in Brand setzen lassen. Weit flackerte der Schein des Feuers.

Der Fluch der Dodullu-Berge existierte nicht mehr …

ENDE


1.

Das Männchen mit dem Ziegenbart war dürr, klein und hatte graue schüttere Haare. Es trug Schnabelschuhe und ein langes silberblaues Gewand. Das Männchen hatte Weltschmerz im Blick und wässerige, etwas verschleiert wirkende Augen, die ständig an dem Angeklagten vorbeischauten.

„Ich wiederhole noch einmal die Anschuldigungen, Ali Mustafa, den Frevel, den man dir vorwirft und wegen dem du hier vor dem Gericht der Oberen Drei stehst.“

Neben dem Kadi saßen noch zwei ebenfalls alte Männer, die mit steinernen Gesichtern zu Boden blickten und sich nicht regten. Auch die Schergen im Hintergrund bewegten sich nicht. Wie aus Stein gehauen standen sie an den Wänden des Gerichts.

„Ich kenne die Anschuldigungen“, sagte Ali Mustafa ruhig. „Sie sind haltlos und verleumderisch. Sie sind außerdem durch nichts bewiesen worden.“

Der Kadi blickte unwillig auf den Angeklagten.

„Es gibt Zeugen“, beharrte er. „Zwei Zeugen, die einen einwandfreien Ruf haben.“

„Auch ich habe einen einwandfreien Ruf. Ich bin ein Nachfahre Suleiman des Großen. Man hat mir etwas derart Lächerliches noch nie in meinem Leben vorgeworfen.“

„Dein Leben war nur kurz“, sagte das ziegenbärtige Männchen, „und es wird auch nicht mehr lange währen. Es sei denn, du gibst deine schändliche Tat endlich freimütig zu, Ali Mustafa.“

„Ich habe nichts zuzugeben“, sagte der Angeklagte stolz und mit erhobenem Kopf. „Deine sogenannten Zeugen, hoher Kadi, sind erbärmliche Schufte, die mich um mein Vermögen gebracht haben. Sie haben intrigiert und mich durch ihre falschen Beschuldigungen vor Gericht gebracht. Wo sind die Zeugen denn, warum werde ich ihnen nicht gegenübergestellt?“

„Die Zeugen sind bereits vernommen worden. Eine Gegenüberstellung ist nicht mehr erforderlich.“

Der Ziegenbärtige verzog ein wenig das Gesicht. Er dachte an den großen Beutel mit Goldstücken, den er erhalten hatte. Wenn er Ali Mustafa nicht zum Tode verurteilte, konnte das für ihn selbst sehr üble Folgen haben. Nicht nur, daß er das Gold zurückgeben mußte, für ihn als Kadi stand noch mehr auf dem Spiel – Ansehen, Würde, Glaubwürdigkeit und was der edlen Dinge mehr waren.

„Die Anschuldigungen sind erfunden“, sagte der Gefangene noch einmal laut und deutlich. „Ich habe nie mit den Spaniern und Venezianern zusammengearbeitet, wie man mir das vorwirft. Ich kenne keinen einzigen Venezianer und erst recht keinen Spanier.“

„Du bist der Kollaboration mit dem Feind überführt“, sagte das Männchen böse. „Du hast mit den Teufeln zusammengearbeitet, die uns empfindliche Niederlagen beigebracht haben.“

Ali Mustafa lachte leise und hart. Ein verächtlicher Zug lag um seine Mundwinkel.

„Wo sind die Beweise, hoher Kadi? Bisher habe ich nur falsche Worte vernommen. Mit wem habe ich zusammengearbeitet, wo habe ich mich mit Spaniern und Venezianern getroffen? Bringt mir endlich den Beweis, hoher Kadi.“

„Verurteilt ihn endlich“, plärrte einer der alten Männer ungnädig. „Seine Schuld ist erwiesen. Wir haben noch mehr Fälle.“

Der Kadi nickte und erhob sich mit gekrümmtem Rücken.

„Im Namen Allahs verurteilen wir dich nach dem Gesetz des heiligen Korans. Man wird dich morgen, nach dem zweiten Gebet des Muezzin vom Leben zum Tode befördern. Der Henker wird dich, Ali Mustafa, vor eine Kanone binden. Wenn die Kanone gezündet wird, ist der Gerechtigkeit Genüge getan und dein Frevel gesühnt worden.“

Ali Mustafa hatte nichts anderes erwartet. Er sah den Kadi mit einem höhnischen Blick verächtlich an.

„Seit wann bestimmen die heiligen Gesetze des Korans, daß der Angeklagte vor eine Kanone gebunden wird? Mir ist kein derartiges Gesetz bekannt.“

„Das Urteil ist gesprochen!“ schrie das Männchen ärgerlich. „Du wirst nicht durch das Henkersschwert bestraft, sondern durch die Kanone. Das ist ein unehrenhafter Tod, und genau den hast du verdient, Ali Mustafa. Dir steht das letzte Wort zu. Hast du noch etwas zu sagen?“

In den kohlschwarzen Augen des Türken funkelte es.

„Ja. Verflucht sollt ihr alle sein, ihr hohen Herren, weil ihr durch meinen Tod eine goldene Nase verdient. Seid auf ewig verflucht, ihr und der Henker!“

„Bringt ihn hinaus!“ kreischte der Kadi wild. „Bringt ihn ganz schnell hinaus, damit sich der Fluch eines zum Tode Verurteilten nicht erfüllt.“

Voller Entsetzen sahen die drei Kadis zu, wie sich die Schergen auf Ali Mustafa stürzten und auf ihn einschlugen. Als er zusammenbrach, schleppten sie ihn an den Ketten hinaus.

Und da geschah das Unfaßbare: Der Kadi mit dem Zickenbart regte sich über die Verwünschung und den Fluch derart auf, daß sein Gesicht blau anlief, er am ganzen Körper zu zittern begann und schließlich zu Boden fiel, wo er sich in wilden Zuckungen wand.

Zwei Minuten später war er tot. Sein altes Herz hatte die Aufregung nicht verkraftet.

Die beiden anderen wurden bleich. Fassungslos starrten sie auf den Toten am Boden. Der Kadi lag jetzt auf dem Rücken. Sein Mund war wie zu einem Schrei geöffnet, seine gebrochenen Augen stierten seelenlos durch die Decke hindurch.

„Bei Allah“, stöhnte der eine. „Das hätten wir nicht tun sollen. Er ist Nachfahre Suleiman des Großen. Sein Geist wird nicht eher Ruhe geben, bis sich der Fluch auch an uns erfüllt.“

Der andere Kadi gab keine Antwort. Gebrochen an Leib und Seele stürzte er aus dem Verhandlungsraum. Er fühlte sich sterbenselend.

Für Ali Mustafa begann eine schlimme Nacht. Den Schergen war nicht entgangen, daß der „Fluch“ sofort in Erfüllung gegangen war. Sie waren selbst sehr abergläubisch, und so droschen sie auf Ali Mustafa ein, wenn er sich auch nur leicht bewegte.

„Du wirst Allah danken, wenn morgen die Kanone abgefeuert wird“, sagte sein Wächter. „Der Tod wird dir eine Erlösung sein, denn noch ist die Nacht nicht zu Ende.“

Danach wurde Ali Mustafa in einen stickigen und heißen Raum gebracht, wo man ihm die Augen verband. Es ging weiter in einen anderen Raum, wo er Stimmengewirr hörte. In dem Raum brannten nur ein paar Ölfunzeln, aber Ali sah das schwache Licht nicht. Er konnte überhaupt nichts erkennen.

„Heißt ihn willkommen“, sagte eine dunkle Stimme.

Leises Gelächter erklang. Ali Mustafa erhielt einen Tritt in den Rücken und fiel der Länge nach hin.

„Los, küß den Boden und neige dich vor Allah!“ rief ihm jemand zu.

Als er das unfreiwillig getan hatte, fielen sie wieder über ihn her. Diesmal rissen sie seine Kleidung herunter und zogen ihm die Schuhe aus.

Dann wurde er „willkommen geheißen“, wie sie es nannten.

„Vierundvierzig Hiebe“, sagte ein Mann, der die Bastonade überwachte. „Gebt ihm vierundvierzig Hiebe auf die Fußsohlen. Für jedes Wort der türkischen Eidesformel einen Schlag.“

Eine mörderische Prozedur begann, als der Kerl mit dem Stock zuschlug. Ali Mustafa krümmte sich und versuchte aufzuspringen, doch zwei starke Männer hielten ihn unbarmherzig fest.

Die Schmerzen waren kaum zu ertragen. Er biß sich auf die Lippen, bis er Blut im Mund spürte. Seine Fußsohlen brannten, als würde er durch glutendes Feuer laufen, und jeder weitere Hieb entrang ihm ein gequältes Stöhnen.

Die Schläge hörten nicht mehr auf. Ewigkeiten ging das so weiter, ein Klatschen, ein Zusammenzucken, bis er überhaupt kein Gefühl mehr in den Füßen hatte.

Dann war es endlich vorbei – vierundvierzig Hiebe, für jedes Wort der türkischen Eidesformel einen Hieb.

Sie stellten ihn auf die Beine. Aber er konnte nicht mehr laufen und brach wieder zusammen. Die Schmerzen waren grauenhaft und kaum noch zu ertragen.

„Bringt ihn weg“, sagte die Stimme. „Bringt ihn in den vornehmen Raum mit dem Bad, damit er sich erholen und ausruhen kann.“

Ali Mustafa sah nur rote Nebel kreisen. Er spürte, wie ihn zwei Mann hart bei den Armen ergriffen und wegzerrten. Um ihn her raunten leise Stimmen, alles war wie in dicke Watte gepackt. Nur dieser grauenhafte Schmerz blieb.

Seine Beine schleiften über den Boden. Die Kerle renkten ihm fast die Arme aus.

Dann warfen sie ihn in einen anderen Raum. Es war ein kleines enges Steinverlies, in dem kniehoch übelriechendes kaltes Abwasser stand. In diese stinkende Brühe ließen sie ihn hineinfallen.

„Gib doch zu, daß du mit den verdammten Venezianern paktiert hast“, sagte einer seiner Wächter fast mitleidig. „Du ersparst dir dadurch eine Menge Ärger. Morgen ist sowieso alles vorbei.“

„Ich habe nichts zuzugeben“, keuchte Ali. Stöhnend brach er in der kalten Brühe zusammen und übergab sich.

Wie lange er so gelegen hatte, wußte er später nicht mehr. Aber es mußten wieder Ewigkeiten vergangen sein.

Irgendwann holten sie ihn erneut. Und weil er immer noch nichts zugab, hängten sie ihn an den Füßen neben dem Türstock der Zelle auf und peitschten ihn aus.

Danach warf man ihn wieder in das übelriechende Verlies zurück.

Geschunden und zerschlagen lag er da und konnte sich nicht bewegen. Aus dem Funken Haß, den er anfangs verspürt hatte, war Glut geworden, dann ein Feuer und schließlich eine Feuersbrunst, die ihn fast selbst verzehrte.

Er haßte alle, die Kadis, die Betrüger, die ihn um sein Vermögen gebracht hatten, und die Schergen und Wächter, die ihn alle Augenblicke einer erneuten Folterung unterwarfen.

Er war drauf und dran, alles zuzugeben, damit diese fürchterlichen Torturen endlich ein Ende nahmen. Aber nahmen sie dann wirklich ein Ende? Er glaubte es nicht. Vielleicht würde dadurch alles nur noch schlimmer werden. Außerdem ließ sein Stolz nicht zu, sich selbst zu bezichtigen.

Mit Schaudern dachte er daran, was ihm noch alles bevorstand – morgen, wenn sie ihn vor die große Kanone banden. Zumindest wird es schnell vorbei sein, überlegte er. Nach dem zweiten Gebet des Muezzin hatte alles ein Ende.

Noch lange vor Morgengrauen erschienen sie wieder in seiner stinkenden Zelle. Sie nahmen ihm die Binde von den Augen, aber er sah trotzdem immer noch nichts. Er war auf eine weitere Folterung gefaßt. Doch sie schlugen ihn diesmal nicht.

Statt dessen sagte einer: „Hast du schon gehört, Ali Mustafa? Die beiden Kadis haben dich begnadigt.“

Natürlich hatte Ali das nicht gehört, woher sollte er auch! Er hatte auch nie damit gerechnet.

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