Читать книгу: «Seewölfe Paket 29», страница 23

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7.

„Ich bin ganz sicher“, sagte Philip, nachdem er gemeinsam mit seinem Bruder erneut zur Back aufgeentert war. Plymmie folgte ihnen leise hechelnd. „Der Kerl steht noch immer da.“

„Und ich behaupte, du siehst Gespenster“, entgegnete Hasard junior.

„Gehen wir der Sache auf den Grund“, sagte Philip kurzentschlossen. „Zu was haben wir Plymmie!“

Beim Klang ihres Namens stellte die Wolfshündin die Ohren steil auf. Ihr Nackenfell sträubte sich sichtlich. Sie spürte, daß ihr eine besondere Aufgabe bevorstand. Schon oft hatten die Arwenacks ihre Klugheit bewundert.

Der junge Hasard hatte, nichts gegen den Vorschlag seines Bruders einzuwenden. Auf leisen Sohlen zogen sie sich von der Back zurück und meldeten sich beim Kutscher ab.

Auch, als sie auf die Pier abenterten, verhielten sie sich noch leise.

Philip spähte zum Kai hinüber und empfand grimmige Zufriedenheit.

Der Kerl, der da in einer Türnische lauerte und die ganze Zeit zur Dubas gelinst hatte, stand immer noch da. Mochte Hasard zehnmal behaupten, daß es sich nur um eine zufällige Schattenbildung handelte, er, Philip, war überzeugt, daß es ein Mensch war.

Er vermochte sich keinen Vers darauf zu bilden, aber es mußte mit dem Mordanschlag zusammenhängen, dem Kemal Yildiz und seine Sänftenträger zum Opfer gefallen waren. Was, zum Teufel, hatte irgendwelches lichtscheue Gesindel ausgerechnet am Schauplatz des Geschehens zu suchen?

An die Bordwand der Dubas geduckt, wies Philip der Wolfshündin die Richtung.

„Faß, Plymmie, faß!“ stieß er zischend hervor.

Die Wolfshündin fegte los, wie von einer Bogensehne wegschnellend. In weniger als einem Atemzug erreichte sie das Ende der Pier. Und erst in diesem Moment löste sich der Schatten aus der Türnische. Viel zu spät begriff er, daß es ihm an den Kragen ging.

Er stieß einen erschrockenen Laut aus, wollte davonhasten und in der nächsten Gasseneinmündung verschwinden. Denn er hörte jetzt das heisere Knurren des heranjagenden grauen Wesens, das in der Dunkelheit nicht mehr als ein Huschen war.

Er schaffte nur fünf oder sechs Schritte.

Plymmie überbrückte die letzte Distanz mit einem gewaltigen Sprung. Ihre gestreckten Vorderpfoten trafen den Nacken des dünnen kleinen Mannes, und er hatte das Gefühl, von der Wucht eines Hammerschlages gefällt zu werden.

Mit einem gellenden Schrei stürzte er der Länge nach auf das rauhe Steinpflaster. Mehr als einen Yard weit schlidderte er über die Steine und schrammte sich das Gesicht dabei auf. Er warf sich herum, wollte aufspringen und noch einmal die Flucht versuchen.

Doch im selben Moment war der graue Schatten über ihm.

Er wurde vor Entsetzen starr. Mächtige Reißzähne, höllisch spitz zulaufend, schimmerten direkt über seinem Gesicht. Der heiße Atem des vermeintlichen Untiers schlug ihm ins Gesicht. Er konnte nicht einmal schützend die Arme hochreißen, denn die Bestie stand mit den vorderen Pranken auf seinen Armen. Eine Last wie von Tonnengewichten. Öbül begriff nicht, daß er in seiner panischen Angst-Trugschlüssen erlag.

„Nein!“ schrie er. „Nein, um Himmels Willen!“

Die Söhne des Seewolfs waren mittlerweile zur Stelle.

„Plymmie!“ sagte Hasard junior energisch. „Zurück!“

Philip trat von der anderen Seite auf die Wolfshündin und den am Boden Liegenden zu und kraulte ihr zur Belohnung die Nackenhaare.

Plymmies leises Grollen ließ nach, sie gehorchte und wich ein Stück von der Kehle des Kerls weg. Aber sie blieb ihm gefährlich nahe, und den Anblick ihrer Reißzähne mußte er auch weiter ertragen.

Jemand eilte mit einer Laterne herbei. Es war der Kutscher. Der alte O’Flynn war als Wache auf der Dubas geblieben. Der Kutscher hielt die Laterne so, daß das Gesicht des kleinen Mannes erkennbar wurde. Es war ein Gesicht von ungesunder grauer Farbe. Als er die Hände vor das Gesicht hob, waren seine geschwärzten Finger zu sehen.

Plymmie ließ wieder ein heiseres Knurren ertönen, und er nahm die Hände sofort wieder herunter. Angst flackerte in den Augen des kleinen Mannes.

„Wer bist du?“ fragte der Kutscher. „Und was hast du hier zu suchen?“

„Ich heiße Öbül. Und ich habe auf einen Freund gewartet.“

„Ausgerechnet hier?“ fragte Hasard junior. „Ausgerechnet an der Stelle, an der Kemal Yildiz einer Explosion zum Opfer fiel?“

„Dann hättest du nicht wegzulaufen brauchen“, fügte Philip hinzu.

„Aber diese Bestie – diese …“

„Sie greift niemanden an, der ein reines Gewissen hat“, behauptete der junge Hasard. „Sie ist eine Wolfshündin, und sie spürt, was in einem Menschen vorgeht.“

„So, wie jetzt“, sagte Philip grimmig. „Sie spürt, daß du lügst, Öbül. Ein Wort von uns, und du hast sie an der Kehle.“

Als hätte die Wolfshündin verstanden, ruckte sie unvermittelt ein Stück vor. Ihr wildes Knurren und der mörderische Fang waren unmittelbar vor Öbüls Kinn.

Er wimmerte.

„Willst du jetzt reden?“ fragte der Kutscher mit ruhiger Stimme.

„Ja, um Himmels willen, ja!“ jammerte der kleine Türke. „Nur nehmt diese Bestie weg!“

Schritte näherten sich in einer der Gassen.

Der Seewolf und die Arwenacks kehrten zurück.

„Das trifft sich gut“, sagte Hasard junior. „Warte einen Moment, mein lieber Öbül, dann wird dein Geständnis gleich von den richtigen Ohren gehört.“

Wohlweislich ließen die Zwillinge und der Kutscher die Wolfshündin in ihrer augenblicklichen Stellung, damit der kleine Mann nicht noch auf andere Gedanken verfiel, bevor die Männer zur Stelle waren.

Sie prallten unwillkürlich zurück, als sie die Szene vor Augen sahen. Dann aber traten sie rasch näher und bildeten einen Halbkreis. Die Zwillinge berichteten, was sich abgespielt hatte.

„Mehmet Küzürtüsi hat sich vergiftet“, sagte der Seewolf. „Er hat sich aller irdischen Verantwortung entzogen, als er keinen Ausweg mehr sah.“

Der am Boden Liegende stieß einen entsetzten Laut aus.

„Ich sehe“, sagte der Seewolf mit hartem Lächeln, „die Nachricht vom Tod Küzürtüsis läßt dich nicht unberührt. Was hast du mit ihm zu tun?“

„Ich – ich …“

„Sprich!“ sagte Philip scharf.

Plymmies Knurren schwoll an und wurde rauher und drohender.

„Nehmt die Bestie weg!“ heulte Öbül. „Ja, ich rede! Ich rede!“

Hasard junior zog die Wolfshündin um eine Handbreite zurück.

„Es ändert sowieso nichts“, keuchte der kleine Mann. „Für euch gibt es keine Rettung mehr. Der Meister wird euch auslöschen – euer Schiff, alles!“

„Der Meister?“ sagte der Seewolf gedehnt. „Wer soll denn das sein?“

„Wer schon!“ Öbül stieß ein abgehacktes Lachen aus. „Der Mann, in dessen Händen alles Leben in dieser Stadt liegt. Er beherrscht Istanbul, doch niemand weiß es! Sie ahnen es nur alle.“

„Der Höllenfürst“, sagte der Seewolf. „Was hast du mit ihm zu tun? Bist du sein Diener?“

„Sein Gehilfe.“ Öbüls Antwort klang stolz.

„Wie heißt er?“

Noch einmal mußten sie ihn durch Plymmie bedrohen lassen. Dann endlich redete sich Öbül alles von der Leber. Der Seewolf und die Arwenacks erfuhren, daß Süleyman Ayasli der geheimnisvolle Mann im Hintergrund war, der das heimtückische Handwerk beherrschte, eine Sprengladung zum erwünschten Zeitpunkt hochgehen zu lassen.

Öbül beschrieb den Weg zu Ayaslis Behausung, und er schilderte sogar das Versteck des Reichtums, den der Höllenfürst bereits angesammelt hatte.

Dann aber, als ihn Hasard zur Dubas bringen ließ, wo er in die Vorpiek gesperrt werden sollte, sträubte er sich. Sie mußten kräftig zupacken, um seinen Widerstand zu brechen.

Für den Seewolf gab es keine offenen Fragen mehr. Er teilte Smoky und Matt Davies als Deckwache ein. Old Donegal und der Kutscher blieben als mögliche Ablösung an Bord. Desgleichen die Zwillinge mit Plymmie, die die Wachen zu unterstützen hatten. Plymmies Aufgabe sollte es wieder sein, die besonderen Qualitäten ihrer Spürnase unter Beweis zu stellen.

Hasard und seine Gefährten brachen auf. Es gab keine Zeit zu verlieren. Kemal Yildiz’ Tod mußte vollends gesühnt werden. Gleichzeitig wurde Istanbul von einem Alptraum befreit.

Münnever Yildiz sollte wieder in der Lage sein, ihr wohltätiges Werk für die Armen dieser Stadt fortzusetzen.

Süleyman Ayasli verharrte regungslos. Im nächsten Moment setzte er sich wieder in Bewegung und schob seinen kleinen Handkarren in einen Torweg. Die Häuser ringsum lagen in völliger Dunkelheit. Nirgendwo deutete etwas darauf hin, daß es auch nur eine Menschenseele gab, die ihn beobachtete.

Aber jetzt hörte er deutlich die Schritte. Sie näherten sich und mußten jeden Moment die Gasse erreichen, in der er sich befand.

Er bewegte sich nicht und wirkte wie ein Baumstamm in der Finsternis.

Die Schritte gewannen einen hohlen Nachhall. Also hatten sie die Gasse erreicht. Der Höllenfürst hielt den Atem an. Wer war so spät noch unterwegs? Ein Trupp der Stadtwache? Er hoffte, daß sie nicht Hauseingänge und Torwege kontrollierten. Er fühlte sich außerhalb seiner Werkstatt verwundbar. Öbül war nicht pünktlich zurückgekehrt, und er war nun vollends auf sich allein gestellt.

Die entscheidende Aufgabe mußte er allein bewältigen.

Er war entschlossen, es zu schaffen.

Seine Konstruktion, die er auf dem Handkarren transportierte, war ein Meisterwerk. Die Welt würde staunen, wenn sie davon hörte.

Schwankender Lichtschein fiel auf die Pflastersteine vor dem Torweg. Die Schritte dröhnten jetzt. Gedämpftes Murmeln war zu vernehmen.

Der Mann, der an der Spitze ging, trug eine Schiffslaterne. Ihm folgte der hochgewachsene Engländer, der Philip Hasard Killigrew sein mußte. Ayasli hatte sich die Beschreibung, die Öbül ihm gegeben hatte, genau eingeprägt.

Der Höllenfürst erschrak.

Fast die gesamte Mannschaft war da unterwegs, und sie drangen in die Richtung vor, aus der er gekommen war. Ihre Schritte waren voller Entschlossenheit, und sie hatten sich mit Säbeln und Pistolen bewaffnet.

Schlagartig wußte Ayasli, was sie vorhatten. Bei dem Gedanken traf ihn neuer Schreck wie ein Hieb.

Öbül hatte versagt. Eine andere Erklärung gab es nicht. Sie mußten ihn gefangengenommen haben. Nur deshalb war er nicht zurückgekehrt. Öbül war sonst noch nie unpünktlich gewesen. Immer war er vor der vereinbarten Zeit eingetroffen.

Sie mußten ihn gefoltert haben, die verfluchten Bastarde.

Unter Zwang hatte er verraten, wo sich die Werkstatt befand.

Für einen Moment spielte Süleyman Ayasli mit dem Gedanken, auf einer Abkürzung zu seinem Haus zurückzukehren, um es zu verteidigen.

Verteidigen? höhnte eine innere Stimme. Was könntest du schon ausrichten!

Nein, es gab nur den anderen Weg. Jetzt mußte er seinen Plan erst recht in die Tat umsetzen. Wenn es denn sein sollte, lief es eben auf gegenseitige Vernichtung hinaus.

Sie würden sein Lebenswerk zerstören, seine Werkstatt, sein Handwerkszeug, seine Vorräte.

Und er würde ihnen alles nehmen, was sie hatten – ihr Schiff mitsamt der Ausrüstung und den paar Mann, die wahrscheinlich als Wachen zurückgeblieben waren.

Vorsichtig näherte er sich der Gasse und spähte nach links.

Der Lichtschein war nicht mehr zu sehen. Sie waren also bereits abgebogen und in einer Abzweigung verschwunden. Aber der leise, dumpfe Hall ihrer Schritte war noch zu vernehmen.

Ayasli verharrte weitere fünf Minuten in dem Torweg, ehe er den Handkarren nahm und seinen Weg fortsetzte. Von den Rädern hatte er die Eisenreifen entfernt, so daß die Rollgeräusche kaum zu vernehmen waren. Überdies bewegte er den Karren vorsichtig genug, um nicht gegen unerwartete Hindernisse zu stoßen.

Er hatte sich Öbüls Wegbeschreibung genau eingeprägt. So umrundete er jenen Teil des Hafens, in dem das Schiff der Engländer lag, und drang auf ein jenseitiges Werftgelände vor, das durch keinerlei Einfriedung abgesichert war.

Zu stehlen gab es hier ohnehin nichts. Niemand konnte Schiffe entführen, die sich im Bau oder in Reparatur befanden. Bei den Wachen am Hafenausgang waren alle diesbezüglichen Einzelheiten registriert.

Ayasli schob seinen Karren vorsichtig an die zum Hafenbecken gewandte Seite einer Dockanlage. Das Wasser reichte nur bis zur trichterförmigen Einmündung des Docks. Der Einmaster, den sie mittels Seilzügen zur Reparatur hineinbugsiert hatten, lag auf dem Trockenen.

Vorsichtig hob der Höllenfürst die Einzelteile seiner empfindlichen Fracht von der Ladefläche des Karrens. Als erstes ließ er das kleine Floß, das er gebaut hatte, zu Boden gleiten. Das Licht, das von den Hecklaternen der Schiffe herüberfiel, reichte ihm. Er konnte immerhin Umrisse erkennen.

Die eigentliche Bombe bestand aus zwanzig Kilogramm Schwarzpulver. Er hatte sich für die feinste Körnung entschieden, um eine absolut sichere Zündung zu gewährleisten.

Das Pulver befand sich in zwei aneinandergeschraubten Kisten, zwischen denen er in der Mitte einen Hohlraum ausgespart hatte. Der Hohlraum, mit Kalfaterpech und mehrfachen Lagen von Ölpapier wasserdicht verschlossen, enthielt die Lunte.

Das Ende hatte er Y-förmig geteilt, so daß jeweils ein Ende durch einen ebenfalls wasserdichten Zündkanal in die Pulverladung reichte. Die Windungen der Lunte, die für eine Stunde Brenndauer berechnet war, hatte er in dem Hohlraum durch dünne Metallplättchen voneinander getrennt. Dadurch vermied er, daß sich die Lunte an Berührungspunkten mehrfach entzündete, wodurch die Brenndauer verkürzt worden wäre.

Das Risiko, selbst mit in die Luft zu fliegen, wollte er natürlich ausschalten.

Die Luftzufuhr für die Lunten-Brennkammer erzielte er durch ein getrocknetes Schilfrohr von zwei Yards Länge, das er außen mit Pech angestrichen und dadurch gleichfalls wasserfest abgedichtet hatte. Das untere Ende des Rohrs mündete durch eine sorgfältig mit Pech verschmierte Öffnung in die Brennkammer.

Ayasli vergewisserte sich noch einmal, daß Öbüls Beschreibung stimmte.

Das Schiff der britischen Christenhunde lag ungefähr zweihundert Yards von der Werft entfernt an einer Pier.

Mit der Lunten-Brenndauer von einer Stunde würde es reichen.

Er mußte die Lunte zünden und die Kammer gründlich verschließen, bevor er losschwamm. Und er mußte gefahrlos zurückschwimmen können, um das Feuerwerk aus sicherer Entfernung beobachten zu können.

Er baute darauf, daß die Explosion der Unterwasserbombe das Schiff aufreißen und in Brand setzen würde. Entweder würde es durch raschen Wassereinbruch schnell sinken, oder es würde durch die explodierende Munitionskammer in Stücke gerissen werden.

Wenn die Engländer zurückkehrten, würden sie mächtig ins Staunen geraten.

Voller Vorfreude rieb er sich die Hände.

8.

Philip Hasard Killigrew und seine Männer verharrten in dem Olivenhain oberhalb des verwinkelten Gemäuers. Rechtzeitig hatten sie die Laterne gelöscht und waren im Dunkeln weiter vorgedrungen.

Zwischen den Olivenbäumen war es stockfinster, aber das Gebäude, in dem sich die Werkstatt des Höllenfürsten befand, war recht gut zu erkennen. Nach wie vor war der Himmel sternenklar.

Nirgendwo brannte Licht. Und kein Laut war zu hören.

Hasard gewann den Eindruck, daß es sich nicht um ein gegenseitiges Belauern handelte. Dank Öbüls Geständnis ließen sich zwei und zwei leicht zusammenzählen. Der Höllenfürst mußte bereits unterwegs sein, um sein sogenanntes Meisterstück zu vollbringen.

Hasard, Ben Brighton, Dan O’Flynn und Don Juan de Alcazar drangen als erste zum Gebäude vor.

Abermals blieben sie bewegungslos stehen, als sie die Außenwand eines der verwinkelten Trakte erreichten.

Kein Laut war aus dem Haus zu hören.

Der Seewolf stieß einen leisen Pfiff aus – das Zeichen für die anderen. Sie rückten nach und kreisten das Gebäude innerhalb von Sekunden ein.

Mit ihren Entersäbeln hebelten Hasard und Ben Brighton einen Fensterladen auf. Der Seewolf zertrümmerte die Fensterscheibe, öffnete das Fenster und schwang sich hinein. Es war ein Wohnraum, in dem er sich befand. Den Säbel in der Rechten, orientierte er sich rasch und fand den Vordereingang.

Kurz darauf waren alle Fenster und Türen geöffnet. Die Männer entfachten vorhandene Öllampen und verschafften sich einen Überblick.

Hasard zog die Kommode beiseite, die der Beschreibung nach jenes Möbelstück sein mußte, das den Zugang zum Schatz Ayaslis verdeckte.

Der Teil der Fußbodendielen, der eine Luke bildete, war nicht zu übersehen.

Im Halbdunkel erblickten die Männer die gestapelten Beutel aus Leinen und Leder. Batuti hatte eine Schubkarre in einem Lagerraum entdeckt. Sie holten die Beutel mit Gold und Silber aus dem Hohlraum und verluden den Reichtum auf die Karre. Dann sahen sie sich weiter um.

Al Conroy hatte sich in der Werkstatt bereits bestens orientiert.

„Ein teuflisches Genie“, sagte der schwarzhaarige Stückmeister und zeigte dem Seewolf eine Tabelle, die er gefunden hatte. „Luntensorten, Brennzeiten und so weiter. Alles exakt bis ins kleinste Detail festgehalten. Die interessantesten Sachen haben wir aber wohl hier.“ Er wies auf die Versuchsanordnungen, mit denen Ayasli und sein Gehilfe geprüft hatten, in welchen Arten von Hohlräumen und mit wieviel Luftzufuhr Lunten am besten brannten.

Das Pulverlager befand sich in einem Raum neben der Werkstatt, wohlweislich durch eine Doppeltür gesichert.

Ein besonderes Stück fanden die Arwenacks auf einer Werkbank am anderen Ende der Werkstatt.

Eine kleine Truhe, wie man sie für wichtige Dokumente und sonstige persönliche Habseligkeiten verwendete.

Al Conroy überprüfte das Schloß mit dem verbundenen Steinschloßmechanismus und führte die Funktion vor.

Betroffenes Schweigen kehrte ein.

„Zum Kotzen!“ knurrte Carberry in die Stille. „Einfach widerlich, solche Sachen. Was für verdammte, lausige Schurken müssen das sein, die mit so was ihre Gegner aus dem Weg räumen!“

Die Arwenacks nickten beipflichtend.

Ihnen drehte sich fast der Magen um, wenn sie sich vorstellten, wie wehrlose und vor allem völlig ahnungslose Menschen mit solchen Höllenmaschinen ins Jenseits befördert wurden. Die gemeinste und widerwärtigste Art der Auseinandersetzung überhaupt.

Der Seewolf sah sich noch einmal um. „Wenn wir die Bude vernichten, tun wir ein gutes Werk. Oder ist jemand anderer Meinung?“

„Keiner!“ rief Ferris Tucker überzeugt. „Besser würde uns wahrscheinlich gefallen, wenn wir den Höllenfürsten mit in die Luft jagen könnten!“

Beifallsgemurmel wurde laut.

Hasard sorgte mit einer Handbewegung für Ruhe. „Ich will nicht sagen, daß wir uns einfach so zurückziehen. Aber ich schlage vor, daß wir Al freie Hand lassen, damit er sein Meisterwerk vollbringen kann.“

Die Arwenacks stimmten begeistert zu.

Der schwarzhaarige Stückmeister lächelte gerührt. Hasard legte ihm die Hand auf die Schulter. „Einverstanden, Al?“

„Keine Frage.“

„Kriegst du es so hin, daß von dem gesamten Gemäuer nichts mehr übrigbleibt?“

Al grinste und deutete auf die Tür zum Pulverlager. „Mit dem Vorrat da drinnen, könnte ich halb Istanbul in die Luft jagen.“

Seine Gefährten glaubten es ihm unbesehen. Hasard mahnte zum Aufbruch. Sie vereinbarten, sich in fünfhundert Yards Entfernung an einer Gassenkreuzung zu treffen, die sie noch gut in Erinnerung hatten. Batuti übernahm die Schubkarre, und Stenmark ging mit der Laterne voraus.

Der Stückmeister blieb zurück – in seinem Element.

Al öffnete das Pulverlager und begann, Fässer mit Schwarzpulver in die einzelnen Räume des Gemäuers zu tragen. Er verteilte das Pulver so, daß auf jeden Raum etwa gleich große Ladungen entfielen.

In der Werkstatt suchte er Luntenrollen zusammen. In einem Korridor, so ermittelte er, befand sich ungefähr der zentrale Punkt, den alle Lunten von den einzelnen Räumen aus erreichen mußten.

Er wählte die Lunten für die jeweiligen Ladungen sehr sorgfältig aus. Wo die Entfernung bis zum zentralen Punkt etwas größer war, verkürzte er die Brenndauer, indem er eine dünnere Luntenart verwendete.

Schließlich verband er alle Lunten miteinander und verflocht sie mit einem einzelnen Strang, den er so durch die vordere Haustür führte, daß er keine der sternförmig auseinanderlaufenden anderen Lunten berührte.

Er unternahm einen letzten Kontrollgang durch das Gemäuer und überzeugte sich, daß alle Luntenverbindungen in Ordnung waren.

Die nächsten Nachbarn wohnten weit genug entfernt. Sie würden unsanft aus dem Schlaf geweckt und vielleicht ein leichtes Beben ihrer Häuser verspüren. Dafür aber wurden sie von der Hexenküche eines unheimlichen Zeitgenossen befreit.

Vor dem Haus entfachte Al Conroy das Luntenende, indem er zwei Flints aneinanderschlug. Er richtete sich erst auf, als er sicher war, daß die leise zischende Glut in dem Gewebestrang nicht mehr verlöschen würde.

Über den Daumen gepeilt, mußte es eine halbe Stunde dauern, bis die gesamte Bude in die Luft flog.

In leichtem Trab lief Al Conroy hinter seinen Gefährten her.

Nach etwa zehn Minuten traf er sie an der vereinbarten Stelle.

„Wir können weitermarschieren“, beantwortete der Stückmeister die fragenden Blicke der anderen. „Bevor wir den Hafen erreichen, wird es ein paar Leuten in Istanbul die Nachtruhe rauben.“

Sie setzten ihren Weg fort.

Für geraume Zeit waren der Nachhall der eigenen Schritte und das Rollen der Schubkarre die einzigen Geräusche, die sie vernahmen.

Jäh zuckte ein Blitz über das nächtliche Istanbul.

Die Arwenacks verharrten und wandten sich rasch um.

Mit grellem Rot, das sich fast zum Weiß hin färbte, stieg der Blitz am entfernten Stadtrand zum Nachthimmel auf.

Erst im nächsten Sekundenbruchteil folgte das urgewaltige Brüllen der Explosion. Es war, als hätte sich ein Gewitter zu einem einzigen geballten Donner vereinigt, der imstande war, jegliches Leben auszulöschen.

Doch dieser Eindruck trog.

Der Schaden, den die Detonation anrichtete, beschränkte sich auf das Gemäuer des Höllenfürsten.

Deutlich sahen die Arwenacks, wie Trümmerteile in der rot-weißlichen Lohe emporgewirbelt wurden. Nur langsam, unendlich langsam sank der Explosionsblitz in sich zusammen.

Der Seewolf und seine Männer marschierten weiter.

Sie hatten dem Höllenfürsten die Grundlage für sein teuflisches Handwerk entzogen. Das bedeutete aber noch lange nicht, daß er schon völlig am Ende war. Ein Mann von seiner Besessenheit würde immer wieder zu einem neuen Anfang finden.

Und ebenso würden immer wieder Auftraggeber zur Stelle sein, die begierig darauf waren, seine Dienste in Anspruch zu nehmen. Raffgier und Mißgunst mochten es in erster Linie sein, die in einer Stadt wie Istanbul dazu führten, daß sich Menschen gegenseitig nach dem Leben trachteten.

Deshalb durfte es einen Verbrecher wie den Höllenfürsten, der ihnen seine teuflischen Dienste anbot, nicht geben. Die möglichen Auftraggeber durften gar nicht erst in Versuchung geführt werden.

Süleyman Ayasli war eine Gefahr für das Gemeinwohl in dieser Stadt.

Und wenn man ihm nicht endgültig Einhalt gebot, konnte er mit seinem Fanatismus zu einer Gefahr für alle Bürger werden.

Er fror.

Die Nacht wurde merklich kühl, und etwas ging in seinem Inneren vor, das spürte er. Eine unerklärliche Art plötzlichen Ungehagens war es. Der Gedanke, in das kalte Wasser steigen und schwimmen zu müssen, war alles andere als erbaulich. Aber daran allein konnte es nicht liegen.

Süleyman Ayasli spürte mit allen Fasern seiner Sinne, daß sich etwas zusammenbraute, das gegen ihn gerichtet war.

Ein feindliches Bestreben, das sich gegen seine Macht wendete. Dabei hatte er sein Ziel nahezu erreicht – Herrscher über Leben und Tod zu sein. In Istanbul. Und bald auch darüber hinaus.

Seine Feinde wollten ihm diese Macht nehmen – diese verfluchten Christenhunde, die so unerwartet aufgetaucht waren und sich in alles einmischten. Was ging sie diese Stadt an? Welche Ansprüche leiteten sie aus der Tatsache ab, daß sie mit ihrem Schiff im Hafen vertäut hatten? Sie mußten größenwahnsinnig sein, daß sie sich solche Überheblichkeit anmaßten.

Aber er dachte nicht im entferntesten daran, etwa schon aufzugeben. Ihn, Süleyman Ayasli, beeindruckte man nicht durch Erfolge, die nur äußerlicher Art waren. Am Ende hatte er immer den längeren und vor allem stärkeren Arm gehabt. Nein, es gab niemanden, der ihm überlegen war.

Mit dieser neugewonnenen Zuversicht begann er, das Floß mit der Unterwasserbombe noch einmal genau zu überprüfen. Längst hatten sich seine Augen an das Mondlicht gewöhnt, so daß er die Einzelheiten fast wie bei Tage erkennen konnte.

Die Pulverladungen waren sicher befestigt, und alle Stellen, an denen möglicherweise Wasser hätte eindringen können, waren sorgsam abgedichtet. Die kleinen Eisendorne, die er an der Oberseite der Pulverkisten befestigt hatte, dienten dem Zweck, die Bombe unter dem Schiffsrumpf zu fixieren.

Mitsamt dem Floß würde er die Pulverladung unter Wasser drücken, am Schiffsrumpf entlang. Mittels der Dorne und der Auftriebskraft des Floßes würde die Bombe dann sicher an der Außenbeplankung des Zweimasters „kleben“. Und das Rohr, das über die Wasseroberfläche hinausragte, sorgte dann für eine ausreichende Luftzufuhr, wie sie für die glimmende Lunte erforderlich war.

Blitz und Donner ließen ihn zusammenzucken, als wäre er von einem furchtbaren Hieb getroffen worden.

Mit flackernden Augen starrte er zwischen den Schiffsmasten hindurch zum fernen Stadtrand, wo das Explosionsfeuer mit wirbelnden Trümmern zum Himmel emporstieß.

Also hatten sie es geschafft, diese Bastarde.

Diese verfluchten Christenhunde hatten ihr Ziel erreicht und ihm alles genommen.

Alles?

Nein. Er zwang sich, klar und nüchtern zu denken. Das Wertvollste hatte er noch immer. Die Kraft und Unüberwindbarkeit seiner Gedanken. Er war ihnen überlegen. Sie würden es schon noch spüren. Jetzt erst recht.

Er öffnete den Deckel des Luntengehäuses und wandte sich so mit dem Rücken zum Hafenbecken, daß die Zündfunken seiner Feuersteine nicht zu sehen waren. Innerhalb von Sekunden brachte er die Lunte zum Glimmen. Vorsichtig versenkte er das Ende in den Behälter, so daß die übrigen Windungen nicht berührt wurden.

Dann schloß er den Deckel und strich die Ränder mit Fett zu, das er in einer kleinen Dose bei sich hatte. Anschließend umhüllte er den Deckel mit zusätzlichem Ölpapier, das er festschnürte. Bei jeder Handbewegung achtete er darauf, das aus dem Luntenbehälter ragende Rohr nicht zu beschädigen.

Es war geschafft.

Langsam und vorsichtig zog er das Floß zum Ufer, direkt neben der trichterförmigen Einmündung zum Dock. Der Wellengang war mäßig, es wehte nur eine schwache Brise. Gefahr, daß die Pulverladung durch Spritzwasser vorzeitig unbrauchbar wurde, bestand also ebenfalls nicht.

Das Floß schwamm einwandfrei.

Ayasli ließ sich ins Wasser gleiten und zwang sich, die Kälte, die seinen Körper umhüllte, zu ignorieren. Er hatte Mühe, die Zähne so fest zusammenzupressen, daß sie nicht klapperten.

Dann schob er das Floß vor sich her und begann, mit kraftvollen Schwimmzügen in das Hafenbecken hinauszugleiten. Auf den Schiffen herrschte Nachtruhe. Die Wachen, die auf den Donner der Explosion aufmerksam geworden waren, starrten sich die Augen aus dem Kopf.

Ihre ganze Aufmerksamkeit galt jenem weit entfernten Punkt, wo der Flammenschein immer mehr in sich zusammensank. Niemand achtete auf die düstere Wasserfläche des Hafenbeckens, wo sich der Tod in seiner teuflischsten Form auf den Zweimaster der Engländer zubewegte.

„Das Fanal der Hölle!“ rief Old Donegal Daniel O’Flynn triumphierend. „Jetzt haben sie ihn beim Wickel, den Lumpenhund!“

„Sei still, Grandpa!“ rief Philip junior vorwurfsvoll. „Plymmie kann sich sonst nicht konzentrieren!“

Smoky und Matt Davies, die eben ihren Rundgang auf der Kuhl unterbrochen hatten, wechselten einen Blick und grinsten.

Old Donegal und der Kutscher hatten sich auf der Back postiert, während die Zwillinge mit der Wolfshündin auf dem Achterdeck Stellung bezogen hatten.

„Hast du so was schon gehört!“ Der alte O’Flynn kicherte. „Seit wann muß ein Hundevieh nachdenken! Ist doch ein Schnüffeltier, oder was sonst, he?“

„Plymmies Gehör spielt eine genauso große Rolle!“ rief Hasard junior empört. „Außerdem ist sie fast so intelligent wie ein Mensch. Der einzige kleine Unterschied ist bloß, daß sie nicht sprechen kann.“

„Hast du Töne!“ schnaufte Old Donegal. „Schnappt nur nicht über mit eurem vierbeinigen Liebling! Entweder er paßt auf, oder er paßt nicht auf. Da können doch ernsthafte Gespräche von Menschen nicht zurückstehen.“

„Das Fanal der Hölle!“ konterte Philip junior unerschrocken. „Was soll denn daran wohl ernsthaft sein?“

„He, he, he!“ schrie der Alte erbost. „Sieht so aus, als ob ich mein Holzbein abschnallen muß! Das möchte ich dir nicht wünschen, Bürschchen!“

Smoky und Matt Davies mußten sich zusammenreißen, um nicht in Gelächter auszubrechen. Auf dem Achterdeck kicherten die Zwillinge leise hinter der hohlen Hand.

„Nun laß es gut sein, Mister O’Flynn“, sagte der Kutscher versöhnlich. „Wie in den meisten Fällen, haben beide Seiten recht. Ich kann den Jungen ohne weiteres bescheinigen, daß ihre Plymmie ein außergewöhnlich intelligentes Wesen ist.“

Old Donegal schnappte nach Luft.

„Und sie muß sich in der Tat konzentrieren“, fuhr der Kutscher fort. „Sicher hat sie einen schärferen Geruchssinn als wir Menschen. Aber wenn sie zu sehr abgelenkt wird …“

Die Erläuterungen des Kutschers wurden zu einem längeren Vortrag über das mögliche und wahrscheinliche Seelenleben von Hunden, die dem Menschen treu ergeben waren. In seiner etwas geschraubt klingenden Art belehrte der Kombüsenmann den Alten darüber, wie man auf Hunde, von denen man außergewöhnliche Dienste erwartete, einzugehen hätte.

Während dieser Rede des Kutschers, der Old Donegal mit offenem Mund zuhörte, spürten die Zwillinge plötzlich, wie sich Plymmies Haltung versteifte.

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