Читать книгу: «Dienstvereinbarungen nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD)», страница 5

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c. Grundgesetzlicher Einfluss auf das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht

Da die Regelung eines Mitarbeitervertretungsrechts nach dem Selbstverständnis der Kirche eine eigene Angelegenheit darstellt, kommt dem Mitarbeitervertretungsgesetz im staatlichen Rechtskreis aufgrund des Selbstbestimmungsrechts der Kirche nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV innerhalb der Schranke des für alle geltenden Gesetzes Anerkennung zu.161 Das kirchliche Recht findet im staatlichen Rechtskreis grundsätzlich Anwendung, insofern durch die Schrankenbestimmung nicht die geltungsvermittelnde Wirkung des Selbstbestimmungsrechts begrenzt ist.

Die Wirksamkeit des Mitarbeitervertretungsrechts im staatlichen Rechtskreis hängt demnach davon ab, ob der kirchliche Gesetzgeber die maßgeblichen, durch die Schrankenbestimmung geschützten verfassungsrechtlichen Rechtsgüter ausreichend bei seiner Gesetzgebung berücksichtigt hat. Entsprechend hängt auch die Geltung einer kirchlichen Dienstvereinbarung im staatlichen Rechtskreis in doppelter Hinsicht von der Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben ab. Zum einen muss das durch das Kirchenrecht ausgestaltete Rechtsinstitut der Dienstvereinbarung sich innerhalb der Schrankenbestimmung halten; zum anderen muss jedoch auch eine konkrete Dienstvereinbarung die durch die Schrankenbestimmung vorgegebenen Grenzen beachten, soll sie im staatlichen Rechtskreis Wirkung entfalten.

Während die Schrankenbestimmung mithin die äußere und unverrückbare Grenze für die Geltung einer kirchlichen Regelung im staatlichen Rechtskreis aufstellt, ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass der kirchliche Gesetzgeber bei Gesetzen, die gerade auf eine bestimmte Wirkung im staatlichen Rechtskreis abzielen, immer auch selbst bereits in dem Bewusstsein der ihm durch das Verfassungsrecht auferlegten Bindungen handeln wird. Infolgedessen stellen verfassungsrechtlich geschützte Gegenpositionen nicht nur eine Außenschranke für das Selbstbestimmungsrecht dar, sondern zusätzlich sind sie bei der Auslegung des kirchlichen Rechts zu berücksichtigen.

Für die weitere Untersuchung bedarf es daher der Konkretisierung, welche verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen im Hinblick auf die Einrichtung einer Mitbestimmungsordnung und das Rechtsinstitut der Dienstvereinbarung Beachtung verlangen. Hierbei bietet es sich an, sich zunächst überblicksartig die verfassungsrechtlichen Grundlagen des staatlichen Betriebsverfassungsrechts zu vergegenwärtigen, da die insoweit maßgeblichen Verfassungswerte auch für das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht aufgrund der sich weitgehend entsprechenden Regelungsmaterien von Bedeutung sein können. Im Anschluss ist die allgemeine Relevanz der ermittelten Verfassungspositionen für das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht zu überprüfen.

aa. Grundgesetzliche Vorgaben für das Betriebsverfassungsrecht

Grundgesetzlichen Vorgaben kann mit Blick auf das Betriebsverfassungsrecht eine doppelte Bedeutung zukommen. Sie können zum einen ein Mindestmaß an Mitbestimmung vorgeben, zum anderen können sie jedoch auch die Grenzen der Ausgestaltung einer Arbeitnehmermitbestimmung konturieren.

(1) Verfassungsrechtliche Mindestvorgaben für das Betriebsverfassungsrecht – staatliche Schutzverpflichtung

Eine eigene verfassungsrechtliche Vorschrift, die die Arbeitnehmermitbestimmung garantiert, enthält das Grundgesetz nicht.162 Es fehlt an einer expliziten Verfassungsangabe zu einem Mindestmaß der Arbeitnehmermitbestimmung. Lediglich in der Kompetenzvorschrift des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG findet die Betriebsverfassung als Regelungsmaterie überhaupt Erwähnung.

Indessen darf dies nicht zu dem Gedanken verleiten, dass sich das Grundgesetz gegenüber dem Gedanken der Arbeitnehmermitbestimmung indifferent verhielte. Vielmehr wird überwiegend ein Handlungsauftrag an den staatlichen Gesetzgeber zur Einrichtung einer Betriebsverfassung aus dem Zusammenspiel von Arbeitnehmergrundrechten und Sozialstaatsprinzip hergeleitet.163

Als schutzpflichtbegründendes Grundrecht wird insbesondere die durch Art. 12 GG garantierte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer benannt.164 Ergänzend werden auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG sowie die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG herangezogen.165 Im Hinblick auf ihre Eigenschaft als Freiheitsgrundrechte muss allerdings berücksichtigt werden, dass es sich bei ihnen zunächst um Abwehrrechte des einzelnen Bürgers gegenüber dem Staat handelt.166 So können sich sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer auf Art. 12 GG berufen, wenn der Staat regulierend in ihre Berufsfreiheit eingreift.167 Die durch Art. 1 Abs. 3 GG vorgeschriebene Grundrechtsbindung aller Staatsgewalt sichert die grundsätzlich privatautonome Regelung der Beziehung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber und verbietet eine umfassende Verstaatlichung des Arbeitsverhältnisses. So gewährleistet die Berufsfreiheit eine Arbeitsrechtsordnung, deren tragendes Grundprinzip die Privatautonomie der handelnden Akteure ist.168 Wird Art. 12 GG nun zusätzlich als schutzpflichtbegründende Norm aufgefasst, so geht hiermit der an den Staat gerichtete Auftrag einer gewissen Regulierung der grundsätzlich freiheitlich ausgerichteten Arbeitsrechtsordnung einher.

Den Ausgangspunkt für die Herleitung der staatlichen Schutzverpflichtung bildet die Überlegung, dass die durch die grundrechtliche Verbürgung der Berufsfreiheit eigentlich intendierte freiheitliche und selbstbestimmte Entfaltung der Persönlichkeit häufig für den einzelnen Arbeitnehmer selbst überhaupt nicht zu erreichen ist. Die Gründe für diese mangelnde Möglichkeit zur Freiheitsverwirklichung sind indessen durchaus vielgestaltig.169 Sie finden ihre Entsprechung in der Diskussion um die Zweckbestimmung des Arbeitsrechts.

Besondere Prominenz hat in diesem Zusammenhang die These erlangt, dass der Vertragsschluss als Mittel zur Freiheitsverwirklichung beider Vertragsparteien versage, wenn eine Partei aufgrund ihrer Übermacht die Vertragsbedingungen gewissermaßen einseitig festzusetzen vermag, während die andere Vertragspartei aufgrund ihrer schwachen Verhandlungsposition und ihrer Angewiesenheit auf den Vertragsschluss dem Fremddiktat eher gezwungenermaßen denn aufgrund eines selbstbestimmten und freiheitlichen Entschlusses zustimmt.170 Gerade für das Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird von einer derartigen Vertragsimparität ausgegangen;171 auch das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung die „strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen“ postuliert.172

Ferner wird darauf hingewiesen, dass der Arbeitnehmer in einem Arbeitsbereich tätig werde, der im Regelfall überwiegend bis vollständig der einseitigen Organisations- und Entscheidungsgewalt des Arbeitgebers unterliegt. Die einseitige Organisationsgewalt wirke sich für die ihr Unterworfenen potentiell freiheitsbegrenzend aus.173 Nun ließe sich die dem Arbeitgeber durch das einseitige Bestimmungsrecht ermöglichte Fremdbestimmung über den Arbeitnehmer vordergründig ebenfalls allein darauf zurückführen, dass der Arbeitgeber seine Befugnisse gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer unter Ausnutzung des vertragsimparitätischen Verhältnisses ausweitet. Indessen darf ein weiterer tragender Grund für die einseitige Bestimmungsbefugnis nicht übersehen werden. Denn selbst wenn die postulierte Vertragsimparität hinweggedacht wird, stellt sich das einseitige Bestimmungsrecht für den Arbeitgeber in gewissem Umfang als unverzichtbar dar; die Koordination von Betriebsabläufen erfordert solche Leitungsbefugnisse des Arbeitgebers, die es ihm ermöglichen, einseitig die effiziente Zusammenarbeit der Arbeitnehmer zur Erreichung eines gemeinsamen Produktionsergebnisses sicherzustellen.174 Eine gewisse freiheitbegrenzende Wirkung zulasten des Arbeitnehmers ist dem Arbeitsverhältnis deshalb selbst dann immanent, wenn ein vertragsimparitätischer Zustand nicht gegeben ist.175

Schließlich kann auch das Tätigkeitwerden verschiedener Arbeitnehmer für einen gemeinsamen Arbeitgeber eine potentielle Freiheitsbegrenzung zulasten Einzelner mit sich bringen.176 Angesprochen ist damit das Verhältnis, das Franz Gamillscheg als „die dritte Dimension des Arbeitsrechts“ bezeichnet hat.177 Der einem einzelnen Arbeitnehmer gewährte Vorteil kann sich nachteilhaft für die anderen Arbeitnehmer auswirken. Die selbstbestimmte Verwirklichung des einen Arbeitnehmers kann mittelbar eine Beschränkung der Freiheiten der übrigen Arbeitnehmer bedingen.178 Begrenzte Ressourcen können einen Verdrängungswettbewerb unter den Arbeitnehmern auslösen.179 Schlimmstenfalls erfolgt die Freiheitsentfaltung des einen Arbeitnehmers auf eine Weise, die zugleich diejenige eines anderen Arbeitnehmers vollständig verhindert. Die Position des einzelnen Arbeitnehmers wird daher nicht nur unmittelbar durch bestimmte Interessen des Arbeitgebers betroffen, sondern zusätzlich auch durch die Tatsache, dass in einem Sozialverband verschiedene Arbeitnehmer unterschiedliche Einzelinteressen verfolgen können.180

Diesen Freiheitsgefährdungen muss der Staat entgegenwirken, soll die durch das Grundgesetz gewährleistete Freiheit des Einzelnen nicht zu einem inhaltsleeren Begriff verkommen. Hat daher der Staat solchen Entwicklungen zu begegnen, die die Freiheitsentfaltung des einzelnen Arbeitnehmers in nicht mehr hinzunehmendem Maße bedrohen, so beinhaltet dieser grundrechtliche Schutzauftrag hingegen keine konkrete Vorgabe an den staatlichen Gesetzgeber.181 Wie erheblich eine bestimmte Gefährdung ist und wie ihr entgegenzuwirken ist, unterfällt vielmehr einem weitreichenden Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers.182 Die grundrechtliche Verbürgung gibt daher nicht zwingend vor, welche gesetzgeberischen Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Schutzverpflichtung zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund lassen sich aus der grundrechtlichen Schutzverpflichtung keine exakten Mindestvorgaben für das Betriebsverfassungsrecht herleiten.183

Auch das teils184 für die staatliche Schutzverpflichtung ebenfalls angeführte Sozialstaatsprinzip macht insoweit keine weitergehenden Vorgaben. Das durch die Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG verbürgte Prinzip stellt vielmehr ein weitgehend gestaltungsoffenes Verfassungsprinzip dar, das ausschließlich den Staat zur Gewährleistung einer gerechten Sozialordnung verpflichtet.185 Dem Prinzip lassen sich indessen keine bestimmten Rechtsgewährleistungen oder Anforderungen an eine sozialstaatliche Ordnung entnehmen.186

Folglich ist mangels konkreter inhaltlicher Vorgaben dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet, wie er seine Schutzverpflichtung durch entsprechende Gesetze erfüllt. Infolgedessen obliegt es auch allein dem Gesetzgeber, die konkrete Ausgestaltung einer Betriebsverfassung vorzunehmen und ihre exakte Zielrichtung zu definieren.187 Aus dem Verfassungsrecht lässt sich nur herleiten, dass es eine Betriebsverfassung geben kann, nicht hingegen ihre konkrete Gestalt und Reichweite.188 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach alledem aus der konkreten Ausgestaltung des Betriebsverfassungsrechts durch den staatlichen Gesetzgeber keine Rückschlüsse gezogen werden können, in welcher Form der verfassungsrechtliche Schutzauftrag umzusetzen ist. Dies bedeutet insbesondere, dass es keine unmittelbare verfassungsrechtliche Gewährleistung bestimmter Mitbestimmungsrechte gibt.189 Auch die Befugnisse der Betriebsparteien zur Regelung bestimmter Angelegenheiten durch eine Betriebsvereinbarung sind nicht verfassungsrechtlich verbürgt.

(2) Verfassungsrechtliche Grenzen für das Betriebsverfassungsrecht – Grundrechte des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer und der Koalitionen

Bei der Ausgestaltung einer Betriebsverfassung muss der Gesetzgeber jedoch bestimmte verfassungsrechtlich vorgegebene Grenzen beachten. Bereits angedeutet wurde, dass mit der Umsetzung des grundgesetzlichen Schutzauftrages zugleich eine potentiell grundrechtsbegrenzende Wirkung einhergeht. Die konkrete Ausgestaltung der Betriebsverfassung, die dem Betriebsrat als kollektivem Repräsentanten der Arbeitnehmer in bestimmten sozialen Angelegenheiten Beteiligungsrechte einräumt, führt dazu, dass das Arbeitsverhältnis nicht mehr alleine durch den Arbeitgeber und den einzelnen Arbeitnehmer in Wahrnehmung ihrer Privatautonomie gestaltet wird. Die Einrichtung und Ausgestaltung einer kollektiven Interessenvertretung durch den Gesetzgeber kann daher für die dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer jeweils durch Art. 12 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Freiheit beschränkend wirken und die grundrechtliche Abwehrfunktion aktivieren.190 Für den Arbeitgeber kann zudem die in Art. 14 GG verankerte Eigentumsgarantie zu berücksichtigen sein.191

Die Gegenläufigkeit von staatlichem Schutzpflichtauftrag und grundrechtlicher Abwehrfunktion lässt sich leicht verdeutlichen. Wird zum einen zwecks Wahrnehmung des Schutzpflichtauftrags durch die Einrichtung einer Arbeitnehmermitbestimmung der strategische Vorteil des Arbeitgebers beseitigt, besteht zum anderen die Gefahr, dass sich das Blatt nunmehr vollständig wendet und umgekehrte imparitätische Verhältnisse zulasten des Arbeitgebers entstehen. Insoweit mag eine Arbeitnehmermitbestimmung zwar einerseits für die Arbeitnehmer freiheitssichernd wirken, andererseits aber zugleich potentiell die Freiheit des Arbeitgebers verkürzen. Ähnliches kann sich für das Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander ergeben. So mag dem ausgeglichenen Nachteil des einen Arbeitnehmers der Verlust des Vorteils bei einem anderen Arbeitnehmer gegenüberstehen; ein verhandlungsstarker Arbeitnehmer vermag sich gegebenenfalls nicht mehr unabhängig von der übrigen Belegschaft Vorteile zu sichern. Während dies durch den Schutzauftrag intendiert sein mag, darf dies jedoch nicht verdecken, dass zugleich eine grundrechtsrelevante Freiheitsverkürzung im Raum steht.

Noch unerwähnt blieb bisher zudem, dass es den Koalitionen grundrechtlich durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet ist, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen tätig zu werden. Die koalitionsgemäße Betätigung ist den Grundrechtsträgern als Abwehrrecht sowohl gegenüber dem Staat als auch unmittelbar gegenüber Dritten garantiert. Daher ergeben sich auch aus der Koalitionsfreiheit unmittelbar Grenzen im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung einer Betriebsverfassung.192

bb. Grundgesetzliche Vorgaben für das Mitarbeitervertretungsrecht

Das staatliche Betriebsverfassungsrecht wird demnach einerseits durch die staatliche Schutzverpflichtung und andererseits durch die Einflussnahme individueller sowie kollektiver Freiheiten als grenzziehende Elemente geprägt. Zu überprüfen gilt es, wie die einzelnen Verfassungspositionen innerhalb der Schranke des für alle geltenden Gesetzes Einfluss auf das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht nehmen können.

Allerdings würde die Fragestellung, ob das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht den angesprochenen Verfassungsgütern umfassend gerecht wird, den Gegenstand dieser Untersuchung sprengen. Insoweit sei auf die von Schielke angefertigte Dissertation verwiesen, die sich dem Vergleich von Betriebsverfassungs-, Personalvertretungs- und Mitarbeitervertretungsrecht widmet und zu der Einschätzung gelangt, dass sich das Mitarbeitervertretungsgesetz in weiten Teilen bei der Regelung der Arbeitnehmermitbestimmung an den staatlichen Gesetzen orientiert und dem verfassungsrechtlich gebotenen Mindestschutz der Arbeitnehmer ebenso wie den betroffenen Grundrechten ausreichend Rechnung trägt.193 Vorliegend sollen indessen nur die Auswirkungen der verschiedenen Verfassungspositionen auf das Regelungsinstrument der Dienstvereinbarung näher in den Blick genommen werden und deren Bedeutung für die weitere Untersuchung knapp dargelegt werden.

(1) Staatliche Schutzverpflichtung und Mitarbeitervertretungsrecht

Wenn die Kirche für die Organisation ihres Dienstes eine privatrechtliche Ausgestaltung durch den Abschluss von Arbeitsverträgen wählt, so löst dies zugleich auf Seiten des Staates die skizzierten verfassungsrechtlichen Schutzverpflichtungen im Verhältnis zu den jeweiligen Arbeitnehmern aus. Insoweit die Kirche den Arbeitsvertrag als Gestaltungsmittel wählt, wird sie jedoch regelmäßig die bestehenden staatlichen Schutzverpflichtungen antizipieren. Zudem akzeptiert sie grundsätzlich die vom Staat in Wahrnehmung seiner Schutzverpflichtung erlassene Privatrechtsordnung als notwendige Funktionsbedingung für eine Gestaltung der Rechtsbeziehungen nach dem Prinzip der Privatautonomie.194

Obliegt es nun der Kirche aufgrund der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Selbstbestimmungsrechts, die Organisation des kirchlichen Dienstes nach ihren Vorstellungen auszugestalten, und begrenzt der Staat deshalb die Geltung solcher Gesetze, die er in Wahrnehmung seiner Schutzverpflichtung erlassen hat, so ist der vollständige Rückzug des Staates vor dem Hintergrund seiner Schutzverpflichtung nur insoweit gerechtfertigt, als die Kirche im Rahmen ihrer Rechtsetzung den zunächst an den Staat gerichteten Schutzpflichtauftrag realisiert und ihm auch innerhalb ihrer Gesetzgebung Rechnung trägt.195 Die Kirche ist danach zwar nicht unmittelbarer Adressat der verfassungsrechtlich begründeten Schutzverpflichtungen, sie ist jedoch durch die Schrankenbestimmung des Selbstbestimmungsrechts mittelbar dazu angehalten, die staatlicherseits bestehende Verpflichtung zur Wahrnehmung des Schutzauftrags – beispielsweise durch die Schaffung einer Betriebsverfassung – zu berücksichtigen;196 täte sie dies nicht, müsste subsidiär wiederum der Staat selbst zur Erfüllung seines Schutzauftrages tätig werden.197 Will die Kirche jedoch eine derartige staatliche Einmischung in die Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten von vorneherein vermeiden, so hat sie durch eine entsprechende kirchengesetzliche Regelung den Schutz des einzelnen Arbeitnehmers auch im kirchlichen Arbeitsverhältnis bereits selbsttätig zu gewährleisten.198

Insoweit der verfassungsrechtliche Schutzauftrag weitgehend umsetzungsoffen ist und keine besonderen Vorgaben macht, steht es der Kirche nunmehr allerdings ebenfalls frei, nach eigenem Ermessen eine Ausgestaltung vorzunehmen.199 Mit dem Verweis auf die verfassungsrechtlich begründete staatliche Schutzverpflichtung geht es insbesondere nicht einher, dass die in Wahrnehmung des Schutzauftrags vom staatlichen Gesetzgeber geschaffene Betriebsverfassung in ihrer konkreten Ausgestaltung verfassungsrechtlich verbürgt und dem kirchlichen Gesetzgeber daher als Regelungsmodell vorgegeben wäre. Im Gegenteil ist der einfachgesetzlichen Umsetzung des Schutzpflichtauftrages durch den Staat keinerlei bindende Vorgabe zu entnehmen.200

Für das kirchenrechtlich geschaffene Rechtsinstitut der Dienstvereinbarung ist demnach festzuhalten, dass es nicht ausschließlich vor dem Hintergrund eines bestimmten Selbstverständnisses der Kirche zu beurteilen ist, sondern auch die verfassungsrechtliche Schutzverpflichtung Berücksichtigung finden kann. Diese aus der Schrankenbestimmung des Selbstbestimmungsrechts folgende Konsequenz ist deshalb besonders bedeutsam, weil die Fokussierung des kirchlichen Arbeitsrechts auf das kirchliche Selbstverständnis es häufig verdecken mag, dass die kirchliche Gesetzgebung nicht nur der Verwirklichung eines bestimmten kirchlichen Selbstverständnisses verpflichtet ist.

(2) Verfassungsrechtliche Grenzen für das Mitarbeitervertretungsrecht

Die Gemeinsamkeiten von Betriebsverfassungsrecht und Mitarbeitervertretungsrecht, insbesondere die entsprechende Ausgestaltung der Position der Mitarbeitervertretung durch die Einräumung von Beteiligungsrechten (§§ 37 ff. MVG-EKD) sowie die an der Betriebsvereinbarung orientierte unmittelbare und zwingende Wirkung der Dienstvereinbarung gegenüber dem einzelnen Mitarbeiter (§ 36 Abs. 3 MVG-EKD) legen es nahe, dass die für das Betriebsverfassungsrecht herausgearbeiteten grundrechtlichen Gegenpositionen auch im kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht in gleicher Weise betroffen sein können und daher Beachtung verlangen. Insoweit bedarf es eines kursorischen Blicks auf das Verhältnis von kirchlichem Mitarbeitervertretungsrecht und grenzziehenden Grundrechten.

Ein Blick soll zunächst auf die zugunsten des Arbeitgebers streitenden Grundrechte, also die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers nach Art. 12 GG sowie die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG geworfen werden. Insoweit ergibt sich im kirchlichen Bereich die Besonderheit, dass die kirchlichen Arbeitgeber allesamt den innerkirchlichen Gesetzen vollständig und unmittelbar unterworfen sind. Selbstverständlich ist dies für die der verfassten Kirche unmittelbar zugehörigen Einrichtungen. Aber auch die in privatrechtlicher Organisationsform geführten kirchlichen Einrichtungen dienen gerade der Verwirklichung des kirchlichen Auftrages und unterfallen deshalb auch der Kirchengesetzgebung; auch sie können sich nicht auf eine gegenüber der verfassten Kirche bestehende und insoweit verselbstständigte eigene Freiheitsposition berufen, die den Staat verpflichten könnte, zu ihren Gunsten im Verhältnis zur verfassten Kirche einzugreifen. Aus diesem Grund besteht für die privatrechtlich organisierten kirchlichen Einrichtungen im Verhältnis zur verfassten Kirche und dem kirchlichen Gesetzgeber keine Möglichkeit, sich auf eine mittelbare Grundrechtswirkung zu berufen. Insoweit gilt nichts anderes, als wenn sich ein Kirchenmitglied gegenüber der Kirche, der es angehört, auf die Religionsfreiheit berufen möchte; auch insoweit ist eine mittelbare Grundrechtswirkung im Innenverhältnis ausgeschlossen.201 Weder die Berufsfreiheit noch die Eigentumsfreiheit können daher von Seiten der kirchlichen Arbeitgeber im Verhältnis zum kirchlichen Gesetzgeber als Abwehrrechte aktiviert werden, sodass diesen Grundrechtsverbürgungen für die weitere Untersuchung keinerlei Bedeutung zukommt.202

Anders verhält es sich hinsichtlich der Privatautonomie des Arbeitnehmers. Durch die Einräumung von Regelungsmöglichkeiten zugunsten der Dienstvereinbarungsparteien besteht zumindest die Gefahr, dass die Privatautonomie des Einzelnen über das notwendige Maß hinaus beschränkt wird. Der kirchlichen Regelung wird also aufgrund der Schrankenbestimmung jedenfalls dann die Wirksamkeit im staatlichen Rechtskreis zu versagen sein, wenn die Privatautonomie des einzelnen Arbeitnehmers nicht in ausreichender Weise durch den kirchlichen Gesetzgeber berücksichtigt wurde. Ob ein hinreichender Ausgleich zwischen den widerstreitenden Verfassungspositionen gegeben ist und ob dieser von der Kirche in einer Weise ausgestaltet ist, der den verfassungsrechtlichen Anforderungen im Einzelnen genügt, wird bei der Untersuchung des kirchenrechtlichen Rechtsinstituts der Dienstvereinbarung von besonderer Bedeutung sein. Zusätzlich wird allerdings zu beachten sein, dass auch der verfassungsrechtliche Schutzpflichtauftrag, dem die Begrenzung von Individualfreiheiten immanent ist, in einen Ausgleich mit der Individualrechtsposition des Einzelnen gebracht werden muss.

Schließlich muss das Verhältnis zwischen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht und der Koalitionsfreiheit austariert werden. Der Koalitionsfreiheit kommt aufgrund von Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG eine unmittelbare Drittwirkung zu. Insoweit bindet sie auch die Kirche ohne weiteres unmittelbar als ein für alle geltendes Gesetz.203 Dennoch ist auch zwischen der Ordnung des kirchlichen Dienstes nach dem Selbstverständnis der Kirche und der Koalitionsfreiheit eine Abwägung unter Berücksichtigung der asymmetrischen Ausgangslage vorzunehmen.204 Insoweit wird auch hinsichtlich der Dienstvereinbarung das Verhältnis zu auf der Koalitionsfreiheit beruhenden Regelungsformen zu thematisieren und ein entsprechender Ausgleich nachzuweisen sein.

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