Читать книгу: «Dienstvereinbarungen nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD)», страница 9
Zweites Kapitel: Die normative Wirkung
Die Betriebsvereinbarung und die Dienstvereinbarung erhalten ihre besondere Bedeutung als Regelungsformen des staatlichen Rechts dadurch, dass sie unmittelbar und zwingend für die einzelnen Arbeitsverhältnisse respektive Dienstverhältnisse gelten.275 Für die Betriebsvereinbarung findet sich eine ausdrückliche Anordnung dieser Wirkungsweise in § 77 Abs. 4 BetrVG. Im Personalvertretungsrecht hielt der Gesetzgeber eine derartige Anordnung für entbehrlich,276 ohne dass dies jedoch nach allgemeiner Auffassung der Wirkungsweise der Dienstvereinbarung entgegenstünde.277 Die unmittelbare und zwingende Wirkung begründet den wesentlichen Unterschied zu anderen Regelungsformen, durch die lediglich eine die Betriebsparteien verpflichtende Abrede getroffen wird (Regelungsabrede).278 Die besondere Bedeutung der unmittelbaren und zwingenden Wirkung ergibt sich daraus, dass durch die Wirkungsanordnung das Arbeitsverhältnis ohne Zutun der Arbeitsvertragsparteien gestaltet wird. Die unmittelbare Wirkung findet ihren Ausdruck darin, dass es keiner Umsetzung der in einer Betriebs- oder einer Dienstvereinbarung getroffenen Regelungen durch die Arbeitsvertragsparteien bedarf.279 Die zwingende Wirkung äußert sich darin, dass abweichende Regelungen im Arbeitsvertrag, jedenfalls soweit sie für den Arbeitnehmer ungünstiger sind, durch die Betriebs- oder die Dienstvereinbarung verdrängt werden und stattdessen die Betriebs- oder die Dienstvereinbarung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.280 Die besondere Bedeutung der Regelungsinstrumente erschließt sich daher vom Adressatenkreis. Der einzelne Arbeitnehmer wirkt nicht am Zustandekommen der Betriebs- oder der Dienstvereinbarung mit, sein Arbeitsverhältnis wird aber durch sie gestaltet. Für den Arbeitgeber bietet die Betriebs- oder die Dienstvereinbarung damit eine Möglichkeit, für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen einheitliche Regelungen zu schaffen, ohne dass es einer Umsetzung in jedem Einzelvertrag bedarf; es handelt sich für den Arbeitgeber um „‘das‘ Instrument der innerbetrieblichen Normsetzung“281, mit dem er die Ordnung im Betrieb einheitlich zu gestalten vermag. Häufig wird deshalb im Zusammenhang mit der unmittelbaren und zwingenden Wirkung auch von einer normativen Wirkung gesprochen;282 die Umschreibung mit dem Begriff der „Normwirkung“ darf jedoch nicht zu voreiligen Schlüssen verleiten, insoweit der verwendete Normbegriff zunächst als ein eigenständiger betriebsverfassungsrechtlicher wahrzunehmen ist und nicht notwendigerweise mit dem Normbegriff einer „staatlichen Rechtstheorie“ übereinstimmen muss.283
Das Mitarbeitervertretungsgesetz orientiert sich nicht nur terminologisch an der Begrifflichkeit der „Dienstvereinbarung“, sondern ordnet zugleich in § 36 Abs. 3 MVG-EKD ebenfalls an, dass Dienstvereinbarungen unmittelbar gelten und im Einzelfall nicht abbedungen werden können, also zwingend wirken. Der kirchliche Gesetzgeber geht danach von der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der Dienstvereinbarung aus. Entgegen dieser kirchengesetzlichen Anordnung hat der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts jedoch in seinem Urteil vom 24.06.2014 die unmittelbare und zwingende Wirkung der kirchlichen Dienstvereinbarung für den säkularen Rechtskreis verneint.284 Hatte derselbe Senat noch in einem Urteil vom 19.06.2007 die unmittelbare und zwingende Wirkung von Dienstvereinbarungen auch im Rahmen der kirchlichen Anordnung für möglich gehalten,285 so wurde diese frühere Rechtsprechung nunmehr aufgegeben. Unabhängig von der inhaltlichen Entscheidung erscheint diese Rechtsprechungsänderung in einem obiter dictum durchaus fragwürdig; die Vorinstanz behandelte die Frage jedenfalls nicht.286 Der 1. Senat statuiert im Urteil vom 24.06.2014 in einiger Kürze, dass eine normative Wirkung der Dienstvereinbarung nach § 36 MVG-EKD nicht in Betracht käme. Entscheidend sei, dass es ebenso wie bei den auf dem „Dritten Weg“ zustande gekommenen Arbeitsrechtsregelungen an einer im säkularen Recht enthaltenen Anordnung der normativen Wirkung fehle.287
Wird der besondere Wesensgehalt der kirchlichen Dienstvereinbarung bestritten, so hat dies Auswirkungen auf die gesamte Betrachtung und Beurteilung des mitarbeitervertretungsrechtlichen Rechtsinstituts. Die Frage nach der Wirkungsweise der kirchlichen Dienstvereinbarung muss daher an den Anfang jeglicher weiteren Auseinandersetzung mit dem Regelungsinstrument der Dienstvereinbarung gestellt werden.
275Für die Betriebsvereinbarung siehe nur: DKKW/Berg, § 77 Rn. 88; Fitting, § 77 Rn. 124 ff.; LK/Kaiser, § 77 Rn. 7; GK/Kreutz, § 77 Rn. 35, 186 ff.; HWGNRH/Worzalla, § 77 Rn. 180, 182 f.; für die Dienstvereinbarung siehe nur: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, § 73 Rn. 5; Richardi/Dörner/Weber/C. Weber, Personalvertretungsrecht, § 73 Rn. 21 ff.
276BT-Drs. 7/176, S. 33.
277Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, § 73 Rn. 5; Richardi/Dörner/Weber/C. Weber, Personalvertretungsrecht, § 73 Rn. 21.
278Fitting, § 77 Rn. 216 f.; GK/Kreutz, § 77 Rn. 8 f.; WPK/Preis, § 77 Rn. 92, 95.
279AKS/Andelewski, MVG.EKD, § 36 Rn. 36; entsprechend zur Betriebsvereinbarung GK/Kreutz, § 77 Rn. 237 m.w.N.
280AKS/Andelewski, MVG.EKD, § 36 Rn. 37; entsprechend zur Betriebsvereinbarung GK/Kreutz, § 77 Rn. 254 m.w.N.
281So GK/Kreutz, § 77 Rn. 7.
282Vgl. nur GK/Kreutz, § 77 Rn. 239 ff.; Richardi BetrVG/Richardi, § 77 Rn. 147; Waltermann, Arbeitsrecht, Rn. 873; ebenso zur kirchlichen Dienstvereinbarung: Baumann-Czichon/Gathman/Germer, MVG-EKD, § 36 Rn. 4; Fey/Rehren, MVG-EKD, § 36 Rn. 12.
283So zutreffend GK/Kreutz, § 77 Rn. 242.
284BAG vom 24.06.2014 – 1 AZR 1044/12 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 74 [Rn. 12]; zustimmend LAG Berlin-Brandenburg vom 25.01.2017 – 15 Sa 1891/16, BeckRS 2017, 108497 [Rn. 18].
285BAG vom 19.06.2007 – 1 AZR 340/06 – AP KSchG 1969 § 1a Nr. 4 [Rn. 41].
286Vgl. LAG Hamm vom 08.11.2012 – 8 Sa 803/12 – LAGE § 611 BGB 2002 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 7.
287BAG vom 24.06.2014 – 1 AZR 1044/12 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 74 [Rn. 12].
§ 4 Legitimationsbedürfnis für die normative Wirkung
Die Wirkung einer Regelung ist aus der Perspektive des Adressaten zu bestimmen. Soll eine Regelung gleichsam normativ die Rechtsposition des Adressaten gestalten, bedarf dies ihm gegenüber der Legitimation.288 Andernfalls würde sich die Regelung als ein willkürlicher Eingriff in die Rechtsposition des Adressaten darstellen. Legitimieren bedeutet folglich, gegenüber dem betroffenen Adressaten zu begründen, weshalb „ein Sein, ein Sollen oder ein Wollen rechtliche Anerkennung verdient“.289 Als Adressaten der Dienstvereinbarung kommen bei einer privatrechtlichen Organisation des kirchlichen Dienstes die Arbeitsvertragsparteien, also die Dienststellenleitung und die arbeitsvertraglich beschäftigten Mitarbeiter in Betracht.290
Wird der Blick auf die privatautonom begründete Bindung geworfen, so ist es vor dem Hintergrund der grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG gesicherten Vertragsfreiheit selbstverständlich, dass die Vertragsparteien die Befugnis haben, ihr Vertragsverhältnis zu gestalten. Insoweit handeln sie in Wahrnehmung ihrer freiheitlichen Selbstbestimmung.291 Stellte sich auch das Handeln der Dienstvereinbarungsparteien noch als (verlängerte) freiheitliche Selbstbestimmung der Vertragsparteien dar, so ist die Frage nach einer Legitimation der Normwirkung nicht in gleicher Weise wie bei einer heteronomen Regelung aufgeworfen. Vielmehr handelte es sich sodann bei der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der Dienstvereinbarung noch um einen zumindest mittelbaren Ausfluss der privatautonomen Entscheidung der Arbeitsvertragsparteien.
Anders verhielte es sich jedoch, wenn festgestellt wird, dass die Dienstvereinbarungsparteien nicht in der Verlängerung der freiheitlichen Selbstbestimmung der Vertragsparteien tätig werden. Hiernach hätte die Dienstvereinbarung eine ausschließlich heteronome Wirkung, die die Frage aufwirft, inwieweit eine Legitimation der Fremdwirkung von außen an die Dienstvereinbarung herangetragen werden kann. Insofern ist unbestritten, dass der Staat unter Wahrnehmung seiner staatlichen Rechtsetzungsgewalt bei Beachtung der verfassungsrechtlichen Bindungen Gesetze erlassen kann, die normativ für den jeweiligen Adressaten gelten und für diesen eine klassische Fremdbestimmung begründen.292 Die Legitimation der Gesetzeswirkung gegenüber den Bürgern beruht auf der sachlichen und personellen Rückführbarkeit des jeweiligen Gesetzes auf die demokratische Wahlentscheidung des Staatsvolkes.293
Die beiden genannten Legitimationsverläufe finden ihre abstrakte Entsprechung in der Unterscheidung zwischen der grundrechtlichen und der staatlichdemokratischen Legitimation, die Isensee als die „Fundamentalalternative des Verfassungsrechts“ bezeichnet hat.294 Für Regelungen im Arbeitsrecht bedeutet dies, dass sie entweder ausgehend von einer privatautonomen (vertraglichen) oder ausgehend von einer staatlich-demokratischen Legitimation gegenüber dem Adressaten zu rechtfertigen sind.295
Wird für die Betriebsvereinbarung nach staatlichem Recht die Legitimation der Rechtsetzung der Betriebsparteien zwischen diesen beiden Polen gesucht, mag im kirchlichen Bereich noch eine weitere mögliche Legitimationsgrundlage hinzutreten: das Selbstbestimmungsrecht der Kirche. Dies mag angesichts der postulierten „Fundamentalalternative“ zunächst überraschend erscheinen, andererseits erhält das kirchliche Recht seine Anerkennung im staatlichen Rechtskreis ebenfalls ausschließlich durch das staatliche Verfassungsrecht. Die kirchliche Gesetzgebung, die sich im Rahmen der verfassungsrechtlichen Gewährleistung bewegt, bezieht ihre Legitimation folglich über den demokratisch legitimierten Verfassungsgeber, sodass in einem weiten Sinn noch von einer staatlich-demokratisch vermittelten Legitimation gesprochen werden kann. Die Unabhängigkeit der kirchlichen Rechtsetzung von den üblichen Anforderungen – wie beispielsweise die unmittelbare Grundrechtsbindung oder die Bindung an das Rechtsstaatsprinzip –, die an den staatlichen parlamentarischen Gesetzgeber zu stellen sind, erlaubt es aber, im Rahmen der Legitimation der Normwirkung kirchlicher Dienstvereinbarungen von einer eigenen zusätzlichen Legitimationsoption zu sprechen.
Vor diesem Hintergrund bestehen für die Legitimation der Rechtsetzung der kirchlichen Dienstvereinbarungsparteien drei mögliche Ansatzpunkte: Zum Ersten die Rückführung der Rechtsetzungsbefugnisse auf die Selbstbestimmung der Arbeitsvertragsparteien (hierzu § 5), zum Zweiten die Rückführung der Rechtsetzungsbefugnisse auf die staatliche Rechtsetzungsmacht (hierzu § 6) und zum Dritten die Rückführung der Rechtsetzungsbefugnisse auf die kirchliche Rechtsetzungsmacht (hierzu § 7).
288Allgemein zur Tragfähigkeit des Legitimationsgedankens für die Begründung einer rechtswissenschaftlichen Regelsetzungslehre Bachmann, Private Ordnung, S. 159 ff.
289So Isensee, Der Staat 20 (1981), 161; bestätigend Hartmann, Negative Tarifvertragsfreiheit, S. 107.
290AKS/Andelewski, MVG.EKD, § 36 Rn. 36 ff.; Baumann-Czichon/Gathman/Germer, MVG-EKD, § 36 Rn. 4 ff.; Fey/Rehren, MVG-EKD, § 36 Rn. 12 ff.
291Flume, AT BGB, Band 2, S. 7 f., 10; allgemein zur Legitimationskraft der Grundrechte Isensee, Der Staat 20 (1981), 161, 162 f.
292Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, S. 234 ff.; Herrmann, NZA-Beil. 2000, 14, 20.
293Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG II. Rn. 117 ff.; BeckOK GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 93 ff.
294Der Staat 20 (1981), 161, 168.
295So auch wiederholt das Bundesverfassungsgericht, vgl. nur die Entscheidungen vom 25.02.1988 – 2 BvL 26/84, BVerfGE 78, 32, 36 [B. 2.]; vom 14.06.1983 – 2 BvR 488/80, NJW 1984, 1225 [B. II. 1]; vom 24.05.1977 – 2 BvL 11/74, NJW 1977, 2255, 2258 [B. II. 2. b)]; für die Literatur siehe insbesondere Säcker, Gruppenautonomie, S. 342 ff.; Säcker, ZfA-Sonderheft 1972, 41, 50; ferner auch: Hartmann, Negative Tarifvertragsfreiheit, S. 101 ff.; E. Picker, NZA 2002, 761, 763, 768; Richardi, Anm. zu BAG vom 20.03.2002, AP Nr. 53 zu Art. 140 GG; Veit, Die funktionelle Zuständigkeit des Betriebsrats, S. 150, 189 f.
§ 5 Rückführung der normativen Wirkung auf die freiheitliche Selbstbestimmung der Arbeitsvertragsparteien
Die Einigung beim Vertragsschluss realisiert die freiheitliche Selbstbestimmung beider Vertragsparteien. Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis legitimieren sich aus der freien Entscheidung beim Vertragsschluss. Geltungsgrund ist das Rechtsgeschäft, der Arbeitsvertrag, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Schließen nun aber Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung eine Dienstvereinbarung ab, die nach ihrem Willen das Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend gestalten soll, steht die privatautonome Legitimierung dieser Geltungsanordnung jedenfalls für den Arbeitnehmer in Frage. Nicht er, sondern die Mitarbeitervertretung ist am Abschluss der Dienstvereinbarung beteiligt, sodass die Rückanbindung an seine privatautonome Entscheidung nicht auf der Hand liegt. Anders verhält es sich für den Arbeitgeber, gegen dessen Willen aufgrund seiner unmittelbaren Beteiligung am Abschluss jedenfalls eine Dienstvereinbarung nicht zustande kommen kann.296 Die Legitimationsproblematik stellt sich für den Arbeitgeber hingegen an anderer Stelle und zwar bereits dort, wo die Mitbestimmungsregelungen des Mitarbeitervertretungsgesetzes seine Befugnis zur einseitigen Leistungsbestimmung, also sein Direktionsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer beschränken. Da sich der kirchliche Arbeitgeber gegenüber dem kirchlichen Gesetzgeber jedoch nicht auf eine eigene, selbstständige Freiheitsposition berufen kann,297 stellt sich insoweit kein gesondert zu behandelndes Legitimationsproblem. Im Übrigen kann der Arbeitgeber nicht zum Abschluss einer Dienstvereinbarung durch die Mitarbeitervertretung gezwungen werden; der Abschluss der Dienstvereinbarung ist im kirchlichen Bereich immer ein Akt der Freiwilligkeit.
Weiter zu verfolgen ist freilich die Frage nach der Legitimation der Dienstvereinbarungsparteien gegenüber dem Arbeitnehmer als nicht regelungsbeteiligtem Adressaten der Dienstvereinbarung. Die Bindung des Arbeitnehmers an die Dienstvereinbarung aufgrund eigener privatautonomer Entscheidung ist indessen nicht bereits schon dadurch ausgeschlossen, dass er am Abschluss der Dienstvereinbarung nicht unmittelbar beteiligt ist. Das Privatrecht kennt sehr wohl auch solche Konstellationen, in denen sich die Geltung einer Vereinbarung nur mittelbar auf eine selbstbestimmte Entscheidung des Gebundenen zurückführen lässt. Die Fremdwirkung erweist sich in diesen Fällen noch nicht als Fremdbestimmung.298 Solche die freiheitliche Selbstbestimmung des Einzelnen wahrende Konstellationen sind auch gesetzlich niedergelegt. Als Beispiele lassen sich die rechtsgeschäftliche Stellvertretung gemäß der §§ 164 ff. BGB, die Bestimmung einer Leistung durch einen Dritten gemäß der §§ 317 ff. BGB oder der Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB benennen. Für einen privatrechtlichen Erklärungsansatz, der die unmittelbare und zwingende Wirkung der Dienstvereinbarung auf eine selbstbestimmte Entscheidung des Arbeitnehmers zurückzuführen sucht, liegt die Anknüpfung an diese gesetzlich etablierten Konstellationen nahe.
A. Begünstigende Regelungen – Vertrag zugunsten Dritter
So könnte jedenfalls hinsichtlich solcher Regelungen, die den Arbeitnehmer ausschließlich begünstigen, die Frage nach der Legitimation einfach zu beantworten sein. § 328 BGB regelt den Vertrag zugunsten Dritter, also eine Vereinbarung zwischen zwei Vertragspartnern, durch die einem Dritten Leistungen zugewendet werden. Die Rechtsposition des Dritten wird durch die Zuwendung ausschließlich verbessert. Ausgehend von diesem Faktum wird zur Betriebsvereinbarung teils gefolgert, dass es einer weiteren Rechtfertigung gegenüber dem Arbeitnehmer nicht bedürfe, soweit die Betriebsvereinbarung nur begünstigende Regelungen beinhalte.299
Dennoch ist zu berücksichtigen, dass die Mitarbeitervertretung mit dem Abschluss einer Dienstvereinbarung, die isoliert betrachtet ausschließlich die Arbeitnehmer begünstigende Regelungen enthält, nicht dem einzelnen Individualinteresse immer vollständig entsprechen muss. Denn durchaus denkbar ist es, dass ein Arbeitnehmer vor Vertragsschluss darauf hinweist, dass für ihn die in der Dienstvereinbarung gewährten Leistungen vollkommen unwichtig sind und er auf diese gerne verzichten würde, wenn ihm dafür eine gleichwertig andere, ihm persönlich aber wichtigere Leistung gewährt werde. Der Arbeitgeber wird in dieser Situation wohl häufig nicht bereit sein, eine andersartige begünstigende Leistung zu gewähren, da er wegen der unabdingbaren Wirkung der Dienstvereinbarung weiterhin zur Leistung verpflichtet bliebe und einem späteren Verlangen des Arbeitnehmers zur nun zusätzlichen Gewährung der durch die Dienstvereinbarung versprochenen Leistung nicht dessen „Verzicht“ entgegenhalten könnte. Die zwingende Wirkung wird bei andersartigen Leistungen auch nicht durch die Anwendung des Günstigkeitsprinzips aufgehoben.300 Die bei isolierter Betrachtung bestehende Begünstigung wirkt sich also deshalb nachteilig aus, weil der einzelne Arbeitnehmer nicht rechtswirksam auf die durch die Dienstvereinbarung zugewendete Leistung verzichten kann.301
Insoweit greift der Verweis auf den Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB zu kurz, da in diesem Zusammenhang die freiheitliche Selbstbestimmung des Dritten jedenfalls durch das Zurückweisungsrecht des § 333 BGB gewahrt bleibt. Einer freiheitlichen Entscheidung des Zuwendungsempfängers steht jedoch bei der Dienstvereinbarung ihr zwingender Charakter, also die Unabdingbarkeit der zugewendeten Leistung entgegen. Dass auch im Rahmen des § 333 BGB trotz Zurückweisung der Leistung im Deckungsverhältnis die Verpflichtung zur Leistung bestehen bleiben kann,302 hat für die Bewertung des Legitimationsbedürfnisses im Zuwendungsverhältnis keine Bedeutung.303 Wird das Zurückweisungsrecht ausgeschlossen,304 wird dadurch belastend in die Position des Arbeitnehmers eingegriffen, indem seine freie Entscheidung über die Annahme oder Zurückweisung der Leistung übergangen wird. Es ist also die zwingende Wirkung der Dienstvereinbarung, die sich für den Adressaten als besonders belastend erweist.305
Aus Sicht des Arbeitnehmers können folglich grundsätzlich sowohl belastende als auch begünstigende Regelungen in Dienstvereinbarungen legitimationsbedürftig sein. Der Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB vermag bei gleichzeitigem Ausschluss des Zurückweisungsrechts weder begünstigende noch belastende Regelungen in Dienstvereinbarungen vollständig zu rechtfertigen. Zutreffend ist nur, dass die Anforderungen an die Rechtfertigung bei einer begünstigenden Regelung wohl regelmäßig niedriger anzusetzen sind als bei einer belastenden, da häufig wohl die Mehrzahl der Arbeitnehmer mit der Begünstigung einverstanden sein und diese nicht zugleich als mittelbare Belastung empfinden werden.
B. Zurechnung fremden Handelns – rechtsgeschäftliche Unterwerfung unter ein Dritthandeln
Die rechtsgeschäftliche Stellvertretung gemäß der §§ 164 ff. BGB ist der „Prototyp“306 der Zurechnung eines Dritthandelns, das auf eine selbstbestimmte Entscheidung des Vertretenen zurückzuführen ist, und steht deshalb nicht im Gegensatz zu einer privatautonomen Legitimation. Sie stellt vielmehr deren „konsequente Durchführung“ dar.307 Der Vertreter kann den Vertretenen sowohl berechtigen als auch verpflichten; zugerechnet werden sämtliche Handlungen des Vertreters, egal ob sie den Vertretenen belasten oder begünstigen. Im Einzelnen setzt die gewillkürte Stellvertretung voraus, dass der Vertreter eine eigene Willenserklärung im Namen des Vertretenen abgibt und sich dabei im Rahmen der rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) hält.308 Für die Legitimation der Zurechnung des Vertreterhandelns an den Vertretenen sind jedoch nicht alle Voraussetzungen der Stellvertretung von gleicher Bedeutung. Die umfassende Bindung des Vertretenen wird bei der gewillkürten Stellvertretung allein dadurch gerechtfertigt, dass sich im Vertreterhandeln mittelbar dessen Selbstbestimmung verwirklicht. Das entscheidende Bindeglied zwischen dem Vertreterhandeln und der Selbstbestimmung des Vertretenen liegt in der Erteilung der Vollmacht.309 Folglich steht auch das Abweichen von den übrigen Voraussetzungen der Stellvertretung nicht der Annahme einer freiheitlich selbstbestimmten Entscheidung des Vertretenen entgegen, solange jedenfalls das Kernelement – die Vollmachtserteilung – als Garant für die freiheitliche Selbstbestimmung gegeben ist. Die Stellvertretung gemäß der §§ 164 ff. BGB stellt insoweit jedoch nur den gesetzlichen Regelfall der Zurechnung eines Dritthandelns aufgrund mittelbar freiheitlicher Selbstbindung dar. Auch abweichende Modelle, in denen der Vertreter beispielsweise in eigenem Namen handelt, stehen der Annahme der freiheitlichen Selbstbestimmung des Vertretenen nicht prinzipiell entgegen.310
Dieser Befund ist der Verallgemeinerung zugänglich: Für die rechtsgeschäftliche Begründung der unmittelbaren und zwingenden Wirkung eines Dritthandelns ist die privatautonome Unterwerfung unter die Fremdwirkung des Dritthandelns notwendig.311 Das Element rechtsgeschäftlicher Unterwerfung findet sich daher auch im Rahmen der §§ 317 ff. BGB; die Leistungsbestimmung durch den Dritten lässt die Selbstbestimmung des Betroffenen insoweit unberührt, als er sich der Leistungsbestimmung zuvor freiwillig unterworfen hat.
Soll sich eine Fremdwirkung aus einem wiederum rechtsgeschäftlichen Dritthandeln ergeben – so wie es bei der Dienstvereinbarung der Fall ist –, so reicht es zudem aus, dass die privatautonome Unterwerfung nur gegenüber einer Partei erfolgt. Die notwendige privatautonome Legitimation wird dadurch vermittelt, dass die mit dem Dritten abgeschlossene Regelung nicht gegen den Willen des Vertragspartners zustande kommen kann, dessen Handeln gegenüber dem Regelungsbetroffenen legitimiert ist.312
Vor diesem Hintergrund könnte die Geltung der Dienstvereinbarung gegenüber den Mitarbeitern darauf zurückzuführen sein, dass diese sich in Wahrnehmung ihrer Privatautonomie entweder dem Handeln der Mitarbeitervertretung (hierzu unter I.) oder dem Handeln der Dienststellenleitung (hierzu unter II.) unterworfen haben. Schließlich bleibt zu prüfen, ob sich die Mitarbeiter dem gemeinsamen Handeln der Dienststellenpartner unterworfen haben (hierzu unter III.).