Das Dekameron

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Из серии: Literatur (Leinen)
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Als sie nun beide allein in der Kammer waren und Ricciardo sich neben die Dame gesetzt hatte, fing er wieder an:

„Ach, liebstes Herz meines Leibes, du Wonne meiner Seele, du süßes Ziel aller meiner Wünsche! Kennst du denn deinen Ricciardo nicht mehr, der dich mehr als sein Leben liebt? Wie ist das möglich? Habe ich mich denn so verändert? Du Licht meiner Augen, betrachte mich doch ein wenig!“

Die Dame lachte und unterbrach seine Rede mit diesen Worten: „Ihr könnt wohl denken, dass ich nicht so kurz von Gedächtnis bin, dass ich nicht wissen sollte, dass Ihr Ricciardo Chinzica, mein Gemahl seid. Allein solange ich bei Euch war, habt ihr mir bewiesen, dass Ihr mich sehr wenig kennt. Wenn Ihr weise wäret, wie Ihr zu sein scheinen wollt, so müsstet Ihr wohl eingesehen haben, dass ich ein junges, frisches, munteres Geschöpf war, und musstet wissen, was die jungen Weiber außer Nahrung und Kleidung noch sonst bedürfen, wenn sie es sich aus Scham auch nicht merken lassen. Wie Ihr es damit gehalten habt, das wisst Ihr am besten, und wenn es Euch mehr Vergnügen machte, die Rechte zu studieren als Euer Weib, so hättet Ihr keine Frau nehmen sollen, wiewohl Ihr mir auch nie wie ein Richter vorgekommen seid, sondern vielmehr wie ein Ausrufer, der die Fasten und Feiertage und Vigilien verkündigt. Das sage ich Euch: Wenn Ihr den Arbeitern, die Euch Eure Äcker bestellen, so viele Feiertage erlaubt als demjenigen, der mein kleines Feldchen bebauen sollte, so hättet Ihr nie ein einziges Korn geerntet. Ich habe mich demjenigen ergeben, den mir der Himmel, der meine Jugend mitleidig angesehen, zugeschickt hat. Mit ihm bewohne ich diese Kammer, in welcher man nichts von solchen Feiertagen weiß wie den Eurigen, an welchen Ihr dem Himmel so fleißig dientet, dass die Frau leer ausgehen musste. Über diese Schwelle kommt weder Sabbat noch Feiertag, weder Vigilien, Quatember, noch Fastenzeit, die kein Ende nimmt, sondern wir sind geschäftig bei Tage und bei Nacht, Wolle zu zupfen, und ich wüsste davon zu erzählen, wie viel wir von der Frühmesse bis zur Vesperzeit schon vor uns gebracht. Deswegen bin ich willens hier zu bleiben und nicht müßig zu sein, solange ich jung bin, und die Feiertage, Bußtage und Fasten bis zum Alter aufzuschieben. Ihr könnt indessen nur sobald als möglich mit Gott gehen und ohne mich fasten und feiern, so viel Euch beliebt.“ Messer Ricciardo glaubte sich auf die Folter gespannt, als er diese Worte hörte. Da seine Frau schwieg, gab er ihr zur Antwort: „Mein liebstes Leben! Was sind das für Reden, die du führst? Hast du denn gar keine Achtung vor deiner eigenen Ehre und vor der Ehre deiner Eltern? Willst du lieber in beständiger Todsünde leben und die Hure dieses Menschen sein, als in Pisa meine ehelich angetraute Gemahlin? Wenn dieser einmal deiner müde wird, so wird er dich mit Schande fortschicken. Ich aber werde dich immer lieben, und wenn ich auch nicht mehr lebe, so wirst du doch die Gebieterin in meinem Hause bleiben. Kannst du um dieser ungezügelten und unziemlichen Lust willen deine Ehre vergessen und mich, der ich dich mehr als mein Leben liebe? Ich bitte dich, süßester Trost meines Lebens, rede doch nicht so; bequeme dich, mit mir zu gehen, ich will von nun an, da ich deine Wünsche weiß, mir alle Mühe geben, dir zu gefallen. Ändere demnach deinen Sinn, mein süßer Schatz, und komm mit mir, denn ich habe keine ruhige glückliche Stunde gekannt, seitdem ich dich missen musste.“

„Um meine Ehre“, sprach die Dame, „braucht sich jetzt, da es zu nichts mehr helfen kann, niemand außer mir selbst zu bekümmern. Das hätten meine Eltern tun sollen, ehe sie mich Euch gaben, und wenn sie damals sich nicht um meine Ehre bekümmert haben, so bekümmere ich mich jetzt auch nicht um die ihrige. Ob ich hier Todsünde begehe oder das Leben gewinne, das braucht Euch nicht mehr Sorge zu bereiten als mir. Lasst Euch nur sagen, dass ich eher glaube, des Paganino Frau zu sein, und dass ich in Pisa mich nur für Eure Hure hielt, da noch die Vereinigung der Planeten zwischen Euch und mir sich nach den Aspekten des Mondes und geometrischen Berechnungen richten musste, während Paganino mich nie aus seinen Armen lässt, mich drückt und beißt, und was er alles mit mir anstellt, das weiß der Himmel. Ihr sagt mir, Ihr wollt Euch künftig Mühe geben. Womit denn? Ihr müsst ihn ja erst mit Reiben hochbringen und nehmt dreimal Anlauf. Ihr seid wohl seit meiner Abwesenheit ein ganzer Held geworden? Geht doch und gebt Euch Mühe, Euer Leben zu fristen, wiewohl es mir scheint, dass Ihr in Eurem Körper nur zur Miete wohnt, so schwindsüchtig und abgemergelt seht Ihr aus. Und wisset überdies: Wenn Paganino mich auch verließe, wozu er eben nicht geneigt zu sein scheint, solange ich selbst nur bei ihm bleiben will, so käme ich doch nimmer wieder zu Euch. Denn wenn man Euch auch auspresste, so gäbt Ihr doch kein Näpfchen voll Saft. Da ich es nun zu meinem Schaden und Nachteil schon einmal mit Euch versucht habe, so würde ich mich auf alle Fälle lieber anderswo zu versorgen suchen. Darum sage ich noch einmal: Hier gibt‘s keine Fasten- und Feiertage, und deswegen will ich hier bleiben, und Euch rate ich, dass Ihr mit Gott geht, so geschwind Ihr könnt, oder ich schreie, dass Ihr mir Gewalt antun wollt.“

Da Messer Ricciardo fand, dass seine Sache so schlecht bestellt war, und er nunmehr zu spät einsah, dass er töricht gehandelt hatte, als abgelebter Greis ein junges Weib zu nehmen, ging er voll Traurigkeit, Schmerz und Verzweiflung hinaus und gab dem Paganino eine Menge bitterer Worte, die ihm aber zu nichts halfen. Endlich ließ er seine Frau fahren und zog unverrichteter Sache wieder nach Pisa, wo er vor Schmerz in eine solche Zerrüttung des Gehirns geriet, dass er allen, die ihn auf der Straße grüßten oder die ihm sonst etwas sagten, nie eine andere Antwort gab als: „Das böse Ding will keine Fastentage.“ Er starb auch bald nachher, und als Paganino seinen Tod erfuhr und von der Liebe der jungen Witwe überzeugt war, nahm er sie zur rechtmäßigen Frau und fuhr fort, mit ihr nach der alten Weise zu leben und sich an keine Feiertage, Fasten und Vigilien zu kehren, sondern sich‘s wohl sein zu lassen, solange sie beide ihre Beine tragen wollten. Darum bin ich der Meinung, meine Damen, dass Herr Bernabo bei seinem Streit mit Ambrogiuolo das Pferd beim Schwanz aufgezäumt hat.

Dies Geschichtchen gab der ganzen Gesellschaft so viel zu lachen, dass niemand war, dem nicht die Kinnladen schmerzten. Die Damen erklärten einmütig, Dioneo habe recht, und Bernabo sei ein Narr gewesen. Wie die Erzählung geendigt und das Lachen abebbte, und die Königin fand, dass es spät geworden und Zeit wäre, ihre Regierung niederzulegen, nahm sie den Kranz von ihrem Haupte, und indem sie ihn mit leutseliger Miene Neifilen aufsetzte, sprach sie zu ihr: „Liebe Gespielin, übernimm du nunmehr die Regierung dieses kleinen Volkes.“ Sie setzte sich darauf zu den übrigen Damen, und Neifile, die ein wenig über die ihr erwiesene Ehrenbezeugung errötete, stand da wie die frische Rose im April oder im Wonnemond beim Anbruche des Tages, und ihre lebhaften Augen, die wie der Morgenstern strahlten, senkten sich unmerklich nieder. Als aber das Gemurmel des Beifalls, welchen die Umstehenden ihrer neuen Königin willig zollten, sich gelegt hatte, fasste sie sich wieder, nahm einen etwas erhabeneren Sitz ein und sagte: „Da ich eure Königin sein soll, so will ich mich nicht von dem Pfade entfernen, den meine Vorgängerinnen beobachtet haben, denen ihr durch euren Gehorsam eure Zufriedenheit mit ihrer Regierung bewiesen habt, und will euch mit wenigen Worten meinen Plan vorlegen, den wir, wenn er eure Zustimmung erhält, befolgen wollen: Morgen, wie ihr wisset, ist Freitag, und am folgenden Tage Sonnabend, zwei Tage, die vielen Leuten wegen der Fastenspeisen, die man dann genießt, ein wenig beschwerlich scheinen, abgesehen davon, dass der Freitag, an welchem derjenige leiden musste, der für unser Leben in den Tod ging, besondere Auszeichnung verdient und meiner Meinung nach mit Recht viel mehr zur Ehre Gottes in Gedanken an ihn mit Gebeten als mit lustigen Erzählungen zugebracht werden sollte. Am Sonnabend pflegen wir Frauen uns wohl den Staub und andere Unreinigkeiten aus den Haaren zu kämmen, die im Laufe der Woche sich darauf angesammelt haben, und sie zu waschen, und viele pflegen aus Ehrfurcht für die heilige Jungfrau, die Mutter Gottes, zu fasten, und sich hernach zur Ehre des folgenden Sonntags aller Arbeit zu enthalten. Da wir also an diesem Tage unsere gewöhnliche Ordnung nicht ganz befolgen können, so deucht mich, dass wir auch an ihm unsere Erzählung aussetzen sollten. Und da wir ferner alsdann schon vier Tage hier werden zugebracht haben, so halte ich für gut, wenn wir nicht durch fremde Leute gestört werden wollen, dass wir einen anderen Aufenthalt wählen, den ich mir auch schon ausersehen habe. Wenn wir da am Sonntag versammelt sind und nach gehaltener Mittagsruhe zusammenkommen, so denke ich, da wir heute Zeit genug haben werden, uns zu besprechen, und Zeit genug zum Nachsinnen, und da es überdies einen neuen Reiz für uns haben wird, so sollten wir diesmal dem Gegenstand unserer Erzählung noch engere Schranken setzen und unter den mancherlei Schicksalen der Menschen uns einen Fall besonders auswählen. Wir wollen von denen reden, die durch Scharfsinn etwas Heißersehntes erreichten oder Verlorenes wiedergewonnen haben. Hierüber denke ein jeder nach, um uns Nützliches oder wenigstens Unterhaltendes darüber zu sagen, mit Ausnahme der Freiheit, die unserem Dioneo vorbehalten bleibt.“

Ein jeder lobte die Rede der Königin, billigte ihren Vorschlag, und man beschloss, so zu verfahren.

Darauf ließ die Königin ihren Haushofmeister rufen und befahl ihm, wo er am Abend die Mahlzeit anrichten und wie alles während der ganzen Zeit ihrer Regierung gehalten werden solle. Alsdann stand sie auf und beurlaubte die Gesellschaft, um ihr Vergnügen zu suchen, wo ein jeder wolle.

 

Die Damen und Herren zerstreuten sich demnach in den Gärten, wo sie sich eine Zeitlang belustigten und sich hernach zum fröhlichen Abendmahl wieder einstellten.

Nach der Mahlzeit führte Emilia auf der Königin Wunsch einen Reihentanz auf, zu dem Pampinea folgendes Lied sang, in das die Übrigen einstimmten:

Welch Mädchen sänge wohl, wenn die nicht singt,

der jeder Wunsch des Herzens leicht gelingt?

Komm, Amor, Urquell aller meiner Freuden,

die mich nach langem Harren jetzt beglücken,

komm, dass ich mit dir singe:

nicht von dem Schmerz, nicht von den bitteren Leiden,

denn sie erhöhen nur noch mein Entzücken;

nein, unser Lied erklinge

nur davon, wie dein Feuer mich durchdringe,

indem ich dich als meinen Gott besinge.

Du ließest selbst den Jüngling mich erblicken

(als deine Flamme ich zuerst empfunden),

der mir so hold von Wesen,

so männlich schön, voll Glanz in seinen Blicken

und Anstand schien, dass ich nie den gefunden,

der ähnlich ihm gewesen:

ja, so durchdringt die Liebe jetzt mein Wesen,

dass ich sie freudig, Herr, mit dir besinge.

Zur höchsten Wonne muss es mich erheben,

dass, wie er mir gefiel, ich ihm gefalle,

Amor, dank deiner Gnade!

Und wie ich meinen Wunsch in diesem Leben

erreicht, so hoff‘ ich auch, wenn ich einst walle

an Acherons Gestade,

dass meine Treue mir im goldenen Lande,

ein Edelstein, mir neue Freuden bringe.

Nach diesem wurden noch einige Lieder gesungen, Tänze getanzt und verschiedene Instrumente gespielt. Als es Zeit war, sich zur Ruhe zu begeben, ließ die Königin einen jeden mit Fackeln in sein Gemach begleiten; die beiden folgenden Tage wurden so zugebracht, wie die Königin gesagt hatte, und ein jeder sah mit Verlangen dem Sonntag entgegen.

Es schließt der zweite Tag des Dekameron.

ES BEGINNT DER DRITTE TAG DES DEKAMERON

Es wird unter Neifilens Vorsitz von denjenigen gehandelt, die durch Scharfsinn etwas Heißersehntes erreichten oder Verlorenes wiedergewonnen haben.

Die Morgenröte fing am Sonntag schon an, dem goldenen Strahl der aufgehenden Sonne zu weichen, als die Königin aufstand und die übrige Gesellschaft wecken ließ. Der Haushofmeister hatte schon lange vorher die notwendigsten Sachen voraus nach dem Orte geschickt, wohin man sich begeben wollte, und hatte Anstalten getroffen, die Gesellschaft daselbst zu empfangen. Als er nun sah, dass die Königin mit ihrer Gesellschaft aufbrach, ließ er auch alles Übrige aufpacken, brach gleichsam das Lager ab und zog mit dem ganzen Gepäck und mit der übrigen Dienerschaft den Damen und Herren auf dem Fuße nach.

Die Königin wandelte gemächlich mit ihren Damen und mit den drei Herren unter dem Gesange der Nachtigallen und mancherlei anderer Vögel auf einem wenig betretenen Pfad, der aber mit lieblichen Kräutern und Blumen überdeckt war, die beim Aufgang der Sonne sich öffneten. Als sie unter anmutigem Gespräch, Scherzen und Lachen mit ihrer Gesellschaft kaum zweitausend Schritte westwärts gegangen war, führte sie die Königin noch vor Ablauf der dritten Morgenstunde nach einem schönen und prächtigen Palast, der auf einer kleinen Anhöhe erbaut war. Als sie eintraten und alles besahen, und die Säle und Zimmer gereinigt und geschmückt, und mit allem aufs Vollkommenste versehen fanden, was zum Hausrat gehört, hielten sie mit ihrem Lobe nicht zurück und meinten, der Eigentümer müsse ein sehr reicher Herr sein. Noch mehr gefielen ihnen, wie sie hinuntergingen, der freundliche und geräumige Hof, die mit vortrefflichen Weinen gefüllten Keller und das kühle Wasser, welches in Menge hervorsprudelte. Um von ihrer kleinen Wanderung auszuruhen, setzten sie sich nieder auf einer Terrasse, von der man den ganzen Hof übersehen konnte, wo alles mit Laub und Blumen, der Jahreszeit gemäß, ausgeschmückt war. Der gewandte Haushofmeister kam und bediente sie mit auserlesenem Konfekt und köstlichen Weinen. Hierauf ließen sie sich den Garten öffnen, der an den Palast stieß und mit einer Mauer umgeben war und dessen Pracht und Schönheit im Ganzen ihnen Lust machte, auch die einzelnen Teile aufmerksam zu beobachten. Er ward in allen Richtungen von breiten, langen und geraden Gängen durchschnitten, über denen sich die üppigen Ranken des Weinstockes wölbten, die dieses Jahr eine reichliche Lese versprachen und jetzt alle in voller Blüte standen. Ihr Geruch verbreitete sich in dem ganzen Garten und duftete, mit den Wohlgerüchen vieler anderer Gewächse vermischt, ihnen so lieblich entgegen, dass sie glaubten, in die gewürzreichsten Gegenden des Orients versetzt zu sein. Die Gänge waren an beiden Seiten mit Gebüsch von roten und weißen Rosen und Jasmin so dicht eingefasst, dass sie nicht nur des Morgens Wohlgeruch und Schatten gewährten, sondern auch bei dem höchsten Stande der Sonne den Wandelnden vor der Hitze ihrer Strahlen schützten. Es wäre zu weitläufig zu beschreiben, wie viele und mannigfaltige Pflanzen daselbst befindlich und wie sie geordnet waren. Genug, es gibt keine einzige merkwürdige, die unser Himmelsstrich nur hervorbringen kann, welche sich hier nicht in überreichlicher Menge befand. Nicht weniger bezaubernd, und vielleicht das Lieblichste in diesem Garten, war ein großer Rasenplatz, in der Mitte bedeckt mit den feinsten Gräsern, deren dunkles und fast schwarzes Grün mit dem Schmelz von tausendfarbigen Blumen geschmückt und ringsum von Zedern eingefasst und von lebhaft grünenden Pomeranzen, die mit reifen und unreifen Früchten sowohl als mit Blüten prangten, und Schatten und Wohlgeruch zugleich verbreiteten. Mitten auf diesem Rasenplatze stand ein Becken von dem weißesten Marmor, mit dem künstlichsten Bildwerk verziert. Auf einem Fußgestelle in der Mitte desselben ragte eine Bildsäule, die (ich weiß nicht ob durch natürliche Kraft oder durch Kunstwerk getrieben) einen so starken und hohen Wasserstrahl emporspritzte, dass es bei Weitem nicht so viel Wassers bedurft hätte, um eine Mühle zu treiben. Mit einem angenehmen Rauschen plätscherte das Wasser wieder in das Becken herunter, und der Überfluss ergoss sich durch unterirdische Röhren in verschiedene Kanäle, die den Rasenplatz rings umgaben, und ward von diesen wieder anderen mitgeteilt, die den ganzen Garten bewässerten, bis es sich endlich an einem Orte sammelte, wo es aus dem Garten floss und, nachdem es zum großen Nutzen des Hausherrn zwei Mühlen getrieben hatte, so hell wie Kristall in das Tal hinabströmte. Die herrlichen Anlagen, die seltenen Pflanzen, samt den Springbrunnen und Bächen, die sie bewässerten, wurden von den Damen und Herren so reizend gefunden, dass sie einstimmig erklärten, wenn es ein Paradies auf Erden gäbe, so wüssten sie es unter keiner anderen Gestalt zu denken, als in der Gestalt dieses Gartens, und sie wüssten nicht, welche neuen Schönheiten man sich noch hinzudenken könnte.

Indem sie hier mit Entzücken umherwandelten, sich von balsamischen Stauden Kränze flochten und der wetteifernde Gesang unzähliger Vögel ihr Ohr ergötzte, wurden sie von Neuem etwas Schönes gewahr, das sie in ihrem Erstaunen über die anderen Schönheiten noch nicht bemerkt hatten. Sie fanden nämlich den Garten mit hundert verschiedenen schönen Tiergattungen besetzt, und einer fing an, den anderen zu zeigen, wie hier die Kaninchen wühlten, dort Hasen scherzten, dort Rehe standen und dort wieder junges Rotwild äste. Sie fanden unzählige andere arglose Tiere, die wie zahm umherliefen und traulich scherzten und spielten, wodurch die anderen Annehmlichkeiten noch um vieles erhöht wurden. Als sie nun lange genug umhergegangen waren, um bald dieses, bald jenes zu betrachten, ließen sie neben dem schönen Springbrunnen den Tisch decken, und nachdem sie auf Veranlassung ihrer Königin einige frohe Lieder gesungen und einige Tänze getanzt hatten, setzten sie sich zur Tafel. Und wie sie sich aufs Beste und Aufmerksamste bedienen lassen und sich mit den trefflichsten und erlesensten Speisen gesättigt hatten, erhoben sie sich fröhlich und ergötzten sich von Neuem mit Spiel, Gesang und Tanz, bis der Tag heiß ward und die Königin einen jeden zur Ruhe gehen hieß, der dazu Lust hätte. Einige bedienten sich dieser Erlaubnis, andere, von den Annehmlichkeiten des Ortes hingerissen, hatten keine Lust dazu, sondern beschäftigten sich mit Lesen, Schach- und Brettspiel, während die Übrigen schliefen. Wie aber die dritte Stunde nach Mittag kam und jedermann aufstand und sich das Gesicht mit kühlem Wasser erfrischt hatte, versammelten sie sich auf Befehl der Königin auf dem Rasenplatze, wo sie sich bei dem Brunnen auf ihre gewöhnliche Weise lagerten und den Befehl der Königin erwarteten, um über den von ihr vorgeschlagenen Gegenstand zu reden. Der Erste, dem die Königin dieses auftrug, war Filostrato, der folgendermaßen begann:

ERSTE NOVELLE

Masetto von Lamporecchio stellt sich stumm, wird Gärtner in einem Nonnenkloster, wo die Nönnchen eine nach der anderen bei ihm liegen.

Ihr schönen Mädchen, es gibt Männer und Frauen genug, die so töricht sind, zu glauben, wenn man nur einem jungen Mädchen einen weißen Schleier über den Kopf werfe und ihr ein schwarzes Kleid anziehe, so sei sie kein Weib mehr und empfinde nichts mehr von weiblichen Neigungen, als ob sie eine Bildsäule würde, indem sie ihr Gelübde ablegt. Und wenn man ihnen gegen diesen Glauben etwas einredet, so werden sie so wild, als hätte man damit ein schreckliches Verbrechen wider die Natur begangen, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass sie selbst sich bei ihrer völligen Freiheit zu handeln und bei ihren Lüsten kaum genügen lassen und dass andererseits Müßiggang und Einsamkeit gewaltige Reizmittel darstellen. Wiederum gibt es viele, die meinen, dass Schaufel und Hacke nebst grober Kost und einem kümmerlichen Leben bei dem Arbeiter im Felde jede Lust und Begierde ersticken und seinen Verstand und seine Einsicht herabsetzen. Wie sehr aber alle diese sich irren, das will ich euch, weil die Königin mir befiehlt, zu reden, mit gehöriger Beobachtung des aufgegebenen Gegenstandes durch eine kleine Erzählung beweisen.

Es stand einmal und steht noch heute in unserer Gegend im Geruch der Heiligkeit ein Nonnenkloster, das ich aber, um seinem guten Leumund keinen Abbruch zu tun, nicht nennen will, woselbst vor nicht gar langer Zeit, als in ihm nicht mehr als acht Nonnen nebst ihrer Äbtissin, lauter junge Geschöpfe, sich befanden, ein braver Mann als Gärtner in Diensten stand, dem sein geringer Lohn nicht genügte; daher er mit dem Kastellan des Klosters abrechnete und nach Lamporecchio, wo er zu Hause war, zurückkehrte. Hier befand sich unter mehreren, die ihn bewillkommten, ein junger, starker, rüstiger Bauer, und zugleich ein recht hübscher Bursche für einen Bauersmann, namens Masetto, der ihn fragte, wo er so lange sich umhergetrieben hätte. Der gute Gärtner, der Nuto hieß, sagte es ihm, und Masetto fragte ihn darauf, was sein Amt im Kloster gewesen wäre.

Nuto antwortete: „Ich hatte den schönen, großen Garten zu bestellen, und überdies ging ich zuweilen in den Wald, um Holz zu holen, trug Wasser und verrichtete allerhand andere kleine Geschäfte; allein die Weiber bezahlten mich so schlecht, dass ich mir kaum die Schuhe konnte flicken lassen. Überdies sind‘s lauter junge Dinger, die, wie ich glaube, den Teufel im Leibe haben. Denn man kann ihnen nichts recht machen. Wenn ich bisweilen im Garten zu tun hatte, so kam die eine und sprach: „Setzt das hierhin“, die andere: „Setzt das dorthin“, wieder eine andere nahm mir die Hacke aus der Hand und fand bald dieses, bald jenes nicht recht gemacht. So schoren sie mich so lange, bis ich die Arbeit liegen ließ und davonging. Um dieser und anderer Ursachen willen wollte ich nicht bleiben, sondern nahm meinen Abschied. Der Kastellan bat mich zwar, als ich wegging, ich möcht‘ ihm doch einen anderen Arbeiter verschaffen, wenn es sich so treffe, und ich hab‘ es ihm auch zugesagt; aber er kann lange warten, bis ich ihm jemand auftreibe und schicke.“

Als Masetto den Nuto so reden hörte, wandelte ihn eine große Lust an, bei den Nonnen zu dienen, weil er aus seinen Worten schloss, dass er wohl mit ihnen zurechtkommen würde. Weil er aber fürchtete, sein Plan möge scheitern, wenn er sich davon gegen Nuto etwas merken ließe, so sprach er zu ihm: „Ach, du hast recht getan, dass du weggegangen, denn was hat man davon, bei Weibern zu dienen? Lieber bei Teufeln. Sechsmal von sieben wissen sie selbst nicht, was sie wollen.“

 

Sobald aber die Unterredung vorbei war, sann Masetto gleich auf ein Mittel, zu den Nonnen zu kommen. Da er sich tüchtig fühlte, alles zu verrichten, was Nuto getan hatte, so blieb ihm nur der einzige Zweifel übrig, dass man ihn vielleicht deswegen nicht annehmen würde, weil er zu jung und zu hübsch wäre. Nach langem Hin- und Hersinnen dachte er endlich: Das Kloster ist ziemlich weit von hier, und niemand kennt mich da; wenn ich mich stelle, als wenn ich stumm wäre, so nimmt man mich sicherlich. In dieser Hoffnung warf er seine Axt auf die Schulter und wanderte, ohne jemand ein Wort zu sagen, in ärmlicher Kleidung nach dem Kloster, ging hinein und fand zufälligerweise den Kastellan im Hofe, den er nach der Art der Stummen durch Gebärden um etwas zu essen bat und ihm zu verstehen gab, dass er dafür, wenn es verlangt würde, Holz hacken wolle. Der Kastellan gab ihm gerne zu essen und wies ihm darauf einige Klötze an, mit denen Nuto nicht fertig geworden war, die aber Masetto, als ein kraftvoller Bursche, in kurzer Zeit klein kriegte. Der Kastellan nahm ihn darauf mit sich in den Wald, ließ ihn Holz fällen und machte ihm durch Gebärden verständlich, einen Esel, den er ihm vorführte, damit zu beladen und nach dem Kloster zu treiben. Masetto richtete alles gehörig aus, und weil im Kloster noch manches zu erledigen war, so behielt der Kastellan ihn noch einige Tage bei sich im Hause, wo ihn eines Tages von ungefähr die Äbtissin bemerkte und den Kastellan fragte, wer der Mensch wäre. „Madonna“, sprach der Kastellan, „es ist ein armer Taubstummer, der hier vor einigen Tagen um Almosen bettelte. Ich habe ihn verpflegt und ihn dafür allerhand notwendige Arbeit verrichten lassen. Wenn er es verstände, im Garten zu arbeiten, und er wollte hier bleiben, so glaube ich, wir würden gut mit ihm bedient sein, denn wir brauchen einen Gärtner; der Bursche ist rüstig, und man könnte mit ihm machen, was man wollte, ohne zu besorgen, dass er mit Euren Nonnen scharmuziere.“

„Du hast wahrlich nicht unrecht“, sprach die Äbtissin. „Sieh zu, ob er sich zu der Arbeit schickt, und gib dir Mühe, ihn hier zu behalten. Schenk ihm ein Paar Schuhe und einen alten Rock, schmier ihm Honig um den Bart und gib ihm gut zu essen.“

Der Kastellan versprach es, und Masetto, der nicht weit von ihnen war und sich stellte, als ob er den Hof kehrte, hörte die Unterredung mit an und dachte: „Wenn ihr mich nur ins Haus nehmt, so will ich euch euren Garten bearbeiten, wie er in eurem Leben nicht ist bearbeitet worden.“ Da ihn nun der Kastellan zur Arbeit tüchtig fand und durch Zeichen und Gebärden von ihm verstanden hatte, dass er bereit wäre, alles zu tun, was man von ihm verlangte, nahm er ihn an, zeigte ihm, dass er den Garten bestellen und was er dabei machen sollte, und ließ ihn darauf bei seiner Arbeit, um seine eigenen Geschäfte im Kloster zu besorgen.

Als Masetto nun täglich im Kloster arbeitete, fingen die Nönnchen bald an, ihn bei seiner Arbeit zu necken, ihm allerhand kleine Streiche zu spielen, wie die Leute den Stummen wohl zu tun pflegen, und ihm die leichtfertigsten Worte von der Welt zu sagen, weil sie glaubten, er verstände sie nicht. Die Äbtissin bekümmerte sich auch wenig oder nicht darum, denn sie glaubte vielleicht, ihm fehle etwas anderes geradeso als die Sprache.

Wie er nun eines Tages sich abgerackert und sich niedergelegt hatte, um auszuruhen, nahten zwei junge Nonnen, und weil er sich stellte, als wenn er schliefe, fingen sie an, ihn zu betrachten, und die eine, die etwas dreister war als die andere, sprach zur anderen: „Wenn ich mich auf dich verlassen könnte, so wollte ich dir einen Gedanken anvertrauen, der mir schon oft eingefallen ist, und der vielleicht dir selbst mit zustatten kommen könnte.“

„Sag‘s nur getrost“, sprach die andere, „von mir soll keine Seele etwas erfahren.“ „Ich weiß nicht“, versetzte jene, „ob du schon darüber nachgesonnen hast, wie strenge man uns hier hält. Kein männliches Wesen darf zu uns hereinkommen, außer unserem Klosterverwalter, der ein Greis ist, und diesem Stummen. Und ich habe doch von manchen Frauen, die uns besuchen, gehört, dass alle Wonnen der Welt nichts sind gegen die, die das Weib beim Manne genießt. Weil ich das nun sonst nirgends erfahren kann, so ist mir schon oft eingefallen, mit diesem Stummen zu probieren, ob es wirklich wahr sei. Er eignet sich besser als jeder andere Mann dazu, denn er muss verschwiegen sein wie das Grab, ob er nun will oder nicht. Du siehst, er ist ein großer, einfältiger Bengel, der länger ist als sein Verstand. Nun möchte ich gern hören, was du davon hältst.“ „Herrjemine, was sprichst du!“ sagte die andere. „Weißt du denn nicht, dass wir unsere Jungfräulichkeit dem lieben Herrgott gelobt haben?“

„Ei was!“ versetzte jene. „Wie viele Dinge werden ihm nicht alle Tage gelobt, die niemand hält? Wenn wir sie ihm gelobt haben, so wird sich schon die eine oder andere finden, von der er sie als Ersatz der unseren erhält.“ „Aber wenn die Sache nun Folgen hätte?“

„Du denkst an die Folgen, ehe sie da sind“, sprach die erste wieder. „Kommt Zeit, kommt Rat, und es gibt tausend Mittel, es zu verheimlichen, wenn wir uns selbst nicht verplappern.“

Die andere, die ohnehin schon mehr als ihre Gespielin begierig war, zu erfahren, was der Mann für ein Tier wäre, fragte jene, wie sie‘s denn anfangen wollten. „Du siehst“, sprach jene, „es geht gegen drei Uhr nachmittags, und ich glaube, dass außer uns schon alle Schwestern schlafen. Lass uns indessen wohl zusehen, ob noch jemand im Garten ist, und wenn wir niemanden finden, was haben wir dann weiter zu tun, als dass wir den Burschen bei der Hand nehmen und mit ihm hier in die Hütte gehen, wo man vor dem Regen untertritt? Solange die eine mit ihm drinnen ist, muss die andere Schildwache halten. Er ist so einfältig, dass wir mit ihm machen können, was wir wollen.“

Masetto hörte ihre ganze Verabredung, und mit dem besten Willen zu gehorchen, wartete er, dass ihn eine von den beiden abholte. Als sie sich aufmerksam umgesehen hatten und fanden, dass niemand sie belauschen könnte, nahte sich ihm diejenige, welche zuerst den Vorschlag gemacht hatte, und weckte ihn. Er stand auf, sie nahm ihn liebkosend bei der Hand, und einfältig lachend ließ er sich nach der Hütte führen, wo er sich nicht lange bitten ließ, zu tun, was man von ihm begehrte. Sobald er die Wünsche der einen befriedigt hatte, machte sie als treue Schwester ihrer Gespielin Platz, und Masetto stellte auch diese zufrieden und spielte dabei immer die Rolle des Blödsinnigen. Die Nönnchen ließen es nicht bei diesem ersten Versuch, die Reitkunst des Stummen zu erproben, bewenden und gestanden einander im Vertrauen, man habe ihnen nicht zu viel davon gerühmt. Sie wussten sich demnach günstige Stunden auch ferner zunutze zu machen, um sich mit dem Stummen die Zeit lüstern und lustig zu vertreiben. Einmal begab es sich, dass eine von den anderen Nonnen aus dem Fenster ihrer Zelle den Handel gewahr ward und noch zwei anderen zeigte, was vorging. Sie dachten zuerst daran, der Äbtissin alles zu verraten. Doch besannen sie sich eines Besseren und beackerten mit ihren beiden Gespielinnen gemeinsam Masettos Acker. Durch Zufall wurden auch die drei übrigen Nonnen Teilnehmerinnen an dem Geheimnis, sodass nur noch die Äbtissin die einzige war, die nichts davon wusste. Indem nun diese einmal, wie es schwül war, allein im Garten wandelte, fand sie Masetto, den die Reitübungen der Nacht mehr als die Arbeiten des Tages ermüdet hatten, unter einem Mandelbaume liegen. Der Wind hatte ihm die leichten Kleider vorne ganz zurückgeweht, sodass er bloß dalag und die Äbtissin, die sich allein befand, einiges sehen ließ, das in ihr die gleichen Begierden weckte, die ihre Nonnen überfallen hatten. Sie weckte den Schläfer, nahm ihn mit in ihre Zelle und ließ ihn in einigen Tagen nicht von sich – zum nicht geringen Verdruss der Nonnen, die sich sehr beklagten, dass der Gärtner nicht kam und ihren Garten begoss. Die Äbtissin überließ sich unterdessen dem Vergnügen, welches sie vielleicht oft an anderen getadelt hatte. Endlich beurlaubte sie den Gärtner, und er ging wieder nach seiner Hütte. Weil sie ihn jedoch oft und oft zu ihrer Lust wiederkommen hieß und mehr als ihren billigen Anteil von ihm verlangte, war Masetto, dem es auf die Dauer unmöglich war, so viele Frauen gleichzeitig zu befriedigen, besorgt, sein Verstummen möchte ihm in der Länge teuer zu stehen kommen. Er fand demnach für gut, wie er an einem Abend bei der Äbtissin lag, sich den Zungenriemen zu lösen, und sagte: „Madonna, man pflegt zu sagen, ein Hahn sei genug für zehn Hühner, aber zehn Männer kaum für ein Weib; wie soll ich es denn aushalten, da ich hier neunen dienen muss? Ich bin durch das, was ich bisher geleistet habe, ganz heruntergekommen. Ich kann weder wenig noch viel mehr leisten. Haltet Maß, setzt der Sache ein Ziel oder lasst mich in Gottes Namen ziehen.“

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