Fiammetta

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So geschah es, daß der sorgfältige Putz, die brennenden Seufzer, die neue Art zu sein, die wilden Bewegungen, die verlorne Ruhe und andere Dinge, die mit der neuen Liebe bei mir eingezogen waren, unter dem übrigen Hausgesinde die Aufmerksamkeit meiner Amme erregten, die an Jahren alt und an Einsicht nicht jung war. Diese, durch eigene Erfahrung schon mit dieser traurigen Glut bekannt, stellte sich gleichwohl ganz fremd und stellte mich mehrmals über mein seltsames Benehmen zur Rede. Und da sie mich einst voll Melancholie auf meinem Lager ausgestreckt und mein Gesicht mit trüben Gedanken bedeckt fand, hub sie an, da kein Dritter zugegen war, mich mit diesen Worten anzureden: »O Töchterchen! das mir so lieb ist, wie ich mir selbst bin, sag, welches Bekümmernis drückt dich doch seit einiger Zeit? Keine Stunde geht dir ja ohne Seufzer hin, dir, die ich sonst immer leicht und frei von aller Schwermut zu sehen gewohnt war.« Ich seufzte tief, als ich sie so reden hörte; meine Farbe wechselte mehr als einmal, und ich wandte mich hin und her, um Zeit zur Antwort zu gewinnen. Kaum war ich meiner Zunge mächtig, um ein verständliches Wort hervorzubringen. Doch antwortete ich endlich: »Liebe Amme, es ist nichts Neues, was mich drückt, noch fühle ich anders, als ich zu fühlen gewohnt bin. Es ist bloß der natürliche Lauf der Dinge, der den Lebendigen, wie du wohl weißt, nicht immer auf gleiche Art zu sein vergönnt und der auch jetzt mich mehr als gewöhnlich sinnig und tiefsinnig macht.« »Töchterchen,« versetzte die Alte, »gewiß hintergehst du mich. Und glaubst du, es sei so leicht, einer erfahrenen Person mit Worten etwas einzureden, was doch Gebärden und Aussehen Lügen straft? Es ist nicht nötig, mir das zu verhehlen, was ich schon seit mehreren Tagen ganz deutlich in dir erkannt habe.« Ach! als ich sie so reden hörte, so geängstet und gequält wie ich war, brach ich in die Worte aus: »Wozu denn also die Fragen, wenn du schon alles weißt? Du hast dann nichts weiter zu tun, als das wohl zu verhehlen, was du entdeckt hast.«

»Wahrlich,« erwiderte sie, »ich werde das wohl verhehlen, was nicht erlaubt ist, daß es ein anderer wisse. Und eher wird die Erde sich auf tun und mich verschlingen, ehe sich meine Lippen auf tun und ich jemals etwas kundtue, das dir zur Schmach gereichen könnte. Schon vor langer Zeit lernte ich die Kunst des Schweigens, und darum lebe wegen deines Geheimnisses in Sicherheit und suche nur mit allem Fleiß es vor andern zu verbergen, damit keiner errate, was ich, ohne dein Geständnis, bloß aus deinem Wesen erkannt habe. Ja, wenn die Torheit, worin ich dich verloren sehe, zu dir paßte, wenn sie des Verstandes würdig wäre, den ich sonst an dir kannte, so wollte ich es gern deinen eigenen Gedanken überlassen, denn ich wäre sicher und gewiß, daß meine Vorstellungen gar nicht nötig sein würden. Da du aber, jung und unbewacht wie du bist, dich auf Gnade und Ungnade diesem grausamen Tyrannen hingegeben hast und dieser, seiner Gewohnheit nach, dir mit der Freiheit auch die Einsicht raubt, so will ich dich wohl ermahnt und gebeten haben, daß du aus deiner keuschen Brust die schlechten Gäste auf das schleunigste entfernst, die ehrlosen Flammen dämpfest und dich nicht zur Sklavin der schimpflichsten Hoffnung erniedrigst. Jetzt ist die Zeit, mit Gewalt zu widerstehen, denn wer im Anfang wacker und mutig kämpft, dem gelingt es, die schimpfliche Liebe zu verjagen, und ihm bleibt Sicherheit und Sieg. Der aber, welcher sie lange mit schmeichelnden Gedanken nährt, der kann nur spät und schwer das Joch abwerfen, dem er sich fast freiwillig unterworfen hat.«

»Ach!« sagte ich da, »wie weit leichter ist es doch, dies alles zu sagen, als es selbst zu tun.« »So schwer auch immer die Ausführung sein mag,« erwiderte sie, »so ist sie doch möglich und muß geschehen. Überlege selbst, mein Töchterchen, ob du die Hoheit deines Stammes, den großen Ruhm deiner Tugend, deiner Schönheit Blüte, deiner Zeitgenossen Verehrung und noch alle die andern Dinge, die einer edlen Frau wert sein müssen, und vor allem die Gunst deines Gemahls, den du so sehr liebst und von dem du wiederum so sehr geliebt wirst, hingeben möchtest, um diesen einzigen Wunsch zu befriedigen.

Gewiß, dies darfst du nicht wollen, und ich glaube auch nicht, daß du es willst, sobald du mit dir selbst zu Rate zu gehen weißt. Darum beschwöre ich dich bei Gott, nimm dich zusammen und jage die falschen Freuden, die nur eine eitle Hoffnung dir verheißt, weit von dir hinweg und mit ihnen die treulose Glut. Ich beschwöre dich demütigst bei dieser alten, treuen Brust, die schon manche Sorge bewegt hat und von welcher du die erste Nahrung empfangen hast, suche dir selbst zu helfen und trage Sorge für deine Ehre. Achte meine Ratschläge nicht gering, sondern denke, daß der ernste Wille, geheilt zu sein, schon ein Teil der Gesundheit ist.«

Hierauf sagte ich ihr: »O! liebe Amme, ich sehe hinlänglich ein, daß alles, was du mir sagst, durchaus wahr ist, aber ein fremder Wahnsinn zwingt mich, das Schlimmste zu erwählen, und das Herz, im stillen mit ihm einverstanden, strengt sich vergebens an, deinen Rat zu befolgen, und selbst der Wille der Vernunft wird durch die herrschende Gewalt überwunden. Liebe besitzt und bemeistert mit ihrer Göttlichkeit mein Gemüt gänzlich, und du weißt, daß es kein leichtes Unternehmen ist, ihrer Macht zu widerstehen.«

Als ich das gesagt hatte, sank ich wie erschöpft und überwunden in ihre Arme. Sie aber, noch mehr bewegt als zuvor, begann mit strengerem Ton folgende Worte: »Ihr allein, ihr schönen jungen Frauen, von mutwilligen Flammen entbrannt und gereizt, habt es ausgefunden, daß die Liebe eine Gottheit sei, da doch der Name Furie passender für sie wäre. Ihr nennt Amor den Sohn der Venus und behauptet, daß ihm seine Gewalt aus dem dritten Himmel verliehen sei, bloß in der Absicht, eure Torheit mit der Notwendigkeit zu entschuldigen.

O! ihr Betrogenen und aller Einsicht wahrhaft Beraubten, wißt ihr wohl, was ihr behauptet? Er, welcher von einer höllischen Furie gepeitscht, leichtbeschwingt über die Welt hineilt, ist keine Gottheit, sondern vielmehr eine Tollheit zu nennen. Seht ihr nicht, daß er nur die besucht, die er in weltliche Glückseligkeit versenkt findet? Bloß weil er in ihren eitlen und müßigen Gemütern leicht Eingang findet. Und sehen wir nicht dagegen die allerheiligste Venus, die Göttin der Liebe, die zu der menschlichen Fortdauer nicht allein zuträglich, sondern notwendig ist, oft in Hütten verweilen? Ohne allen Zweifel! Aber diesen, der fälschlich statt Teufel Gott genannt wird, diesen gelüstet nur nach eitlen Dingen, und er besucht stets nur die Günstlinge des Glücks. Dieser Erzschelm überredet die Prachtliebenden und Überfeinen zu köstlicher Nahrung und Kleidern, mischt sein Gift darunter und bemächtigt sich so ihrer elenden Seelen. Nur selten oder niemals sieht man ihn in den Hütten der Armut. Er ist eine Art von Seuche, die nur schwache, verzärtelte Teile angreift, weil diese für ihre verderblichen Wirkungen am zugänglichsten sind. Wie oft sehen wir unter dem einfältigen Volk tüchtige, gesunde Triebe, aber die Reichen, im Scheine ihres Goldes, streben, unersättlich wie sie in allen Dingen sind, auch hier oft nach mehrerem als sich geziemt. Und der, welcher viel besitzt, wünscht zu besitzen, was er nicht besitzt. So erkenne ich auch dich als eine sehr unglückliche Frau, die bloß aus allzugroßem Wohlbefinden sich diesen neuen schimpflichen Kummer zugezogen hat.«

Lange hatte ich sie reden lassen, aber nun sagte ich: »O! Alte, schweig und lästre meine Gottheit nicht länger! Jetzt, da deine Sinne stumpf sind, da sich wie billig alle anderen von dir wenden, jetzt eiferst du willig gegen die Liebe und lästerst, was dich einst entzückt hat. Und warum soll ich an der Liebe Göttlichkeit zweifeln, da weit berühmtere, weisere, mächtigere Frauen, als ich bin, sie als solche anerkannt haben und anerkennen?

Ja, es ist wahr, sie hat mich unterjocht: mag doch nun der Grund sein, welcher es wolle. Ich ergebe mich. Sooft ich meine Kräfte aufbot, sich ihr zu widersetzen, so oft wurden sie von ihrer Allgewalt besiegt. Und so kann nur allein der Tod oder der Besitz des Geliebten meine Qualen endigen. Und wenn du wirklich so weise bist, als ich glaube, so bitte ich dich, denke vielmehr daran, durch Rat und Tat meine Leiden zu lindern, und kannst du das nicht, so höre zum mindesten auf, sie noch schmerzvoller zu machen, und tadle das nicht länger, wozu meine Seele sich unwiderstehlich hingezogen fühlt.«

Sie aber antwortete mir nicht und ging aufgebracht – nicht ohne Ursache – aus dem Zimmer, murmelte noch, ich weiß nicht was, zwischen den Zähnen und ließ mich allein.

Schon hatte sich die gute Alte, deren Ratschläge ich zurückgewiesen, entfernt, ohne mir weiter ein Wort zu sagen, und ich, allein geblieben, überdachte nochmals in der bekümmerten Brust alle ihre Worte, und ob ich gleich kein freies Urteil mehr hatte, so fühlte ich doch, wie voll Gewicht und Sinn sie waren. Alles, was ich vor ihr verteidigt hatte, was auch immer daraus entstehen würde, schwankte jetzt nochmals an meinem Geist vorüber. Schon fing ich an zu denken, daß ich wie billig diese verderblichen Dinge lassen müßte, und schon wollte ich zu meinem Trost die Amme zurückrufen, als ein neuer, plötzlicher Zufall mich zurückhielt.

Mit einem Male stand eine wunderschöne Frau vor mir, ohne daß ich wußte, wie sie in mein verschlossenes Zimmer gekommen war. Kaum vermochten meine Blicke den strahlenden Glanz zu ertragen, der sie rings umgab. Schweigend blieb sie vor mir stehen, während ich, soviel es der blendende Schimmer mir verstattete, meine Augen nach ihr hinwandte. Es gelang mir nach und nach, mich mehr daran zu gewöhnen, und ich erkannte die himmlische Form. Ein dünn gewebtes purpurnes Gewand umhüllte den schönen Leib, doch so durchsichtig und leicht war es, daß, wo es die blendend weißen Glieder bedeckte, sie wie durch ein helles Glas mir in die Augen strahlten. Ihre goldnen Locken, die an herrlichem Glanz ebensosehr das Gold übertrafen, wie dieses sonst auch das schönste blonde Haar beschämt, waren mit einem Kranz von grünen Myrten geschmückt. Und unter seinem Schatten sah ich zwei Augen von unvergleichlicher Schönheit, deren Anschauen eine unbeschreibliche Lust gewährte. Sie verbreiteten ein wunderbares Licht, und ihr ganzes Antlitz war so schön, daß auf Erden nie ein gleiches gefunden werden kann. Noch immer schwieg sie, doch – war es eigenes Wohlgefallen oder weil sie mich so entzückt über ihren Anblick sah – genug, sie ließ nach und nach ihre himmlischen Glieder mir durch das blendende Licht hindurch klarer und deutlicher erscheinen, so daß ich eine Schönheit erkannte, die keine Zunge aussprechen, ja ohne sie gesehen zu haben, kein Sterblicher sich denken kann.

 

Endlich, da sie sich mir nun ganz gezeigt hatte und mich über ihre Schönheit und ihre ganze Erscheinung an diesem Orte höchst erstaunt sah, wandte sie sich mit freudigem Angesicht zu mir, und mit einer Stimme unendlich süßer als die unsrigen hub sie an zu sprechen:

»O zarte Jungfrau, edler als irgend eine andere, was für Entschlüsse bringen die neuen Ratschläge der alten Amme in dir hervor! Siehst du denn nicht, daß die Befolgung derselben weit schwerer ist als die Liebe selbst, die du zu fliehen begehrst? Bedenkst du nicht, wie endlos, zahllos, unerträglich die Pein ist, die sie dir bereiten? Willst du, Törichte, die ganz kürzlich erst eine der Unsrigen geworden ist, durch die Rede einer Alten, die nicht zu uns gehört, schon abtrünnig werden, du, die noch nicht weiß, wieviel unsrer Gaben und wie entzückend sie sind?

O du Unweise, unterwirf dich auf unser Wort demjenigen, welcher alle im Himmel und auf der Erde zu befriedigen weiß. Wisse, so weit Phöbus, der mit seinem leuchtenden Wagen am Ganges aufsteht und sich mit seinen müden Rossen in Hesperiens Wellen taucht, den goldnen Tag verbreitet, daß alles, alles, was der kalte Bär und der siedend heiße Pol einschließt, die Herrschaft unseres geflügelten Sohnes ohne Widerspruch anerkennt. In dem Olymp ist er nicht nur ein Gott wie die andern Götter, sondern er ist ein Gott der Götter, weil keiner unter allen ist, der nicht einmal durch seine Waffen überwunden gewesen wäre. Mit goldnen Schwingen durchfliegt er, leichter als Luft, in einem Augenblick seine Reiche, übersieht sie alle, und leicht den gewaltigen Bogen regierend, legt er auf die gespannte Sehne die von uns verfertigten, in unsern Wellen getränkten Pfeile. Hat er nun einen Gegenstand auserwählt, der würdiger als die andern ist, ihm zu dienen, so sendet er sie auf das schnellste dahin, wo es ihm gefällt. Er ist es, der Jünglinge zur wildesten Flamme reizt und müden Greisen erloschene Gluten zurückruft, der mit unbekanntem Feuer die keusche Brust der Jungfrau entflammt und auf gleiche Weise Frauen und Witwen entzündet. Er ist es, der die Götter, als seine Fackel sie berührt hatte, zwang, die Himmel zu verlassen und unter erborgter Gestalt auf der Erde zu verweilen.

Ist nicht selbst Phöbus, der Überwinder der großen Schlange, der den Parnaß mit Harmonien erfüllt, mehr als einmal von ihm bezwungen worden, hat er nicht erst für Daphne, dann für Clymene, dann für Leucothea und für andere mehr voll Liebe geglüht? Und endlich hat er sein allmächtiges Licht in die Gestalt eines armen, zärtlichen Hirten eingeschlossen und die Herden des Admet geweidet. Der Himmel beherrschende Jupiter selbst, von seiner Gewalt bezwungen, hat sich in noch weit geringere Gestalten verkleidet, und einmal hauchte er in der Form eines weißen Vogels, sanft die Schwingen bewegend, süßere Töne als die Lieder des sterbenden Schwans. Ein andermal hat er als Stier, die Stirn mit Hörnern bewaffnet, die Felder mit seinem Gebrüll erfüllt und demütig kniend seinen Rücken der Jungfrau Europa gebeugt; er durchstrich das feuchte Reich seines Bruders Neptun, ruderte mit dem gespaltenen Huf und hielt mit starker Brust die Tiefe zurück, um seines Raubes zu genießen. Was er einst in seiner eigentümlichen Gestalt für Semele getan; was, in Amphitryon verwandelt, für Alkmene; in Diana verstellt für Calliste; oder wie er aus Liebe für Danae zum goldnen Regen geworden: von dem allen schweigen wir, weil es uns zu weit führen würde. Auch der stolze Gott des Krieges, dessen zornige Röte die Riesen erzittern läßt, mildert seine wilde Natur, beugt sich vor Amors Macht und liebt.

Und Vulcan, der für Jupiter arbeitet und die Donner schmiedet, er, der Flammen gewohnt, erliegt dennoch den Flammen der mächtigern Liebe. Uns selbst, obgleich Amors Mutter, ist es nicht gelungen, uns vor seinen Pfeilen zu retten, und unsere bei Adonis' Tode geweinten Tränen sind sprechende Beweise seiner Macht. Doch warum so viele Worte? genug, von allen Gottheiten des Himmels erhielt sich keine unverletzt von ihm, außer Diana allein. Diese allein, die Freundin der Wälder, hat die Liebe geflohen oder vielmehr, wie manche glauben, nicht geflohen, sondern verhehlt.

Doch wenn du vielleicht gegen die Beispiele der Himmlischen ungläubig bist, so forsche unter den Sterblichen nach denen, welche die Macht der Liebe erfuhren, aber ihre Zahl ist so groß, daß ich nicht weiß, wo ich anfangen soll; nur das sage ich dir fürwahr, daß alle zu den vortrefflichsten und würdigsten gehörten. Betrachte vor allem Hercules, den starken Sohn Alkmenens. Er, welcher sich mit der furchtbaren Haut des ungeheuern, von ihm überwundenen Löwen bedeckte, drehte mit ebender Hand, die kurz zuvor die gewaltige Keule geführt, den großen Antäus getötet und den Höllenhund gebändigt hatte, den Faden aus der Wolle der schönen Jole und saß geduldig hinter ihrem Spinnrocken. Und die nämlichen Schultern, die den hohen Himmel getragen hatten, waren erst von Jolens Armen umschlungen und darauf, um ihr zu gefallen, mit einem zierlichen purpurnen Gewand bedeckt.

Wer weiß nicht, was Paris und Helena, was Clytämnestra und Ägisth, von Amor bezwungen, getan? Auch von Achilles, von Silla, Ariadnen, Leander und Dido und von vielen andern schweige ich. Wer ist, der diese Heroen der Liebe nicht kennt? Glaube mir, dies Feuer ist heilig und allgewaltig. Daß im Himmel und auf Erden die Götter und Menschen von meinem Sohn bezwungen sind, weißt du nun, aber wie allumfassend muß seine Kraft sein, da auch die vernunftlosen Tiere ihren Einfluß fühlen! Von ihm bezwungen folgt die Turteltaube in den Wäldern ihrem Geliebten, und die Tauben, die meinen Wagen ziehen, fühlen sich mit zärtlichster Neigung zu ihrem Tauber gezogen. Von allem, von allem ist keines, das seinen Händen entgeht. Von seinem Pfeil getroffen, kämpft in den Gehölzen der sonst so furchtsame Hirsch, auf einmal kühn und wild geworden, für die erwählte Hirschin und zeugt von der allmächtigen Glut der Liebe. Von ihr ergriffen, wetzt der grimmige Eber schäumend seine weißen Zähne, und der Bewohner der afrikanischen Küste schüttelt seine Mähne. Wende deinen Blick von den Wäldern und sieh, wie die Pfeile meines Kindes auch in den kühlen Fluten die Götter des Meeres und die Nymphen der Flüsse zu verwunden wissen. Denn es ist dir hoffentlich nicht unbekannt, welche sprechenden Zeugnisse Neptun, Glaucus, Alphäus und andere mehr abgelegt haben, daß sie die Fackel der Liebe in ihren feuchten Wellen nicht auslöschen, ja nicht einmal mildern konnten. Und sie, die auf Erden herrscht und in den Fluten anerkannt wird, sie hat auch die Tiefe durchdrungen und selbst den König der Schatten besiegt.

So haben denn Himmel, Erde, Meer und Tiefe ihre Allgewalt erfahren und anerkannt. Und damit ich dir in wenig Worten die Macht der Liebe aussprechen möge, so wisse, daß alle Wesen der Natur unterworfen sind, daß keine Macht von ihrer Herrschaft frei ist und daß die Natur selbst in Amor ihren Herrn erkennt. Wenn er gebeut, so geht der alte Haß zugrunde, alle verjährten feindlich gesinnten Mächte schwinden, und die neue Welt gibt seinen Gluten Raum.

Warum also zagen? was zweifelst du? wovor fliehst du törichterweise? warum den fliehen, welchem Götter, Menschen und Tiere unterworfen sind! Schämst du dich, von ihm besiegt zu sein, so weißt du nicht, was du tust. Fürchtest du aber vielleicht den Tadel, der dich treffen möchte, wenn du dich ihm unterwirfst, so darf dich dies nicht kümmern. Tausend größere Fehltritte und das Beispiel weit vortrefflicherer Menschen als du werden das leichte Vergehen, das, minder stark als jene, du dir vorzuwerfen hast, sehr verzeihlich machen. Können dich aber meine Worte nicht bewegen und willst du bei deinem Widerstand beharren, so bedenke, daß es nicht möglich ist, Jupiter an Größe, Phöbus an Genie, Juno an Reichtum und mir selbst an Schönheit gleich zu sein. Und wenn wir alle überwunden sind, hoffst du allein zu überwinden? Du bist betrogen und wirst doch am Ende verlieren. Begnüge dich mit dem, womit die ganze Welt sich vor dir zufriedengegeben hat. Suche dich nicht abzukühlen, indem du dir vorsagst, ich habe meinen Gatten, und die heiligen Gesetze und die versprochene Treue verbieten mir alle andern Wünsche. Dergleichen nichtige, eitle Gründe sind gegen die Tugend der Liebe. Amor, als der Stärkere, kümmert sich um keine anderen Gesetze, er vernichtet sie und gibt seine eigenen. Hatte nicht Pasiphae einen Gemahl, als sie liebte, nicht Phädra und wir selbst? Auch die Männer werden sehr oft für andre Weiber als die ihrigen mit Liebe entflammt. Was tat Jason, Theseus, der gewaltige Hercules und der erfindungsreiche Odysseus? – Es ist also kein Unrecht, wenn Männer nach denselben Gesetzen behandelt werden, nach denen sie selbst handeln. Kein Vorrecht ist in diesem Fall den Männern vor den Frauen zugestanden. Deshalb laß die törichten Grillen und liebe unbekümmert fort, wie du begonnen hast. Du siehst es selbst, wenn du dem mächtigen Liebesgott dich nicht unterwerfen willst, so mußt du fliehen. Und wohin kannst du fliehen, wohin er dir nicht folge, dich nicht erreiche? Er hat an allen Orten gleiche Gewalt. Wohin du gehst, du bleibst in seinen Reichen; kein Wesen kann sich vor ihm verbergen, wenn er es verletzen will. Wie zufrieden kannst du sein, daß er dich mit keinem verderblichen Feuer entzündet hat, gleich der Myrrha, Semiramis, Byblis, Canace und Cleopatra! Glaube nicht, daß unser Kind gegen dich etwas Neues unternehmen wird. Auch er hat Gesetze, gleich allen andern Göttern. Und wähne nicht, die erste zu sein, welche sie befolgt, so wie du hoffentlich nicht die letzte sein wirst. Auch irrst du, wenn du vielleicht jetzt die einzige zu sein meinst. Laß die übrige Welt, die von Liebenden wimmelt, und blicke nur unter deinen Mitbürgerinnen umher; die zahllose Menge von Gesellinnen, die du finden wirst, kann dir zeigen und dich belehren: was von so vielen mit vollem Recht ausgeübt wird, kann nie schimpflich sein. So werde denn eine von den Unsern und preise unsre lang betrachtete Schönheit und unsere Gottheit von ganzem Herzen.

Denn diese haben dich aus der Zahl der Einfältigen erwählt, das Entzücken unserer Gaben kennenzulernen.«

Sagt, o ihr Gefühlvollen meines Geschlechts! wenn Liebe jemals eure Sehnsucht glücklicherweise stillen wollte, was könntet oder was wolltet ihr auf solche Worte und einer solchen Göttin wohl erwidern, wenn es nicht dies wäre: ›Es sei, wie es dir gefällt!‹

Schon schwieg die Göttin, indes ich in meiner Seele ihren Worten nachsann, und da ich in ihnen unendliche Entschuldigungen für mich fand, mit denen ich schon im geheimen bekannt war, so war mein Entschluß gefaßt.

Schnell erhob ich mich jetzt vom Lager, und indem ich mit demutsvollem Herzen die Knie zur Erde beugte, hob ich schüchtern an: »O wunderbare, ewige Schönheit! O himmlische Gottheit! o einzige Herrin meiner Seele! Nur stärker zeigt und verherrlicht sich deine Macht, je mehr wir widerstehen! Vergib meiner einfältigen Widersetzlichkeit gegen die Waffen deines Kindes, das ich nicht kannte, und herrsche über mich, wie es dir gefällt; belohne, deiner Verheißung gemäß, meine Treue, damit ich deine Gaben bei andern preise und dadurch die Zahl deiner Untertanen bis ins Unendliche wachse.«

Kaum hatte ich diese Rede vollendet, als die Göttin die Stelle, wo sie bis dahin gestanden hatte, verließ und auf mich zukam. Ein brünstiges Verlangen erschien in ihrem Antlitz, während sie mich umarmte. Sie küßte mich zuerst auf die Stirn und dann auf den Mund, und so wie einst der falsche Ascanius verborgene Flammen in Didos Brust entzündete, so fühlte auch ich, sobald ich den Atem ihres Mundes eingesogen hatte, alle meine ersten Wünsche weit brennender als zuvor. Hierauf schlug sie ihr purpurnes Gewand ein wenig auseinander; auf ihrer Brust erblickte ich das Bild des geliebten Jünglings, halb in ihrem leichten Purpurmantel verhüllt, und sie sagte: »Betrachte diese Gestalt, zarte Frau! sieh, wir haben keinen Unwürdigen zu deinem Liebling erwählt. Dieser Jüngling, der unbegrenzten Liebe einer Göttin würdig, liebt und wird dich – so haben wir es gewollt – mehr als sich selbst lieben. Und so verlasse ich dich, leicht, freudig und seiner Liebe gewiß. Deine Gebete sind würdig und haben unser Ohr gerührt. Hoffe, daß dem Verdienst gemäß unfehlbar auch der Lohn erfolgen wird.« Hierauf entzog sie sich, ohne etwas weiter zu sagen, schnell meinen Blicken.

 

Weh mir Unglückseligen! Denke ich jetzt an alles, was hernach erfolgt ist, so zweifle ich keinen Augenblick, daß es nicht Venus, sondern Tisiphone war, die mir damals erschien. Und wie einst Juno den Glanz ihrer Gottheit verhüllte und die Gestalt einer alten Frau annahm, so hatte diese hingegen ihr furchtbares Schlangenhaar abgelegt und sich mir in so herrlicher Gestalt gezeigt, und gleichwie jene der Semele erschien, um ihr verderblichen Rat zu geben, so verführte mich auch diese mit ihren Reden, denen ich, Arme! nur zu leicht Gehör gab und mich verleiten ließ, euch alle, dich, fromme Treue, ehrwürdige Zucht, heilige Keuschheit, einziger und höchster Schatz züchtiger Frauen, aus meinem Herzen zu verjagen. Aber verzeiht mir, wenn anders die harte Buße des Schuldigen ihm Anspruch auf Vergebung erwerben kann!

So hatte mich die Göttin verlassen, und seit ihrer Erscheinung fühlte sich mein ganzes Herz sehnsüchtig zu ihren Freuden hingezogen. Und obgleich die herrschende wilde Leidenschaft mich alles Sinns und Urteils beraubt hatte, so weiß ich nicht, wodurch ich es verdiente, daß von so viel verlornen Gütern mir eines noch geblieben war. Die Erkenntnis nämlich, daß eine laute, kundgewordene Liebe ihr Ziel selten oder niemals glücklich erreicht. Und deshalb beschloß ich – so äußerst schwer es mir auch immer ward –, meine Wünsche der Vernunft zu unterwerfen, damit ich das ersehnte Ziel erreichen möchte. Und gewiß, wie sehr mich auch oft mehrere Umstände und Begebenheiten drängten, so ward mir doch die Gunst vom Schicksal, daß ich meinen Vorsatz nie überschritt und standhaft schweigend meine Leiden und Freuden ertrug.

Ja, die Kraft dieses Rates ist noch immer wirksam, denn ob ich gleich dies mit der größten Aufrichtigkeit schreibe, so ist es mir doch gelungen, die Sache so darzustellen, daß kein Mensch, auch nicht der scharfsinnigste, erraten kann, wer ich sei; den einzigen ausgenommen, dem alles ebenso bekannt ist wie mir selbst, da er der Inhalt von allem ist. Und ihn bitte ich – wenn vielleicht irgendein Zufall diese Blätter in seine Hände spielen sollte – um der Liebe willen, die er einst für mich empfand, daß er verschweige, was, wenn er es bekanntmachen wollte, ihm weder Nutzen noch Ehre bringen könnte. Ich bitte ihn, der sich selbst, ohne mein Verschulden, von mir gewendet, meine Ehre zu schonen, denn diese ist ein Gut, das ich zwar mit Unrecht besitze, das er mir aber, wie er selbst wohl weiß, nicht wiederzuerstatten vermöchte, wenn er es auch gern wollte.

Diesem Entschluß gemäß und mit höchster Anstrengung, meine leidenschaftlichen Wünsche in ängstlicher Verborgenheit zu erhalten, bemühte ich mich durch die geheimsten Zeichen, sooft ich nur Gelegenheit hatte, dem Jüngling ebendie Glut einzuhauchen, die mich selbst belebte, und ihn zugleich ebenso besonnen und vorsichtig zu machen, wie ich selbst es war. Und ich hatte gewiß nichts Schweres unternommen, denn wenn anders der äußere Schein die Eigenschaften des Gemüts erkennen läßt, so sah ich in kurzer Zeit den vollkommensten Erfolg meiner Bemühungen. Und was ganz nach meinem Sinn war, ich sah ihn ebenso glühend von Liebe wie kühl von der vollkommensten Klugheit.

Von kluger Überlegung geleitet, beflissen, meinen Ruf zu bewahren und, wenn Zeit und Ort es vergönnten, seiner Liebe zu leben, bewarb er sich, nicht ohne die größte Mühe, wie ich glaube, und mit vieler Kunst um den vertrauten Umgang eines meiner Verwandten und zuletzt um die Freundschaft meines Gemahls. Und es gelang ihm nicht nur, diese zu erwerben, sondern er gewann sie auch in so hohem Grad, daß keinem mehr etwas begegnete, was er dem andern nicht mitteilte. Wie sehr mir dies gefiel, das werdet ihr, denke ich, ohne meine Versicherung glauben; wer möchte wohl töricht genug sein, den geringsten Zweifel daran zu hegen. Jene Vertraulichkeit bewirkte, daß er und ich uns bisweilen öffentlich unterhalten durften.

Ihm aber dünkte es Zeit, einen bedeutenden Schritt zu tun; wenn er jetzt wahrnahm, daß ich ihn hören und verstehen konnte, so wußte er auch mit andern auf eine Art zu sprechen, die mich, die hierin nur allzu lernbegierig und gelehrig war, bald erkennen ließ, daß nicht das Wort allein unsere Zuneigung kundzutun und die Zusage des andern zu erhalten vermag, sondern daß auch Blick und Hand, Ton und Gebärde einer vielsagenden, deutlichen Sprache mächtig sind.

Dies war mir so lieblich, und ich erlernte es mit solcher Einsicht, daß wir, er und ich, uns, was wir nur wollten, durch Zeichen mitteilen konnten und immer gewiß waren, daß der andere vollkommen den Sinn verstand.

Doch auch dies befriedigte ihn bald nicht mehr, und er bestrebte sich, unter fremden Bildern mir seine Wünsche lebendiger zu schildern und auch mich eine gleiche Sprache zu lehren. Er nannte mich Fiammetta, sich selbst Panfilo. Und ach! wie oft erzählte er in meiner Gegenwart, im Kreis meiner liebsten Freunde, durchglüht von Glut und Liebe, wie Amor uns beide zuerst besiegt hatte; und dann schilderte er immer unter den Namen Fiammetta und Panfilo, die er als Griechen darstellte, alle Begebenheiten, die darauf folgten, während er auf das sinnreichste den Orten und Personen Namen beilegte, die die ganze Erfindung am wahrscheinlichsten machen konnten. Ja, oft belächelte ich seinen Scharfsinn und seine Feinheit und nicht minder die Einfalt der Zuhörer, oft aber fürchtete ich auch, er möchte im Feuer seiner Darstellung zu weit gehen und unwillkürlich die Zunge Worte sagen lassen, die er nicht wollte. Er aber, klüger als ich dachte, wußte sich mit höchster Vorsicht vor jeder Verirrung zu bewahren.

O! ihr liebenden Frauen, welch ein geschickter Lehrmeister ist doch die Liebe! Gibt es einen unter allen, die ihr huldigen, den sie nicht sogleich geschickt macht, die feinsten Sitten und schlaue Gewandtheit zu erlernen?

Ich, das einfachste, schüchternste Weib, bis dahin kaum fähig, bei den Gespielinnen über die einfachsten Dinge zu sprechen, erlernte mit so großem Eifer seine Weise, daß ich an Erfindung und Sprache in kurzer Zeit alle Dichter übertreffen konnte. Fast immer wußte ich, sobald ich seine Erzählung gehört und den geheimen Sinn derselben begriffen hatte, durch eine schnell erfundene Novelle ihm die erwünschte Antwort zu geben, gewiß ein Unterfangen, das für eine junge Frau sehr kühn und noch weit schwerer in der Ausführung ist.

Doch diese Erfindungen alle müssen kleinlich und unbedeutend erscheinen gegen die List, die wir mit großer Erfahrung gebrauchten, um die Zuverlässigkeit und Treue einer meiner Dienerinnen zu erproben; der Zweck meiner Aufzeichnungen aber ist nicht, dies zu erzählen. Nach solcher Probe beschlossen wir, sie zur Mitwisserin des Geheimnisses, um das bis dahin noch kein Dritter wußte, zu erwählen, denn wir fühlten, daß irgendein Mittel gefunden werden mußte, uns näher zu sein, wenn wir nicht unerträglichen Qualen erliegen wollten.

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