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Ich nehme an, ich hätte die Schlange und auch Umtonga töten sollen, aber ich tat es nicht. Man sagt, ein Ertrinkender sähe im Augenblick des Todes sein ganzes Leben Revue passieren - und genauso sah ich das meine. Szene auf Szene von meinen dreizehn Jahren Enttäuschung und Misserfolg schoss an mir vorbei - aber ich sah mehr als das.

Ich sah ein sauberes, ordentliches Büro in Johannesburg, und ich saß dort in anständigem Zeug. Ich sah genau dieses Haus, wie Sie es von der Auffahrt aus sehen können - obgleich ich es noch nie in meinem Leben gesehen hatte - und ich sah auch noch andere Dinge.

In jenem Augenblick war Umtonga in meiner Gewalt, und er sagte so deutlich, wie es nur möglich war: Ich werde dir alle diese Dinge geben - wenn du mein Leben schonst.

Dann verschwammen die Umrisse von Umtonga. Das Dunkel lichtete sich, und ich sah wieder das Mondlicht durch die Jalousien-Schlitze und Bennys Büroraum strömen - und den Kopf der Mamba!

Ich steckte den Revolver in die Tasche, schloss die Tür auf und ging, sie hinter mir wieder abschließend, nach oben ins Bett.

Ich schlief, als hätte ich einen Marsch von zehn Tagen hinter mir, so erschöpft war ich; ich erwachte spät, erinnerte mich aber noch deutlich an alles, was in der Nacht passiert war - ich wusste, dass ich es nicht geträumt hatte. Ich lud ein Gewehr und ging sofort in Bennys Büro.

Da lag die Schlange noch neben dem Schreibtisch - ihr Kopf steckte im Papierkorb, und die schweren Hauptbücher pressten den Körper an die Erde. Sie schien sich aber gerade, in ihrer gewöhnlichen Form ausgestreckt zu haben, und als ich sie mit dem Gewehrlauf leicht anstieß, blieb sie absolut steif. Ich konnte kaum glauben, dass es mehr war als ein harmloses Stück Holz, das man auf Hochglanz poliert hatte, und doch wusste ich, dass es ein verborgenes, verruchtes Leben hatte, und dann ließ ich es vorsichtig allein.

Wie ich mit Sicherheit angenommen hatte, tauchte Umtonga kurze Zeit später auf; er schien sehr gebeugt und alt. Er sagte nicht sehr viel, aber er sprach wieder von seinen Schulden und fragte, ob ich ihm nicht einen Teil erlassen wolle - er würde auch alles bezahlen, wenn er müsste, aber es würde ihn ruinieren. Seine Frauen zu verkaufen, würde bedeuten, dass er seine Autorität bei seinem Stamm verlöre.

Ich erklärte, dass es nicht meine Sache war, sondern Rebeccas; ihr gehörte jetzt alles, da Benny tot war.

Das schien ihn zu überraschen; bei den Eingeborenen haben die Frauen kein Eigentum. Er sagte, er habe gedacht, das Geschäft gehöre mir und ich brauchte Rebecca nur solange zu ernähren, bis sie stürbe.

Dann wollte er wissen, ob ich ihm geholfen hätte, wenn seine Annahme richtig gewesen wäre. Ich erklärte ihm, ich sei kein Wucherer, und damit schien er zufrieden; er nahm seine schreckliche Vertraute und ging schwerfällig fort, ohne ein weiteres Wort zu sagen.

In der nächsten Woche musste ich Vorräte in Mbabane kaufen. Ich war ein paar Nächte fort, und als ich zurückkam, war Rebecca tot und begraben; ich hörte die Geschichte von den Hausboys. An dem Abend, als ich abreiste, hatte Umtonga sie besucht. Er hatte wieder seinen Zauber vor der Veranda veranstaltet, und am Morgen hatte man sie tot und schwarz gefunden. Ich fragte, ob er zufällig seinen Stock vergessen hatte, obgleich ich die Antwort schon wusste - Ja, er hat ihn am nächsten Tag abgeholt.

Ich ging ins Haus, um Bennys Angelegenheiten zu ordnen und den Vorratsraum Planke für Planke abzureißen. Benny glaubte nicht an Banken, und ich wusste, dass er irgendwo einen Schatz versteckt hatte. Ich brauchte drei Wochen, aber ich fand ihn. Damit und mit einer angemessenen Vergleichsquote der Außenstände hatte ich gut und gern zehntausend. Daraus habe ich seitdem hunderttausend gemacht - Sie sehen also, dass ich hier nur wegen der Schwarzen Magie sitze.«

Als Carstairs das Ende der Geschichte erreicht hatte, veranlasste mich etwas dazu, mich umzudrehen und Jackson anzublicken; er starrte den alten Mann an, und seine Augen glühten wild in seinem fahlgelben Gesicht. »Sie heißen gar nicht Carstairs«, schrie er plötzlich wie rasend. »Sie heißen Thompson - und ich Isaacsohn. Ich bin das Kind, das Sie beraubten und aussetzten.« Bevor ich die ganze Bedeutung seiner Worte fassen konnte, war er auch schon aufgesprungen - ich sah das Messer blitzen, als es in Carstairs Brust fuhr, und der junge Jude schrie: »Du Schuft - du hast jenen Teufel bezahlt, um meine Mutter zu töten.«

August Derleth: DIE MESSE DES FÜRSTEN BORGIA

Cesare, der Fürst Borgia und Herzog von Valentinois und der Romagna, Herr von Imola und Forli, von Rimini und Pesaro, von Faenza und Urbino, streckte die Herrscherhand aus und nahm vom Lakaien das Papier, das dieser ihm entgegenhielt. Im selben Augenblick traten zwei Gestalten aus dem Schatten hinter dem Borgia hervor und spähten ihm über die Schultern, Der jüngere der beiden, der mit dem noch jungen Schnurrbart, strich sich nervös das spitze Unterkinn; der ältere, ein alter, grauhaariger Mann in Uniform, verriet sein starkes Interesse nur durch das Verengen seiner Augen.

Cesare, der Fürst Borgia, grunzte plötzlich. »Noch drei!«, rief er mit düsterer Heftigkeit aus.

»Teufelswerk«, murmelte der Offizier.

»Noch drei«, wiederholte der junge Mann atemlos.

»Man muss etwas unternehmen, Hoheit«, sagte der Offizier mit erregter Stimme. »Diese Sache kann nicht... darf nicht so weitergehen.«

»Es ziemt sich nicht, mich solcherart zurechtzuweisen, Hauptmann«, erwiderte Fürst Borgia kurz. »Seid versichert; man hat bereits etwas unternommen. Noch diese Nacht wird das Ende der Satansumtriebe erleben.« Er wandte sich abrupt an den Lakaien, der sich unverzüglich mit der Schnelligkeit und Regelmäßigkeit eines Automaten zu verbeugen begann. »Lass nach dem Magier René schicken.«

Der Lakai schritt, sich immer noch verbeugend, rückwärts aus dem geräumigen Zelt hinaus. Der junge Mann sank in einen Sessel neben dem Fürsten Borgia.

»Was wollt Ihr mit René, Hoheit? Braucht Ihr etwa die Magie, um diesen Vandalismus zu bekämpfen?«

Cesare, der Fürst Borgia, richtete den Blick auf seinen Begleiter, »Dein Verstand ist noch zu jung, Midi, um das zu verstehen. Glaubst du vielleicht, die Leichen meiner Krieger werden von gewöhnlichen Räubern gestohlen... Leichen, von denen man bereits alle teuren und wertvollen Dinge entfernt hat? Pah!«

»Gut, wenn dem nicht so wäre, Hoheit. Wenn es aber keine Räuber sind, die so etwas tun, wer dann?«

Der Hauptmann beugte sich nach vorn. »Ihr vermutet also, Hoheit? Sollen wir sie in dieser Nacht ergreifen?«

»Sie sollen vor Einbruch des Morgens sterben!«

»Das ist gut«, sagte der Hauptmann. »Ja, das ist gut.«

Cesare nickte.

Der Zelteingang wurde zur Seite gezogen, und in das geräumige, schwach erleuchtete Innere schlurfte die gebeugte, zusammengeschrumpfte Gestalt Renes, des Magiers, und sein unförmiger, vogelähnlicher Schatten folgte ihm, über die Zeltwand kriechend. Er näherte sich dem Fürsten Borgia.

»Hoheit!«, murmelte er und neigte das Haupt.

»René, letzte Nacht sind noch drei Leichen verschwunden.« Cesare hielt einen Augenblick inne, damit die volle Bedeutung der Worte den Magier erreichen konnte. Dann fuhr er fort:

Diese meine Männer starben in der Schlacht einen ehrenvollen Tod, und es ziemt sich, dass sie ein ehrenvolles Begräbnis erhalten. Doch man hat ihre Leichen gestohlen, und ihnen wird kein Begräbnis zuteilwerden. Doch Ihr solltet sie wegen eines bestimmten Zweckes beobachten. Habt Ihr diesen Zweck erreicht, René?« Der Magier verbeugte sich tief. »Mein Auftrag ist erfüllt; es ist, wie Ihr vorausgesagt habt, Hoheit. Wenn Ihr Gefolgsleute zusammenruft, werde ich Euch zu der Stelle fuhren, wohin die Körper gebracht wurden. Dort werden Hoheit sehen und erfahren, wer die Schuldigen sind, und die passende Strafe für sie bestimmen. Insgesamt sind jetzt vierzehn Leichen verschwunden; die letzten drei können wir aber noch vor der Schändung bewahren.«

»Wohl getan, mein tüchtiger René; nun geht und trefft Eure Vorbereitungen für die Reise.« Der Fürst Borgia drehte sich Um. »Und Ihr, Hauptmann, gebt Befehl, dass ausgesuchte Männer in einer Stunde bereit sind, uns zu begleiten.«

Der Hauptmann murmelte, neigte den Kopf und verließ das Zelt, und die gekrümmte Gestalt schleppte sich hinter ihm her.

Ein halbstündiger scharfer Ritt brachte die Gruppe der Männer an den Fuß eines kleinen Hügels in einiger Entfernung vom Lager, wo René dem Fürsten Borgia bedeutete, das Zeichen zum Absitzen zu geben. Borgia gab seinem Hauptmann einen kurzen Befehl, und nach einem Augenblick erkletterten die Männer schweigend den Abhang, René mit dem Fürsten Borgia, Midi und dem Hauptmann an der Spitze. Oben angekommen, drehte René sich um und hob eine Hand, um um Stille zu heischen. Dann beugte er sich zu den dreien, die ihn umstanden.

»Erinnert Euch, Hoheit«, flüsterte er leise, »heute ist Walpurgisnacht; heute Nacht kommen alle Dämonen der Erde, der Luft, des Feuers und des Wassers zusammen, um die Schwarze Messe mit irdischen Leibern zu zelebrieren. Seht dort!« Er bückte sich ganz tief hinunter und zeigte auf etwas.

Vor ihnen, in einer kleinen Senke am Fuße des Hügels, stand eine Baumgruppe. In der Mitte des Hains konnte man undeutliche, schwarze Schatten erkennen, die sich im flackernden Licht riesiger Kerzen hin und her bewegten. Midi keuchte. Fürst Borgia gab den Männern Befehl, den Hain zu umzingeln; bei seinem Ruf sollten sie die Gestalten im Gehölz gefangen nehmen. Dann krochen die vier, wieder von dem Magier geführt, vorwärts und erreichten schließlich einen Aussichtspunkt, wo sie aufstanden, um das fürchterliche Ritual zu beobachten, das vor ihnen stattfand. Midi, der junge Begleiter von Cesare, ging weiter, um besser sehen zu können, doch Cesare zog ihn sanft zurück.

 

Im Hain befanden sich neun Männer, sie waren alle von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet, und ihre Gesichter waren von grotesken Masken bedeckt. Die Beobachtenden konnten erkennen, dass ihre Gewänder mit Pelzwerk geschmückt waren. Midi wandte René ein erstauntes und betroffenes Gesicht zu.

»Possen, Messer«, sagte der Magier leise. »Bei diesen Ritualen trägt man immer das Kleid von Panthern, Luchsen und Katzen. Und jene Kerzen, Hoheit«, fuhr er fort, sich jetzt an Fürst Borgia wendend, »jene Kerzen werden aus Leichenfett hergestellt. Seht auch, wie sie gemacht sind, jede in der Form eines umgekehrten Kreuzes. Die Schalen sind Schädel, und ihre Flamme wird mit Zypressenzweigen und dem Holz von Galgen gespeist. Gleich werden sie eine schwarze Hostie vor dem großen, umgedrehten Kreuz weihen, das sie irgendwo gestohlen haben.«

Die Luft war erfüllt vom Gestank des Schwefels und widerlicher Pflanzensäfte. Die Beobachtenden sahen die neun Männer auf einer Fläche gehen, die mit Dreiecken, Säulen, Sternen, Fünfecken und allen möglichen kabbalistischen Zeichen übersät war. Jetzt trennte sich einer der neun von den anderen und begab sich allein nach vorn, wo er unter unglaublichen Obszönitäten eine schwarze Hostie in die Höhe hob, und sofort danach brachen die anderen acht in einen langsamen Gesang aus, eine Beschwörung Beelzebubs und Ahrimans, ein Triumphlied an den großen Satan.

Aber der Fürst Borgia war nicht geneigt, den neun Männern genug Zeit zur Beendigung ihres Rituals zu gewähren; denn plötzlich rief er einen scharfen Befehl, und sofort stürzten seine Gefolgsleute von allen Seiten heran und warfen sich erbittert auf die schwarzen Priester. »Lebend!«, rief Cesare. »Ich will, dass man sie lebend zu mir bringt!« Er drehte sich um und ging schnell auf die Stelle zu, wo man sein Pferd angebunden hatte. »Kommt«, sagte er zu den dreien, die bei ihm waren. »Ich werde sie angemessen bestrafen; sie werden eine Messe mit mir feiern, die ich selbst ersonnen habe... und es wird ihre letzte sein!«

Sie ritten schnell ins Lager zurück, wo Cesare einen kurzen Befehl gab und die schlafenden Soldaten wecken ließ. Aut seinen Befehl begannen die Männer auch, neun umgekehrte Kreuze zu machen und in die Erde zu stecken, als sie fertig waren. Dann nahm er mit Midi und dem Magier Platz, um die Ankunft seiner Leute mit den neun schwarzen Priestern zu erwarten.

Sie trafen endlich ein, die neun - eine traurige Gruppe, ihrer Gewänder beraubt und sicher gefesselt. Cesare, der Fürst Borgia, blickte sie prüfend an. Dann machte er ein Zeichen, dass man sie näher herbrachte und auf die Knie zwang; wieder studierte er ihre Gesichter. Er beugte sich vor, um zu ihnen zu sprechen. »Wusstet ihr nicht, dass dies das Lager des Fürsten Borgia ist, eh?... Und doch raubtet ihr die Leichen seiner Gefallenen!... Schweine! Wisset, dass ihr jetzt sterben müsst; macht euch bereit, vor euren schwarzen Meister zu treten.« Er zeigte auf die Männer. »Kleidet sie ganz aus und nagelt sie an die Kreuze... achtet darauf, dass ihre Köpfe nicht die Erde berühren.« Dann wandte er sich an René. »Nimm ihre schwarzen Hostien und mach sie mit deinem Zauber weiß.«

Der Magier verbeugte sich und schlurfte fort.

«Sorgt dafür, dass auf jedes Kreuz ein Stück von den Talgkerzen gestellt wird, die diese Schweine benutzt haben«, befahl der Fürst seinen Männern. »Sie müssen so hingestellt und angezündet werden, dass jeder einzelne heiße Talgtropfen das Gesicht der Männer darunter streift; es soll sie an ihre Ewigkeit erinnern.« Plötzlich erschien René wieder, in seinen Händen neun weiße Oblaten, die noch einen Augenblick zuvor schwarz gewesen waren. Diese reichte er Cesare und trat zur Seite, um die weiteren Befehle des Fürsten Borgia zu erwarten.

»Um diese Aasgeier zu bestrafen«, murmelte Cesare, »kann ich entweder Weiße oder Schwarze Magie benutzen... und ich habe das Vergnügen, die Schwarze zu nehmen. Glaubt Ihr nicht auch, dass die Schwarze passender ist, René?«

»Hoheit weiß es am besten.« Der Magier neigte den Kopf. »Schwarz ist auch gefährlicher.«

»Umso besser«, sagte Cesare und schritt nach vorn. »Kommt!« Gehorsam folgte ihm René. Der Fürst Borgia blieb vor dem ersten der neun stehen und presste eine der ungeweihten weißen Oblaten in den Mund des Mannes. Im selben Augenblick murmelte René ein kurzes lateinisches Ritual. Cesare wartete, bis der Magier fertig war; dann ging er zum zweiten, wiederholte den Vorgang, und wieder sagte der Magier das Ritual auf. So wurden alle neun abgefertigt. Dann wandte sich Cesare wieder an seine Gefolgsleute.

»Bringt mir die Schädel, die diese Aasgeier benutzt haben.« Zwei Männer brachten die Schädel, die der Magier vorsichtig in beide Hände nahm. Der Fürst Borgia ging zu ihm und tauchte seine Hände in die Flüssigkeit, die sich in den Schädeln befand; dann wandte er sich um und begann, die Körper an den Kreuzen mit der Flüssigkeit zu bespritzen. Das vollendet, schritt er zur Seite und übergab dem Magier die Leitung des Rituals.

René warf die Schädel von sich, so dass sie vor den Kreuzen niederfielen und die nassen Gesichter der neun noch mehr von Flüssigkeit benetzt wurden. Dann nahm er von einem der Gefolgsleute eines der schwarzen Gewänder entgegen, die im Hain getragen worden waren, und zog es über seine Kleidung. Nun fing er plötzlich an, zu gestikulieren und zu rufen und wiederholte schließlich mit unglaublicher Schnelligkeit das gesamte Ritual der Schwarzen Messe von hinten und verkündete danach mit lauter Stimme siebenmal den Namen Beelzebub.

Der Klang seiner Stimme war kaum erstorben, als aus den Tiefen des Himmels auch schon eine dichte schwarze Wolke hervorbrach, die stark an ein großes, stumpfschwarzes Samttuch erinnerte, das in der Luft aufgehängt war. Sie schwebte einen Augenblick über den Kreuzen; senkte sich dann plötzlich herab, und sofort wurde der Schwefelgestank, mit dem die Luft gesättigt war, unerträglich. Instinktiv drängten sich die Soldaten zusammen und entfernten sich; aber René wich keinen Schritt. Einen Augenblick umhüllte die schwarze Wolke die Kreuze, wand und krümmte sich um sie; dann entstand plötzlich ein bläulicher Schein, und unvermittelt schoss eine helle Flamme empor... und war wieder fort.

Dann sahen die betroffenen Soldaten, dass die Kreuze zwar genauso unversehrt geblieben waren, wie man sie gemacht hatte, dass die Körper der neun aber verschwunden waren, und mit ihnen die Schädel und die Talgkerzen - doch unter jedem Kreuz lag ein winziger Haufen Asche!

»Meine Messe ist vorbei«, sagte Cesare, Fürst Borgia. »Und ich bin sehr müde... und du, Midi? Komm.«

Die beiden Männer entfernten sich gemeinsam, und hinter ihnen glitt die zusammengekrümmte, erschöpfte Gestalt des Magiers durch das Schweigen.

Algernon Blackwood: HEIMLICHE ANBETUNG

Der Seidenhändler Harris befand sich auf dem Rückweg von einer Geschäftsreise in Süddeutschland, als er plötzlich den Einfall hatte, von Straßburg aus die Eisenbahn durchs Gebirge zu nehmen und seiner alten Schule, die er mehr als dreißig Jahre nicht mehr gesehen hatte, einen Besuch abzustatten. Um diesem zufälligen Impuls des Juniorpartners von Harris Brothers, St. Paul’s Churchyard, verdankte John Silence einen der eigenartigsten Fälle seiner gesamten Laufbahn, denn zufällig bereiste er in genau diesem Augenblick dieselben Berge mit einem Rucksack, und die beiden Männer steuerten aus verschiedenen Himmelsrichtungen auf denselben Gasthof zu.

Tief in dem Herzen, das sich dreißig Jahre lang in erster Linie mit dem profitablen Kauf und Verkauf von Seiden beschäftigt hatte, hatte Harris’ Schule den Stempel ihres besonderen Einflusses hinterlassen und, obgleich Harris selbst vielleicht gar nicht bewusst, sein ganzes folgendes Dasein gefärbt. Sie gehörte zum tief religiösen Leben einer kleinen protestantischen Gemeinde (deren Namen man hier nicht zu erwähnen braucht), und sein Vater hatte ihn im Alter von fünfzehn Jahren hingeschickt, teilweise weil er das für das Seidengeschäft notwendige Deutsch lernen sollte, teilweise weil die Zucht sehr streng war, und Zucht war es, was seine Seele und sein Körper gerade zu jener Zeit mehr benötigten als alles andere.

Das Leben dort hatte sich in der Tat als außerordentlich streng herausgestellt, und der junge Harris profitierte entsprechend davon; obgleich man keine körperlichen Strafen kannte, gab es ein System geistiger und geistlicher Bestrafung, das die Seele irgendwie zu einer besonders stolzen und aufrechten Haltung veranlasste, wenn sie sie empfing, während sie genau die Wurzel des begangenen Fehlers traf und den jungen lehrte, dass sein Charakter gesäubert und gestärkt wurde und dass man ihn nicht nur als Ergebnis irgendeiner persönlichen Rache peinigte.

Das war mehr als dreißig Jahre her, als er ein träumerischer und aufnahmebereiter Jüngling von fünfzehn war; und nun, während der Zug langsam die gewundenen Bergpässe erkletterte, reisten seine Gedanken irgendwie liebevoll über die dazwischenliegende Zeit zurück, und längst vergessene Einzelheiten stiegen lebhaft vor ihm aus den Schatten empor. Das Leben dort war sehr schön gewesen, schien ihm, in jenem abgelegenen Gebirgsdorf, geschützt vom Trubel der Welt durch die Liebe und die Andacht des gottergebenen Bruderordens, der einige hundert Knaben aus allen Ländern Europas versorgte. Deutlich kehrten die Szenen wieder in sein Gedächtnis zurück. Wieder roch er die langen Steinkorridore, die heißen Räume mit den Bänken und Pulten aus Kiefernholz, wo man die bleischweren Studierstunden des Sommers mit Bienen verbrachte, die im Sonnenschein durch die geöffneten Fenster hereinsummten, und wo in Gedanken deutsche Buchstaben mit Träumen von englischen Rasenflächen kämpften - und dann der plötzliche, schneidende Ausruf des Deutschlehrers :

»Harris, aufstehen! Du schläfst ja!«

Und er erinnerte sich an das schreckliche Stillstehen mit dem Buch in der Hand, das eine Stunde dauerte, während sich die Knie wie Wachs anfühlten und der Kopf schwerer wurde als eine Kanonenkugel.

Sogar der Geruch der Speisen kam wieder zu ihm - das Sauerkraut, die wässrige Schokolade, die sie sonntags bekamen, der Geschmack des zähen Fleisches, das zweimal in der Woche zum Mittagessen serviert wurde; und er lächelte, als er wieder an die halben Rationen dachte, mit denen man bestraft wurde, wenn man Englisch gesprochen hatte. Sogar der Duft der Milchschüsseln - das heiße, süße Aroma, das beim Frühstück um sechs Uhr aus dem weichen Bauernbrot aufstieg - kehrte ganz deutlich zu ihm zurück, und er sah den riesigen Speisesaal mit den hundert Jungen in ihrer Schultracht, die alle schläfrig im allgemeinen Schweigen aßen, das Schrotbrot hinunterschluckten und sich an der heißen Milch den Mund verbrannten, ängstlich auf die Glocke wartend, die sie gleich vertreiben würde - und am anderen Ende, wo die Lehrer saßen, sah er die schmalen Fensteröffnungen mit dem Panorama verlockender Felder und Wälder dahinter.

Und das ließ ihn wiederum an den großen, scheunenähnlichen Raum im obersten Stock denken, wo sie alle auf hölzernen Pritschen schliefen, und in Gedanken hörte er den Lärm der grausamen Glocke, die sie morgens im Winter um fünf Uhr weckte und in die mit Steinen ausgelegte Waschkammer befahl, wo sich sowohl Jungen als auch Lehrer in vollkommenem Schweigen ankleideten, nachdem sie sich dürftig und eiskalt gewaschen hatten.

Von hier eilte seine Erinnerung schnell, mit lebhaften Gedankenbildern zu anderen Dingen, und mit einem plötzlichen Schauder erinnerte er sich, wie ihn die Einsamkeit, niemals allein zu sein, zerfressen hatte, und wie alles - Arbeit, Mahlzeiten, Schlaf, Spaziergänge, Freizeit - mit seiner »Abteilung« von zwanzig anderen Jungen unter den Augen von mindestens zwei Lehrern getan werden musste. Allein konnte man nur sein, wenn man darum bat, eine halbe Stunde in den zellenähnlichen Musikzimmern üben zu dürfen, und Harris musste lächeln, als ihm wieder der Eifer seiner Geigenbemühungen einfiel.

Dann, während der Zug mühselig durch die großen Kiefernwälder dahinpuffte, die diese Berge mit einem riesigen Samtteppich bedecken, wurden die angenehmeren Erinnerungen in ihm lebendig, und er erinnerte sich voll Bewunderung an die Freundlichkeit der Lehrer, die sie alle mit »Bruder« anredeten, und wieder staunte er über die Gottergebenheit, mit der sie sich jahrelang an einem solchen Ort vergruben, den sie in den meisten Fällen nur verlassen sollten, um das noch entbehrungsreichere Leben von Missionaren in den unzugänglichen Teilen der Erde zu fuhren.

 

Wieder dachte er an die stille, religiöse Atmosphäre, die wie ein Schleier über der kleinen Waldgemeinde hing und die Schrecken der Welt fernhielt; an die bunten Zeremonien zu Ostern, Weihnachten und Neujahr; an die zahlreichen Feiertage und bezaubernden kleinen Feste. Besonders die Weihnachtsbescherung fiel ihm wieder ein, bei der die ganze Gemeinde paarweise antrat und Geschenke abgab, von denen viele wochenlange Arbeit oder große Ersparnisse erfordert hatten. Und dann sah er die Mitternachtsmesse zum Neuen Jahr in der Kirche mit dem strahlenden Gesicht des Predigers auf der Kanzel - des Dorfpfarrers, der in der letzten Nacht des alten Jahres in der leeren Galerie hinter der Orgel die Gesichter all derer erblickte, die in den folgenden zwölf Monaten sterben würden, und der sich schließlich selbst unter ihnen erkannte und, mitten in seiner Predigt, von einem Zustand himmlischen Verzückens ergriffen wurde und selig den Herrn pries.

Dicht drängten sich die Erinnerungen um ihn. Das Bild des kleinen Dorfes, das sein selbstloses Leben auf den Bergen verträumte, sauber, intakt, »einfach, mit aller Kraft seinen Gott suchend und Hunderte von Jungen auf den großen Weg weisend, stieg mit der Kraft einer Besessenheit vor seinem geistigen Auge auf. Wieder fühlte er die alte, mystische Begeisterung, tiefer als der Ozean und schöner als die Sterne; wieder hörte er, wie der Wind von den unendlichen Wäldern her im Mondlicht über den roten Dächern seufzte; er hörte die Stimmen der Brüder von den Dingen nach dem Leben sprechen, als hätten sie sie bereits körperlich erlebt; und, als er da in dem rumpelnden Zug saß, wurde seine ausgedörrte und erschöpfte Seele von einem Hauch unaussprechlicher Sehnsucht ergriffen, die in seinen innersten Tiefen einen Ozean von Gefühlen aufwühlte, von denen er lange geglaubt hatte, sie seien versteinert.

Und dann schmerzte ihn der Kontrast zwischen dem idealistischen Träumer von damals und dem Geschäftsmann von heute, so dass ein Hauch überirdischen Friedens und überirdischer Schönheit, den die Seele nur in der Meditation kennt, ihm einen Federfinger auf das Herz legte und die Oberfläche des Wassers seltsam aufrührte.

Harris zitterte ein bisschen und blickte aus dem Fenster seines leeren Abteils. Der Zug hatte schon lange Homberg hinter sich gelassen, und weit unten stürzten die Bäche weiß schäumend die Kalkfelsen hinunter. Vor ihm türmte sich Gipfel auf Gipfel bewaldeter Berge gegen den Himmel. Es war Oktober, und die Luft war kühl und scharf, und in ihr vermischte sich der Rauch der Meiler und des feuchten Mooses köstlich mit dem feinen Duft der Kiefern. Über ihm, zwischen den Spitzen der höchsten Bäume, lugten die ersten Sterne hervor, und der Himmel war ein klarer, bleicher Amethyst, der genau von der Farbe schien, mit der sich all diese Erinnerungen in seinen Gedanken schmückten.

Er lehnte sich in seine Ecke zurück und seufzte. Er war ein schwerer Mann, und er hatte seit Jahren keine Gefühle mehr gekannt; er war ein großer Mann, und er ließ sich nicht leicht rühren, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne; er war ein Mann, in dem die Träume von Gott, die in der Jugend die Seele heimsuchen, zwar von den Schlacken verborgen wurden, die sich beim Kampf ums Geld ansammeln, die aber im Gegensatz zu den meisten anderen Männern noch nicht endgültig erstorben waren.

Er kehrte zurück in seine kleine, vernachlässigte Nische der Jahre, wo sich so viel feinstes Gold angesammelt und ungestört geruht hatte, und all seine Gefühle vibrierten in ihm; und als er die Berggipfel näher kommen sah und die vergessen geglaubten Gerüche seiner Jünglingszeit spürte, schmolz an der Oberfläche seiner Seele etwas und machte ihn in einem Ausmaß empfindsam, das er nicht mehr gekannt hatte, seit er hier vor dreißig Jahren mit seinen Träumen, seinen Konflikten und seinem Jugendleid gelebt hatte.

Ein Schauer durchführ ihn, als der Zug mit einem Ruck an einem winzigen Bahnhof hielt, und er sah den Namen in großen schwarzen Buchstaben auf dem grauen Steingebäude und darunter die Zahl der Meter über dem Meeresspiegel.

»Der höchste Punkt der Strecke!«, rief er aus. »Wie gut ich mich noch daran erinnere, Sommerau. Schon die nächste Station ist meine!«

Und als der Zug mit angezogenen Bremsen und ohne Dampf bergab fuhr, lehnte er sich aus dem Fenster und erblickte in der Dämmerung eine der vertrauten alten Landmarken nach der anderen. Sie starrten ihn an wie tote Gesichter im Traum. Eigenartige, stechende Gefühle, halb schmerzend, halb süß, wühlten sein Herz auf.

»Dort ist die heiße, helle Straße, die wir so oft entlang gingen, die beiden Brüder immer an unseren Fersen«, dachte er; »und bei Gott, dort ist die Biegung durch den Wald, die zu den Steingalgen führt, wo man in alten Tagen die Hexen hängte!«

Er lächelte ein bisschen, während der Zug vorbeiglitt.

»Und dort ist das Unterholz, wo die Erde im Frühling ganz von Maiglöckchen bedeckt war; und ich möchte schwören« - einem plötzlichen Impuls folgend, lehnte er sich ganz weit aus dem Fenster - »dass dort genau die Lichtung ist, wo Calaine, der kleine Franzose, mit mir den Schwalbenschwanz jagte, und Bruder Pagel setzte uns auf die halbe Ration, weil wir die Straße ohne seine Erlaubnis verlassen und in unserer Muttersprache gerufen hatten!« Und er lachte wieder, als die Erinnerungen ihn überfielen und seinen Geist mit lebhaften Einzelheiten überfluteten.

Der Zug hielt, und er stand wie ein Träumender auf der grauen Kiesplattform. Es schien ein halbes Jahrhundert vergangen, seit er hier zuletzt mit verschnürten Holzkisten gewartet, den Zug nach Straßburg bestiegen und nach zweijährigem Exil die Heimreise angetreten hatte. Die Zeit fiel von ihm ab wie ein altes Kleidungsstück, und er fühlte sich wieder als Junge. Nur sahen die Dinge jetzt so viel kleiner aus, als er sie in Erinnerung hatte; zusammengeschrumpft und verfallen wirkten sie, und die Entfernungen schienen einen seltsam verkleinerten Maßstab angenommen zu haben.

Er überquerte die Straße und begab sich zu dem kleinen Gasthaus, und während er ging, schlüpften die Gesichter und Gestalten ehemaliger Schulkameraden - Deutsche, Schweizer, Italiener, Franzosen, Russen - aus dem schattigen Wald und begleiteten ihn stumm. Sie glitten an seine Seite, die Augen fragend, traurig zu seinen hebend. Aber er hatte ihre Namen vergessen. Auch einige Brüder kamen mit ihnen, und bei den meisten konnte er sich an die Namen erinnern - Bruder Röst, Bruder Pagel, Bruder Schliemann und Bruder Qysin, der alte Pastor mit dem bärtigen Gesicht, der sich selbst in der unheimlichen Galerie der Menschen gesehen hatte, die bald sterben würden. Der dunkle Wald umgab ihn wie ein See, der jeden Augenblick mit samtenen Wogen heranrauschen und die Gesichter fortspülen konnte. Die Luft war kühl und duftete köstlich, doch mit jedem wohlriechenden Hauch kam auch eine bleiche Erinnerung...

Doch trotz der unterschwelligen Trauer, die mit einem solchen Erlebnis untrennbar verknüpft ist, war alles außerordentlich interessant und von einem ganz besonderen Zauber, so dass Harris sein Zimmer bezog und das Abendessen bestellte, wobei er sich in seiner Haut außerordentlich wohl fühlte, und er hatte vor, noch am selben Abend zu seiner alten Schule zu spazieren. Sie stand mitten im Dorf der Gemeinde, ungefähr vier Meilen entfernt durch den Wald, und zum ersten Mal fiel ihm jetzt auf, dass diese kleine protestantische Siedlung in einer Gegend des Landes lag, die sonst ausschließlich katholisch war. Kruzifixe und Heiligenschreine umgaben die Lichtung wie die Wachen einer belagernden Armee. Hinter dem Gebiet des Dorfes mit seinen paar Hektar Feldern und Obstgärten schloss sich der Wald in dichten Schlachtreihen, und am Rand des Waldes begann das Land, das von den Priestern eines anderen Glaubens beherrscht wurde. Er erinnerte sich auch vage daran, dass die Katholiken manchmal eine gewisse Feindseligkeit gegenüber der kleinen protestantischen Oase gezeigt hatten, die so friedlich und ruhig in ihrer Mitte blühte. Das hatte er fast vergessen. Wie belanglos es jetzt angesichts seiner umfassenden Lebenserfahrungen und seiner Kennmisse von anderen Ländern und der größeren Welt schien! Es war, als schritte man nicht dreißig Jahre, sondern dreihundert Jahre zurück.

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