TARZAN, DER UNBESIEGBARE

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»Mir scheint, sie fühlen sich schon bedeutend sicherer, seit der Hindu beerdigt worden ist«, sagte Colt. »Mein Diener gab mir allerdings zu verstehen, dass viele Neger an ein Weiterleben nach dem Tode glauben. Sie halten es für möglich, dass Menschen, die eines gewaltsamen Todes gestorben sind, auferstehen und wiedererscheinen.«

»Das ist wirklich kaum anzunehmen«, gab die Frau lachend zurück.

Sie hatte die Worte kaum ausgesprochen als es plötzlich über ihnen in den Zweigen rauschte. Ein schwerer Körper brach durch die Äste herab und krachte auf den Tisch zwischen ihnen. Das leichte Möbelstück brach unter dem Gewicht des Aufschlages zusammen.

Colt und Zora sprangen auf. Der Mann riss den Revolver aus der Tasche. Die Frau trat mit unterdrücktem Aufschrei einen Schritt zurück. Colt fühlte, wie ihm die Haare auf dem Kopf zu Berge standen. Eine Gänsehaut lief ihm über Arme und Rücken. Denn zwischen ihnen lag die Leiche Raghunath Jafars. Die toten Augen starrten aus halbgeschlossenen Lidern in die Nacht empor.

Viertes Kapitel: In der Löwengrube

Nkima war wütend. Man hatte ihn aus dem tiefsten Schlaf geweckt, was an und für sich schon schlimm genug war. Nun aber machte sich sein Herr und Meister noch auf einen seltsamen Weg durch die Dunkelheit. In Nkimas leises Schimpfen mischten sich Seufzer der Furcht, denn in jedem Schatten glaubte er Sheeta, den Panther, zu sehen, der auf ihn lauerte. Und jeder gewundene Ast im dunklen Wald erinnerte ihn an Hista, die Schlange. Solange sich Tarzan in der Nachbarschaft des Lagers aufhielt, fühlte sich Nkima einigermaßen sicher. Als sein Herr mit der Leiche des toten Inders in den Baum zurückkletterte, glaubte der kleine Manu, dass man dort den Rest der Nacht zubringen werde. Stattdessen verschwand der Affenmensch sofort aus der Umgebung des Lagers und schwang sich mit großer Schnelligkeit durch den dunklen Urwald von Ast zu Ast. Der kleine Nkima sah jede Hoffnung auf ruhigen und sicheren Schlaf für die letzten Nachtstunden schwinden.

Zveri und seine Begleiter hatten sich langsam auf einem vielfach gewundenen Dschungelpfad vorwärtsbewegt. Tarzan hingegen strebte in fast schnurgerader Luftlinie dem gleichen Ziele zu. Das hatte zur Folge, dass Tarzan und Nkima die hohe Klippe bereits hinter sich gebracht hatten, die das letzte und größte Hindernis vor dem Tal von Opar bildete, lange bevor Zveri ankam. Der Affenmensch und sein winziger Begleiter durchquerten das einsame Hochtal, an dessen jenseitigem Rande sich die riesigen Mauern und die verfallenen Türme der alten Stadt erhoben. Im hellen Licht der afrikanischen Sonne funkelten Kuppeln und Türme in rotem und goldenem Licht. Abermals, wie schon einmal vor vielen Jahren, fühlte sich der Affenmensch beim Anblick dieses großartigen Panoramas verschollener Geheimnisse seltsam angeführt.

Aus dieser großen Entfernung betrachtet, wirkte die Stadt keineswegs verfallen und zerstört. Wiederum sah Tarzan vor seinem geistigen Auge das Bild einer Stadt von hervorragender Schönheit, deren Straßen und Tempel von vielen Menschen belebt waren. Noch einmal spielte er in Gedanken mit der Möglichkeit, das Geheimnis dieser Stadt zu lösen. Vor langer, langer Zeit musste ein reiches und mächtiges Volk diese Wohnstätte entworfen und erbaut haben als fast unvergängliches Monument einer untergegangenen Kultur. Man konnte sich leicht vorstellen, dass Opar ein Überbleibsel jener großartigen Periode war, die einstens auf dem großen Kontinent von Atlantis blühte, und deren letzte, Kolonie dem langsamen Tod und dem Niedergang überlassen blieb, nachdem die Wogen des Ozeans ein Weltreich zerstört hatten.

Die jetzt noch übrig gebliebenen, wenigen Einwohner der verfallenen Stadt hatten seltsame Riten und Zeremonien, die aus einer uralten Religion stammen mussten. Deshalb erschien es nicht ausgeschlossen, dass sie direkte Nachfahren der so machtvollen Erbauer dieser Stadt waren. Eine andere Erklärung für das Vorhandensein einer weißhäutigen Bevölkerung in diesem fernen und unzugänglichen Teil der afrikanischen Wildnis ließ sich schwerlich finden.

Unter der Einwohnerschaft von Opar schienen besondere Gesetze der Vererbung wirksam zu sein, die es in keinem anderen Teil der bewohnten Welt gab. Denn es ist eine seltsame Tatsache, dass die Männer von Opar den weiblichen Bewohnern der Stadt gänzlich unähnlich sehen. Die Männer sind klein, stämmig, vollkommen behaart und wirken in ihrer äußeren Erscheinung mehr wie Affen. Die Frauen hingegen sind schlank, zeigen eine weiche Haut und sind im Durchschnitt recht schön. Gewisse äußere Merkmale und auch bestimmte Anzeichen in der geistigen Haltung der Männer hatten in Tarzan den Verdacht aufkeimen lassen, dass vor langer Zeit die Kolonisten, entweder freiwillig oder unter einem Zwange handelnd, sich mit den Riesenaffen in jener Gegend vermischt hatten. Tarzan kannte auch die seltsamen religiösen Vorstellungen dieses Volkes, das noch das Menschenopfer kannte. Bei der Knappheit menschlichen Materials für solche Opferzwecke erschien es ihm nur wahrscheinlich, dass man immer jene Männer oder Frauen der Gottheit zum Opfer darbrachte, die in irgendeiner Weise ihrem Aussehen nach von dem herkömmlichen Bilde abwichen. Der Erfolg dieser Maßnahme war, dass sich in einer Art von natürlicher Auslese die überwältigende Mehrheit der Männer zu dem jetzigen, abscheulichen Aussehen entwickelte, während die Frauen normal, ja sogar schön aussahen.

Mit solchen Gedanken beschäftigt, durchquerte der Affenmensch das verlassene Tal von Opar, das sich im schimmernden, hellen Sonnenlicht vor ihm erstreckte. Nur an wenigen Stellen gab es ein paar knorrige, im Wachstum gehemmte Bäume. Vor ihm, etwas weiter rechts, lag der kleine, felsige Hügel, auf dem sich, wie er wusste, der äußere Zugang zu den Schatzkammern von Opar befand. Im Augenblick interessierten ihn die verborgenen Schätze der Stadt jedoch keineswegs. Ihm kam es nur darauf an, die Hohepriesterin La vor der Annäherung der Expedition zu warnen, so dass man sich rechtzeitig zur Verteidigung bereit machen konnte.

Seit Tarzans erstem Besuch in Opar waren viele Jahre vergangen. Damals war es ihm gelungen, die Hohepriesterin La wieder in ihr Amt einzusetzen, nachdem er die Streitkräfte des Hohepriesters Cady besiegt hatte. Der verräterische Priester hatte sein Leben eingebüßt, als er in die Fänge von Jad-bal-ja, dem Goldlöwen, geriet. Seit jener Zeit glaubte er sich der Freundschaft aller Einwohner von Opar sicher. Seit Jahren wusste er, dass La im Geheimen mehr als freundschaftliche Gefühle für ihn hegte, während ihre wilden und abscheulichen Feinde ihn von jeher gehasst und gefürchtet hatten. Also näherte sich Tarzan der Stadt Opar jetzt ohne jede besondere Vorsicht, so wie jemand auf das Haus eines guten Freundes zugeht. Er hatte keinerlei Anlass daran zu zweifeln, dass man ihn mit großer Freude und Freundschaft empfangen werde.

Nkima jedoch fühlte sich nicht ganz so sicher. Die düsteren Ruinen erschreckten ihn. Er schnatterte und bat, dass sein Herr und Meister umkehren möge. Es hatte keinen Zweck. Schließlich wurde seine Angst so groß, dass sie die Gefühle der Liebe und der Treue zu seinem Herrn überschattete. Als Tarzan sich der äußeren Ringmauer näherte, die sich hoch über ihnen erhob, sprang er von seines Meisters Schulter und hüpfte von den Ruinen fort, die ihm Angst und Schrecken ein jagten. Tief in seinem kleinen Herzen fühlte er eine unüberwindliche Scheu vor fremden und ihm unbekannten Plätzen. Nicht einmal sein Vertrauen zu Tarzan konnte ihn dazu bewegen, mit in die Stadt hineinzugehen. Nkimas scharfen Augen war der felsige Hügel nicht entgangen, an dem man vor einiger Zeit vorübergekommen war. Dorthin flüchtete er sich jetzt, weil er glaubte, dass er dort in Ruhe und Sicherheit die Rückkehr seines Herrn aus Opar abwarten könne. Unterdessen hatte Tarzan den schmalen Spalt in der breiten Mauer erreicht, der den einzigen Zugang zur Stadt darstellte. Wie damals, vor vielen Jahren, fühlte er auch jetzt, dass er von unsichtbaren Augen beobachtet wurde. Er erwartete in jedem Augenblick einen Ausruf freudigen Erstaunens zu hören. Die Wächter mussten ihn bald erkennen.

Ohne zu zögern, jedoch auch ohne besondere Eile betrat Tarzan den engen Zugang und erklomm eine Stiege steinerner Stufen, die zu dem gewundenen Gang in der dicken Außenmauer führte. Der schmale Zwischenhof, an dessen Rand sich der innere Wall erhob, lag still und menschenleer vor ihm. Nichts rührte sich, als er abermals einen schmalen Durchgang passierte, der in diese zweite Mauer eingelassen war. Dahinter tat sich eine breite Straße vor ihm auf, an deren Ende sich die verfallenen Ruinen des großen Tempels von Opar erhoben.

Von tödlicher Stille und Einsamkeit umgeben, betrat er das Portal. Es war mit einem Vorbau aus starken Säulen versehen, von deren oberem Teil merkwürdige Vogelskulpturen auf ihn herabstarrten. Seit unzählbaren Menschenaltern blickten die steinernen Vögel auf die Stadt herab, die von längst vermoderten Händen in den harten Granit der Monolithen gemeißelt wurden. Quer durch den Tempel gehend strebte Tarzan dem Platz im Stadtinneren zu, auf dem sich der Alltag der Menschen von Opar abzuspielen pflegte. Tarzan verursachte auf dem ganzen Wege kein Geräusch. Ein gewöhnlicher Mensch würde seine Ankunft vielleicht durch einen Ausruf oder ein lautes Grußwort angekündigt haben. Aber Tarzan war in vielerlei Hinsicht weniger Mensch als Tier. Wie ein solches ging er still seiner Wege und verschwendet keinen Atemzug an nutzloses Rufen. Er hatte sich keine Mühe gegeben, Opar heimlich zu betreten. Er wusste auch, dass er nicht unbeobachtet geblieben war. Warum man ihn noch nicht begrüßt hatte, war ihm unklar. Er konnte sich diesen Umstand nur so erklären, dass man inzwischen einen Boten zu La, der Hohepriesterin, geschickt habe, um ihr seine Ankunft zu melden.

 

Der Affenmensch schritt den Hauptgang entlang, wobei er mit kurzem Blick die goldenen Tafeln streifte, die mit uralten und nicht mehr zu entziffernden Hieroglyphen bedeckt waren. Dann kam er durch den Saal der sieben goldenen Säulen ehe er über den mit Goldplatten bedeckten Fußboden eines anschließenden Saales ging. Auch hier war alles still und leer. Jedoch schien ihm so, als bewege sich etwas auf den Galerien, die sich in Stockwerkhöhe um diesen Saal zogen. Schließlich stand er vor einer schweren Tür. Er war sicher, hinter ihr entweder Priester oder Priesterinnen zu finden, die in diesem riesigen Tempel den Dienst des Flammengottes versahen. Ohne Furcht stieß er die Tür auf und überschritt die Schwelle. Im gleichen Augenblick sauste eine knotige Keule nieder und traf ihn auf den Hinterkopf. Bewusstlos stürzte er zu Boden. Gleich darauf war er von einer Gruppe stämmiger, kurzbeiniger Männer umgeben. Ihre verfilzten Bärte reichten ihnen tief bis auf die haarigen Brüste. Sie bewegten sich schwerfällig auf kurzen, krummen Beinen. Während sie ihrem Opfer Handgelenke und Fußknöchel fesselten unterhielten sie sich in leisen, knurrenden Tönen tief aus der Kehle. Sie hoben Tarzan auf und trugen ihn durch viele Gänge und verfallene Säle zu einem großen Raum, mit steinernem Fußboden. Dort saß eine junge Frau auf einem großen Thron, der sich auf einem mehrere Fuß hohen Podium erhob.

Neben dieser Priesterin stand ein kleiner, stämmiger Mann. Seine Arme und Beine waren mit goldenen Bändern geschmückt. Um seinen Hals hingen viele Ketten. Vor dem Thron hatten sich viele Menschen, Männer und Frauen, versammelt. Das waren die Priester und Priesterinnen des Flammengottes von Opar. Die Männer, die Tarzan niedergeschlagen hatten, schleppten ihr Opfer vor den Thron und legten es dort auf den Fußboden nieder. Fast im gleichen Augenblick gewann der Affenmensch sein Bewusstsein zurück. Er öffnete die Augen und schaute sich um.

»Ist er das?«, wollte die Frau auf dem Thron wissen. Einer der Männer, die Tarzan herbeigeschleppt hatten, sah, dass er wieder zu Bewusstsein gekommen war. Er hob ihn mit Hilfe einiger anderer Männer auf und stellte ihn auf die Füße.

»Er ist es, Oah«, rief der Mann neben ihr aus.

Der Ausdruck eines unnennbaren Hasses verzerrte das Gesicht der Frau. »Der Flammengott meint es gut mit seiner Hohepriesterin«, sagte sie. »Ich habe gebetet, dass dieser Tag kommen möge, genauso wie ich für jenen anderen Tag betete, der mir gleichfalls beschert worden ist.«

Tarzans Blicke gingen schnell zwischen der Frau und dem Manne hin und her.

»Was hat das alles zu bedeuten, Dooth?«, fragte er. »Wo ist La? Wo ist eure Hohepriesterin?«

Die Frau sprang wütend von ihrem Thron auf. »Wisse, du Mann aus der fremden Welt, dass ich die Hohepriesterin bin. Ich, Oah, bin jetzt die Hohepriesterin des Flammengottes.«

Der Affenmensch hatte keinen Blick für sie. »Wo ist La?«, wollte er abermals von Dooth wissen.

Oah steigerte sich in eine wilde Wut hinein. »Sie ist tot!«, schrie sie. Dabei trat sie an die Kante des Thronpodestes, so, als wolle sie sich auf Tarzan hinabstürzen. In ihrer Hand funkelte das mit Juwelen besetzte Opfermesser im Licht der Sonne, das durch ein großes Loch in der Decke hereinfiel, wo sich im Laufe der vielen Jahre viele Dachziegel gelöst hatten.

»Sie ist tot!«, wiederholte sie. »Sie ist genauso tot wie du es sein wirst, wenn wir demnächst dem Flammengott dein lebenswarmes Blut zum Opfer bringen. La war schwach. Sie liebte dich und betrog deswegen ihren Gott, dem du schon damals zum Opfer dargebracht werden solltest. Aber Oah ist stark – stark in ihrem Hass, den sie in ihrer Brust bewahrt hat, seit Tarzan und La sie vom Thron von Opar vertrieben haben. Bringt ihn hinaus!«, rief sie plötzlich den Männern zu. »Ich will ihn nicht sehen bevor ich befehle, dass er auf den Opferaltar gelegt werde.«

Die Männer zerschnitten Tarzans Fußfesseln, damit er gehen konnte. Obwohl man ihm die Handgelenke roh hinten den Rücken gebunden hatte, fürchteten sich offenbar alle sehr vor ihm. Sie warfen ihm Schlingen über den Kopf um den Hals und befestigten Seile an seinen Armen und Beinen, um ihn zu führen wie einen gefangenen Löwen. Sie brachten Tarzan hinunter in die Dunkelheit der ihm bereits bekannten Verliese von Opar. Einige Männer trugen Fackeln bei sich. Als man schließlich die Zelle erreicht hatte, in der Tarzan eingesperrt werden sollte, zögerten die Männer lange Zeit ehe sie es wagten, ihm die Handfesseln zu lösen. Zuvor aber banden sie ihm die Füße wieder fest zusammen, so dass sie genügend Zeit fanden, aus dem Raum zu fliehen und von außen einen Riegel vorzuschieben ehe er ihnen folgen konnte. So sehr hatte sich Kraft und Tapferkeit des Affenmenschen der Erinnerung dieser verkommenen Priester von Opar eingeprägt.

Tarzan befand sich nicht zum ersten Mal in den unterirdischen Verliesen von Opar. Schon einmal war ihm die Flucht von hier geglückt. Deswegen machte er sich sogleich daran, seine gegenwärtige Zelle auf eine etwaige Fluchtmöglichkeit zu untersuchen. Er konnte sich vorstellen, dass Oah nicht lange zögern und ihre Drohungen wahr machen würde. Allzu lange hatte sie sich nach dem Augenblick gesehnt, ihm das Opfermesser ins Herz stoßen zu können. Nachdem der Affenmensch schnell die Fesseln von seinen Knöcheln gelöst hatte, tastete er sich sorgsam von Stein zu Stein an den Wänden entlang. Bald hatte er die ganze Zelle genau untersucht. Darauf machte er sich an eine ebenfalls sehr genaue Untersuchung des Fußbodens. Er entdeckte, dass er sich in einer rechteckigen Kammer befand, die ungefähr zehn Fuß lang und acht Fuß breit war. Wenn er sich auf die Zehenspitzen erhob, vermochte er gerade noch die Decke zu erreichen. Die einzige Öffnung war die Tür, durch die er hereingekommen war. In dieser Tür befand sich ein eingeschnittenes Luftloch, das mit eisernen Stäben gesichert war. Diese einzige Quelle frischer Luft führte jedoch auf einen dunklen Korridor hinaus und ließ kein Licht herein. Tarzan prüfte auch die Türangeln, fand aber bald heraus, dass sie selbst für seine riesige Kraft zu fest sein würden. Eine leise Bewegung draußen im finsteren Korridor verriet ihm, dass dort einer der Priester Wache hielt. Mit dieser Entdeckung schwanden alle Hoffnungen auf eine heimliche Flucht.

Drei Tage und drei Nächte hindurch lösten sich die Wachen vor seiner Tür in regelmäßigen Abständen ab. Am Morgen des vierten Tages jedoch entdeckte Tarzan, dass der Gang vor seiner Zelle leer war. Nun richtete er wieder alle seine Gedanken auf eine baldige Flucht.

Als der Affenmensch gefangen und von seinen Besiegern entwaffnet wurde, hatte man das unter dem Schwanzteil des Leopardenfelles, das seinen Lendenschurz bildete, verborgene Messer übersehen. In ihrer Aufregung hatten die dummen, halb tierischen Priester von Opar eine genaue Durchsuchung ihres Opfers unterlassen. Diesen glücklichen Umstand begrüßte Tarzan in doppelter Hinsicht. Aus begreiflichen Gründen hing er sehr an dem Jagdmesser seines längst verstorbenen Vaters. Mithilfe dieses Messers hatte er seinen Weg begonnen, der ihn vor langer Zeit zum Herr aller Tiere des Dschungels machte. Mehr durch Zufall, als mit bestimmter Absicht hatte er einst dieses Messer in das Herz Bolganis, der Gorilla, gestoßen. In seiner jetzigen Lage stellte die Waffe eine Gottesgabe dar, mit deren Hilfe er sich nicht nur verteidigen konnte. Sie sollte ihm bei seinem beabsichtigten Ausbruch hervorragende Dienste leisten.

Vor vielen Jahren war Tarzan, der Affenmensch, schon einmal aus den Gefängniszellen von Opar entkommen. Seit damals kannte er die Bauart der massiven Wände. Granitene Blöcke verschiedener Größe, in vollendeter Weise mit primitiven Werkzeugen behauen, waren so zusammengefügt, dass sie ohne Mörtel hielten. Jene Wand, durch die er damals geflohen war, hatte fünfzehn Fuß im Durchmesser gehabt. Zu seinem Glück hatte man ihn damals in eine Zelle gesperrt, die einen geheimen Ausgang besaß. Dieser Geheimgang war den jetzigen Einwohnern von Opar offensichtlich nicht bekannt gewesen. Der Zugang zu diesem Fluchtweg war von außen nur mit einer lose aufgerichteten Schicht von Steinen verschlossen, die der Affenmensch ohne große Anstrengung beseitigen konnte.

Natürlich untersuchte er seine jetzige Zelle zu allererst darauf, ob sie nicht in einen ähnlichen Geheimgang mündete. Dieses Mal hatte er jedoch keinen Erfolg. Nicht ein einziger Stein ließ sich von seinem Platz bewegen. Das riesige Gewicht der Tempelwände, als deren Grundmauern sie dienten, hielt sie fest auf ihrem Platz. Angesichts dieser Sachlage wendete er nun seine ganze Aufmerksamkeit der Tür zu.

Er wusste von früher her, dass es in Opar nur wenige verschließbare Räume gab. Die heruntergekommenen Einwohner der Stadt waren entweder nicht mehr klug genug oder zu faul, alte Schlösser zu reparieren und neue zu konstruieren. Die Schlösser, die er noch von früher her kannte, waren plump und roh zusammengefügt. Man brauchte riesige Schlüssel, um sie zu schließen. Seiner Ansicht nach stammten diese Schlösser aus den Tagen des Königreiches von Atlantis. Meistens bediente man sich jedoch schwerer Riegel, um Türen zu verschließen. Aus dem Verhalten seiner Wächter schloss er, dass seine Tür mit einem Riegel oder Querbalken verwahrt sein musste.

Den Weg zur Tür ertastend, untersuchte Tarzan die kleine Luftöffnung. Sie befand sich etwa in Schulterhöhe. Das Loch war viereckig und maß etwa einen Viertelmeter in Höhe und Breite. Vier starke Eisenstäbe waren quer darüber in einigem Abstand voneinander angebracht. Die Gitterstäbe lagen zu dicht beisammen, als dass er seine Hand hätte dazwischen hinaus stecken können. Diese Tatsache entmutigte den Affenmenschen jedoch keineswegs. Vielleicht gab es eine andere Möglichkeit.

Seine stählernen Finger packten den untersten Eisenstab in der Mitte. Mit der linken Hand klammerte er sich an dem obersten Gitterstab fest. Ein Knie stemmte er gegen die Tür und beugte dann langsam den rechten Ellenbogen. Wie flüssiger Stahl rollten die Muskeln seines Unterarmes und der Schulter unter der glatten Haut. Langsam bog sich der Stab nach innen auf ihn zu. Der Affenmensch lächelte als er abermals zupackte. Jetzt setzte er sein ganzes Gewicht und seine mächtige Körperkraft ein. Der Stab bog sich zu einem großen U und löste sich aus seinem Halt. Tarzan versuchte den Arm durch die Öffnung zu stecken. Sie war aber immer noch zu eng. Einen Augenblick später hatte er einen zweiten Gitterstab herausgerissen. Nun konnte er seinen Arm in voller Länge durch das Loch hinausstrecken. Mit den Fingern tastete er nach dem Riegel oder dem Querholz, das ihn gefangen hielt.

Wenn er den Arm so weit wie möglich hinausstreckte, erreichte er mit den Fingerspitzen gerade die obere Kante eines mächtigen Balkens, der aus drei Zoll dickem Holz bestand. Wie stark der Riegel in der Breite war, konnte er nicht herausfinden. Auch war nicht festzustellen, ob der Riegel hoch- oder zurückgeschoben werden musste. Die Lage war qualvoll. Nun hatte er die Freiheit beinahe erreicht und blieb dennoch gefangen. Es war zum Verrücktwerden.

Da erinnerte sich Tarzan seines Messers. Er zog den Arm zurück und nahm die Waffe aus der Scheide. Dann streckte er den Arm abermals hinaus und drückte die Spitze der Klinge in den hölzernen Riegel. Zuerst versuchte er mithilfe des Messers den Balken anzuheben. Die Spitze glitt jedoch aus dem Holz heraus. Danach probierte er, ob sich der Riegel waagerecht zurückschieben ließ. Das glückte ihm. Wenn er auch bei jedem Versuch den Riegel nur um wenige Zentimeter bewegen konnte, so war er dennoch schon ganz zufrieden. Er wusste jetzt, dass er mit Ausdauer und Geduld sein Ziel erreichen würde. Ganz langsam bewegte sich der Riegel in seinen Lagern. Immer wieder setzte Tarzan das Messer an und zog das Holz Stück für Stück zurück. Er arbeitete methodisch und sorgsam. Tarzan ließ sich durch nervöse Hast nicht zu überstürzter Eile verleiten, obwohl er keine Ahnung hatte, wann ein wilder Kriegerpriester von Opar kam, nach dem Gefangenen zu sehen. Schließlich wurden seine Bemühungen belohnt. Die Tür ließ sich aufstoßen. Rasch trat Tarzan in den dunklen Gang hinaus und schloss die Tür hinter sich. Er schob den Riegel zu. Da er keinen anderen Ausweg wusste wendete er sich in dem Gang in die Richtung, aus der man ihn hereingeführt hatte. In weiter Ferne schien die Dunkelheit in schwache Dämmerung überzugehen. Dorthin schlich er. Allmählich wurde es heller. Er sah nun, dass der Korridor etwa zehn Fuß hoch war. In unregelmäßigen Abständen erkannte er Türen, die alle geschlossen und mit Riegeln oder Balken versehen waren.

Etwa hundert Schritte von seiner Zelle entfernt, stieß Tarzan auf einen Quergang. Hier blieb er einen Augenblick stehen, um seine Umgebung mit bebenden Nasenflügeln, scharfen Augen und wachsamen Ohren zu prüfen. In keiner Richtung war Licht zu erblicken. Jedoch vernahmen seine Ohren leise Geräusche, woraus er erkannte, dass irgendwo hinter den Türen in den Gängen Leben sein musste. Seine empfindliche Nase unterschied eine Vielzahl von Gerüchen. Da war der süße Duft von Weihrauch. Es roch nach Menschen und dazwischen war die scharfe Ausdünstung von Raubtieren. Schließlich machte sich Tarzan in der ursprünglich eingeschlagenen Richtung weiter auf den Weg, weil nur dort weit vorn ein Lichtschein zu erkennen war.

 

Er war nur wenige Schritte gegangen als seine scharfen Ohren ihm die Annäherung von Menschen verrieten. Er durfte es nicht wagen, hier entdeckt zu werden. Langsam kehrte er zu dem Quergang zurück, wo er hoffte, sich verbergen zu können, bis die Gefahr vorüber war. Die Menschen waren ihm indessen viel näher als er geglaubt hatte. Es vergingen nur wenige Sekunden bis ein halbes Dutzend Priester von Opar aus einem Seitengang weiter vorn auftauchten. Sie erblickten ihn sofort und blieben stehen. Mit scharfen Augen suchten sie das Dämmerlicht zu durchdringen. »Es ist der Affenmensch«, rief einer aus. »Er ist entkommen!«

Sie machten Miene, mit knotigen Keulen und gebogenen Messern auf ihn einzudringen.

Sie wagten sich jedoch nur zögernd an ihn heran. Zu tief saß ihnen die Angst vor Tarzans riesiger Kraft in den Herzen. Trotzdem rückten sie näher. Tarzan wich zurück. Er wusste, dass er trotz all seiner Kraft und nur mit dem Messer ausgerüstet gegen die Knüppel dieser sechs halbwilden Menschen nicht viel auszurichten hatte. Inzwischen überlegte er schnell, wohin er fliehen könnte. Schon erreichte er den Quergang, an dem er kurz vorher gestanden hatte. Hastig bog er um die Ecke. Er wusste, dass seine Feinde sich jetzt mit äußerster Vorsicht weiter wagen würden. Sie mussten annehmen, dass er ihnen einen Hinterhalt legen würde. Das tat er indessen nicht. Er drehte sich um und rannte schnell den Gang hinunter. Auf seiner Flucht kam er an mehreren Türen vorüber. Er überlegte, dass seine Fluchtmöglichkeiten mit jeder Minute stiegen, um die er seine Entdeckung hinausziehen konnte. Schließlich blieb er vor einer Tür stehen, die mit einem riesigen, hölzernen Riegel verschlossen war. Schnell riss er den Riegel empor, stieß die Tür auf und verschwand in dem dunklen Raum. Es war die höchste Zeit. Der Anführer der Priesterhorde tauchte gerade an der Kreuzung der beiden Korridore auf.

Im gleichen Augenblick, als Tarzan die finstere Zelle betrat wusste er, dass er einen schrecklichen Fehler begangen hatte. Starker Raubtiergeruch nach Numa, dem Löwen, stieg ihm in die Nase. Die Stille der Zelle wurde von einem wilden Brüllen unterbrochen. Im dunklen Hintergrund des Raumes sah er zwei gelbgrüne Flammen aufleuchten. Mit hasserfülltem Grollen griff der Löwe an.

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