Gangster in London

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»Ja –; ich habe einen Feind, dem viele Freunde und Helfer zur Verfügung stehen.« Als Tanner aufsah, begegnete er dem fragenden Blick Allermans und lächelte.

6

Um drei Uhr morgens hielten die höheren Beamten von Scotland Yard eine Konferenz ab. Es war ein Zeichen für die Hochachtung, die man Allerman entgegenbrachte, daß man ihn dazu einlud.

Der Leiter des Erkennungsdienstes konnte einige interessante Tatsachen melden. »Der Vagabund ist identifiziert worden. Es handelt sich um einen gewissen William Board alias William Crane alias Walter Cork. Er war siebenmal wegen Landstreicherei und kleiner Diebstähle vorbestraft.«

Jiggs schüttelte nachdenklich den Kopf. »Der Mann hat keinen Mord begangen. Ich habe noch niemals einen Tramp getroffen, der sich ein solches Verbrechen hätte zuschulden kommen lassen. Möglich ist allerdings, daß er die Fingerabdrucke mit den Stempeln gemacht hat. Wie mag er in den Hof gelangt sein?«

»Meiner Meinung nach hat Decadons Mörder auch diesen Board erschossen«, meinte einer der Inspektoren. »Ich erkläre mir die Sache so, daß der arme Kerl als Werkzeug diente und daß man ihn nachher aus dem Weg räumte, um einen lästigen Zeugen los zu sein. Der Arzt schreibt ja in seinem Bericht, daß der Mann mit einer Kleinkaliber-Pistole aus kürzester Entfernung erledigt worden wäre ... Haben Sie übrigens Tanner aus der Haft entlassen?«

Terry nickte. »Ja. Nach Auffindung der Gummistempel konnten wir ihn nicht gut in Gewahrsam behalten. Die einzig haltbare Erklärung ist, daß Board schon früher am Tag in das Haus einbrach, und zwar, bevor die Polizei auf der Bildfläche erschien. Er muß sich in Tanners Schlafzimmer versteckt haben. Er trug übrigens Tanners Hausschuhe und Überschuhe. Wir haben auch festgestellt, daß seine Stiefel im Schlafzimmer standen. Ich kann nur nicht verstehen, warum er eine derartig gewagte Sache übernahm. Tanner ist doch den ganzen Tag in der Wohnung aus und ein gegangen.«

»Wäre es nicht möglich, daß Tanner ihn absichtlich in seine Wohnung kommen ließ?« warf Jiggs ein.

Alle Anwesenden sahen den Amerikaner erstaunt an.

»Warum sollte er das getan haben?« fragte Terry. »Um Verdachtsmomente gegen sich selbst zu häufen?«

»Es klingt zunächst unlogisch«, entgegnete Jiggs liebenswürdig. »Vielleicht bin ich auch um diese späte Nachtzeit schon ein bißchen müde und abgespannt. Eines aber ist sicher: Der erste Schuß in diesem Kampf ist gefallen. Und morgen früh werden die Zeitungen die Geschichte von dem Drohbrief und von der Forderung der fünfzigtausend Pfund bekanntmachen. Durch Decadons tragischen Tod will man die Leute in Schrecken und Angst versetzen ... Fragt sich, ob auch der andere Plan zur Ausführung gelangt. Ich glaube schon.«

Terry Weston lachte. »Sie sprechen in Rätseln, Jiggs!«

»Leicht möglich.« –

Terry ging in sein Büro zurück und setzte sich an seinen Schreibtisch. In der Stille der Nacht versuchte er all die verschiedenen Tatsachen in einen faßbaren Zusammenhang zu bringen, was ihm aber einstweilen nicht gelang. Er hielt den Kopf in die Hände gestützt und war nahe am Einschlafen, als plötzlich das Telefon läutete.

Der Beamte in der Zentrale meldete: »Eine Dame möchte Sie sprechen. Meiner Meinung nach kommt der Anruf von einer Fernsprechzelle.«

Gleich darauf hörte der Chefinspektor eine ängstliche, ziemlich gewöhnliche Stimme: »Sind Sie Mr. Terry, der Detektiv von Scotland Yard?«

»Jawohl, hier Terry Weston!«

»Entschuldigen Sie bitte die Störung! Ich möchte nur fragen, ob Miss Ranger bald nach Hause kommt. Ich ängstige mich ein bißchen um sie ...«

»Miss Ranger?« Terry richtete sich erstaunt auf. »Die ist doch schon längst in ihre Wohnung zurückgekehrt!«

»Ja, ja – das stimmt! Aber nachher ist sie durch einen Beamten von Scotland Yard wieder abgeholt worden. Es muß ein Amerikaner gewesen sein. Man hat ihr gesagt, daß sie zu Ihnen kommen soll.«

»Wann war das?« fragte Terry rasch.

Die Frau meinte, es könne um zehn gewesen sein; genau wußte sie das nicht mehr.

»Wo wohnen Sie denn?«

Sie nannte eine kleine Straße in Bloomsbury und die Nummer.

»In fünf Minuten bin ich bei Ihnen! Warten Sie an der Haustür auf mich!«

Er raste die Treppe hinunter. Etwa zehn Minuten später stand er schon im Wohnzimmer der Wirtin.

Aber sie konnte kaum mehr erzählen, als sie schon telefonisch berichtet hatte. Als jemand an der Haustür klopfte, hatte sie geöffnet und einen Mann vor sich gesehen. Auf der Straße wartete, ein Wagen mit Chauffeur. Der Mann erklärte, daß er von Scotland Yard geschickt wäre: Chefinspektor Weston ließe Miss Ranger bitten, sofort ins Präsidium zu kommen.

»Würden Sie den Mann wiedererkennen?« fragte Terry mutlos.

Die Frau hielt das kaum für möglich. Es war eine sehr dunkle Nacht, und sie hatte nicht besonders auf ihn geachtet. Leslie war eingestiegen, und das Auto hatte sich in Richtung Bloomsbury Square entfernt. Zufällig hatte sich die Frau die Nummer gemerkt: YXD 7000.

Terry eilte zur nächsten Fernsprechzelle, setzte sich mit Scotland Yard in Verbindung und nannte die Nummer. »Finden Sie heraus, wer der Eigentümer des Autos ist! Das Überfallkommando soll mir einen Wagen mit Mannschaft zur Verfügung stellen!«

Als er in das Präsidium zurückkam, war sein Auftrag ausgeführt. Das Auto gehörte einem Verleihgeschäft in Bloomsbury; wer den Wagen gemietet hatte, konnte nicht gleich festgestellt werden. Aber nach einiger Zeit wurde gemeldet, daß es ein Arzt war. Während er einen Besuch machte, war ihm das Auto gestohlen worden.

»Soweit wäre die Sache also aufgeklärt«, stöhnte Terry. »Schicken Sie Nachricht an alle Polizeistationen, daß sie sich nach dem betreffenden Wagen umsehen und seine Insassen festnehmen sollen!«

Fieberhafte Tätigkeit setzte ein. Eine Abteilung des Überfallkommandos nach der anderen wurde abgesandt. Sie fuhren nach allen Himmelsrichtungen: nach Osten, Westen, Norden und Süden. Und als der Tag graute, entdeckte eine Motorradpatrouille auf einem Feld in der Nähe von Colnbrook einen verlassenen Wagen, der die gesuchte Nummer trug. Die Jalousien an den Fenstern waren heruntergezogen. Die Beamten rissen die Tür auf und sahen eine junge Dame in der Ecke des Wagens. Es war die fest schlafende Leslie Ranger …

7

Erst als sich die Geschwindigkeit des Autos mehr und mehr steigerte und einer ihrer beiden Begleiter die Jalousien an den Fenstern herabließ, erkannte Leslie Ranger, daß ihr Gefahr drohte.

»Tun Sie das nicht!« sagte sie scharf.

»Bleiben Sie ruhig sitzen und reden Sie nicht! Wenn Sie meiner Aufforderung folgen, passiert Ihnen nichts. Verstanden?«

Sie fiel beinahe in Ohnmacht, als sie merkte, daß sie das Opfer eines Betrugs geworden war. »Wohin fahren wir?« fragte sie, erhielt aber keine Antwort.

Sie mochten ungefähr eine Stunde unterwegs gewesen sein, als der Wagen plötzlich um eine Ecke bog. Kurze Zeit ging es auf einer unebenen Straße weiter, dann wandten sie noch einmal nach links und hielten an. Einer der Begleiter zog ein Tuch aus der Tasche und verband Leslie die Augen, was sie sich ruhig gefallen ließ. Man half ihr aus dem Wagen und führte sie über einen mit Steinplatten belegten Weg zu einem Haus. Schließlich hatte sie den Eindruck, in einem Zimmer zu stehen, in dem sich noch mehrere Leute befanden. Scharfer Zigarrenrauch schlug ihr entgegen.

»Sagen Sie ihr, daß sie sich setzen soll!« bemerkte jemand. Als sie der Aufforderung nachkam, sprach er sofort weiter: »Also, nun erzählen Sie mal! Ich fordere Sie auf, die Wahrheit zu sagen und alle Fragen zu beantworten. Wenn Sie das tun, geschieht Ihnen nichts.« Der Mann sprach mit einer hohen, rauhen – offenbar verstellten – Stimme.

Sie war von panischem Schrecken ergriffen, aber sie fühlte, daß es keinen Zweck hätte, hier Widerstand zu leisten oder etwas zu verheimlichen. Deshalb erzählte sie der Wahrheit entsprechend, was geschehen war, und beantwortete alle Fragen ohne Zögern.

Die Leute schienen sich besonders für Eddie Tanner zu interessieren, denn ihre Erkundigungen richteten sich hauptsächlich auf ihn. Sie wollten wissen, wo er war, als sich die Geschichte abspielte, und ob man seine Fingerabdrücke gefunden hätte. Als sie den Revolver erwähnte, lachte einer der Anwesenden; doch der Mann, der Leslie ausfragte, wies ihn ärgerlich zurecht.

Später herrschte Ruhe. Das Verhör hatte zwei Stunden gedauert. Dann brachte man ihr heißen Kaffee, wofür sie dankbar war.

»Es ist alles in Ordnung, mein Kind«, sagte der Mann schließlich. »Sie können der Polizei über Ihr Erlebnis berichten! Aber erzählen Sie den Beamten nur die absolute Wahrheit!«

Leslie wurde wieder zum Auto geführt. Dann erinnerte sie sich noch dunkel daran, daß ein anderer Wagen dauernd dem ihren folgte. Sie fiel in Schlaf und erwachte erst, als die beiden Polizisten der Motorradstreife sie weckten …

8

Inzwischen war man dem Vorleben des Landstreichers nachgegangen. Er hatte in einem billigen Quartier gewohnt, war aber in den beiden letzten Nächten vor dem Mord nicht in seinem Zimmer gewesen. Er wurde als zurückhaltender, stiller Mann bezeichnet, der nie mit anderen über seine Verhältnisse gesprochen hatte.

Während der Nacht hatte der Polizeipräsident nach Chikago telegrafiert und erreicht, daß Jiggs Allerman zeitweise dem Beamtenstab von Scotland Yard zugeteilt wurde. Jiggs hatte dann den nächsten Vormittag in Decadons Haus mit Untersuchungen zugebracht. Als er nach Scotland Yard zurückkehrte, fand er Terry bei der Lektüre einer Zeitung.

 

»Nun, haben Sie etwas entdeckt?«

Jiggs nickte. »Der Alte hatte eine kleine Küche für Tanner einrichten lassen, und dort fand ich einen Gasofen ...« Er zog einen Briefumschlag aus der Tasche, öffnete ihn behutsam und nahm einen dünnen Draht von ungefähr fünfzehn Zentimeter Länge heraus. »Der war um einen der Brenner gewickelt. Und draußen, auf dem Podest der Feuertreppe, ist erst vor kurzem ein Haken in die Wand geschlagen worden.«

»Was schließen Sie daraus?«

Jiggs rieb sich nachdenklich das Kinn. »Eine ganze Menge. Welche Windrichtung hatten wir gestern nacht?«

Terry nahm die Zeitung auf und suchte nach dem Wetterbericht. »Mäßigen Nordwestwind.«

»Großartig! Am meisten war ich nämlich über das Verschwinden der Pistole erstaunt, mit der der Tramp erschossen wurde ...« Der Amerikaner lehnte sich über den Tisch und sprach nachdrücklich weiter: »Es gab nur einen Weg, die Pistole wegzubringen. Ich ahnte sofort, wie es die Leute angestellt hatten, als ich von einem Dienstmädchen des Nachbarhauses erfuhr, daß jemand ihr Fenster eingestoßen habe, und zwar ein paar Minuten nachdem der Mord passiert war. Ich meine: die Erschießung des Landstreichers.« Er nahm einen Bleistift aus der Tasche und zeichnete einen rohen Plan. »Also: Hier ist der Hof! An einer Seite grenzt er an das nächste Grundstück. Das betreffende Dienstmädchen schläft im vierten Stock. Sie war früh zu Bett gegangen, weil sie am Morgen zeitig hatte aufstehen müssen. Als sie gerade im Begriff war einzuschlafen, wurde ihr Fenster von draußen eingeschlagen. Das ist natürlich nur ihre Auffassung. Ich bin der Ansicht, daß es von einem Gegenstand getroffen wurde. Das vierte Geschoß des Nachbargebäudes liegt etwa ein Stockwerk höher als das Dach von Decadons Haus. Als ich von diesem Vorfall hörte und als ich den Draht um den Gashahn und den Haken in der Mauer fand, ließ ich in allen Geschäften in London nachfragen, die Gasballone führen. Ich wollte herausfinden, wer in der letzten Zeit einen ziemlich großen Spielballon verkauft hatte, der in gefülltem Zustand ein paar Pfund tragen konnte.«

Terry starrte ihn verwundert an. »Ich hab' allerdings gehört, daß so etwas früher schon einmal gemacht wurde ...«

»Nun hören Sie's zum zweitenmal! Der Ballon wurde in der kleinen Küche gefüllt; das Ende wurde um den Gasbrenner gebunden – der Gasdruck ist in jener Gegend ziemlich stark. Kurz vor dem Mord wurde der Ballon abgebunden und mit einer Schlinge an dem neu eingeschlagenen Haken befestigt. Nachdem Board hinterrücks erschossen worden war, band der Täter die Pistole an den Ballon und ließ ihn steigen. Der Wind muß ziemlich stark gewesen sein. Als der Ballon in die Höhe stieg, wurde er schnell abgetrieben, und die Pistole schlug gegen die Fensterscheibe der Mädchenkammer. Also – nun hab' ich Ihnen etwas von meinen Methoden gezeigt!« schloß Jiggs ironisch.

Terry dachte ein paar Minuten nach. »Aber wenn Ihre Theorie stimmt, muß der Mörder die Feuerleiter in die Höhe gestiegen sein, nachdem er Board niedergeschossen hatte.«

Jiggs nickte bedächtig. »Da haben Sie recht, mein Junge!«

»Glauben Sie immer noch, daß Tanner der Mörder ist?«

Jiggs lächelte. »Es handelt sich hier nicht mehr um glauben. Ich weiß bestimmt, daß er der Täter ist.«

»Sie nehmen wirklich an, daß er Spuren hinterließ, die ihn verdächtigen?«

»Nun, Sie sehen doch: Er ist auf freiem Fuß! Man hat keinerlei Beweise gegen ihn, auf Grund deren man ihm den Prozeß machen könnte. Die Gummistempel mit seinen Fingerabdrücken sprechen sogar zu seinen Gunsten. Ich glaube nicht, daß es möglich wäre, eine Verurteilung Tanners zu erreichen. Ich habe schon früher gesagt, daß er ein ausgezeichneter Psychologe ist. Nehmen wir mal an, man hätte keine Fingerabdrücke und keine Schußwaffe gefunden. Auf wen wäre der Verdacht gefallen? Doch nur auf Ed! Decadons Testament ist verschwunden, und er darf als einziger Erbe gelten. Er hat sehr schlau gehandelt, indem er den Verdacht auf sich lenkte, da er ihn ja gleich wieder zerstören konnte ... Wie weit sind wir hier vom Meer entfernt?«

»Ungefähr achtzig Kilometer.«

Jiggs nickte. »Er macht niemals einen Fehler! Der Gasballon, den er benutzt hat, konnte sich mindestens einige Stunden in der Luft halten. Die Pistole werden wir also nicht zu sehen bekommen. Die ist irgendwo ins Meer gestürzt.«

»Wir hatten übrigens keine weiteren Klagen von Leuten, die man erpressen wollte«, bemerkte Terry.

»Die kommen schon noch! Die Bande läßt nur eine gewisse Zeit verstreichen – aus taktischen Gründen.« Der Amerikaner sah nach der Uhr. »Ich gehe jetzt zur Cecilia-Bar. Ich hab' so 'ne Ahnung, als ob man dort interessante Dinge erfahren könnte.«

Die Cecilia-Bar galt als Treffpunkt für Amerikaner, die sich in London aufhielten. Der große, moderne Raum war ziemlich besucht, als Jiggs dort eintraf. Er ließ sich an einem kleinen Tisch nieder und wartete.

Es war beinahe zwölf, als Kerky Smith gemächlich in die Bar schlenderte; er hatte das knochige Kinn vorgereckt und trug das übliche freundliche Lächeln zur Schau. Gelangweilt schaute er sich um, übersah Jiggs allem Anschein nach und ging wieder zur Tür. Jiggs trank seinen Cocktail aus, winkte dem Kellner und steckte die Hand in die Tasche. Er hatte nicht die Absicht zu gehen; er wollte nur den ›Großen‹ herbeilocken.

»Aber Jiggs, warum brechen Sie schon auf?« Kerky Smith kam liebenswürdig auf den Detektiv zu, streckte die mit Brillantringen geschmückte Hand aus und drückte herzlich die Rechte des Beamten. »Sie gehen doch hoffentlich noch nicht? Ich möchte ein wenig mit Ihnen plaudern.« Er setzte sich. »Es ist doch wirklich schlimm, daß der Alte so sterben mußte. Ich wette mit Ihnen, daß Ed die Sache ziemlich an die Nieren gegangen ist. Ich glaube, er trauert um seinen Onkel.«

»Sie reden ja wie ein Buch. Wo haben Sie denn all die Ausdrücke her?«

»Ach, das hab' ich so irgendwo gelesen«, erwiderte Kerky unverschämt. »Hat der Alte ihm nicht sein Vermögen hinterlassen? Nun, er braucht das Geld ja auch dringend. Es fehlte ihm gerade noch eine Million.«

»Es wird Monate dauern, bevor er einen Cent von der Erbschaft anrühren kann.«

»Ach?« Kerky Smith runzelte die Stirn. »Daraufhin kann man sich aber doch Geld borgen? Soviel ich weiß, war Ed heute morgen schon bei verschiedenen Finanzleuten ...«

Jiggs zeigte höfliches Interesse. »Sagen Sie mal: Was für ein Geschäft betrieb er eigentlich, als er noch in Chikago war?«

Kerky schüttelte mißbilligend den Kopf. »Ich kenne den Mann kaum, und ich weiß nicht, warum Sie immer von ›Geschäften‹ reden.« Er sprach vollkommen ruhig und blickte den Detektiv offen an. »Es sieht so aus, als ob einige Gangster hier Fuß fassen wollen«, fuhr er fort, »Hat schon jemand Ed aufgefordert, eine Summe zu zahlen? Er ist ja jetzt ein schwerreicher Junge geworden.«

»Sagen Sie mir lieber, was er in Chikago getrieben hat!« wiederholte Jiggs. Er hoffte allerdings nicht auf eine befriedigende Antwort, denn ein Gangster, spricht nicht einmal über die Geschäfte seiner schlimmsten Feinde.

»Er verkehrte in Spielerkreisen. Meiner Meinung nach hat er da sein Geld gemacht.«

Jiggs lehnte sich über den Tisch und sprach leise: »Kerky, Sie erinnern sich doch noch daran, daß Sam Polini erschossen wurde? Man lauerte ihm auf, als er eines Morgens aus der Messe kam. Der war doch ein Freund von Ihnen?«

Ein harter Ausdruck zeigte sich in Kerkys Blick, aber das Lächeln verschwand nicht aus seinem Gesicht. »Ich kannte den Mann ...«

»Er gehörte zu Ihren Leuten. Wer hat ihn denn niedergeknallt?«

»Wenn ich das wüßte, hätt' ich's doch der Polizei gemeldet. Polini war ein feiner Kerl. Schade, daß der dran glauben mußte!«

»Hatte Ed etwas mit der Sache zu tun?«

Kerky schüttelte gelangweilt den Kopf. »Ach, welchen Zweck hat es denn, so alberne Fragen zu stellen, Jiggs? Ich hab' Ihnen bereits erklärt, daß ich nichts über ihn weiß. Er scheint ein ganz netter Kerl zu sein, und ich möchte kein Wort gegen ihn sagen – besonders jetzt nicht, da er in Trauer ist.«

Jiggs bemerkte den schnellen Seitenblick, mit dem ihn der andere betrachtete, und deutete ihn auf seine Weise.

»An einem der nächsten Tage fahr' ich nach Paris«, fuhr Kerky fort. »Wenn man amerikanische Gangstermethoden in London einführt, möcht' ich lieber nicht hier sein. London ist ja wohl auch der letzte Ort, an dem man so blöde Schießereien erwarten sollte. Stimmt es übrigens, daß Sie jetzt bei Scotland Yard angestellt sind?«

»Wer hat Ihnen denn das erzählt?«

»Ach, man spricht darüber, daß Sie für einige Zeit ausgeliehen worden seien.« Kerky legte eine Hand auf die Schulter des Detektivs. »Ich mag Sie im Grund sehr gern. Sie sind ein tüchtiger Mann, und an Ihrer Stelle würde ich mich nicht hier herumtreiben. Wissen Sie: Sie könnten tatsächlich Besseres anfangen und ordentlich Geld verdienen! Einer meiner Freunde hat dringend einen Detektiv nötig und zahlt hunderttausend Dollar, wenn ich ihm einen brauchbaren nachweise. Zu tun hätte der nicht weiter viel: braucht nur ruhig dazusitzen und nichts zu merken, wenn was passiert ... Wahrscheinlich könnten Sie meinem Freund sehr viel nützen.«

»Will sich Ihr Freund scheiden lassen? Oder will er sich nur vorm Galgen retten?« fragte Jiggs geradezu. »Sagen Sie bitte Ihren Bekannten, mit mir wäre in dieser Hinsicht nichts anzufangen! Teilen Sie ihnen aber auch mit, daß ich mit zwei Pistolen schießen kann, falls sie versuchen sollten, mich auf andere Weise taub und stumm zu machen. Sie müssen verdammt schnell sein, wenn sie mir zuvorkommen wollen!«

Kerky seufzte. »Sie reden wie ein Filmstar aus Hollywood.« Er winkte dem Kellner, zahlte, nickte Jiggs freundlich zu und schlenderte dann zur Bar.

Jiggs machte sich auf den Weg zu seinem Hotel, paßte aber unterwegs genau auf. Nichts entging seiner Aufmerksamkeit. Er wußte, daß es noch vor Ende der Woche allerhand Aufregung in London geben würde ...

Im Speisesaal seines Hotels traf er mehrere Bekannte, die über Decadons Ermordung sprachen. Keiner schien jedoch die Tragweite der Ereignisse zu begreifen. Keiner erkannte, wie sehr sie in ihrer eigenen Sicherheit bedroht waren.

Während des Essens wurde Jiggs ans Telefon gerufen.

Terry meldete sich. »Ich komme zu Ihnen ins Hotel! Die Dinge entwickeln sich ... Können wir in Ihrem Zimmer miteinander sprechen?«

»Gewiß!«

Jiggs erwartete den Chefinspektor in der Halle und fuhr dann im Lift mit ihm nach oben.

»Hier haben wir einen weiteren Brief!« Terry nahm ein zusammengefaltetes Blatt aus der Brieftasche. Es hatte genau dieselbe Größe wie das an Decadon gerichtete Schreiben, war aber in grüner Farbe gedruckt und hatte einen anderen Wortlaut:

Sehr verehrter Freund! Es ist unser Bestreben, Ihnen Sicherheit und Wohlergehen zu garantieren. Wir sind eine Vereinigung entschlossener Männer, die Sie gegen Ihre Feinde und selbst gegen Ihre Freunde schützen will. Sie brauchen sich nicht mehr um Diebe oder andere Verbrecher zu kümmern, wenn Sie uns Ihr Vertrauen schenken. Sind Sie gewillt, unsere Hilfe in Anspruch zu nehmen, so stellen Sie heute abend zwischen acht und halb neun eine Kerze in. das Fenster Ihres Speisezimmers! Wir bieten Ihnen unsere Hilfe für tausend Pfund an, die Sie innerhalb der nächsten drei Tage zu zahlen haben. Falls Sie unsere Dienste ablehnen, so laufen Sie Gefahr für Leib und Leben. Sollten Sie diese Mitteilung der Polizei übergeben, so sind Sie ein Mann des Todes. Stecken Sie tausend Pfund in einen Briefumschlag! Wenn Sie uns durch die Kerze Ihr Einverständnis mitgeteilt haben, erhalten Sie sofort telefonisch Anweisung, wie Sie uns die Zahlung zukommen lassen sollen.

Das Schreiben war unterzeichnet: »Gesellschaft für Schutz und Sicherheit.«

»Die drucken ihre Zirkulare also mit grüner Farbe«, meinte Jiggs. »Die beiden Banden sind nun an der Arbeit: die Grünen wie die Blauen. Wer hat diese Nachricht bekommen?«

»Mr. Salaman, ein sehr reicher junger Mann. Er wohnt in der Brook Street und erhielt den Brief heute mit der ersten Post. Wir haben nicht erfahren, ob noch anderen derartige Aufforderungen zugeschickt wurden. Salaman jedenfalls hat uns das Schreiben sofort übersandt, und wir haben daraufhin sein Haus unter Bewachung gestellt.«

 

»Ist er persönlich nach Scotland Yard gekommen?«

»Nein, das haben wir vermieden. Er setzte sich telefonisch mit uns in Verbindung und schickte den Brief dann durch einen Boten.«

Jiggs lächelte ironisch. »Die werden trotzdem schon alles wissen ... Welchen Rat haben Sie ihm gegeben?«

»Ein Licht ins Fenster zu stellen. Wir werden heute abend einen Beamten in seine Wohnung schicken, der die Telefonnachricht entgegennehmen soll.«

Das machte wenig Eindruck auf Jiggs. »Ich sage Ihnen: Die Bande weiß längst, daß sich Salaman mit der Polizei in Verbindung gesetzt hat! Was für ein Bursche ist er denn?«

Terry verzog das Gesicht. »Hat Geld wie Heu und einen etwas merkwürdigen Geschmack. Er ist Junggeselle ... Ich glaube, er führt ein ziemlich ausschweifendes Leben.«

Jiggs nickte. »Er wird von Glück sagen können, wenn er nicht in Bälde eine blaue Bohne zwischen die Rippen bekommt.«

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