Читать книгу: «Seewölfe Paket 35», страница 14

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2.

Ginjal Chand hatte die Finger in seinem Bart vergraben, wühlte in den weißen Haaren und betrachtete schweigend die Szenerie, die sich ihm bot. Von seinem Platz aus überblickte er alles. Er wußte nicht, was er davon halten sollte, was es für ihn und Mannar bedeutete. Nur eins erkannte er deutlich: es war wichtig. Es würde, wenn es vorbei war, vieles verändern.

Sein Schreiber – er hieß Arun – stand, wie es Sitte war, drei Schritte hinter ihm und schwieg ebenfalls.

Chands großes Haus, einen Steinwurf von der Straßengabelung entfernt, stand an der höchsten Stelle über dem Hafen und dem Sand, der im Wechsel der Gezeiten langsam trockenfiel. Aus dem Wald, der die niedrige Insel bedeckte, wehte ein frischer, kühler Hauch.

„Die Verrückten, die Portugiesen und die Besatzung der spanischen Galeone überfallen die Fremden“, sagte Chand schließlich. „Ich fürchte, die Fremden ziehen den kürzeren, bei der blutigen Kali.“

„So ist es. Du hast recht, Herr“, stimmte der Schreiber Arun zu. „Die Fremden haben zwölf Kanonen.“

„Die sie nicht abfeuern. Sie wollen kein Blutvergießen. Ich wünschte, sie würden diese Betrüger damit verjagen.“

„Buddhas Gnade ist groß. Vielleicht ändern sich bald die Umstände“, meinte Arun unterwürfig.

Vielleicht hat er sogar recht, sagte sich der Handelsherr. Er merkte, daß er einzelne Haare aus seinem Bart rupfte, und hörte auf, mit den Fingern unter dem Kinn herumzuzerren.

Natürlich hatten die Diener, kaum daß das fremde Schiff und die vielen kleinen Boote im Hafen erschienen waren, alle Gerüchte gehört und im Haus verbreitet. Chand hatte ihnen verboten, sich um die Fremden zu kümmern. Wahrscheinlich verfluchten sie ihn deshalb, aber das alles ging weder sie noch die Frauen etwas an. Wenn jemand, vielleicht, damit etwas zu tun hatte, dann war er es, der wichtigste Handelsherr dieser unbedeutenden Siedlung.

„Abwarten“, sagte er. „Was wir sehen, ist erst der Anfang.“

„Ja, Herr“, erwiderte der Schreiber. „Die Götter werden entscheiden, was im Hafen wirklich geschieht.“

„Nichts anderes. In den sieben Stunden bis zur Nacht, in der Nacht selbst und am nächsten Tag kann vieles geschehen. Buddha weiß es.“

„Nur wer seinen Lehren gehorcht, wird glücklich sterben“, sagte der Schreiber. Er wirkte wie das Echo seines Herrn.

„Noch ist dort unten niemand gestorben“, murmelte Chand und stützte sich schwer auf die gemauerte Brüstung des Daches.

Der heilige Zahn Buddhas, dachte er. In seinem Leben hatte er – inzwischen wußte er es genau – etwa zwei Dutzend Betrüger und Betrügerinnen kennengelernt, die das Volk mit Reliquien beglückt hatten: es gab da so erstaunliche Dinge wie Kalis elften Arm, Buddhas Locke, seine Zehennägel oder den Rubin aus seinem heiligen Nabel. Es gab die Schalen des gewaltigen Eies vom Vogel Rock und falsches Gold, unechtes Silber, angeblich heilige Schriften und ähnlich bizarre Gegenstände.

Jeder davon diente nur einem Zweck: Die Betrüger waren scharf auf die Spenden der gläubigen, einfachen Menschen. Sie ließen sich von ihnen einkleiden, aßen an deren Feuern, zählten die Münzen und verbreiteten fabelhafte, phantasiereiche Geschichten. Meist verschwanden sie, wenn sie die Gläubigen ausgeplündert hatten, auf Nimmerwiedersehen. Hin und wieder konnte man ihnen Betrug nachweisen, und die Menge steinigte, erdrosselte oder zerstückelte sie.

Jetzt ging es um Buddhas Zahn.

Und, so bemerkte der Handelsherr voller Grimm zu sich selbst, um das angeblich geraubte Silber und Gold aus vielen Tempeln.

„Die Wahrheit ist böse“, sagte er schließlich.

Arun griff diesen Spruch prompt auf und vollendete: „Und sie hat es schwer, sich durchzusetzen. Deswegen gelangt Wahrheit auch lange nicht an das Licht der Sonne.“

„Wahr gesprochen“, sagte Chand und beobachtete weiterhin das seltsame aufgeregte Treiben. Die Menschen waren, von der begrünten Terrasse aus gesehen, so klein wie Käfer, und die Schiffe nicht größer als Bananenschalen oder Kokosnußhälften.

Aber das Geschrei hörte er bis hier herauf.

Zwischen dem äußersten Ende des indischen Halbkontinents, von der Pamban-Insel ausgehend und in einem sanften Bogen nach Osten weisend, erstreckte sich jene Barriere aus Sand, Schlick und Fels, rund fünfzehn Meilen lang, an einigen Stellen bis zu zwei Seemeilen tief. Sie berührte am östlichen Ende die Mannar-Insel, und die Passagen waren selbst von Fischern gefürchtet.

Entlang der Mannar-Jnsel, im Bilden, hatten die Arwenacks herrliche Strände gesehen, weißer und gelber Sand, fein und sauber wie in der Karibik, und auch die Palmen dahinter und die Lagunen sahen nicht anders aus. Fast jeder dieser Strände war einsam gewesen, leer und verlockend. Jetzt, nachdem sie die Brandung hinter sich gelassen und das schwierige Fahrwasser überwunden hatten, lagen sie in diesem unbedeutenden Hafen fest, der sich als tödliche gefährliche Falle entpuppte.

In diesen Sekunden dachte fast jeder Arwenack nur eines: verdammtes Indien! Verdammtes Ceylon! Verdammter Buddha-Backenzahn!

Und jeder Seewolf verfluchte Malindi.

Bevor sich die Lage drastisch änderte, versetzte Edwin Carberry dem Eingeborenen, der einen Dolch schwang, noch eine milde Abart des Profoshammers. Die Sonderausführung hätte dem schmächtigen Rübenschwein den Kopf abgerissen. Der Störenfried wurde schräg in die Höhe gehoben, berührte mit dem Hintern die Oberkante des Schanzkleides und landete auf einem schreienden Kerl, der wie ein fanatischer Asket aussah und Streifen aus weißer Farbe quer über der Brust trug.

Beide gingen auf den Planken des Steges zu Boden, rutschten ein paar Fuß weit und jagten sich lange Holzsplitter unter die Haut, Brüllend stürzte der hagere Asket auf der anderen Seite ins flache Wasser.

Dann wandte auch der Profos seine düsteren Blicke in die Richtung der Bewaffneten.

Kapitän Killigrew sah, daß wenigstens vorübergehend der Platz um ihn herum auf dem Grätingsdeck frei von Angreifern war, jedenfalls von solchen, die sich noch bewegten und gefährlich werden konnten.

Er faßte einen Mann, der wie ein Offizier oder Bootsmann aussah, ins Auge und schrie: „Was mischen Sie sich ein? Wollen Sie uns helfen? Und zielen Sie mit ihren verrosteten Schießprügeln gefälligst nicht auf mich!“

Die Portugiesen und Spanier – wer Angehöriger welcher Nation war, ließ sich von hier aus nicht unterscheiden – grinsten und bewegten die Feuerrohre nicht um eine Fingerbreite.

„Und was suchen Sie in unserem Hafen?“ brüllte der Anführer zurück. Er sprach ein verständliches Spanisch, das sich im Verkehr mit den Singhalesen, Indern und Ceylonesen reichlich abgenutzt hatte.

„Nichts, gar nichts. Wir wollen nur wieder ablegen. So schnell wie möglich. Und mit Ihnen wollen wir keinen Ärger“, entgegnete der Seewolf.

Kaltschnäuzig erklärte der Mann: „Die spanische Krone hat die Aufgabe übernommen, die Eingeborenen an den Küsten und im Landesinneren derjenigen Länder, die wir beherrschen, vor fremder Willkür zu schützen.“

„Fremde Willkür?“ rief Don Juan und bückte sich, um seinen Degen aus dem Holz der Planken zu ziehen. „Sie reden gestochen schönen Unsinn, Señor!“

„Und wer wirft mir eigentlich Willkür vor? Wir werden überfallen, nicht die Mannar-Leute von uns. Oder hat sich in der tropischen Sonne Ihr Augenlicht getrübt, Señor?“ rief Hasard.

„Keineswegs. Mein überaus scharfer Blick sagt mir, daß Ihre Verfolger recht haben. Sie sind derjenige, der die Schwarze Pest über das Land gebracht und im Schutz dieses grausamen Debakels die Tempel geplündert hat. Sie und Ihre gottlosen Männer.“

Der Verdacht, daß die Dons und Portugiesen mit den verschlagenen Anführern der aufgebrachten Menge gemeinsam hinter der Ladung der Schebecke her waren, war also gerechtfertigt gewesen. Woher wußten sie von der Ladung des Ischwar Singh?

„Lassen Sie uns mit den Eingeborenen selbst fertig werden“, sagte Hasard. Er begann einzusehen, daß er in der schlechteren Position war.

„Sie sind es, der die armen, unbewaffneten Eingeborenen totschlagen läßt“, lautete die Antwort.

Rede und Gegenrede waren sinnlos. Das erkannte jeder, der zuhörte und verstand. Auf den tiefer liegenden Decks sagten sich die klügeren Arwenacks, daß die Musketen- und Pistolenträger sicher nicht auf die Hindus feuern würden. In diesem Fall würde ihre Lage in Mannar auch nicht länger beneidenswert sein.

Hasard blieb einen Moment unschlüssig. Ein Yard neben ihm stand eine feuerbereite Drehbasse mit gehackter Ladung am Schanzkleid, und ihre Mündung zeigte genau auf die Spanier. An Deck befand sich eine Pütz, in der die Lunte am Stab glomm.

Die hochfahrende Frechheit der Antwort verschlug den Seewölfen die Sprache. Aber nur kurz. Hasard trat zwei Schritte nach rechts und legte seine Hand auf die Drehbasse.

„Vielleicht bringe ich ein paar meiner Crew um“, sagte er in einem Tonfall, der jeden gewarnt hätte, der ihn kannte. „Aber wenn diese Drehbasse losgeht, sind Ihre Schützen nur noch zuckende Leichname.“

„Und Sie haben ein Loch im Kopf, Kapitän. El Lobo de mar – Sie gelten als besonnener Seefahrer“, warnte der Anführer.

Seine Leute hoben die Feuerrohre und spannten die Schlösser.

„Diesem Umstand verdanken Sie Ihr Leben, Señor“, antwortete Hasard. Noch bevor der andere etwas erwidern konnte, ertönte ein vielstimmiges Heulen und Geschrei.

Die Ceylonesen griffen wieder an.

Das Deck, der Steg, die offenen Boote entlang der Backbordseite und alle anderen Teile der Fläche verwandelten sich wieder in einen kochenden Hexenkessel. Niemand war mehr in der Lage, zwischen Angreifern und Verteidigern zu unterscheiden. Die Entschlossenheit der Eingeborenen, sich des Goldschatzes zu bemächtigen, war größer als Angst oder Todesfurcht.

Ob es hundert oder hundertfünfzig Männer waren, die auf die Schebecke sprangen und auf die Seewölfe eindrangen, wußte niemand zu sagen. Aber es war wie eine braune Brandungswoge, die alles zu überschwemmen drohte.

Kreischend flohen die wenigen Frauen aus dem Getümmel und bildeten auf der staubigen Straße kleine Gruppen.

Noch beteiligten sich Spanier und Portugiesen nicht an der Auseinandersetzung.

Hasard sah ein, daß die Arwenacks so gut wie verloren hatten. Sie konnten nur noch versuchen, das Schlimmste zu verhindern.

Die Fläche des trockengefallenen Grundes vergrößerte sich mit jedem Atemzug. An Flucht war nicht im entferntesten zu denken.

Als erster verschwand Big Old Shane unter einem Haufen brauner Körper.

„Helft ihm!“ schrie Old Donegal, hob seine Prothese und zerrte an dem Bändsel seines Schießgerätes.

An Backbord kletterten, geschickt wie die Affen, die Leute aus den Booten plötzlich über die Rüsten an Deck, und jetzt mußten die Seewölfe versuchen, sich nach Steuerbord und Backbord gleichzeitig zu wehren und zu verteidigen.

Das Chaos war vollkommen. Das Durcheinander konnte nicht mehr überboten werden. Es war kein Kampf mehr, sondern ein einziges Gedränge und Geschiebe, und selbst die Teilnehmer schlimmster Kämpfe von Deck zu Deck konnten sich nicht erinnern, jemals in einer solch qualvollen Enge, in einem derart unüberschaubaren Gedränge gekämpft zu haben.

Aber jeder begriff, daß es den Ceylonesen und ihren fanatischen Helfern von der anderen Küste nicht darum ging, die Fremden totzuschlagen oder zu erdolchen, sondern darum, endlich zu den vermuteten Schätzen im Rumpf des Schiffes zu gelangen.

Die Dons und Portugiesen beschränkten sich darauf, die Mündungen ihrer Feuerwaffen auf die Schebecke zu richten und zu warten, bis sie selbst angegriffen wurden. Sie hofften es, denn dann würden sie die Hähne durchziehen.

Der Alptraum ging weiter.

Matt Davies, der sich mit der linken Hand an einem Fall festhielt, rammte den Haken seiner Kunsthand in den Magen eines Inders, der ihn ansprang. Mit einem würgenden Schrei sackte der Mann zusammen. Matt fing ihn ab, drehte sich halb herum und kippte den zappelnden Burschen über das Backbordschanzkleid. Der Körper klatschte zwischen zwei Booten ins Wasser. Matt wirbelte herum und suchte den nächsten Gegner.

Ein halbnackter Inder, das Messer zwischen den Zähnen, stürzte sich aus den Wanten auf Bob Grey. Matt Davies sprang zwischen zwei kämpfenden Gruppen hindurch und packte den Kerl noch in der Luft am Bein. Der Inder verfehlte sein Ziel, glitt von der Schulter Bobs ab und krachte mit dem Kopf gegen das Dollbord des Beibootes.

„Der wird mich nicht mehr ärgern“, bemerkte Matt, drehte den Haken der Prothese in den Stoffgürtel des Inders und zerrte ihn von den Decksplanken hoch.

„Viel Fett hast du auch nicht auf den Rippen“, brummte Matt und schleppte den Besinnungslosen zum Schanzkleid. Hasard junior tauchte neben ihm aus dem Gedränge auf, packte mit an und beförderte den Körper außenbords.

Als sie sich wieder herumdrehten, sahen sie, daß es einigen Singhalesen gelungen war, die Niedergänge zu erreichen und durchs Luk abzuentern. Ihre Köpfe verschwanden gerade hinter dem Süll.

„Verdammt!“ rief Hasard junior.

Matt Davies hob ratlos die Schultern und sagte: „Die wollen uns ausrauben, das ist es.“

„Und wir werden es nicht verhindern können“, erwiderte Hasard junior und bahnte sich, sein Rundholz schwingend, einen Weg durch die ineinander verkeilten Gruppen der Kämpfenden.

Higgy und Sven Nyberg kämpften gegen eine Übermacht von braunen Körpern auf der Back. Auf den Planken lagen zerbrochene Messer, zersplitterte Knüppel und Keulen.

Die Frauen, die sich in der aufgeregten Menge befunden hatten, waren kreischend auf die kümmerliche Wiese gerannt, standen jetzt da, rührten sich nicht und sahen zu, wie sich die Männer mit den Leuten vom Schiff prügelten.

Ein paar magere Ziegen weideten zwischen ihnen und ließen sich nicht im geringsten stören.

„Die Affenärsche sind im Schiff!“ brüllte Carberry von der Kuhl in die Richtung Hasards.

„Dann treibt sie wieder an Deck zurück!“ schrie der Seewolf zurück und schlug mit der flachen Klinge einem Angreifer den Knüppel aus den Fingern.

„Sie haben wahrscheinlich das geraubte Gold gefunden, Señor!“ rief ein Spanier vom Ende des Steges zum Achterdeck hinauf.

„Der erste Schuß aus der Drehbasse trifft Sie und Ihre Leute, Señor“, entgegnete Hasard bissig. „Daran sollten Sie denken.“

„Wir denken an den Schutz der Insulaner, die uns vertrauen“, sagte der Spanier mit kalter Überheblichkeit.

Eine weitere Gruppe halbnackter Gestalten verschwand unter Deck. Wilde Schreie ertönten. Das Geschrei konnte nur bedeuten, daß sie tatsächlich etwas gefunden hatten, womöglich sogar eine Kiste mit Teilen des kostbaren Metalls.

Der Schrei setzte sich an Land fort. Auch die Portugiesen und Spanier wurden von der Erregung gepackt und verteilten sich entlang des Steges.

Hasard ließ die Schultern sinken und blickte Don Juan schweigend in die Augen.

Einige der Inder, die eben noch auf die wild um sich schlagenden Seewölfe eingedrungen waren, warfen sich herum und folgten ihren Anführern. Sie behinderten sich gegenseitig, stolperten und fielen über die Stufen der Niedergänge. Aus dem Schiffsinneren drangen immer lautere Geräusche. Die Ceylonesen rissen in den Laderäumen die Kisten und Truhen aus den Verzurrungen.

„Sie haben das Gold gefunden!“ rief ein Portugiese und zielte auf Hasard. „Und gleich werden wir es auch sehen.“

„Selbst wenn Sie es haben“, sagte Hasard leise, „werden Sie damit wenig Glück kaufen können. Der Eigentümer ist mächtiger als ich und Sie zusammen.“

Die Antwort war nur ein lautes Gelächter der Bewaffneten.

Jung Hasard packte seinen Bruder am Arm und zog ihn zum Schanzkleid.

„Weißt du, was jetzt passiert?“ fragte er leise.

Die Seewölfe hatten zu kämpfen aufgehört und schauten fluchend zum Achterdeck. Dort hatte sich Hasard entschlossen, nichts zu unternehmen. Noch nicht, sagte er sich.

„Ja, ich weiß, was du meinst“, erwiderte Philip junior ebenso leise und winkte den Moses Clint zu sich heran. „Sie werden die gesamte Goldladung an Land schleppen.“

„Elf Tonnen“, stöhnte sein Bruder. „Wir verschwinden jetzt, Brüderlein. Und wenn wir nur nachschauen, wo sie das Gold hinschleppen.“

„Das muß schnell gehen. Los, Clint – hierher!“

Der Moses verstand nicht, was sie vorhatten, aber er drückte sich zwischen ihnen ans Schanzkleid.

„Was habt ihr vor?“ flüsterte er.

„Abhauen. Niemand darf uns sehen. Hier, ins Wasser. Zwischen den Booten. Und dort warten wir, bis wir uns verdrücken können.“

Philip junior fing einen Blick seines Vaters auf. Er verständigte sich mit ihm durch ein paar Zeichen, dann schwang er sich aufs Schanzkleid, suchte sich eine geeignete Stelle aus und sprang vorsichtig ins Wasser. Clint folgte, während Philip schräg unter dem Steven wegtauchte und sich am Dollbord halb aus dem Wasser zog.

Auf der Backbordseite der Schebecke dümpelten nur noch die kleinen Schiffe und Boote. Einige hatten sich losgerissen und waren abgetrieben. Hasard ließ sich von den Rüsten ins flache, warme Wasser gleiten und zeigte zum Bug.

„Nichts wie weg“, stieß er hervor. „Duckt euch!“

Das Wasser war brackig und roch abgestanden. Als sie zwischen der Schebecke und den Booten zum Bug schwammen, hörten sie das Geschrei und das Poltern der schweren Stücke in den Laderäumen durch das Holz der Planken.

Die drei Jungen schwammen am Bug vorbei und hielten unter den Bambusverstrebungen des Steges an. Niemand hatte sie gesehen, niemand suchte nach ihnen. Sie spähten zwischen den bemoosten und algenbedeckten Pfählen hindurch und wichen den scharfen Muscheln aus, die wie Messerklingen an den Pfählen wuchsen.

„Sie werden natürlich alle Goldkisten aus dem Schiff schleppen und sich damit in alle Richtungen zerstreuen“, sagte Hasard junior nach einer Weile.

Sein Bruder flüsterte: „Die Portus und die von der spanischen Galeone stehlen sich auch ihr Teil zusammen.“

„Was können wir unternehmen?“ fragte Clint.

Hasard zeigte in südöstliche Richtung. Dort wuchs der Wald bis dicht an den Strand, der jetzt fast völlig trockengefallen war.

„Zuerst hauen wir von dort ab. Dann verstecken wir uns. Dad segelt ohne uns nicht los.“

Sie schwammen zehn Yards weit vom Ende des Steges weg und hatten dann schlickigen Grund unter den Sohlen. Eine Reihe Büsche versperrte die Sicht auf das Schiff, als sie sich nach rechts wandten und an Land wateten. Aber den Lärm, das Fluchen und die Rufe in vier verschiedenen Sprachen hörten sie deutlich, als sie durch den heißen Sand liefen und im Schatten einer kurzstämmigen Palme stehenblieben.

„Du meinst, daß sich die Portus und die Spanier das Gold schnappen?“ fragte Clint und wrang Wasser aus seinem Hemd.

„Klar. Bestimmt so viel, wie ihnen die verrückten Singhalesen und Ceylonesen übriglassen“, erwiderte Philip.

Hasard nickte Clint zu und schüttelte sich. Die Lage, in der sich die Crew befand, war ziemlich hoffnungslos. Bald, dachte Hasard, würde sich die goldgierige Menge verlaufen haben. Dann deuteten die Geschütze der Karavelle und der Galeone noch immer auf die wehrlose Schebecke. Erst am Abend konnte das Schiff verholt werden, aber bis dahin konnte alles mögliche passieren.

Die drei Seewölfe entfernten sich langsam vom Strand und schlichen durch einen Wald aus dicht stehenden Palmen in nördliche Richtung. Sie sicherten nach allen Seiten, aber sie sahen nur weidende Schafe, Ziegen und einen Büffel, der im Schlamm stand und zu schlafen schien.

„Elf Tonnen. Das dauert lange“, meinte Clint. „Bis alles aus den Laderäumen und auf dem Steg ist – oder in den Häusern oder Schiffen.“

„Richtig. Je länger sie brauchen, desto mehr sehen wir“, sagte Philip und hob die Hand. Das Wäldchen lichtete sich, und jetzt konnten sie einen größeren Teil des Dorfes Mannar sehen.

„Ich glaube, es ist das beste“, sagte Hasard junior nach einigem Nachdenken, „wenn wir uns verstecken und genau merken, wo die Goldkisten versteckt werden. Die beiden Schiffe können auch nicht auslaufen, ebensowenig wie wir.“

„Einverstanden“, murmelte Philip und lief geduckt bis zum Waldrand. Er kehrte kurz darauf zu den Wartenden zurück und sagte: „Da ist ein kleiner Hügel. Von dort aus sehen wir alles.“

„Gut“, sagte Hasard. „Gehen wir.“

Sie hatten sich etwa eine halbe Meile vom Schiff entfernt. Das Wäldchen verhinderte einen Blick auf den Hafen. Nur die Mastspitzen der Galeone waren noch zu erkennen. Jetzt hasteten sie, den Waldrand und den Strand dahinter auf der linken Seite des kaum sichtbaren Ziegenpfades, auf das Hügelchen zu. Zwischen dem Wald und den ersten Hütten der Siedlung breiteten sich Felder und Äcker aus.

Auf einem Stück der Straße oder des staubigen Platzes zwischen den Häusern tauchten ein paar Inder auf. Sie gestikulierten und rannten in Richtung des Hafens auf das stattliche Haus zu. Die drei Arwenacks warfen sich in einen trockenen Graben und warteten. Sie hatten einen Vogelschwarm aufgeschreckt, der kreischend über ihnen flatterte.

Hasard junior atmete stoßweise und sagte schließlich: „Jetzt ist mir so ziemlich alles klar. Dieser Hundesohn Malindi hat gesehen, welche Ladung wir in Wirklichkeit nach Madras bringen sollen. Und er hat es den Leuten brühwarm verraten. Wahrscheinlich haben sie ihn deswegen nicht totgeschlagen. Auf See konnten sie uns nicht überfallen, aber natürlich kannten sie diesen verdammten Hafen. Sie wußten auch, daß die Galeone und die Karavelle hier lagen, voller Kanonen. Habt ihr gemerkt, wie schnell sie ihre Stückpforten offen und die Rohre ausgerannt hatten?“

„Ging ziemlich schnell“, mußte sein Bruder zugeben. „Ich glaube, wir sind das Gold und das Silber erst mal los.“

„Sie haben eben erst angefangen, die Ladung zu löschen“, sagte Clint unruhig. „Wie lange hat es damals gedauert, bis alles an Bord war?“

Die Zwillinge erinnerten sich gut: die Ladung bestand aus etwa zweihundertfünfzig Traglasten. Stundenlang hatten die Diener des Padischah gebraucht, bis auch die letzte Kiste unter Deck und vertaut war.

„Es wird bis zum Abend dauern“, murmelte Hasard. „Los, sehen wir zu, daß wir zum Hügel verholen.“

„In Ordnung.“

Etwa zwei Stunden nach Mittag hatte die Hitze noch zugenommen. Jeder Schritt kostete Schweißtropfen. Durch Ranken, Gestrüpp, faulende Baumstämme und Büsche, deren Blüten betäubend rochen, schlichen die drei Seewölfe im Zickzack entlang der Felder, schlugen einen weiten Bogen und näherten sich der Flanke des Hügels. Schlangen huschten durch dürres Gras.

Vom Meer her roch es nach fauligem Schlick. Die weißen Monsunwolken segelten über den strahlenden Himmel und warfen riesige, schnell dahingleitende Schatten. Als sie sich näherten, konnten sie zwischen Baumstämmen und Schmarotzerranken die Steine eines uralten Gemäuers erkennen.

Sie pirschten auf die Rückseite des Gebäudes zu.

Philip junior brummte: „Ein alter Tempel, nicht wahr?“

„Kann schon sein“, erwiderte sein Bruder.

Wuchtige Mauern, große Torbögen, seltsame Reste von bunter Bemalung und Steinfriese bedeckten den höchsten Punkt des Hügels. Sie standen unter den mächtigen Ästen uralter Bäume, deren Wurzeln teilweise zwischen den Quadern hervorgewachsen und das Steinwerk auseinandergesprengt hatten. Die Ruine roch modrig und nach dem kalten Rauch von Opferfeuern.

Auf Zehenspitzen näherten sich die drei Seewölfe. Über ihnen turnten kleine Affen durch das Geäst. Ausgetretene Pfade bewiesen, daß viele Menschen zum Tempel pilgerten. Um den Hals eines Standbildes hingen Kränze aus frischen Blüten.

„Hast recht“, bestätigte Hasard. „Ein alter Tempel. Hier wird uns niemand suchen, denke ich.“

„Ein guter Platz“, sagte Clint, als sie über einige Mauerbrocken geklettert waren und die Vorderfront erreicht hatten. „Gute Sicht.“

Sie blieben stehen und sahen sich mit angehaltenem Atem um. Sie hatten den denkbar besten Platz erreicht, denn sie sahen die drei Schiffe und den größten Teil der Siedlung, die verschiedenen Wege und die Straße, die hinüber zur eigentlichen Insel Ceylon führte, mitten durch das trockenfallende Fahrwasser, das jetzt nur eine große Fläche aus Schlick, trocknendem Sand und kleinen Ebbtümpeln war.

Von hier aus wirkte alles klein und völlig bedeutungslos.

Hasard junior setzte sich auf einen wuchtigen schwarzen Steinblock und sagte entschlossen: „Hier bleiben wir vorläufig.“

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9783966881098
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