Читать книгу: «Buddhas Tausend Gesichter», страница 3

Шрифт:

Der Weg der Sammlung und Vertiefung

Prinz Siddhartha verlässt also den Palast seines Vaters, lässt nicht nur seinen Reichtum, sondern auch seine Eltern, seine Frau und seinen Sohn zurück. Seine neue Lebenssituation kann man sich vielleicht so vorstellen: Der Tag ist heiß, die Luft ist diesig. Die Sahlbäume stehen in voller Blüte. Die Gegend ist unbewohnt und wild, mit Felsen und Höhlen, das nächste Zentrum der Zivilisation liegt viele Tage Fußmarsch entfernt. Unter Bäumen und in Höhlen leben Yogis, spärlich bekleidet, mit mattierten Haaren. Sie sitzen auf Fellen und meditieren oder üben sich im Yoga. Andere singen Mantras oder rezitieren heilige Texte. Eine tiefe Stille, ein großer Friede liegt über dieser Gegend, als hätte sich wenig verändert, seit dem Beginn der Zeit. Am Ufer des nahen Flusses vollführen Saddhus ihre heiligen Rituale und Waschungen.

Ein Mann erscheint, sein Auftreten ist würdig – und doch etwas unsicher. Erst vor kurzer Zeit hat er seine königlichen Gewänder abgelegt und seinen Kutscher mit seinem Pferd zurückgeschickt in den Palast. Er trägt jetzt die zwei, drei Tücher der Asketen und schaut sich um nach Lehrern und Vorbildern. Noch sind ihm die Sinnesfreuden des Palastes nahe. Es ist der Prinz Siddhartha, der zukünftige Buddha.9

Prinz Siddhartha sucht nun einen Lehrer. So zieht er im ganzen Land umher, bis er die besten Meister seiner Zeit findet. Er ist ein schneller und gelehriger Schüler, und es dauert nicht lange, da hat er alles gemeistert, was ihm diese Lehrer beizubringen vermögen. Zuerst verbringt er einige Zeit bei Alara Kalama, einem bekannten Meister, der die Meditation der sieben Versenkungsstufen (jhana/dhyana) lehrt. Als Siddhartha diese verwirklicht hat, lädt ihn der Meister ein, an seiner Seite zu lehren. Obschon diese Meditationszustände gewaltige Höhen und Weiten des Seins eröffnen, obschon Zustände höchster Glückseligkeit und Einheit erfahren werden, spürt der Prinz-Asket, dass er noch nicht die endgültige innere Befreiung erlangt hat. Er zieht weiter.

Als Nächstes sucht er Uddaka Ramaputta auf. Von diesem Weisen heißt es, dass er eine weitere, die achte Versenkungsstufe beherrscht: den Zustand der »Weder-Wahrnehmung-noch-Nicht-Wahrnehmung«, den Gipfel aller möglichen Erfahrungen innerhalb des bedingten Seins. Auch diese Stufe meistert der Prinz. Doch auch jetzt ist in ihm die Gewissheit, das Ende seines Weges und seiner Suche noch nicht erreicht zu haben.

Nicht nur zu jener Zeit, sondern auch heute noch, gibt es spirituelle Traditionen, in denen die Meditation des »gesammelten und ruhevollen Verweilens« (samatha/shamata) und die Verwirklichung der bereits erwähnten Stufen der Versenkung, als letztendlicher Weg der Befreiung gesehen werden. Obschon diese Sammlungs- und Versenkungsstufen außerordentlich tiefe, reinigende und klärende Zustände von Herz und Geist sind, die unserer Meditation erst die Festigkeit und Tiefe verleihen, ohne die wir immer wieder mit Unklarheit und Zerstreuung kämpfen müssen, haben sie nicht die Kraft, Herz und Geist endgültig von der Macht der täuschenden und quälenden Zustände (kilesa/klesha), zu befreien und somit das Ende allen Leidens zu ermöglichen.

Prinz Siddhartha hat nicht nur die innere Klarheit, dies zu erkennen, sondern auch die Ehrlichkeit und den Mut, einmal mehr die Konsequenz daraus zu ziehen: Obwohl seine Lehrer, die größten Meister der Zeit, ihn einladen, an ihrer Seite zu lehren – ein sicher verlockendes Angebot, das Reputation und hohen spirituellen Status verspricht und das nicht nur damals etliche vermutlich gerne angenommen hätten –, macht er sich auf den Weg, um weiter zu suchen.

Der Buddha wird später immer wieder nach Kriterien gefragt, nach denen man beurteilen könne, ob ein Weg, eine Praxis hilfreich und befreiend sei oder nicht. Zu jener Zeit, wie heute, sind zahlreiche Gurus unterwegs, die behaupten, den wirklich befreienden, den einzigen oder zumindest den schnellsten Weg zu lehren. Der Buddha schlägt vor, man solle das, was gelehrt wird, nicht einfach glauben, weil es aus einer alten Tradition stammt oder weil die lehrende Person eine Autorität zu sein scheint oder weil ihre Rede ergreifend und überzeugend klingt.

Vielmehr solle man so vorgehen wie beim Prüfen von Gold: Dieses muss gekratzt, gerieben und durch Säure und Feuer getestet werden. Was letztlich all den Prüfungen standhält, kann als echt angesehen werden. Das bedeutet, dass wir selbst ernsthaft und gründlich überprüfen müssen, was für uns stimmt, indem wir das Gehörte anwenden und herausfinden, ob es heilsam ist und zu Segen und Wohl führt. Dies ist eine Aufforderung zur Selbstverantwortung und verlangt Interesse, Mut, Unabhängigkeit, Selbstvertrauen und große Ehrlichkeit, vor allem sich selbst gegenüber. Natürlich verlangt es von uns mehr als das Anhören von ein paar Belehrungen oder die Teilnahme an einigen Meditationsabenden. Wir müssen uns wirklich mit der Praxis auseinandersetzen und sie über längere Zeit konsequent üben. Dann werden wir selbst wissen, ob sie uns dahin führen kann, wo wir hingehen möchten. Genau das hat der zukünftige Buddha getan, er hat praktiziert und geprüft – und dann seine ersten Lehrer verlassen, um seine Suche fortzusetzen.

Der Weg der Askese

Die Unbeirrbarkeit, mit der sich Prinz Siddhartha der weiteren Praxis widmet, die Entschlossenheit, mit der er die Tiefen seines eigenen Wesens erforscht, um klar zu sehen, ist äußerst beeindruckend. Nachdem er seine beiden Lehrer verlassen hat, wendet er sich auf der Suche nach endgültiger Befreiung den damals weit verbreiteten Methoden der extremen Askese zu. Selbst-Kasteiung der härtesten Art gilt damals als bestes Mittel, die Kräfte des Verlangens und der Begierde zu überwinden und somit innere Befreiung und unerschütterlichen Frieden zu verwirklichen.

Eine der Methoden, die er kennenlernt, um das innere Getriebenwerden, das Verlangen nach Sein, die Begierde in Geist und Herz zum Versiegen zu bringen, besteht darin, den Atem zu stoppen. Der Buddha beschreibt später, wie er sich darin geübt hat, den Atem anzuhalten, bis die Luft durch die Ohren, dann sogar durch die Augen herausbirst, und wie er den Atem schließlich völlig anhalten kann, bis er ohnmächtig umfällt und man ihn für tot hält. Doch nach einer Zeit kommt er auch bei dieser Methode zu dem Schluss, dass er dadurch vollständigen inneren Frieden nicht finden wird.

Prinz Siddhartha praktiziert auch das Überwinden der Angst. In den Dschungeln Indiens gibt es Gründe genug, sich zu fürchten. Tiger, Elefanten und Kobras leben in diesen damals über weite Strecken menschenleeren Gebieten. Der zukünftige Buddha sitzt mit gekreuzten Beinen in Meditationshaltung unter den Bäumen oder übt Gehmeditation. Dabei nimmt er sich vor, immer dann, wenn Angst ihn zu überwältigen droht, die Position beizubehalten, die er in dem Moment gerade innehat, wenn Angst in ihm aufsteigt. Wenn er da sitzt und in der Ferne – oder gar in der Nähe – einen Tiger hört, bleibt er so lange sitzen, bis die aufgekommene Angst wieder vergangen ist. Wenn er Gehmeditation übt und die Angst kommt, geht er so lange weiter, bis die Angst verschwunden ist. Wenn er sich niedergelegt hat und die Angst ihn packt, bleibt er so lange liegen, bis die Angst sich wieder aufgelöst hat.

Seine Begierde sucht er zu überwinden, indem er sich in extremem Fasten übt. Seine täglich einzige Mahlzeit reduziert er zunächst auf eine Handvoll Reis, dann isst er nur eine Handvoll Reis pro Woche und dann noch weniger – bis er schließlich ein einziges Reiskorn und dann ein einziges Sesamkörnchen pro Woche zu sich nimmt. Als er seinen Magen anfassen will, berührt er dabei die Wirbelsäule.

Letztlich muss er aber feststellen, dass keine dieser asketischen Praktiken ein Weg zur Befreiung ist. Zwar hat er – nach sechs Jahren der Askese – die Befreiung noch nicht verwirklicht, doch er hat unendliche Geduld und Ausdauer entwickelt. Und auch wenn den meisten von uns eine solch radikale asketische Praxis sehr fern sein mag, so sind die dabei kultivierten inneren Qualitäten und Eigenschaften auch für uns von Bedeutung, denn auf diesem Weg braucht es unendliche Geduld. Sind wir bereit, diese Praxis unser ganzes Leben lang zu üben – mindestens in diesem Leben? Wir können, ja, wir müssen alles in die Praxis hineinlegen, uns ihr hundertprozentig verschreiben. Und trotzdem geht es nur so schnell vorwärts, wie es eben geht. Es gibt keine Instant-Spiritualität, wie es Fertigmahlzeiten oder Instant-Kaffee gibt. Auch wenn man uns das immer wieder mal glauben machen möchte, aber so funktioniert es nicht. Vielmehr handelt es sich um ein immer tieferes Schauen und ein allmähliches Sich-Entfalten.

Einer meiner Lehrer erzählte, wie er als Junge im Garten Karotten gepflanzt hatte. Als nach einiger Zeit grüne Blätter zu sprießen begannen, wollte er wissen, ob unter den Schösslingen auch wirklich Karotten wachsen. Doch der ganze Wachstumsprozess dauerte ihm zu lange. Deshalb beschloss er, an den grünen Blättchen zu ziehen, um so das Wachstum zu beschleunigen. Dass diese Methode nicht funktioniert und sogar kontraproduktiv ist, wissen wir. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Praxis: Was wir brauchen, ist viel Geduld und Ausdauer. Wir brauchen Zeit – aber auch das unentwegte Bemühen, gegenwärtig zu sein, wach zu sein, zu schauen und zu lernen.

Amma Syncletica, eine christliche »Wüstenmutter«, schreibt über die Praxis: »Am Anfang ist es schwierig und braucht viel Arbeit (…) Dann aber folgt unbeschreibliche Freude. Es ist wie wenn man ein Feuer entfacht: Zuerst gibt’s viel Rauch und die Augen tränen, aber später kommt das erwünschte Resultat. So müssen wir das göttliche Feuer in uns entzünden – mit Tränen und Anstrengung.«10

Jeder und jede von uns muss den Weg selbst gehen. Um aber klar und tief sehen zu können, sind optimale innere Bedingungen Voraussetzung. Dazu brauchen wir einen »lang-ausdauernden« Geist. Der chinesische Meister Hsu Yün ist ein gutes Beispiel für diese außerordentliche Eigenschaft des Herzens. Mit 14 Jahren tritt er in ein taoistisches Kloster ein, später wird er als buddhistischer Mönch ordiniert, studiert die Regeln und die Schriften und verbringt anschließend drei Jahre im Retreat in völliger Abgeschiedenheit. Dann übt er sich jahrelang in strenger Koan-Praxis, anschließend lange Zeit in der Praxis des Reinen Landes des Buddha Amitabha. Er absolviert eine siebenjährige Pilgerschaft und besucht zu Fuß die heiligen Stätten in China, Indien und Tibet. Mit 55 werden ihm weitere tiefe Erfahrungen des Erwachens zuteil. Schließlich wirkt er für den Rest seines Lebens als Lehrer – nochmals 50 Jahre lang. Seine Reisen als Lehrer führen ihn nach Burma, Thailand, Malaysia und Vietnam. Auch wird er Vorsitzender der Chinese Buddhist Association, zusammen mit dem Dalai Lama, dem Panchen Lama und dem Großlama der Mongolei. 1959, im Alter von 119, stirbt er in Shanghai. In seiner letzten Rede sagte er zu seinen Schülern: »Ich bedaure, dass ich euch nicht so unterrichten kann, wie die großen alten Meister dies taten. Ich versuche einfach mein Bestes. Vergesst nicht: Es wird eine lange Reise sein. Übt euch mit lang-ausdauerndem Geist!«

Nach sechs Jahren der strengen Askese ist sich Prinz Siddhartha, der zukünftige Buddha, gewiss, dass nicht nur der Weg der meditativen Versenkung, sondern auch der Weg der Kasteiung – trotz seiner unendlichen Geduld und Ausdauer – nicht zur Befreiung führt. Es ist ihm nun ganz klar, dass weder Sinnesgenuss noch Selbst-Kasteiung gute Voraussetzungen sind, um Geist und Herz zutiefst zu entfalten. Er erinnert sich an eine Situation aus seiner Kindheit: Als sein Vater, der König, bei einem Ritual einen Acker pflügte, saß der Knabe im Schatten eines Rosenapfelbaumes. Dort wurde ihm eine Erfahrung tiefsten Friedens, höchster Präsenz und größter Offenheit zuteil. Die deutliche Erinnerung an diesen Augenblick ist es, die den Asketen schließlich dazu bewegt, die Selbstkasteiung aufzugeben und einen mittleren Weg zwischen den Extremen zu wählen. Er entschließt sich, wieder Nahrung zu sich zu nehmen, dem Körper Erholung zu gönnen, um wieder Kraft und Energie zu tanken.

Dies markiert einen weiteren konsequenten Schritt in seinem Leben. Er bricht mit einem selbst gewählten Praxis-Stil, dem in seiner Zeit in hohem Ansehen stehenden Weg der Askese. Der Bruch ist so radikal, dass die Schüler, die ihm damals folgen, ihn sogleich verlassen. Für sie ist er einer, der versagt hat und damit als Meister und Vorbild erledigt ist.

Immer wieder wagt der Buddha solche Schritte ins Unbekannte, und er tut es auch später in der Art, wie er lehrt. Auch das kann beispielhaft für uns sein. Auch wir müssen es immer wieder wagen, hinzuschauen, zu erforschen und zu prüfen: Sind die Dinge wirklich so, wie sie gelehrt werden, wie es die Tradition oder die Gesellschaft will, wie wir sie entsprechend unseren gewohnten Sichtweisen sehen? Folgen wir wirklich unseren eigenen tiefsten Erfahrungen, oder sind wir einfach Mitläufer? Das Wagnis, die Dinge zu hinterfragen, braucht aber nicht nur Mut, sondern auch außerordentliche Ehrlichkeit; Ehrlichkeit uns selbst gegenüber. Brechen wir eine Praxis ab und folgen einer anderen, weil sie uns zu anstrengend ist und wir hoffen, auf einfachere, mühelosere Weise ans selbe Ziel zu kommen? Oder weil wir zutiefst verstanden haben, dass dieser Weg für uns nicht hilfreich, nicht befreiend ist?

Der Weg der Erkenntnis: Vollständiges Erwachen, tiefster Frieden

Prinz Siddhartha nimmt nun wieder Nahrung zu sich und gelangt zu Kräften. Er setzt sich am Ufer des Niranjana-Flusses, in der Gegend des heutigen Bodhgaya, unter einen großen Baum und beschließt, nicht eher von seinem Sitz aufzustehen, bis er das Dasein in seiner ganzen Tiefe verstanden hat.

In tiefste Meditation versunken erkennt er den Kreislauf von Geburt, Tod und Leiden, den die Lebewesen endlos durchlaufen – von Verlangen getrieben, durch Anhaften gefesselt. Er durchschaut den Prozess des abhängigen Entstehens dieses vergänglichen Daseins und erkennt die Möglichkeit tiefster Befreiung durch das endgültige Versiegen des Durstes nach Existenz, durch die Erkenntnis des Unerschaffenen, Todlosen – Nirvana.

Es ist in dieser Nacht, dass Mara seinen Großangriff startet. Mara ist der mächtige Gott des »Bösen«, des Unheilsamen und Leidschaffenden, die Verkörperung aller schwierigen Energien und Kräfte des Herzens, der Täuschung, der Begierde, des Hasses. In traditionellen Bildern werden Maras Eigenschaften als Dämonen, als scheußliche Kreaturen, als Wilde personifiziert, die mit Speeren, Bogen und Kriegsbeilen auf den zukünftigen Buddha losstürmen, wobei dieser furchtlos inmitten aller Angriffe dasitzt – offen, gelassen, in innerer Balance.

Doch schickt Mara auch seine verführerischsten Kräfte in die Schlacht: Gier, Verlangen, Anhaften an Vergnügen, an Sinneslust, an Erfolg und Ehre, Festhalten an all dem, was wir meinen, unbedingt zu brauchen. Aber des zukünftigen Buddhas Haltung bleibt die gleiche: Anstatt sich mit den Verlockungen zu identifizieren, sich darin zu verlieren, ruht er in unerschütterlicher Offenheit und innerer Balance.

Als letzte Waffe setzt Mara den Zweifel ein. Er zweifelt das Recht des zukünftigen Buddha an, den Platz des Erwachens einzunehmen. Er zweifelt sein Recht auf innere Freiheit, auf vollständiges Erwachen an. Manche Statuen zeigen den Buddha, wie er mit der rechten Hand die Erde berührt. Damit ruft er die Göttin Erde als Zeugin dafür an, dass er in Hunderten vergangener Leben die heilsamen Qualitäten seines Geistes und Herzens zur Vollkommenheit entwickelt hat und ihm damit das Recht zusteht, den Platz des Erwachens einzunehmen. Es heißt, die Göttin Erde habe hundertfach und tausendfach gebebt, um das Recht des Buddha zu bestätigen.

Vielen ist sicher die Darstellung des zukünftigen Buddha bekannt, wie er voller Ruhe, Gelassenheit und Würde unter dem Baum sitzt, umtobt von Maras Armeen. Dabei verwandeln sich all die Speere, Pfeile und Keulen – Symbole der inneren negativen Emotionen und Aggressionen – in Blumen. Der Buddha sitzt in tiefstem Frieden, und Blumenblätter fallen. Dies ist ein weiterer wichtiger Hinweis: Es ist die Haltung des wachen Offenseins, des weisen Annehmens, der liebevollen Güte (metta/maitri), die all diese Dämonen, all diese unheilsamen Kräfte in Blumen, in die Qualität liebevoller Gelassenheit umwandelt.

Und eben diese innere Haltung ist es, die wir in der Meditation üben; wir üben, gegenwärtig zu sein, in einer Haltung der Offenheit, des Willkommenheißens. Diese wache, liebevolle Zuwendung, diese liebevolle Güte, bringen wir für das auf, was sich in unserem Innern zeigt, aber natürlich wirkt sie gleichermaßen auch nach außen. Begegnen wir unseren Mitmenschen mit einer solchen Haltung, fühlen sie sich respektiert und geliebt. Eine Atmosphäre der Furchtlosigkeit, des rücksichtsvollen, wertschätzenden und verantwortlichen Seins und Handelns entsteht.

In einer solchen Haltung sitzt auch Prinz Siddhartha unter dem Baum, in unerschütterlicher, liebevoller Gelassenheit, wie es heißt, und erlangt in dem Moment, in dem der Morgenstern über dem Horizont aufsteigt, vollständiges Erwachen. Er hat die endgültige und tiefst mögliche Offenheit, Klarheit und Ganzheit erreicht. Er ist frei von Verlangen, von der treibenden Kraft der Gier, frei von Hass und Täuschung, frei vom Nichtverstehen der Wirklichkeit. Tiefer, grenzenloser Frieden ist es, den er gefunden hat.

Genau hier liegt die überragende Bedeutung des Buddha für uns heute, die Aktualität seiner Lehre. Der Buddha erkennt die Möglichkeiten des menschlichen Herzens und Geistes. Er vertröstet nicht auf ein beglückendes Jenseits, sondern setzt sich direkt mit dem eigenen Geist in dieser Welt – hier und jetzt – auseinander. Er findet eine Lösung für das menschliche Dilemma, das Problem des Leidens, eine Lösung, die von jedem Menschen – jederzeit – anwendbar ist. Sein Leben lässt keinen Zweifel daran, was uns Menschen tatsächlich möglich ist. Aber es lässt auch keinen Zweifel daran, wie viel es dazu braucht: Es wird nämlich nichts weniger als alles von uns gefordert. Wir sollten diesen befreiten, vollkommenen Menschen nicht so sehr als ein Ideal betrachten, an dem wir uns messen müssten, sondern als Inspiration, sich mit aller Entschlossenheit und aus ganzem Herzen der Praxis zuzuwenden, um in Richtung innere Freiheit und Verbundenheit zu gehen.

Das Mitgefühl erwacht

Sieben Wochen lang genießt der Buddha den Frieden der großen Erkenntnis. Es heißt, dass er zuerst nicht habe lehren wollen, weil er glaubt, es gebe niemanden, der ihn verstehen könne. Nach sieben Wochen des inneren Friedens und der Ruhe blickt er mit seinem inneren Auge über die Welt. Er sieht, dass alle Lebewesen ständig damit beschäftigt sind, glücklich zu werden. Aus Verblendung und Unverstand tun sie jedoch immer wieder genau das, was ihnen Leiden beschert. Diese Erkenntnis ist es, die sein umfassendes, grenzenloses Mitgefühl, das er in zahllosen Leben entwickelt hat, vollständig zum Erblühen bringt.

Er sieht auch, dass es Menschen gibt, die nur »wenig Staub auf den Augen haben« und fähig sind, zu sehen, was er gesehen hat, zu verwirklichen, was er verwirklicht hat. So beschließt er, auf Wanderschaft zu gehen und zu lehren. In diesem Moment, mit dieser bedingungslosen Öffnung seines Herzens, ist er zur Vollendung gelangt.

Die Lehre

Zuerst wandert der Buddha von Bodhgaya nach Isipathana, dem heutigen Sarnath bei Benares. Dort trifft er auf die fünf Asketen, die ihn nach seiner Entscheidung, wieder genügend Nahrung zu sich zu nehmen, verlassen haben. Sie sind fest entschlossen, ihn noch nicht einmal zu begrüßen. Aber seine Würde und Ausstrahlung sind von solcher Kraft, dass sie ihm, entgegen ihrem eigenen Willen, einen Sitz als Lehrer anbieten. Und der Buddha hält vor ihnen seine erste Lehrrede und setzt damit das »Rad der Lehre« in Bewegung. Als Erstes lehrt er den Mittleren Weg zwischen Kasteiung und Ausschweifung sowie die Vier Edlen Wahrheiten – sozusagen die Grundaussagen, auf denen seine ganze Lehre aufbaut, die er in den folgenden Jahrzehnten unermüdlich darlegen wird. Der Buddha lehrt:

•dass dieses Dasein Konflikte, Schwierigkeiten und endloses Leiden aller Art beinhaltet, und er betont die Notwendigkeit, diese Tatsache vollständig wahrzunehmen und anzuerkennen;

•dass die Ursachen allen inneren Leidens in uns selbst liegen, in unserem Herzen, in unserem Geist;

•dass es möglich ist, sich von all diesem inneren Leiden und seinen Ursachen zu befreien, indem wir die Ursachen erforschen und sie letztlich überwinden und heilen;

•und legt den Weg, die Mittel und Methoden dar, die zu dieser Befreiung, zu tiefster Verbundenheit und zu weisem und engagiertem Wirken in dieser Welt führen.

Der Buddha hat die Tatsachen des Daseins ergründet und Dinge erkannt, die nie zuvor in dieser Klarheit und Genauigkeit gesehen und gelehrt worden sind. Das Herzstück seiner Lehre ist das bedingte abhängige Entstehen (paticca samuppada/pratitya samutpada) sowie die Leerheit von unabhängiger Selbstexistenz (anatta /anatman, suññatta/shunyata)

Das Herzstück seiner Praxis ist das achtsame Gewahrsein zum Zweck der befreienden Erkenntnis. Wesentlich sind auch seine Ermutigung zur persönlichen Selbstständigkeit in der Erforschung der Wirklichkeit und in der Umsetzung der Praxis und gleichzeitig seine nachdrückliche Aufforderung zur sozialen Einbindung in Gemeinschaft und Gesellschaft.

Was der Buddha damals entdeckt und gelehrt hat, ist auch für uns heute noch von Gültigkeit. Es gibt immer noch diesen Weg der Liebe und des Mitgefühls, den jeder und jede von uns wiederentdecken und verwirklichen kann – und uns steht diese Praxis der Erkenntnis und der Befreiung zur Verfügung und wir sind frei, sie zu nutzen.

2 096,17 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
291 стр. 2 иллюстрации
ISBN:
9783942085366
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
Аудио
Средний рейтинг 4,2 на основе 352 оценок
Черновик
Средний рейтинг 5 на основе 104 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,6 на основе 680 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,7 на основе 141 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,7 на основе 1805 оценок
Текст, доступен аудиоформат
Средний рейтинг 4,3 на основе 482 оценок
По подписке
Текст
Средний рейтинг 3,9 на основе 9 оценок
18+
Текст
Средний рейтинг 4,9 на основе 313 оценок
По подписке
Текст, доступен аудиоформат
Средний рейтинг 4,3 на основе 978 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок