Die Jungfrau von Orleans

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Vierter Auftritt

Johanna allein.

Lebt wohl ihr Berge, ihr geliebten Triften,

Ihr traulich stillen Täler lebet wohl!

Johanna wird nun nicht mehr auf euch wandeln,

Johanna sagt euch ewig Lebewohl.

Ihr Wiesen, die ich wässerte! Ihr Bäume,

Die ich gepflanzet, grünet fröhlich fort!

Lebt wohl, ihr Grotten und ihr kühlen Brunnen!

Du Echo, holde Stimme dieses Tals,

Die oft mir Antwort gab auf meine Lieder,

Johanna geht und nimmer kehrt sie wieder!

Ihr Plätze alle meiner stillen Freuden,

Euch laß ich hinter mir auf immerdar!

Zerstreuet euch, ihr Lämmer auf der Heiden,

Ihr seid jetzt eine hirtenlose Schar,

Denn eine andre Herde muß ich weiden,

Dort auf dem blutgen Felde der Gefahr,

So ist des Geistes Ruf an mich ergangen,

Mich treibt nicht eitles, irdisches Verlangen.

Denn der zu Mosen auf des Horebs Höhen

Im feurgen Busch sich flammend niederließ,

Und ihm befahl, vor Pharao zu stehen,

Der einst den frommen Knaben Isais,

Den Hirten, sich zum Streiter ausersehen,

Der stets den Hirten gnädig sich bewies,

Er sprach zu mir aus dieses Baumes Zweigen:

»Geh hin! Du sollst auf Erden für mich zeugen.

In rauhes Erz sollst du die Glieder schnüren,

Mit Stahl bedecken deine zarte Brust,

Nicht Männerliebe darf dein Herz berühren

Mit sündgen Flammen eitler Erdenlust,

Nie wird der Brautkranz deine Locke zieren,

Dir blüht kein lieblich Kind an deiner Brust,

Doch werd ich dich mit kriegerischen Ehren,

Vor allen Erdenfrauen dich verklären.

Denn wenn im Kampf die Mutigsten verzagen,

Wenn Frankreichs letztes Schicksal nun sich naht,

Dann wirst du meine Oriflamme tragen

Und wie die rasche Schnitterin die Saat,

Den stolzen Überwinder niederschlagen,

Umwälzen wirst du seines Glückes Rad,

Errettung bringen Frankreichs Heldensöhnen,

Und Reims befrein und deinen König krönen!«

Ein Zeichen hat der Himmel mir verheißen,

Er sendet mir den Helm, er kommt von ihm,

Mit Götterkraft berühret mich sein Eisen,

Und mich durchflammt der Mut der Cherubim,

Ins Kriegsgewühl hinein will es mich reißen,

Es treibt mich fort mit Sturmes Ungestüm,

Den Feldruf hör ich mächtig zu mir dringen,

Das Schlachtroß steigt und die Trompeten klingen.

Sie geht ab.

Erster Aufzug

Hoflager König Karls zu Chinon.

Erster Auftritt

Dunois und Du Chatel.

DUNOIS.

Nein, ich ertrag es länger nicht. Ich sage

Mich los von diesem König, der unrühmlich

Sich selbst verläßt. Mir blutet in der Brust

Das tapfre Herz und glühnde Tränen möcht ich weinen,

Daß Räuber in das königliche Frankreich

Sich teilen mit dem Schwert, die edeln Städte,

Die mit der Monarchie gealtert sind,

Dem Feind die rostgen Schlüssel überliefern,

Indes wir hier in tatenloser Ruh

Die köstlich edle Rettungszeit verschwenden.

– Ich höre Orleans bedroht, ich fliege

Herbei aus der entlegnen Normandie,

Den König denk ich kriegerisch gerüstet

An seines Heeres Spitze schon zu finden,

Und find ihn – hier! umringt von Gaukelspielern

Und Troubadours, spitzfindge Rätsel lösend

Und der Sorel galante Feste gebend,

Als waltete im Reich der tiefste Friede!

– Der Connetable geht, er kann den Greul

Nicht länger ansehn. – Ich verlaß ihn auch,

Und übergeb ihn seinem bösen Schicksal.

DU CHATEL.

Da kommt der König!

Zweiter Auftritt

König Karl zu den Vorigen.

KARL.

Der Connetable schickt sein Schwert zurück,

Und sagt den Dienst mir auf. – In Gottes Namen!

So sind wir eines mürrschen Mannes los,

Der unverträglich uns nur meistern wollte.

DUNOIS.

Ein Mann ist viel wert in so teurer Zeit,

Ich möcht ihn nicht mit leichtem Sinn verlieren.

KARL.

Das sagst du nur aus Lust des Widerspruchs,

Solang er dawar, warst du nie sein Freund.

DUNOIS.

Er war ein stolz verdrießlich schwerer Narr,

Und wußte nie zu enden – diesmal aber

Weiß ers. Er weiß zu rechter Zeit zu gehn,

Wo keine Ehre mehr zu holen ist.

KARL.

Du bist in deiner angenehmen Laune,

Ich will dich nicht drin stören. – Du Chatel!

Es sind Gesandte da vom alten König

René, belobte Meister im Gesang,

Und weit berühmt. – Man muß sie wohl bewirten,

Und jedem eine goldne Kette reichen.

Zum Bastard.

Worüber lachst du?

DUNOIS.

Daß du goldne Ketten

Aus deinem Munde schüttelst.

DU CHATEL.

Sire! Es ist

Kein Geld in deinem Schatze mehr vorhanden.

KARL.

So schaffe welches. – Edle Sänger dürfen

Nicht ungeehrt von meinem Hofe ziehn.

Sie machen uns den dürren Szepter blühn,

Sie flechten den unsterblich grünen Zweig

Des Lebens in die unfruchtbare Krone,

Sie stellen herrschend sich den Herrschern gleich,

Aus leichten Wünschen bauen sie sich Throne,

Und nicht im Raume liegt ihr harmlos Reich,

Drum soll der Sänger mit dem König gehen,

Sie beide wohnen auf der Menschheit Höhen!

DU CHATEL.

Mein königlicher Herr! Ich hab dein Ohr

Verschont, solang noch Rat und Hülfe war,

Doch endlich löst die Notdurft mir die Zunge.

– Du hast nichts mehr zu schenken, ach! du hast

Nicht mehr, wovon du morgen könntest leben!

Die hohe Flut des Reichtums ist zerflossen,

Und tiefe Ebbe ist in deinem Schatz.

Den Truppen ist der Sold noch nicht bezahlt,

Sie drohen murrend abzuziehn. – Kaum weiß

Ich Rat, dein eignes königliches Haus

Notdürftig nur, nicht fürstlich, zu erhalten.

KARL.

Verpfände meine königlichen Zölle,

Und laß dir Geld darleihn von den Lombarden.

DU CHATEL.

Sire, deine Kroneinkünfte, deine Zölle

Sind auf drei Jahre schon voraus verpfändet.

DUNOIS.

Und unterdes geht Pfand und Land verloren.

KARL.

Uns bleiben noch viel reiche schöne Länder.

DUNOIS.

Solang es Gott gefällt und Talbots Schwert!

Wenn Orleans genommen ist, magst du

Mit deinem König René Schafe hüten.

KARL.

Stets übst du deinen Witz an diesem König,

Doch ist es dieser länderlose Fürst,

Der eben heut mich königlich beschenkte.

DUNOIS.

Nur nicht mit seiner Krone von Neapel,

Um Gotteswillen nicht! Denn die ist feil,

Hab ich gehört, seitdem er Schafe weidet.

KARL.

Das ist ein Scherz, ein heitres Spiel, ein Fest,

Das er sich selbst und seinem Herzen gibt,

Sich eine schuldlos reine Welt zu gründen

In dieser rauh barbarschen Wirklichkeit.

Doch was er Großes, Königliches will –

Er will die alten Zeiten wiederbringen,

Wo zarte Minne herrschte, wo die Liebe

Der Ritter große Heldenherzen hob,

Und edle Frauen zu Gerichte saßen,

Mit zartem Sinne alles Feine schlichtend.

In jenen Zeiten wohnt der heitre Greis,

Und wie sie noch in alten Liedern leben,

So will er sie, wie eine Himmelstadt

In goldnen Wolken, auf die Erde setzen –

Gegründet hat er einen Liebeshof,

Wohin die edlen Ritter sollen wallen,

Wo keusche Frauen herrlich sollen thronen,

Wo reine Minne wiederkehren soll,

Und mich hat er erwählt zum Fürst der Liebe.

DUNOIS.

Ich bin so sehr nicht aus der Art geschlagen,

Daß ich der Liebe Herrschaft sollte schmähn.

Ich nenne mich nach ihr, ich bin ihr Sohn,

Und all mein Erbe liegt in ihrem Reich.

Mein Vater war der Prinz von Orleans,

Ihm war kein weiblich Herz unüberwindlich,

Doch auch kein feindlich Schloß war ihm zu fest.

Willst du der Liebe Fürst dich würdig nennen,

So sei der Tapfern Tapferster! – Wie ich

Aus jenen alten Büchern mir gelesen,

War Liebe stets mit hoher Rittertat

Gepaart und Helden, hat man mich gelehrt,

Nicht Schäfer saßen an der Tafelrunde.

Wer nicht die Schönheit tapfer kann beschützen,

Verdient nicht ihren goldnen Preis. – Hier ist

Der Fechtplatz! Kämpf um deiner Väter Krone!

 

Verteidige mit ritterlichem Schwert

Dein Eigentum und edler Frauen Ehre –

Und hast du dir aus Strömen Feindesbluts

Die angestammte Krone kühn erobert,

Dann ist es Zeit und steht dir fürstlich an,

Dich mit der Liebe Myrten zu bekrönen.

KARL zu einem Edelknecht, der hereintritt.

Was gibts?

EDELKNECHT.

Ratsherrn von Orleans flehn um

Gehör.

KARL.

Führ sie herein.

Edelknecht geht ab.

Sie werden Hülfe fodern,

Was kann ich tun, der selber hülflos ist!

Dritter Auftritt

Drei Ratsherren zu den Vorigen.

KARL.

Willkommen, meine vielgetreuen Bürger

Aus Orleans! Wie stehts um meine gute Stadt?

Fährt sie noch fort mit dem gewohnten Mut

Dem Feind zu widerstehn, der sie belagert?

RATSHERR.

Ach Sire! Es drängt die höchste Not, und stündlich wachsend

Schwillt das Verderben an die Stadt heran.

Die äußern Werke sind zerstört, der Feind

Gewinnt mit jedem Sturme neuen Boden.

Entblößt sind von Verteidigern die Mauern,

Denn rastlos fechtend fällt die Mannschaft aus,

Doch wen'ge sehn die Heimatpforte wieder,

Und auch des Hungers Plage droht der Stadt.

Drum hat der edle Graf von Rochepierre,

Der drin befiehlt, in dieser höchsten Not

Vertragen mit dem Feind, nach altem Brauch,

Sich zu ergeben auf den zwölften Tag,

Wenn binnen dieser Zeit kein Heer im Feld

Erschien, zahlreich genug, die Stadt zu retten.

Dunois macht eine heftige Bewegung des Zorns.

KARL.

Die Frist ist kurz.

RATSHERR.

Und jetzo sind wir hier

Mit Feinds Geleit, daß wir dein fürstlich Herz

Anflehen, deiner Stadt dich zu erbarmen,

Und Hülf zu senden binnen dieser Frist,

Sonst übergibt er sie am zwölften Tage.

DUNOIS.

Saintrailles konnte seine Stimme geben

Zu solchem schimpflichen Vertrag!

RATSHERR.

Nein, Herr!

Solang der Tapfre lebte, durfte nie

Die Rede sein von Fried und Übergabe.

DUNOIS.

So ist er tot!

RATSHERR.

An unsern Mauern sank

Der edle Held für seines Königs Sache.

KARL.

Saintrailles tot! O in dem einzgen Mann

Sinkt mir ein Heer!

Ein Ritter kommt und spricht einige Worte leise mit dem Bastard, welcher betroffen auffährt.

DUNOIS.

Auch das noch!

KARL.

Nun! Was gibts?

DUNOIS.

Graf Douglas sendet her. Die schottschen Völker

Empören sich und drohen abzuziehn,

Wenn sie nicht heut den Rückstand noch erhalten.

KARL.

Du Chatel!

DU CHATEL zuckt die Achseln.

Sire! Ich weiß nicht Rat.

KARL.

Versprich,

Verpfände was du hast, mein halbes Reich –

DU CHATEL.

Hilft nichts! Sie sind zu oft vertröstet worden!

KARL.

Es sind die besten Truppen meines Heers!

Sie sollen mich jetzt nicht, nicht jetzt verlassen!

RATSHERR mit einem Fußfall.

O König, hilf uns! Unsrer Not gedenke!

KARL verzweiflungsvoll.

Kann ich Armeen aus der Erde stampfen?

Wächst mir ein Kornfeld in der flachen Hand?

Reißt mich in Stücken, reißt das Herz mir aus,

Und münzet es statt Goldes! Blut hab ich

Für euch, nicht Silber hab ich, noch Soldaten!

Er sieht die Sorel hereintreten, und eilt ihr mit ausgebreiteten Armen entgegen.

Vierter Auftritt

Agnes Sorel ein Kästchen in der Hand, zu den Vorigen.

KARL.

O meine Agnes! Mein geliebtes Leben!

Du kommst, mich der Verzweiflung zu entreißen!

Ich habe dich, ich flieh an deine Brust,

Nichts ist verloren, denn du bist noch mein.

SOREL.

Mein teurer König!

Mit ängstlich fragendem Blick umherschauend.

Dunois! Ists wahr?

Du Chatel?

DU CHATEL.

Leider!

SOREL.

Ist die Not so groß?

Es fehlt am Sold? Die Truppen wollen abziehn?

DU CHATEL.

Ja leider ist es so!

SOREL ihm das Kästchen aufdringend.

Hier, hier ist Gold,

Hier sind Juwelen – Schmelzt mein Silber ein –

Verkauft, verpfändet meine Schlösser – Leihet

Auf meine Güter in Provence – Macht alles

Zu Gelde und befriediget die Truppen.

Fort! Keine Zeit verloren!

Treibt ihn fort.

KARL.

Nun, Dunois? Nun, Du Chatel! Bin ich euch

Noch arm, da ich die Krone aller Frauen

Besitze? – Sie ist edel, wie ich selbst

Geboren, selbst das königliche Blut

Der Valois ist nicht reiner, zieren würde sie

Den ersten Thron der Welt – doch sie verschmäht ihn,

Nur meine Liebe will sie sein und heißen.

Erlaubte sie mir jemals ein Geschenk

Von höherm Wert, als eine frühe Blume

Im Winter oder seltne Frucht! Von mir

Nimmt sie kein Opfer an, und bringt mir alle!

Wagt ihren ganzen Reichtum und Besitz

Großmütig an mein untersinkend Glück.

DUNOIS.

Ja sie ist eine Rasende wie du,

Und wirft ihr Alles in ein brennend Haus,

Und schöpft ins lecke Faß der Danaiden.

Dich wird sie nicht erretten, nur sich selbst

Wird sie mit dir verderben –

SOREL.

Glaub ihm nicht.

Er hat sein Leben zehenmal für dich

Gewagt und zürnt, daß ich mein Gold jetzt wage.

Wie? Hab ich dir nicht alles froh geopfert,

Was mehr geachtet wird als Gold und Perlen,

Und sollte jetzt mein Glück für mich behalten?

Komm! Laß uns allen überflüßgen Schmuck

Des Lebens von uns werfen! Laß mich dir

Ein edles Beispiel der Entsagung geben!

Verwandle deinen Hofstaat in Soldaten,

Dein Gold in Eisen, alles was du hast,

Wirf es entschlossen hin nach deiner Krone!

Komm! Komm! Wir teilen Mangel und Gefahr!

Das kriegerische Roß laß uns besteigen,

Den zarten Leib dem glühenden Pfeil der Sonne

Preisgeben, die Gewölke über uns

Zur Decke nehmen, und den Stein zum Pfühl.

Der rauhe Krieger wird sein eignes Weh

Geduldig tragen, sieht er seinen König

Dem Ärmsten gleich ausdauren und entbehren!

KARL lächelnd.

Ja, nun erfüllt sich mir ein altes Wort

Der Weissagung, das eine Nonne mir

Zu Clermont im prophetschen Geiste sprach.

Ein Weib, verhieß die Nonne, würde mich

Zum Sieger machen über alle Feinde,

Und meiner Väter Krone mir erkämpfen.

Fern sucht ich sie im Feindeslager auf,

Das Herz der Mutter hofft ich zu versöhnen,

Hier steht die Heldin, die nach Reims mich führt,

Durch meiner Agnes Liebe werd ich siegen!

SOREL.

Du wirsts durch deiner Freunde tapfres Schwert.

KARL.

Auch von der Feinde Zwietracht hoff ich viel –

Denn mir ist sichre Kunde zugekommen,

Daß zwischen diesen stolzen Lords von England

Und meinem Vetter von Burgund nicht alles mehr

So steht wie sonst – Drum hab ich den La Hire

Mit Botschaft an den Herzog abgefertigt,

Ob mirs gelänge, den erzürnten Pair

Zur alten Pflicht und Treu zurückzuführen –

Mit jeder Stunde wart ich seiner Ankunft.

DU CHATEL am Fenster.

Der Ritter sprengt soeben in den Hof.

KARL.

Willkommner Bote! Nun so werden wir

Bald wissen, ob wir weichen oder siegen.

Fünfter Auftritt

La Hire zu den Vorigen.

KARL geht ihm entgegen.

La Hire! Bringst du uns Hoffnung oder keine?

Erklär dich kurz. Was hab ich zu erwarten?

LA HIRE.

Erwarte nichts mehr als von deinem Schwert.

KARL.

Der stolze Herzog läßt sich nicht versöhnen!

O sprich! Wie nahm er meine Botschaft auf?

LA HIRE.

Vor allen Dingen und bevor er noch

Ein Ohr dir könne leihen, fodert er,

Daß ihm Du Chatel ausgeliefert werde,

Den er den Mörder seines Vaters nennt.

KARL.

Und, weigern wir uns dieser Schmachbedingung?

LA HIRE.

Dann sei der Bund zertrennt, noch eh er anfing.

KARL.

Hast du ihn drauf, wie ich dir anbefahl,

Zum Kampf mit mir gefodert auf der Brücke

Zu Montereau, allwo sein Vater fiel?

LA HIRE.

Ich warf ihm deinen Handschuh hin und sprach:

Du wolltest deiner Hoheit dich begeben,

Und als ein Ritter kämpfen um dein Reich.

Doch er versetzte: nimmer täts ihm not,

Um das zu fechten, was er schon besitze.

Doch wenn dich so nach Kämpfen lüstete,

So würdest du vor Orleans ihn finden,

Wohin er morgen willens sei zu gehn;

Und damit kehrt' er lachend mir den Rücken.

KARL.

Erhob sich nicht in meinem Parlamente

Die reine Stimme der Gerechtigkeit?

LA HIRE.

Sie ist verstummt vor der Parteien Wut.

Ein Schluß des Parlaments erklärte dich

Des Throns verlustig, dich und dein Geschlecht.

DUNOIS.

Ha frecher Stolz des herrgewordnen Bürgers!

KARL.

Hast du bei meiner Mutter nichts versucht?

LA HIRE.

Bei deiner Mutter!

KARL.

Ja! Wie ließ sie sich vernehmen?

LA HIRE nachdem er einige Augenblicke sich bedacht.

Es war gerad das Fest der Königskrönung,

Als ich zu Saint Denis eintrat. Geschmückt

Wie zum Triumphe waren die Pariser,

In jeder Gasse stiegen Ehrenbogen,

Durch die der engelländsche König zog.

Bestreut mit Blumen war der Weg und jauchzend,

Als hätte Frankreich seinen schönsten Sieg

Erfochten, sprang der Pöbel um den Wagen.

SOREL.

Sie jauchzten – jauchzten, daß sie auf das Herz

Des liebevollen sanften Königs traten!

LA HIRE.

Ich sah den jungen Harry Lancaster,

Den Knaben, auf dem königlichen Stuhl

Sankt Ludwigs sitzen, seine stolzen Öhme

Bedford und Gloster standen neben ihm,

Und Herzog Philipp kniet' am Throne nieder

Und leistete den Eid für seine Länder.

KARL.

O ehrvergeßner Pair! Unwürdger Vetter!

LA HIRE.

Das Kind war bang und strauchelte, da es

Die hohen Stufen an dem Thron hinanstieg.

»Ein böses Omen!« murmelte das Volk,

Und es erhub sich schallendes Gelächter.

Da trat die alte Königin, deine Mutter,

Hinzu, und – mich entrüstet es zu sagen!

KARL.

Nun?

LA HIRE.

In die Arme faßte sie den Knaben

Und setzt' ihn selbst auf deines Vaters Stuhl.

KARL.

O Mutter! Mutter!

LA HIRE.

Selbst die wütenden

Burgundier, die mordgewohnten Banden,

Erglüheten vor Scham bei diesem Anblick.

Sie nahm es wahr und an das Volk gewendet

Rief sie mit lauter Stimm: »Dankt mirs, Franzosen,

Daß ich den kranken Stamm mit reinem Zweig

 

Veredle, euch bewahre vor dem miß-

Gebornen Sohn des hirnverrückten Vaters!«

Der König verhüllt sich, Agnes eilt auf ihn zu und schließt ihn in ihre Arme, alle Umstehenden drücken ihren Abscheu, ihr Entsetzen aus.

DUNOIS.

Die Wölfin! die wutschnaubende Megäre!

KARL nach einer Pause zu den Ratsherren.

Ihr habt gehört, wie hier die Sachen stehn.

Verweilt nicht länger, geht nach Orleans

Zurück, und meldet meiner treuen Stadt:

Des Eides gegen mich entlaß ich sie.

Sie mag ihr Heil beherzigen und sich

Der Gnade des Burgundiers ergeben,

Er heißt der Gute, er wird menschlich sein.

DUNOIS.

Wie Sire? Du wolltest Orleans verlassen!

RATSHERR kniet nieder.

Mein königlicher Herr! Zieh deine Hand

Nicht von uns ab! Gib deine treue Stadt

Nicht unter Englands harte Herrschaft hin.

Sie ist ein edler Stein in deiner Krone,

Und keine hat den Königen, deinen Ahnherrn,

Die Treue heiliger bewahrt.

DUNOIS.

Sind wir

Geschlagen? Ists erlaubt, das Feld zu räumen,

Eh noch ein Schwertstreich um die Stadt geschehn?

Mit einem leichten Wörtlein, ehe Blut

Geflossen ist, denkst du die beste Stadt

Aus Frankreichs Herzen wegzugeben?

KARL.

Gnug

Des Blutes ist geflossen und vergebens!

Des Himmels schwere Hand ist gegen mich,

Geschlagen wird mein Heer in allen Schlachten,

Mein Parlament verwirft mich, meine Hauptstadt,

Mein Volk nimmt meinen Gegner jauchzend auf,

Die mir die Nächsten sind am Blut, verlassen,

Verraten mich – die eigne Mutter nährt

Die fremde Feindesbrut an ihren Brüsten.

– Wir wollen jenseits der Loire uns ziehn,

Und der gewaltgen Hand des Himmels weichen,

Der mit dem Engelländer ist.

SOREL.

Das wolle Gott nicht, daß wir, an uns selbst

Verzweifelnd, diesem Reich den Rücken wenden!

Dies Wort kam nicht aus deiner tapfern Brust.

Der Mutter unnatürlich rohe Tat

Hat meines Königs Heldenherz gebrochen!

Du wirst dich wiederfinden, männlich fassen,

Mit edelm Mut dem Schicksal widerstehen,

Das grimmig dir entgegenkämpft.

KARL in düstres Sinnen verloren.

Ist es nicht wahr?

Ein finster furchtbares Verhängnis waltet

Durch Valois' Geschlecht, es ist verworfen

Von Gott, der Mutter Lastertaten führten

Die Furien herein in dieses Haus,

Mein Vater lag im Wahnsinn zwanzig Jahre,

Drei ältre Brüder hat der Tod vor mir

Hinweggemäht, es ist des Himmels Schluß,

Das Haus des sechsten Karls soll untergehn.

SOREL.

In dir wird es sich neuverjüngt erheben!

Hab Glauben an dich selbst. – O! nicht umsonst

Hat dich ein gnädig Schicksal aufgespart

Von deinen Brüdern allen, dich den jüngsten

Gerufen auf den ungehofften Thron.

In deiner sanften Seele hat der Himmel

Den Arzt für alle Wunden sich bereitet,

Die der Parteien Wut dem Lande schlug.

Des Bürgerkrieges Flammen wirst du löschen,

Mir sagts das Herz, den Frieden wirst du pflanzen,

Des Frankenreiches neuer Stifter sein.

KARL.

Nicht ich. Die rauhe sturmbewegte Zeit

Heischt einen kraftbegabtern Steuermann.

Ich hätt ein friedlich Volk beglücken können,

Ein wild empörtes kann ich nicht bezähmen,

Nicht mir die Herzen öffnen mit dem Schwert,

Die sich entfremdet mir in Haß verschließen.

SOREL.

Verblendet ist das Volk, ein Wahn betäubt es,

Doch dieser Taumel wird vorübergehn,

Erwachen wird, nicht fern mehr ist der Tag,

Die Liebe zu dem angestammten König,

Die tief gepflanzt ist in des Franken Brust,

Der alte Haß, die Eifersucht erwachen,

Die beide Völker ewig feindlich trennt;

Den stolzen Sieger stürzt sein eignes Glück.

Darum verlasse nicht mit Übereilung

Den Kampfplatz, ring um jeden Fußbreit Erde,

Wie deine eigne Brust verteidige

Dies Orleans! Laß alle Fähren lieber

Versenken, alle Brücken niederbrennen,

Die über diese Scheide deines Reichs,

Das stygsche Wasser der Loire dich führen.

KARL.

Was ich vermocht, hab ich getan. Ich habe

Mich dargestellt zum ritterlichen Kampf

Um meine Krone. – Man verweigert ihn.

Umsonst verschwend ich meines Volkes Leben,

Und meine Städte sinken in den Staub.

Soll ich gleich jener unnatürlichen Mutter

Mein Kind zerteilen lassen mit dem Schwert?

Nein, daß es lebe, will ich ihm entsagen.

DUNOIS.

Wie Sire? Ist das die Sprache eines Königs?

Gibt man so eine Krone auf? Es setzt

Der Schlechtste deines Volkes Gut und Blut

An seine Meinung, seinen Haß und Liebe,

Partei wird alles, wenn das blutge Zeichen

Des Bürgerkrieges ausgehangen ist.

Der Ackersmann verläßt den Pflug, das Weib

Den Rocken, Kinder, Greise waffnen sich,

Der Bürger zündet seine Stadt, der Landmann

Mit eignen Händen seine Saaten an,

Um dir zu schaden oder wohlzutun

Und seines Herzens Wollen zu behaupten.

Nichts schont er selber und erwartet sich

Nicht Schonung, wenn die Ehre ruft, wenn er

Für seine Götter oder Götzen kämpft.

Drum weg mit diesem weichlichen Mitleiden,

Das einer Königsbrust nicht ziemt. – Laß du

Den Krieg ausrasen, wie er angefangen,

Du hast ihn nicht leichtsinnig selbst entflammt.

Für seinen König muß das Volk sich opfern,

Das ist das Schicksal und Gesetz der Welt.

Der Franke weiß es nicht und wills nicht anders.

Nichtswürdig ist die Nation, die nicht

Ihr Alles freudig setzt an ihre Ehre.

KARL zu den Ratsherren.

Erwartet keinen anderen Bescheid.

Gott schütz euch. Ich kann nicht mehr.

DUNOIS.

Nun so kehre

Der Siegesgott auf ewig dir den Rücken.

Wie du dem väterlichen Reich. Du hast

Dich selbst verlassen, so verlaß ich dich.

Nicht Englands und Burgunds vereinte Macht,

Dich stürzt der eigne Kleinmut von dem Thron.

Die Könige Frankreichs sind geborne Helden,

Du aber bist unkriegerisch gezeugt.

Zu den Ratsherren.

Der König gibt euch auf. Ich aber will

In Orleans, meines Vaters Stadt, mich werfen,

Und unter ihren Trümmern mich begraben.

Er will gehen. Agnes Sorel hält ihn auf.

SOREL zum König.

O laß ihn nicht im Zorne von dir gehn!

Sein Mund spricht rauhe Worte, doch sein Herz

Ist treu wie Gold, es ist derselbe doch,

Der warm dich liebt und oft für dich geblutet.

Kommt, Dunois! Gesteht, daß Euch die Hitze

Des edeln Zorns zu weit geführt – Du aber

Verzeih dem treuen Freund die heftge Rede!

O kommt, kommt! Laßt mich eure Herzen schnell

Vereinigen, eh sich der rasche Zorn

Unlöschbar, der verderbliche, entflammt!

Dunois fixiert den König und scheint eine Antwort zu erwarten.

KARL zu Du Chatel.

Wir gehen über die Loire. Laß mein

Gerät zu Schiffe bringen!

DUNOIS schnell zur Sorel.

Lebet wohl!

Wendet sich schnell und geht, Ratsherren folgen.

SOREL ringt verzweiflungsvoll die Hände.

O wenn er geht, so sind wir ganz verlassen!

– Folgt ihm, La Hire. O sucht ihn zu begütgen.

La Hire geht ab.

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